Bundessozialgericht, Urteil vom 04.12.2014, Az. B 5 AL 1/14 R

5. Senat | REWIS RS 2014, 721

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Arbeitslosenversicherung - Voraussetzung für Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag - Bezug einer Entgeltersatzleistung - Versicherungspflicht nach § 26 Abs 2 Nr 1 SGB 3 nur wegen Bezug von Übergangsgeld während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme - Verfassungsmäßigkeit)


Leitsatz

Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag in der Arbeitslosenversicherung setzt voraus, dass der Antragsteller eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB 3 tatsächlich bezogen hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Pflichtversicherung der Klägerin in der Arbeitslosenversicherung ab dem [X.].

2

Die im Jahre 1953 geborene Klägerin bezog vom [X.] bis 30.6.2009 - unterbrochen durch eine [X.] der Arbeitsunfähigkeit - von der Beklagten Arbeitslosengeld. In der [X.] vom [X.] bis [X.] nahm sie an einer von der [X.] finanzierten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teil und erhielt von dieser Übergangsgeld. Zum [X.] machte sich die Klägerin selbständig.

3

Ihren am 29.6.2010 gestellten Antrag auf Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.9.2010 ab.

4

Die hiergegen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des [X.] vom 22.3.2011). Die Berufung der Klägerin hat das [X.] mit Urteil vom 22.11.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe keine Berechtigung zur Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung gemäß § 28a [X.] zu. Die Voraussetzungen des § 28a [X.] Nr 2 [X.] (in der vom [X.] bis 31.12.2010 geltenden Fassung - aF) seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe nicht unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am [X.] in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ein solches sei durch den Bezug von Übergangsgeld durch die [X.] während der Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht begründet worden. § 26 Abs 2 Nr 1 [X.] begründe ein Versicherungspflichtverhältnis nur für [X.]en des Bezugs von Übergangsgeld während der Teilnahme an einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Auch habe die Klägerin unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keine Entgeltersatzleistung nach dem [X.], sondern vielmehr von der [X.] Übergangsgeld nach dem [X.] bezogen. Ebenso wenig habe die Klägerin unmittelbar vor dem [X.] eine Entgeltersatzleistung iS des [X.] deswegen bezogen, weil sie zu diesem [X.]punkt noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für 54 Kalendertage gehabt habe, welcher durch die Auszahlung des Übergangsgelds durch die [X.] gemäß § 142 Abs 1 Nr 2 [X.] (in der vom 1.1.2005 bis zum [X.] geltenden Fassung) zum Ruhen gekommen sei. Eine Sozialleistung werde nach dem allgemeinen Sprachgebrauch erst dann bezogen, wenn sie tatsächlich zufließe. Dass dieses sprachliche Verständnis auch mit den Vorstellungen des Gesetzgebers übereinstimme, werde im Vergleich mit § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a [X.] (in der bis zum [X.] geltenden Fassung) deutlich. Nach dieser Vorschrift könne die Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit mit einem Gründungszuschuss gefördert werden, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit "einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch" gehabt habe. Wenn der Gesetzgeber demgegenüber in § 28a [X.] Nr 2 [X.] aF für eine Pflichtversicherung auf Antrag den Bezug einer Entgeltersatzleistung nach diesem Buch im unmittelbaren Vorfeld der Selbständigkeit verlange, genüge das bloße Innehaben eines Anspruchs insoweit nicht. Jedenfalls dann, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Bezugs einer anderen Sozialleistung ruhe, könne das bloße Bestehen des Stammrechts die von § 28a [X.] Nr 2 [X.] aF geforderte Nähe zur Versichertengemeinschaft nicht begründen. Denn in diesem Fall bestehe das aus der tatsächlichen Leistungsbeziehung abgeleitete besondere Näheverhältnis allein zu dem anderen Sozialleistungsträger, nicht aber zur Beklagten. Der Senat verkenne nicht, dass das alleinige Abstellen auf den tatsächlichen Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem [X.] in Fällen wie dem der Klägerin zu dem sozialpolitisch zweifelhaften Ergebnis führe, dass eine Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nur durch eine erneute Inanspruchnahme des noch nicht ausgeschöpften Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach Durchlaufen der Rehabilitationsmaßnahme erreicht werden könne. Zulässige Grenze jeder Auslegung sei jedoch der im systematischen Zusammenhang zu interpretierende Wortlaut der jeweiligen Norm. Diese Grenze werde überschritten, wollte man das Bestehen eines ruhenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld genügen lassen. Schließlich handele es sich bei der von dem Träger der Rentenversicherung finanzierten Teilhabeleistung nicht um eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung der Klägerin.

5

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 28a [X.] aF. Das [X.] habe Sinn und Zweck der Vorschrift verkannt. Zum einen habe sie, die Klägerin, unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am [X.] eine Entgeltersatzleistung iS des [X.] bezogen. Hierzu gehörten auch Übergangsgelder bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS von § 116 [X.]. In gleicher Weise führe ihr verbleibender Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 54 Kalendertage zu einer Berechtigung der Weiterversicherung. Schon das Bestehen eines derartigen Anspruchs genüge der von § 28a [X.] aF geforderten Nähe zur Versichertengemeinschaft. Eine derartige Auslegung sei mit dem Wortlaut der Norm vereinbar und zudem nach deren Sinn und Zweck geboten. Dieser gehe dahin, den Verbleib von bestimmten Personen in der Arbeitslosenversicherung zu gewährleisten, bei denen die Voraussetzungen für eine weitere Pflichtversicherung durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht mehr vorlägen. Angesichts dessen könne und müsse der Begriff des Bezugs einer Entgeltersatzleistung iS des § 28a [X.] [X.] aF dahin verstanden werden, dass das Bestehen eines Stammrechts ausreiche. Das [X.] sei zu einem sozialpolitisch zweifelhaften Ergebnis gelangt, wie es selbst einräume.

6
        

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des [X.] vom 22. November 2012 und des Sozialgerichts Köln vom 22. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 6. September 2010 aufzuheben und

        

2.    

festzustellen, dass die Klägerin ab 1. Juli 2010 versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung ist.

7
        

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des [X.] zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin ist nicht ab [X.] in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert.

1. Zutreffend hat die Klägerin die Anfechtungsklage mit der Klage auf Feststellung verbunden, dass für sie ab [X.] Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Da die Versicherungspflicht nach § 28a [X.]B III auf einen Antrag hin kraft Gesetzes eintritt, wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind, bedurfte es der Erhebung einer Verpflichtungsklage nicht (B[X.] Urteil vom [X.] - B 12 [X.] 1/08 R - Juris Rd[X.] 9; B[X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] Rd[X.]2, [X.] Rd[X.]1, [X.] Rd[X.]1 und [X.]). Für die begehrte Feststellung besteht das gemäß § 55 Abs 1 [X.] [X.]G erforderliche Feststellungsinteresse (B[X.] Urteil vom [X.] - B 12 [X.] 1/08 R - Juris Rd[X.] 9 mwN).

2. In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 28a [X.]B III (in der hier maßgeblichen vom [X.] bis 31.12.2010 geltenden Fassung - nachfolgend aF) für eine Weiterversicherung der Klägerin in der Arbeitslosenversicherung liegen nicht vor.

Nach § 28a Abs 1 S 1 [X.] [X.]B III aF können Personen - unter den in [X.] näher umschriebenen Voraussetzungen - auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, wenn sie eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Neben einer fristgebundenen Antragstellung (§ 28a Abs 1 S 3 [X.]B III aF) ist Voraussetzung für die Feststellung der Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a Abs 1 [X.] [X.]B III aF, dass der Antragsteller "innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit … mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat" ([X.]), dass er "unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit …, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat" ([X.]) und dass "Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht" ([X.] 3).

Ob die Klägerin zum [X.] eine selbständige Tätigkeit aufgenommen und ausgeübt hat, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, ist für den erkennenden Senat mangels entsprechender Feststellungen des [X.] nicht beurteilbar. Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, ob die Klägerin einer selbständigen Tätigkeit iS des § 28a Abs 1 S 1 [X.] [X.]B III aF nachgegangen (vgl zu den Voraussetzungen B[X.] Urteil vom [X.] - B 12 [X.] 1/08 R - Juris Rd[X.]5) und ggf in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich tätig geworden ist.

Gleichwohl ist dem Senat eine abschließende Entscheidung möglich. Von den kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen des § 28a Abs 1 [X.] [X.] bis 3 [X.]B III aF liegen jedenfalls die der [X.] nicht vor. Die Klägerin hat unmittelbar vor Aufnahme der behaupteten selbständigen Tätigkeit am [X.] weder in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden (dazu a) noch eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen (dazu b) oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt (dazu c).

a) Die Klägerin hat in der [X.] vom [X.] bis zum [X.] an einer von der [X.] durchgeführten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilgenommen und von dieser Übergangsgeld erhalten. Hierdurch ist kein Versicherungspflichtverhältnis nach dem Ersten Abschnitt des [X.]B III begründet worden. Insbesondere ist keine Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs 2 [X.] [X.]B III eingetreten.

Nach dieser Vorschrift sind - unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen - Personen ua in der [X.] versicherungspflichtig, für die sie von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen. Zwar ist der Wortlaut der Norm nicht ganz eindeutig und könnte vordergründig dahin zu verstehen sein, dass der Betroffene während des Bezugs von Übergangsgeld unabhängig von der Zielrichtung der Maßnahme immer dann versicherungspflichtig ist, wenn die Leistung von einem Träger der medizinischen Rehabilitation - zB einem Rentenversicherungsträger nach dem [X.]B VI - gewährt wird. Wie bereits der 11a. Senat des B[X.] (Beschluss vom 21.3.2007 - [X.]a [X.] 171/06 B - [X.] 4-4300 § 26 [X.] Rd[X.] 7) entschieden hat, ergibt sich aber aus der Systematik des Gesetzes und der Entstehungsgeschichte eindeutig, dass § 26 Abs 2 [X.] [X.]B III ausschließlich [X.]en des Bezugs von Übergangsgeld während der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erfasst. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Nach § 124 Abs 3 [X.] [X.]B III in der ursprünglichen Fassung bzw nach § 124 Abs 3 S 1 [X.]B III (in der vom 1.1.2005 bis 31.3.2012 geltenden Fassung) werden in die Rahmenfrist [X.]en, in denen der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat, nicht eingerechnet. Diese Privilegierung wäre nicht erforderlich, wenn es sich bereits um eine [X.] der Versicherungspflicht handeln würde (vgl § 123 Abs 1 S 1 [X.]B III in der vom [X.] bis 31.3.2012 geltenden Fassung). Zudem enthalten die Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 13/4941 [X.] zu § 26 Abs 2) die eindeutige Aussage, dass [X.]en des Bezugs von Übergangsgeld wegen der Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation nicht als [X.]en eines Versicherungspflichtverhältnisses zu berücksichtigen sind.

b) Die Klägerin hat auch nicht unmittelbar vor Aufnahme der behaupteten selbständigen Tätigkeit eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen. Entgeltersatzleistungen nach dem [X.]B III definierte zum hier maßgeblichen [X.]punkt [X.] abschließend § 116 [X.]B III (in der vom 1.4.2006 bis 31.3.2012 geltenden Fassung - nachfolgend aF) (vgl B[X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] Rd[X.]7 mwN).

aa) Das der Klägerin von der [X.] gezahlte Übergangsgeld während der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben fällt nicht unter diese Vorschrift. Zwar führt § 116 [X.] 3 [X.]B III aF als Entgeltersatzleistung Übergangsgeld bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf. § 116 [X.]B III aF bezieht sich jedoch ausschließlich auf Entgeltersatzleistungen nach dem [X.]B III und stellt insoweit in [X.] 3 allein auf Übergangsgeld iS von § 160 ff [X.]B III (in der vom 30.12.2008 bis 31.3.2012 geltenden Fassung) ab (vgl [X.], [X.]B III, 5. Aufl 2010, § 116). Die Klägerin hat indes Übergangsgeld gemäß § 20 [X.]B VI bezogen.

bb) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 28a Abs 1 [X.] [X.] Altern 2 [X.]B III aF in Anbetracht des von der Klägerin in der [X.] vom 4.2.2008 bis 30.6.2009 bezogenen [X.]es erfüllt. Zwar handelt es sich hierbei gemäß § 116 [X.] [X.]B III aF um eine Entgeltersatzleistung nach diesem Gesetz. Die Klägerin hat [X.] jedoch nicht unmittelbar vor Aufnahme der behaupteten selbständigen Tätigkeit am [X.] bezogen. Der 12. Senat des B[X.] (Urteil vom [X.] [X.] 2/10 R - [X.] 4-4300 § 28a [X.] Rd[X.]2) hat unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 28a [X.]B III und der Gesetzesmaterialien entschieden, dass ein unmittelbarer [X.] iS der Norm nur vorliegt, wenn die Lücke zwischen dem Bezug der Entgeltersatzleistung und der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht mehr als einen Monat beträgt. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Zweck der freiwilligen Weiterversicherung bzw Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a [X.]B III ist es, ua dem Personenkreis der Existenzgründer - ausnahmsweise - den Verbleib in der Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, indem ihnen die Option geboten wird, ihren Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten (B[X.] aaO Rd[X.]8 mit Verweis auf BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0). Dabei sollten gerade die "geforderten Vorversicherungszeiten und Anknüpfungstatbestände gewährleisten, dass von dem Privileg der Versicherungsberechtigung nur Personen profitieren, die der Versichertengemeinschaft bereits in der Vergangenheit angehört haben" (BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0 Abs 1). Dies zeigt, dass nur Personen mit einer besonders engen Beziehung zur Arbeitslosenversicherung in der dargestellten Weise begünstigt werden sollten (B[X.] aaO Rd[X.]8). Der Kreis der durch die Antragspflichtversicherung nach § 28a [X.]B III begünstigten Personen ist danach eng zu ziehen (B[X.] aaO Rd[X.]2). Dementsprechend heißt es in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich, dass ein unmittelbarer [X.] iS der Regelung nur vorliegt, "wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat beträgt" (BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0 Abs 1; zustimmend [X.] in Eicher/[X.], [X.]B III nF, § 28a Rd[X.] 72, Stand Dezember 2013; Wagner in GK-[X.]B III, § 28a Rd[X.]8, Stand März 2011; wohl auch [X.] in [X.]/[X.] ua, LPK-[X.]B III, 2008, § 28a Rd[X.] 9). Dieser [X.]raum ist im Fall der Klägerin deutlich überschritten.

cc) Die Klägerin hat auch nicht deswegen unmittelbar vor dem [X.] eine Entgeltersatzleistung nach dem [X.]B III bezogen, weil sie nach den Feststellungen des [X.] noch einen Anspruch auf [X.] für 54 Kalendertage hatte, der während des Bezugs von Übergangsgeld in der [X.] vom [X.] bis [X.] gemäß § 142 Abs 1 [X.] [X.]B III (in der vom 1.1.2005 bis 31.3.2012 geltenden Fassung) ruhte (so auch [X.] in [X.]/Schmidt-de Caluwe/[X.], [X.]B III, 5. Aufl 2013, § 28a Rd[X.]7; [X.], BeckOK [X.]B III, § 28a Rd[X.]2, Stand 1.3.2013; [X.], [X.]B III, 6. Aufl 2012, § 28a Rd[X.]a; [X.] aaO § 28a Rd[X.] 71; [X.]/[X.], [X.]B III, § 28a Rd[X.]1, Stand 1/14).

(1) Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm.

Der 11. Senat des B[X.] hat in seiner Entscheidung vom 29.10.2008 ([X.] [X.] 13/07 R - [X.] 4-4300 § 124 [X.] Rd[X.]5) zu § 124 Abs 3 S 1 [X.] [X.]B III (in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung) ausgeführt, der Begriff "Bezug" der Leistung erfordere einen tatsächlichen Bezug (so auch Urteil des 11a. Senats vom 21.3.2007 - [X.]a [X.] 11/06 R - [X.] 4-4300 § 57 [X.] Rd[X.]2 und 13 zu § 57 [X.]B III). Der Wortlaut des Gesetzes sei insoweit eindeutig und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Dem schließt sich der erkennende Senat im Rahmen der Auslegung des § 28a [X.]B III, der Nachfolgeregelung von § 124 Abs 3 [X.]B III (vgl BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0), an.

Der Begriff "Bezug" einer Leistung ist schon nach seinem allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig und bedeutet, eine Leistung erhalten (vgl [X.], 4. Aufl 2010, [X.]19 Begriff "beziehen" [X.]).

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Begriff "Bezug" in § 28a [X.]B III in einem anderen Sinn verwandt haben könnte. Vielmehr zeigt - worauf das [X.] zu Recht hinweist - die in § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.]B III aF normierte Voraussetzung "Entgeltersatzleistung … bezogen" im Vergleich zu der in § 57 Abs 2 S 1 [X.]a [X.]B III (in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung) für den Gründungszuschuss normierten Voraussetzung "Anspruch auf Entgeltersatzleistungen", dass der Gesetzgeber zwischen dem Anspruch als solchem und dessen Realisierung unterscheidet.

Ebenso wenig spricht für einen anderen Wortsinn, dass die Rechtsprechung des B[X.] zu anderen, gleichfalls auf den Leistungsbezug abstellenden Vorschriften einen realisierbaren Anspruch (vgl zu § 105b [X.] B[X.] [X.] 4100 § 105b [X.] [X.] 3 und 6; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 59/01 R - Juris und zu § 126 [X.]B III B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 28/01 R - Juris) oder sogar ruhenden Anspruch (B[X.] [X.] 3-4100 § 55a [X.] zu § 55a [X.]) als ausreichend angesehen hat. § 28a [X.]B III ist mit Wirkung vom [X.] durch Art 1 [X.]0 und Art 124 Abs 4 des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848) eingefügt und seitdem mehrfach, zuletzt durch Art 2 des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vom 23.10.2012 ([X.] 2246) geändert worden. Bereits im [X.] hatte der 11. Senat des B[X.] (Urteil vom 29.10.2008 - [X.] [X.] 13/07 R - [X.] 4-4300 § 124 [X.]) zu § 124 Abs 3 [X.]B III, der Vorgängerregelung des § 28a [X.]B III, klargestellt, dass der Begriff "Bezug" einen tatsächlichen Zufluss der Leistung erfordere und der Wortlaut des Gesetzes insoweit eindeutig sei. Hätte der Gesetzgeber § 28a [X.]B III einen anderen Sinngehalt beilegen wollen, wäre davon auszugehen, dass er die Vorschrift entsprechend geändert hätte.

(2) Ebenso wenig spricht Sinn und Zweck der Norm für ein anderes Verständnis. Wie bereits oben dargelegt (vgl [X.] [X.]) gebietet dieser vielmehr, den Kreis der durch die Antragspflichtversicherung nach § 28a [X.]B III begünstigten Personen eng zu ziehen.

(3) Die hier vertretene Auslegung des § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.]B III aF verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl [X.] 1, 14, 52; 98, 365, 385; 113, 167, 214 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 83 - stRspr). Art 3 Abs 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder ein sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl [X.] 1, 14, 52; 113, 167, 214 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 83 - stRspr). Dabei ist im Bereich der Sozialversicherung einerseits die hohe Bedeutung ihrer Funktionsfähigkeit sowie ihrer finanziellen Stabilität für das gemeine Wohl und andererseits die diesbezüglich gegebene weitgehende sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu beachten (vgl [X.] 113, 167, 215 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 84).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz durch die Begrenzung der Versicherungsberechtigung auf unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit im Leistungsbezug stehende Personen nicht feststellen. Dem geltenden Recht ist eine allgemeine Versicherungsberechtigung aller Selbständigen in der Arbeitslosenversicherung fremd (vgl B[X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] Rd[X.]2) und die Einbeziehung dieses Personenkreises mit Risiken für die Arbeitslosenversicherung verbunden (vgl BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0 Abs 2). Dass der in der sozialpolitischen Gestaltung weitgehend freie Gesetzgeber vor diesem Hintergrund nur Personen mit einer besonders engen Beziehung zur Arbeitslosenversicherung, manifestiert durch den Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem [X.]B III unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (vgl auch B[X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] Rd[X.]8), das Privileg einer Versicherungsberechtigung gewährt hat, ist sachlich einleuchtend und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

(4) Ob dieses Ergebnis sozialpolitisch wünschenswert ist oder nicht, ist für die Auslegung des § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.]B III aF ohne Bedeutung. Zwar gehört es zu den Aufgaben der [X.], das Recht fortzuentwickeln. Dieser Befugnis sind jedoch mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs 3 GG) Grenzen gesetzt. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des [X.], keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein ([X.] NJW 2011, 836 Textziffer 53 mwN).

c) Die Klägerin hat schließlich unmittelbar vor Aufnahme der behaupteten selbständigen Tätigkeit am [X.] auch keine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt, sondern vielmehr an einer von der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben teilgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 [X.]G.

Meta

B 5 AL 1/14 R

04.12.2014

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Köln, 22. März 2011, Az: S 24 AL 820/10, Urteil

§ 26 Abs 2 Nr 1 SGB 3 vom 19.11.2004, § 28a Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 3 vom 28.05.2008, § 116 Nr 3 SGB 3 vom 19.06.2001, § 20 SGB 6, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 04.12.2014, Az. B 5 AL 1/14 R (REWIS RS 2014, 721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 721

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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