Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2023, Az. 5 StR 78/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1914

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln als Strafschärfungsgrund


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. Oktober 2022, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten B.     wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zudem hat es [X.] getroffen. Die auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel der Angeklagten führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Strafausspruch weist auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabs ([X.], Urteile vom 2. Juni 2021 – 3 StR 21/21 Rn. 54; vom 27. Januar 2016 – 5 [X.], [X.], 105, 106) Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

3

Das [X.] hat bei der [X.] für beide Angeklagte einen strafschärfenden Umstand darin gesehen, dass ein Großteil der gehandelten Betäubungsmittel in den Verkehr gelangt sei. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, weil es zum Normalfall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehört, dass sie in den Verkehr gelangen. Diese Tatsache ist deshalb kein Strafschärfungsgrund. Im Gegenteil stellt die Sicherstellung zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmter Betäubungsmittel einen Strafmilderungsgrund dar. Das [X.] hat mithin das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes (Sicherstellung der gehandelten Betäubungsmittel) strafschärfend gewertet (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 3. August 2022 – 5 [X.] Rn. 10; Beschluss vom 5. Februar 2020 – 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146, 147).

4

Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Zwar hat die [X.] in unmittelbarer Konsequenz ihrer Würdigung zugunsten beider Angeklagter jeweils einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen. Zudem hat sie einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG – mit der Folge einer Sperrwirkung der in § 29a Abs. 1 BtMG vorgesehenen Mindeststrafdrohung – bei beiden Angeklagten allein mit Blick auf den Umfang der [X.] an Betäubungsmitteln verneint. Innerhalb des so bestimmten Strafrahmens hat das [X.] jedoch bei Zumessung der Einzelstrafen jeweils „die vorbezeichneten [X.] noch einmal miteinander abgewogen“ und somit die rechtsfehlerhafte Erwägung zum Nachteil der Angeklagten auch dort zugrunde gelegt.

5

Beim Angeklagten [X.]      kommt hinzu, dass die [X.] eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 31 BtMG vorgenommen hat, ohne zuvor zu prüfen, ob die diesem vertypten [X.] zugrunde liegenden Umstände einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG begründen können. Erst nach Verneinung dieser Möglichkeit hätte der konkreten Strafzumessung der (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten [X.]es gemilderte Regelstrafrahmen zugrunde gelegt werden dürfen (st. Rspr.; siehe nur [X.], Beschlüsse vom 16. November 2022 – 3 StR 371/22; vom 15. November 2022 – 3 [X.], NStZ-RR 2023, 51, 52).

6

Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

Cirener     

  

Köhler     

  

Resch

  

von Häfen     

  

Werner     

  

Meta

5 StR 78/23

11.04.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kiel, 5. Oktober 2022, Az: 5 KLs 593 Js 29935/21

§ 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 2 BtMG, § 49 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2023, Az. 5 StR 78/23 (REWIS RS 2023, 1914)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1914

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 340/22 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Strafzumessung und minder schwerer Fall bei …


5 StR 2/21 (Bundesgerichtshof)

Strafurteil wegen Betäubungsmitteldelikten: Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bei der Strafrahmenwahl bei Bestrafung der Beihilfe zum …


2 StR 270/22 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge: Prüfungsreihenfolge bei minder schwerem Fall


4 StR 597/19 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikten: Prüfungsreihenfolge bei minder schwerem Fall und gesetzlich vertyptem Milderungsgrund


2 StR 246/19 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Konkurrenzverhältnis bei Überscheiden mehrerer Tatausführungshandlungen


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.