Bundessozialgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. B 14 AS 10/09 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 3951

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Sonderbedarf - Erstausstattung für die Wohnung - Antragserfordernis - selbstbeschaffte Wohnungsausstattung - Geldleistung - Ermessensreduzierung - verfassungskonforme Auslegung - sozialgerichtliches Verfahren - statthafte Klageart - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage - Kostenerstattungsanspruch anstatt Sachleistungsanspruch


Leitsatz

Dem Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine Erstausstattung der Wohnung kann nicht entgegengehalten werden, dass diese bereits beschafft wurde, wenn das Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers hinsichtlich des "Wie" der Leistungserbringung auf Null reduziert ist, weil er die Erstausstattung immer als Geldleistung erbringt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 17. April 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Träger der [X.]rundsicherung für Arbeitsuchende die Übernahme von Kosten für die von ihm selbst beschafften [X.]egenstände der Erstausstattung seiner Wohnung.

2

Der 1963 geborene Kläger hatte zuletzt in [X.] gelebt und wollte zurück nach [X.] ziehen, wo auch seine Eltern wohnen. Er mietete mit Mietvertrag vom [X.] ab dem 19.9.2005 eine Wohnung in [X.] an. Am 26.9.2005 stellte er, vertreten durch seine Mutter, einen formlosen Antrag auf [X.]eistungen nach dem [X.] (S[X.]B II). Am 27.10.2005 sprach der Kläger selbst bei dem Beklagten vor und reichte die ausgefüllten Antragsformulare sowie diverse Anlagen ein. Außerdem beantragte er am selben Tag mündlich eine Erstausstattung für seine Wohnung. Ihm wurde ein Antragsformular "ohne Förderzusage" ausgegeben. Den ausgefüllten Antrag auf [X.]eistungen für die Erstausstattung seiner Wohnung reichte der Kläger am 1.11.2005 bei dem Beklagten ein. Zur Begründung führte er im Antragsformular aus, er sei aus gesundheitlichen [X.]ründen von [X.] nach [X.] zurückgekehrt. In [X.] habe er in [X.] in einer Pension gewohnt. Dem Antrag fügte der Kläger eine vom 30.10.2005 datierende Bestätigung seines Vermieters in [X.] bei, die besagte, dass der Kläger keine Möbel mitgebracht oder mitgenommen habe und die dortigen Fremdenzimmer möbliert seien.

3

Auf [X.]rund seines [X.]eistungsantrags vom 27.10.2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 8.11.2005 [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem S[X.]B II für den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006. Am 30.11.2005 führte ein Mitarbeiter des Beklagten einen Hausbesuch bei dem Kläger durch und stellte fest, dass eine komplette Wohnungseinrichtung vorhanden war und keine zusätzlichen Ausstattungsgegenstände erforderlich seien. Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13.12.2005 den Antrag auf Erstausstattung ab, weil eine [X.]rundausstattung an Möbeln und Haushaltsgeräten bereits vorhanden gewesen sei.

4

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und trug vor, er habe aus gesundheitlichen [X.]ründen nicht in einer leeren Wohnung wohnen und auf dem Fußboden schlafen können, weshalb seine Eltern ihm das [X.]eld für die Beschaffung des notwendigen Mobiliars und der Haushaltsgeräte geliehen hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom [X.] wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger sei nicht hilfebedürftig, weil die Eltern nicht nur die Erstausstattung, sondern eine komplett eingerichtete Wohnung finanziert hätten. Es werde aber angeboten, dem Kläger zur Tilgung der Schulden bei seinen Eltern ein Darlehen zu gewähren, das durch Einbehaltung eines Betrags in Höhe von 10 Prozent der Regelleistung zurückgezahlt werden solle. Ein Anspruch auf Beihilfe zur Erstausstattung bestehe bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht.

5

Am 2.6.2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (S[X.]) erhoben und zur Begründung vorgetragen, es bestehe ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Erstausstattung der Wohnung ungeachtet der Tatsache, dass er unter Zuhilfenahme eines Darlehens seiner Eltern in Höhe von 1455 Euro die Einrichtungsgegenstände selbst beschafft habe, weil erstmalig ein völlig neuer Haushalt gegründet worden sei. Das S[X.] hat die Klage mit [X.]erichtsbescheid vom [X.] abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Einrichtung der Wohnung bereits am 27.10.2005 komplett gewesen und damit das Erfordernis der vorherigen Antragstellunggemäß § 37 Abs 2 Satz 1 S[X.]B II nicht gewahrt gewesen sei.

6

Auf die Berufung des [X.] hat das [X.]andessozialgericht ([X.]S[X.]) mit Urteil vom 17.4.2008 den [X.]erichtsbescheid des S[X.] geändert und den Beklagten unter Änderung seiner Bescheide verurteilt, über den Antrag des [X.] auf Bewilligung einer Beihilfe zur Erstausstattung seiner Wohnung insoweit erneut zu entscheiden, als nach dem 27.10.2005 Aufwendungen für einen Spiegelschrank, einen Rollwagen, einen Schuhschrank und einen Tisch entstanden sind. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, der Beklagte sei wegen des [X.] nach § 37 Abs 1 und 2 S[X.]B II nicht zur Erbringung der begehrten [X.]eistungen verpflichtet, soweit die entsprechenden [X.]egenstände vor dem 27.10.2005 angeschafft worden seien. Es sei vorliegend nicht auf den formlos gestellten Antrag auf [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts vom 26.9.2005 abzustellen, sondern maßgeblich für die Antragstellung sei der 27.10.2005. Der Antrag vom 26.9.2005 könne nach dem [X.] nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch [X.]eistungen zur Wohnungserstausstattung [X.] werden sollten. Solche [X.]eistungen seien bei einem Antrag auf laufende [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts erkennbar nicht mit inbegriffen. Der Antrag vom 27.10.2005 wirke ex nunc, sodass eine rückwirkende [X.]eistungserbringung nicht erfolgen könne. Eine frühere Antragstellung sei dem Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Umstände auch möglich gewesen. Die in Bezug auf zahlreiche Ausstattungsgegenstände verspätete Antragstellung sei auch nicht auf eine Fehlberatung durch den Beklagten zurückzuführen, weshalb für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kein Raum verbleibe. Die erst nach Antragstellung noch angeschafften [X.]egenstände seien dagegen vom Beklagten zu berücksichtigen, denn der Begriff der Erstausstattung sei weit auszulegen. Auch wirke sich die zwischenzeitlich erfolgte Bedarfsdeckung nach Antragstellung nicht anspruchsvernichtend aus, zumindest nicht in Fällen wie dem vorliegenden. Dem Kläger sei ein längeres Zuwarten auf die Entscheidung über die Erstausstattung aus gesundheitlichen [X.]ründen nicht zumutbar gewesen und der [X.]eistungsträger habe bereits darauf hingewiesen, dass die Entscheidung wohl negativ ausfallen werde. Im Übrigen sei nach den Angaben der Mutter des [X.] davon auszugehen, dass dieser die Aufwendungen im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten in Teilbeträgen an die Eltern zurückzahlen müsse, was nach den finanziellen und [X.] Verhältnissen der Eltern auch glaubhaft sei.

7

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 37 S[X.]B II. Der Antrag auf [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem S[X.]B II erfasse sowohl die Regelleistung als auch die Erbringung von abweichenden [X.]eistungen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der Systematik des [X.]esetzes. Er habe daher mit seinem Antrag vom 26.9.2005 einen umfassenden Antrag auf Sozialleistungen gestellt, mithin auch auf solche, die nicht ausdrücklich im Antragsformular genannt seien. Daher sei auch ein Antrag auf Wohnungserstausstattung mitumfasst gewesen.

8

Der Kläger beantragt,

9

1. das Urteil des Sächsischen [X.]andessozialgerichts vom 17. April 2008 zu ändern und

    den [X.]erichtsbescheid des [X.] vom 25. Juni 2007 sowie den

    Bescheid des Beklagten vom 13. Dezember 2005 in der [X.]estalt des

    Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 2006 aufzuheben, und

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm die Kosten für den Erwerb der Erstausstattung

    seiner Wohnung - abzüglich der bereits vom [X.]andessozialgericht zugesprochenen

    [X.]egenstände - zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Er hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ) .

1. Streitgegenstand ist hier allein die begehrte Übernahme von Kosten für die vom Kläger selbst angeschafften Gegenstände zur Erstausstattung seiner Wohnung. Bei den Ansprüchen auf Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] handelt es sich um eigenständige, abtrennbare Streitgegenstände, über die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden kann (vgl [X.], 268 = [X.]-4200 § 23 [X.], jeweils Rd[X.]2 und [X.] [X.]-4200 § 23 [X.] RdNr 9) . Aus diesem Grund bedurfte es vorliegend keiner Überprüfung, ob die im Übrigen gewährten [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts der Höhe nach richtig bemessen waren, denn dies steht nicht im Streit. Der Bewilligungsbescheid des [X.]n vom 8.11.2005 ist vielmehr bestandskräftig geworden.

Die richtige Klageart für das somit zulässigerweise auf die Erstattung von Kosten für bereits angeschaffte Einrichtungsgegenstände beschränkte Begehren des [X.] ist die kombinierte Anfechtungs- und [X.]eistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) . Zwar ist bei Streitigkeiten um eine Erstausstattung einer Wohnung im Regelfall - bei noch nicht erfolgter Selbstbeschaffung der Einrichtung durch den [X.]eistungsempfänger - die sog [X.](§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) die statthafte [X.](vgl Urteil des [X.]s vom 20.8.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.]8, der Rechtsprechung des 4. [X.]s des [X.] <[X.]> folgend, vgl Urteil vom [X.] - B 4 AS 77/08 R - [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.]0) . Dies folgt daraus, dass nach der gesetzlichen Systematik der Hilfebedürftige zunächst gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] einen unbedingten Rechtsanspruch auf die Erstausstattung - das "Ob" der [X.]eistung - hat, während anschließend das "Wie" der [X.]eistungserbringung nach § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] im pflichtgemäßen Auswahlermessen des [X.] steht (vgl [X.] [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.]9) . [X.] sich - wie im vorliegenden Fall - der Hilfebedürftige die Gegenstände für seine Wohnungseinrichtung dagegen selbst, bevor der Grundsicherungsträger über die Art und Weise der [X.]eistungsgewährung entschieden hat, so schneidet er dessen Auswahlermessen ab. Dieser kann im Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] den [X.]eistungsempfänger schon rein tatsächlich nicht mehr etwa auf ein eigenes Möbellager oder die Ausgabe von Gutscheinen für bestimmte Möbelhäuser verweisen. Das Begehren des Hilfebedürftigen kann sich wegen der erfolgten eigenmächtigen Beschaffung der Erstausstattung in der Sache nunmehr ausschließlich auf eine Geldleistung richten, die allein im Wege der Anfechtungs- und [X.]eistungsklage zu verfolgen ist. Für eine gerichtliche Klärung eines Sachleistungsanspruchs iS des § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr.

2. Grundlage auch für den geltend gemachten Zahlungsanspruch des [X.] ist § 23 Abs 3 Satz 1 [X.], wonach [X.]eistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst sind. Sie werden nur bei Vorliegen eines Antrags auf [X.]eistungen nach dem [X.](dazu unter a), gemäß § 23 Abs 3 Satz 2 [X.] aber gesondert erbracht. Nur wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] vorliegen, ist ein Anspruch überhaupt denkbar (dazu unter b) . Der nur noch auf eine Geldleistung gerichtete Zahlungsanspruch des [X.] kann aber nur dann Erfolg haben, wenn das Auswahlermessen des [X.]n im Anwendungsbereich des § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] auf Null geschrumpft ist, mithin bei der Entscheidung über das "Wie" der Erstausstattung nur eine Entscheidung, nämlich die Gewährung von Geldleistungen in Betracht kommt (dazu unter c) .

a) Der Anspruch des [X.] auf Übernahme der Kosten für die selbst angeschaffte Erstausstattung der Wohnung scheitert jedenfalls nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits mit seinem am 26.9.2005 geäußerten Begehren, [X.]eistungen nach dem [X.] erhalten zu wollen, auch einen Antrag auf Erstausstattung gestellt hat.

Gemäß § 37 Abs 1 [X.] werden [X.]eistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 [X.] ist eine [X.]eistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung ausgeschlossen. Diese Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle [X.]eistungen der Grundsicherung (vgl [X.] in Eicher/Spellbrink, [X.], 2. Aufl 2008, § 37 Rd[X.]). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis mit der Folge, dass [X.]eistungen immer erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 [X.]; Urteile des [X.]s vom 30.7.2008 - [X.] AS 26/07 R - [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.]3 und vom [X.] - [X.] AS 13/08 R - [X.]-4200 § 22 [X.]2) . Der Antrag nach dem [X.] ist eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen etwas anderes ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden ([X.] vom 28.10.2009 - [X.] AS 56/08 R - [X.]-4200 § 37 [X.] Rd[X.]4) .

Danach ist durch Auslegung das Begehren eines Antragstellers zu ermitteln. Bringt dieser zum Ausdruck, dass er [X.]eistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt, so ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Wie der [X.] bereits entschieden hat, sind als beantragt alle [X.]eistungen anzusehen, die nach [X.]age des Falls ernsthaft in Betracht kommen (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des [X.]s vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - sowie [X.] in Eicher/ Spellbrink, aaO, § 37 Rd[X.]; Striebinger in Gagel, [X.]/[X.]I, Stand Juli 2010, § 37 [X.] RdNr 34). Wird mit einem Antrag ein Hilfebedarf nach dem [X.] geltend gemacht, so sind damit alle [X.]eistungen umfasst, die der Sicherung des [X.]ebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeldes II dienen, also regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels [X.] genannten [X.]eistungen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den in § 23 Abs 3 [X.] genannten [X.]eistungen um einmalige Sonderbedarfe handelt (vgl dazu [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 23 Rd[X.]4, Stand Mai 2010). So wird einerseits gewährleistet, dass ein Hilfebedürftiger alle ihm zustehenden [X.]eistungen auch tatsächlich erhält, ohne dass er von vornherein alle denkbaren Möglichkeiten eingeplant haben muss, andererseits ergeben sich aber auch Vereinfachungseffekte bei dem Träger, der bei Prüfung der [X.]eistungen auf einen einheitlichen Zeitpunkt abstellen kann und bei zeitlichen Verzögerungen der Streit ausgespart bleibt, ob ggf eine notwendige Beratung nicht oder nicht in dem notwendigen Umfang stattgefunden hat. Der Antrag ist auch bei dem zuständigen Träger gemäß § 36 [X.] gestellt worden.

b) Es kann vom [X.] allerdings nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Beschaffung der Einrichtungsgegenstände überhaupt ein Rechtsanspruch auf eine Erstausstattung gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] zustand. Ohne einen solchen Rechtsanspruch dem Grunde nach bestünde ohnehin kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die selbst angeschafften Gegenstände.

Der [X.] hat bereits entschieden, dass der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] wie alle [X.]eistungen des [X.] bedarfsbezogen zu verstehen ist ([X.], 268 = [X.]-4200 § 23 [X.], jeweils Rd[X.]9; [X.] [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.]4) . Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der Erstausstattung ist, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel oder andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. [X.]eistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden [X.]ebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen ([X.] aaO mwN) . Das [X.] wird daher zunächst zu klären haben, ob bei dem Kläger überhaupt ein Bedarf für eine Erstausstattung bestand und wann dieser entstanden ist. Weiterhin wird festzustellen sein, welche konkreten Einrichtungsgegenstände vom Kläger beschafft wurden und ob es sich bei den erworbenen Möbelstücken und wohnraumbezogenen Gegenständen um solche der Erstausstattung iS von § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] gehandelt hat. Da der Kläger vor dem Umzug nach [X.] in einem möblierten Pensionszimmer gewohnt hat, spricht hier viel dafür, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Erstausstattung bestand.

Auf Grund der Feststellungen des [X.] ist auch davon auszugehen, dass die Hilfebedürftigkeit des [X.] nicht dadurch entfallen ist, dass er Geld von seinen Eltern für die Beschaffung der Wohnungseinrichtung erhalten hat. Das [X.] hat insofern unangegriffen festgestellt (§ 163 SGG) , dass der Kläger die Einrichtungsgegenstände mit einem durch die Eltern gegebenen Darlehen finanziert hat. Der [X.] hat bereits entschieden, dass Darlehen unter Verwandten nicht als zu berücksichtigendes Einkommen iS des § 11 [X.] anzusehen sind, wenn es sich (zivil-)rechtlich um Darlehen handelt und der Darlehensnehmer einer ernsthaften Rückforderungsverpflichtung ausgesetzt ist (Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/09 R -). Diese ernsthafte Rückforderungsverpflichtung ist vom [X.] festgestellt worden (§ 163 SGG).

c) [X.]iegt der Bedarf für eine Erstausstattung vor und ist dessen Umfang festgestellt, so ist nach der Gesetzessystematik des § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] das Auswahlermessen des [X.]n dahingehend zu betätigen, ob die [X.]eistung als Geld- oder Sachleistung erbracht werden soll. Dies ist - wie bereits betont - durch die faktische Beschaffung der Einrichtungsgegenstände nicht mehr möglich. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Geldleistung scheitert mithin dann, wenn keine Gesichtspunkte vorliegen, die das Ermessen des [X.]n im Sinne einer "Ermessensreduktion auf Null" einschränken, denn nur dann, wenn der [X.] im Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] ohnehin nur Geldleistungen erbringt, spielt es keine Rolle, dass ihm durch die Beschaffung der Einrichtungsgegenstände die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung genommen wurde. Das [X.] wird also zu prüfen haben, ob zum Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs (irgendwann im Oktober?) dieser Bedarf des [X.] auf Erstausstattung vom [X.]n auch anders als durch Geldleistungen hätte abgedeckt werden können bzw ob der [X.] [X.]eistungen der Erstausstattung überhaupt anders als in Form von Geldleistungen erbringt. Wird festgestellt, dass der [X.] generell nur durch Geldleistungen (ggf in pauschalierter Höhe) seinen [X.]eistungsverpflichtungen nachkommt, wäre folglich auch gegenüber einem [X.]eistungsberechtigten, der sich die [X.]eistung selbst beschafft hat, nur eine Auswahlentscheidung richtig, nämlich die Gewährung der Erstausstattung als Geldleistung. Hierzu wird das [X.] Feststellungen über vorliegende Verwaltungsrichtlinien oder eine ständige Übung des [X.]n zu treffen haben. Bestehen solche verwaltungsinterne Regelungen, mit denen sich der [X.] in Richtung auf die Gewährung von "Geld" bindet, könnte er nicht ohne [X.], insbesondere nicht ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz), zu einer Ablehnung der [X.]eistung als Geldleistung gelangen (vgl für eine ähnliche Konstellation [X.]E 85, 75, 83 = [X.] 3-3610 § 27 [X.]) . Sollte in diesem Zusammenhang festgestellt werden, dass im [X.]eistungsbereich des [X.]n für die Erstausstattungen stets Geldleistungen in Form von Pauschalen erbracht werden, so wäre in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob diese Pauschalen den in § 23 Abs 3 Satz 5 iVm Satz 6 [X.] genannten Anforderungen genügen. Insbesondere wäre dann zu untersuchen, ob die Pauschalen auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhen, denn auch die Festsetzung der Höhe der Pauschalen unterliegt der richterlichen Kontrolle (vgl bereits [X.] [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.]0 f). Es muss dem Hilfebedürftigen möglich sein, mit dem gewährten Betrag seinen Bedarf auf Erstausstattung (allerdings in einem unteren Segment des [X.]) in vollem Umfang zu befriedigen. Die Gewährung von Pauschalbeträgen führt nicht zu einer Verkürzung des [X.]eistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch Sachleistung oder der individuell bestimmten Geldleistung.

3. Besteht im Ergebnis ein [X.]eistungsanspruch auf Geld unmittelbar aus § 23 Abs 3 [X.] nicht, wird das [X.] im Hinblick auf die vom Kläger selbst beschafften [X.]eistungen (hilfsweise) einen Kostenerstattungsanspruch zu prüfen haben. Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) sowie im Falle rechtswidriger [X.]eistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl bereits [X.]E 89, 50, 56 f = [X.] 3-3300 § 12 [X.] S 8 = Juris RdNr 36; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12) . [X.]iegen die Voraussetzungen vor, wandelt sich auch im Anwendungsbereich des [X.] ein Sachleistungsanspruch in einen auf Geld gerichteten Kostenerstattungsanspruch um (vgl [X.] vom 17.6.2010 - [X.] [X.]/09 R; vgl auch Urteil vom 19.8.2010 - [X.] [X.]/09 R). Ein solcher setzt allerdings in den Fällen des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] im Grundsatz voraus, dass der Träger der Grundsicherung vor Inanspruchnahme einer vom Hilfebedürftigen selbst beschafften [X.]eistung bei Entstehen des konkreten Bedarfs mit dem [X.]eistungsbegehren in der Sache befasst wurde. Nur dann ist es dem Träger möglich, sein Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Eine Kostenerstattung kommt damit grundsätzlich erst bei Selbstbeschaffung einer [X.]eistung nach einer rechtswidrigen [X.]eistungsablehnung in Betracht. Im vorliegenden Fall könnte allerdings nach den bisherigen Feststellungen des [X.] davon auszugehen sein, dass der Kläger sich in einer Notsituation befand und möglicherweise einen ablehnenden [X.]eistungsbescheid hinsichtlich seines Antrags auf Kostenübernahme für die Erstausstattung seiner Wohnung nicht abzuwarten brauchte. Auch hierzu wird das [X.] ggf noch weitere Feststellungen zu treffen haben.

Schließlich wird das [X.] auch über die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 10/09 R

19.08.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dresden, 25. Juni 2007, Az: S 28 AS 890/06, Gerichtsbescheid

§ 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2, § 23 Abs 3 S 2 SGB 2, § 23 Abs 3 S 5 SGB 2, § 23 Abs 3 S 6 SGB 2, § 37 Abs 1 SGB 2, § 37 Abs 2 S 1 SGB 2, § 54 Abs 1 S 1 SGG, § 54 Abs 4 SGG, § 130 BGB, §§ 130ff BGB, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. B 14 AS 10/09 R (REWIS RS 2010, 3951)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3951

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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