Bundessozialgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. B 14 AS 36/09 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 3931

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Sonderbedarf - Wohnungserstausstattung - selbstbeschaffte Wohnungseinrichtung - Geldleistung - Ermessensreduzierung - Kostenerstattungsanspruch anstatt Sachleistungsanspruch


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 13. Oktober 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende 1329 Euro als Kosten für die Erstausstattung seiner Wohnung.

2

Der 1950 geborene Kläger lebte in [X.] und bezog zuletzt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) von dem örtlich zuständigen Träger der Grundsicherung. Er löste seine dortige Wohnung im Januar 2005 auf und vernichtete dabei das bis dahin genutzte Mobiliar, weil es nach seinen Angaben wegen [X.] und altersbedingt nicht mehr zu gebrauchen gewesen sei. Vom [X.] bis zum [X.] befand er sich wegen einer Alkoholerkrankung in einer Rehabilitationsmaßnahme. Während dieser [X.] meldete er sich bei der [X.] als wohnhaft in der Wohnung seiner Mutter in [X.] (rund 230 km von [X.] entfernt). Unter anderem für die [X.] vom 1.8.2005 bis zum 31.1.2006 gewährte die Beklagte ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] (Bescheid vom 18.7.2005 und [X.] vom 30.8.2005 und vom 28.9.2005 für die [X.] ab 1.10.2005).

3

Am [X.] teilte der Kläger bei der [X.] mit, er habe am [X.] eine eigene Wohnung in [X.] angemietet, die er zum 1.10.2005 beziehen werde. Er besitze kein eigenes [X.] und beantrage daher die Gewährung einer Erstausstattung. Er kaufte am [X.] und am 30.8.2005 Möbel im Wert von insgesamt 1329 Euro, nachdem ihm seine Mutter hierfür ein entsprechendes Darlehen gewährt hatte. Der Antrag auf Gewährung einer Erstausstattung blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 24.10.2005; Widerspruchsbescheid vom 21.4.2006).

4

Das hiergegen angerufene Sozialgericht ([X.]) Leipzig hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen [X.] und die Beklagte sodann mit Urteil vom [X.] antragsgemäß zur Zahlung von Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung in Höhe von 1329 Euro verurteilt.

5

Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] ([X.]) das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seines Urteils vom 13.10.2008 hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.] lägen nicht vor, denn es habe sich lediglich um eine Ersatzanschaffung von [X.] gehandelt. Eine Ersatzbeschaffung liege in Abgrenzung zur Erstausstattung vor, wenn der Bedarf allein auf eine übliche Abnutzung oder andere Umstände, die vom Berechtigten beeinflussbar seien, zurückzuführen sei. Die Möbel in der früheren Wohnung, die vom Kläger entsorgt worden seien, seien nach seinem eigenen Vortrag wegen Abnutzung sowie [X.] nicht mehr zu nutzen gewesen. Dass der Schimmelbefall einen nicht vom Kläger zu beeinflussenden Umstand dargestellt habe, sei nicht nachgewiesen und auch nicht mehr nachweisbar, weil er die Gegenstände vernichtet habe und aus der Wohnung ausgezogen sei. Auch liege eher die Annahme nahe, dass ein Umstand, den der Kläger beeinflussen habe können (das Bewohnen der vom Schimmel befallenen Wohnung), zu dem ([X.] geführt habe. Er habe ferner nach seinen Angaben wegen der Wertlosigkeit der Möbel von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen seinen ehemaligen Vermieter abgesehen, die ihm die Beklagte angesonnen habe, was ebenfalls lediglich für einen Ersatz der Möbel spreche. Selbst wenn man entgegen der Ansicht des Senats von einer "Erstausstattung" ausginge, bestehe kein Anspruch des [X.] auf Leistungen für die Wohnungserstausstattung im Hinblick auf die am [X.] und am 30.8.2005 angeschafften Gegenstände. Soweit Gegenstände vor dem [X.] angeschafft worden seien, sei die Beklagte schon wegen des [X.] nach § 37 Abs 1 und 2 [X.] nicht zur Erbringung der begehrten Leistungen verpflichtet. Der Antrag vom 14.7.2005 auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch Leistungen zur Wohnungserstausstattung mit beantragt werden sollten, denn diese beträfen einen speziellen, mit dem Bezug einer Wohnung verbundenen einmaligen Bedarf.

6

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des [X.]. Er rügt die fehlerhafte Anwendung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.]. Er habe seine Wohnung in [X.] krankheitsbedingt aufgeben müssen; die Trennung vom bisherigen Lebensumfeld und der Wohnung sei zur erfolgreichen Durchführung der Therapie zwingend notwendig gewesen. Eine Einlagerung des de facto wertlosen Mobiliars über mehr als 6 Monate hätte Kosten verursacht, die er nicht habe aufbringen können. Es sei für ihn auch konkret nicht möglich gewesen, den Umzug verbunden mit einer Einlagerung zu organisieren. Das [X.] habe insoweit keine weiteren Ermittlungen zu seiner konkreten Situation angestellt. Auch im Hinblick auf den Zustand der Möbel habe das [X.] unzureichend ermittelt. Seine Situation sei der nach der Verbüßung einer Haftstrafe oder der Trennung von Ehegatten vergleichbar. Ein gesondertes Antragserfordernis bestehe im Bezug auf die Erstausstattung nicht. Bereits bei Stellung des Antrages auf laufende Leistungen habe die Beklagte seinen Bedarf insoweit erkennen können. Ein längeres Zuwarten auf die Entscheidung der [X.] wäre nicht zumutbar gewesen. Er hätte sich die Möbel selbst beschaffen dürfen, weil er die Anschaffung nur an den wenigen Tagen hätte durchführen können, an denen er sich besuchsweise in seinem späteren Wohnort aufgehalten habe.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen [X.]s vom 13. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. Juli 2007 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe der Kläger von vornherein den Bezug einer neuen Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der [X.] geplant und deshalb Fernseher und Waschmaschine behalten. Er habe die noch vorhandenen Möbel folglich - etwa im [X.] des Wohnhauses der Mutter - einlagern müssen. Im Übrigen wäre die Neuanschaffung der Möbel - den Vortrag des [X.] als zutreffend unterstellt - auch ohne den Umzug notwendig geworden. Für eine Ersatzbeschaffung sehe § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] aber keine Leistungen vor.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>) erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

1. Streitgegenstand ist allein die begehrte Übernahme von Kosten für die vom Kläger bereits gezahlte Erstausstattung seiner Wohnung. Über einen solchen Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] kann nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen [X.]e von dem Träger der Grundsicherung isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen der Grundsicherung entschieden werden. Der Anspruch kann in der Folge auch isoliert gerichtlich geltend gemacht werden (vgl [X.], 268 = [X.]-4200 § 23 [X.], jeweils Rd[X.] 12 und BSG [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.] 9).

Das damit zulässigerweise auf Erstattung von Kosten für bereits angeschaffte Einrichtungsgegenstände beschränkte Begehren verfolgt der Kläger zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ( § 54 Abs 4 SGG ) gegen den Bescheid vom 24.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2006. Zwar ist bei Streitigkeiten um die Erstausstattung einer Wohnung regelmäßig die sog [X.] (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) die statthafte Klageart. Nach der gesetzlichen Systematik hat der Hilfebedürftige nämlich einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "Ob" und nicht auch auf das "Wie" der Leistungserbringung, denn nach § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] steht es im pflichtgemäßen [X.] des [X.], ob er die Leistung als Sachleistung oder als (gegebenenfalls pauschalierte) Geldleistung erbringt (vgl BSG [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.] 10; BSG [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.] 19). [X.] sich jedoch der Hilfebedürftige die im Streit stehenden Gegenstände endgültig selbst, wie es hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Fall war, besteht für die gerichtliche Klärung eines Sachleistungsanspruchs iS des § 23 Abs 3 Satz 5 [X.] (also etwa die Überlassung von Möbeln aus eigenen Beständen des Trägers der Grundsicherung oder durch Gutscheine für bestimmte [X.]) regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse mehr. Das Begehren des Hilfebedürftigen richtet sich ausschließlich auf eine Geldleistung, die allein im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen ist.

2. Zu Unrecht ist das [X.] davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] dem Grunde nach ausscheidet (dazu unter a) und hat ungeprüft gelassen, ob die Beklagte - wie dies in ihrem Vortrag in den Vorinstanzen zum Ausdruck kommt - in ihrer Verwaltungspraxis auf Grundlage eines entsprechenden Beschlusses des Kreistages zur Erfüllung von Ansprüchen auf Erstausstattung für Wohnungen ausschließlich Geldleistungen zur Verfügung stellt (dazu b). Sollte die Ermessensausübung insoweit durch entsprechendes Verwaltungsinnenrecht bereits gebunden sein, besteht ein Anspruch auf Geldleistung auch für den Kläger. Das [X.] wird in diesem Fall weiter zu prüfen haben, ob die von der [X.] nach ihrem Vortrag regelmäßig gewährte Pauschale die notwendigen Aufwendungen des [X.] abdeckt (dazu c).

a) Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2006 misst sich in erster Linie an § 40 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm § 330 Abs 3 Satz 1 [X.] ([X.]) und § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]). Die Beklagte hatte dem Kläger mit dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 18.7.2005 sowie den folgenden Änderungsbescheiden (für die [X.] ab 1.10.2005) vom 30.8.2005 sowie vom 28.9.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den [X.]raum vom [X.] bis zum [X.] bewilligt. Soweit beim Kläger innerhalb dieses Bewilligungsabschnitts mit Anmietung und Bezug einer eigenen Wohnung ein Bedarf für eine Erstausstattung für diese Wohnung iS des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] entstanden ist, handelt es sich um eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Sinne der genannten Vorschriften zugunsten des [X.]. Entgegen der Auffassung des [X.] kommt es für die Entstehung des Anspruchs auf Erstausstattung für die Wohnung damit nicht auf eine (gesonderte) Antragstellung an (dazu im Einzelnen Urteil des [X.]s vom heutigen Tag - B 14 AS 10/09 R - sowie Urteil des [X.]s vom [X.] - B 14 [X.]/09 R), sodass insoweit unerheblich ist, ob der Kläger sich bereits vor seiner Vorsprache bei der [X.] Möbel beschafft hatte.

Der [X.] hat bereits entschieden, dass der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] wie alle Leistungen des [X.] bedarfsbezogen zu verstehen ist ([X.], 268 = [X.]-4200 § 23 [X.], jeweils Rd[X.] 19; BSG [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.] 14). Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der Erstausstattung ist, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (BSG aaO mwN). In diesem Sinne war die Wohnung des [X.], die er zum 1.10.2005 bezogen hat, nicht ausgestattet und insofern bestand ein Bedarf iS des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.]. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ergibt sich, dass der Kläger - sofern überhaupt davon auszugehen ist, dass er bei seiner Mutter eine Unterkunft iS des § 22 Abs 1 [X.] inne hatte und er nicht ausschließlich anderweitig stationär bzw teilstationär untergebracht war - bereits in dieser vorangegangenen Wohnung über mehr als einen Bewilligungsabschnitt hinweg nicht über eigenes Mobiliar verfügte, das dem Standard der herrschenden Lebensgewohnheiten auch unter Berücksichtigung einfachster Verhältnisse entsprach. Damit handelt es sich um einen Bedarf iS des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] und nicht um einen Fall der Ersatzbeschaffung einzelner, bereits unmittelbar vor dem Einzug in eine Wohnung vorhanden gewesener Gegenstände (vgl dazu BSG [X.]-4200 § 23 [X.]). Ob in Fällen nur kurzfristiger Wohnungslosigkeit bzw bei kurzfristigem Fehlen einer Ausstattung gleiches gilt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Hier war infolge der Alkoholerkrankung ein eigener Hausstand jedenfalls für mehr als 6 Monate (wenn nicht sogar zukunftsoffen) aufgegeben worden. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass seine Situation dem in der Gesetzesbegründung (§ 131 Abs 1 [X.] 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) genannten Fall der Haft entsprach (vgl BT-Drucks 15/1514 [X.] zu § 32).

Der [X.] hat ebenfalls bereits entschieden, dass - entgegen der Auffassung des [X.] - [X.] nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs eine Rolle spielen können (vgl BSG [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.] 15). Wie das Verhältnis von §§ 19 ff [X.] zu § 34 [X.] zeigt, ist ein bestehender Bedarf immer dann zu erfüllen, wenn dies Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein ist. Ob vorliegend das Verhalten des [X.] bei Auszug aus seiner letzten eigenen Wohnung (also die Aufgabe der bisherigen Wohnungsausstattung) den späteren Bedarf auf Ausstattung iS des § 34 [X.] vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, erscheint ohnehin zweifelhaft. Die Beklagte hat nicht konkret aufgezeigt, welche Handlungsalternativen sich dem Kläger geboten hätten. Unklar ist insbesondere geblieben, welche Kosten (auch für den Träger der Grundsicherung) durch einen Umzug der Möbel und die anschließende Einlagerung entstanden wären und ob vor dem Hintergrund solcher Folgekosten die Aufgabe des Mobiliars wirtschaftlich gesehen nicht geboten war. Schließlich gibt die akute Alkoholerkrankung des [X.] Anlass an einem subjektiv vorwerfbaren Verhalten zu zweifeln. Dies braucht vorliegend jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden, weil Ersatzansprüche nach § 34 [X.] nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

b) Der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] ist im Sinne eines unbedingten Rechtsanspruchs zu realisieren, wenn - wie hier - die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Der [X.] steht allerdings ein [X.] dergestalt zu, dass sie die Leistungen entweder als Sachleistungen oder als Geldleistungen, letztere auch in Form von Pauschalbeträgen erbringen kann. Dieses [X.] kann die Beklagte nach der Selbstbeschaffung der Möbel durch den Kläger nicht mehr ausüben. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Geldleistung scheitert mithin dann, wenn keine Gesichtspunkte vorliegen, die das Ermessen der [X.] im Sinne einer "Ermessensreduktion auf Null" einschränken. Gesichtspunkte des Einzelfalls, die eine Ermessensreduktion auf Null nahe liegend erscheinen lassen, sind dabei nach dem jetzigen Stand des Verfahrens nicht erkennbar. Der Bedarf des [X.] hätte (in dem [X.]punkt, in dem er entstanden ist) grundsätzlich auch anderweitig als durch Geldleistungen gedeckt werden können. Ein Fall der Ermessensreduktion auf Null liegt allerdings auch dann vor, wenn die Beklagte - worauf ihr Vortrag in den Vorinstanzen hindeutet - auf Grundlage eines Beschlusses des Kreistages durch interne Verwaltungsrichtlinien dahin gebunden ist, für die Erstausstattung einer Wohnung stets eine Leistung in Geld (in pauschalierter Höhe) zu erbringen. Bestehen verwaltungsinterne Regelungen, mit denen sich die Beklagte entsprechend bindet, könnte sie nicht ohne Ermessensfehlgebrauch, insbesondere nicht ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz), zu einer Ablehnung der Leistung als Geldleistung gelangen (vgl [X.], 75, 83 = [X.]-3610 § 27 [X.] Rd[X.]5). Liegt eine solche Bindung vor, wäre auch dem Kläger gegenüber nur eine Auswahlentscheidung richtig, nämlich die Gewährung der Erstausstattung als Geldleistung.

Ob bislang nicht geprüfte Gesichtspunkte des Einzelfalles oder eine entsprechende Bindung der [X.] durch Verwaltungsinnenrecht im Ergebnis hinsichtlich des "Wie" der Leistungserbringung zu einer Ermessensreduktion auf Null führen, wird das [X.] nach Zurückverweisung des Rechtsstreits zu klären haben.

c) Bindet sich der Träger der Grundsicherung bei der Auswahl der Leistungen auf die Leistungsart "Geldleistung" und erbringt er diese in Form von Pauschalbeträgen, unterliegt auch die Festsetzung der Höhe der Pauschalen der richterlichen Kontrolle (vgl bereits BSG [X.]-4200 § 23 [X.] Rd[X.]0 f). Es muss dem Hilfebedürftigen möglich sein, mit dem gewährten Betrag seinen Bedarf auf Erstausstattung in vollem Umfang zu befriedigen. Die Gewährung von Pauschalbeträgen führt nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch Sachleistung oder der individuell bestimmten Geldleistung. [X.] hat das [X.] damit in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob die von der [X.] in den Vorinstanzen in Bezug genommenen Pauschalbeträge für die Erstausstattung einer Wohnung in Höhe von 700 Euro diesen Anforderungen genügen. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen (vgl § 23 Abs 3 Satz 6 [X.]). Die Beklagte wird insofern "nachvollziehbare Erfahrungswerte" über die Kosten von Einrichtungsgegenständen (allerdings in einem unteren Segment des [X.]) zur Stützung ihrer Pauschalbeträge vorzulegen haben, die vom [X.] dahin zu überprüfen sind, ob sie hinreichend empirisch abgesichert sind. Ist dies der Fall, steht dem Kläger lediglich eine Geldleistung in pauschalierter Form zu.

3. Besteht im Ergebnis ein Leistungsanspruch auf Geld unmittelbar aus § 23 Abs 3 [X.] nicht, wird das [X.] im Hinblick auf die vom Kläger selbst beschafften Leistungen (hilfsweise) einen Kostenerstattungsanspruch zu prüfen haben. Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl bereits [X.], 50, 56 f = [X.]-3300 § 12 [X.] 1 S 8 = juris Rd[X.] 36; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Liegen seine Voraussetzungen vor, wandelt sich auch im Anwendungsbereich des [X.] ein Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet auf Geld um (vgl [X.] vom [X.] [X.]/09 R).

Auch wenn die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der §§ 19 ff [X.] im Einzelnen - wie oben dargelegt - nicht "antragsabhängig" sind, sondern die im Einzelfall erforderlichen Leistungen von dem (ersten) Antrag auf laufende Leistungen erfasst sind, setzt ein Kostenerstattungsanspruch in den Fällen des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] im Grundsatz aber voraus, dass der Träger der Grundsicherung vor Inanspruchnahme einer vom Hilfebedürftigen selbst beschafften Leistung bei Entstehen des konkreten Bedarfs mit dem Leistungsbegehren in der Sache befasst wurde. Nur dann ist es dem Träger möglich, sein [X.] pflichtgemäß auszuüben. Eine Kostenerstattung kommt damit grundsätzlich erst bei Selbstbeschaffung einer Leistung nach einer rechtswidrigen Leistungsablehnung in Betracht.

Die Ablehnung der Leistung "Erstausstattung" durch die Beklagte hat der Kläger nach den Feststellungen des [X.] nicht abgewartet. Ein Anspruch auf Kostenerstattung kommt nach den in Bezug genommen allgemeinen Grundsätzen des [X.] deshalb nur in Betracht, wenn im [X.]punkt der Selbstbeschaffung der Leistung ein unaufschiebbarer Eil- bzw Notfall vorgelegen hat. Das [X.] wird den entsprechenden Vortrag des [X.], ihm sei wegen der zu erwartenden Lieferzeiten für die Möbel ein Zuwarten auf die Entscheidung des Trägers nicht möglich gewesen, zu überprüfen haben. Nach dem derzeitigen Sachstand liegen Anhaltspunkte für einen solchen Eilfall allerdings nicht nahe. Der Einzug in die Wohnung war erst für den 1.10.2005 vorgesehen, sodass von daher die Notwendigkeit, Möbel bereits wenige Tage nach einer entsprechenden Befassung durch die Beklagte zu bestellen, bislang nicht erkennbar geworden ist.

Das [X.] wird abschließend auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 36/09 R

19.08.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Leipzig, 26. Juli 2007, Az: S 9 AS 766/06, Urteil

§ 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2, § 23 Abs 3 S 2 SGB 2, § 23 Abs 3 S 5 SGB 2, § 23 Abs 3 S 6 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. B 14 AS 36/09 R (REWIS RS 2010, 3931)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3931

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