Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. III ZB 50/08

III. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1924

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[X.] [X.] 50/08 vom 17. September 2008 in dem Rechtsstreit - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 17. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter [X.], die Richter [X.] und Dr. [X.], die Rich-terin [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der [X.] gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 6. März 2008 - [X.]/08 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Streitwert: 1.968.235,64 •. Gründe: [X.] Die Parteien streiten in der Hauptsache über einen Anspruch der Kläge-rin aus einer "Haftungserklärung", die die Beklagte im Zusammenhang mit der Gewährung eines Investitionszuschusses zugunsten eines dritten Unterneh-mens abgegeben hatte. 1 Die Klägerin ist eine Anstalt öffentlichen Rechts des [X.] Branden-burg, der die Wahrnehmung von öffentlichen [X.] unter anderem auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft obliegt (§ 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Investitionsbank des [X.] in der hier maßgeblichen 2 - 3 - Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1996, GVBl. [X.]). Die Rechts-vorgängerin der [X.] hielt [X.] der Aktien an der [X.]. Mit Bescheid vom 13. Juli 1998 gewährte die Klägerin dieser Gesell-schaft (nachfolgend: Zuwendungsempfängerin) aus Mitteln des [X.] sowie aus Haushaltsmitteln des [X.] und des [X.] eine Zuwendung zur Errichtung einer Betriebsstätte. Sie zahlte hieraufhin umgerechnet insgesamt 52.113.129,01 • an die [X.] aus. Die Rechtsvorgängerin der [X.] unterzeichnete am 5. November 1998 eine "Haftungserklärung", in der sie für etwaige Erstattungs- und Verzinsungsansprüche der Klägerin gegen die Zuwendungsempfängerin die quotenmäßige Haftung entsprechend ihrem Aktienanteil übernahm. Nach-dem über das Vermögen der Zuwendungsempfängerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Geschäftsbetrieb eingestellt worden war, hob die Klägerin durch Widerrufs- und Feststellungsbescheid vom 11. September 2003 den [X.] auf und setzte den von der Zuwendungsempfängerin zu erstattenden Betrag auf die an sie zuvor geleistete Summe nebst Zinsen fest. 3 Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte aus der Haftungserklärung vom 5. November 1998 auf Zahlung von 5.904.706,92 • [X.] Zinsen in Anspruch. Das [X.] hat den Rechtsweg zu den [X.] Gerichten für unzulässig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der [X.] hat das [X.] den beschrittenen Rechtsweg hingegen als zu-lässig festgestellt. Dagegen richtet sich das vom Beschwerdegericht zugelas-sene Rechtsmittel der Klägerin. 4 I[X.] - 4 - Das Rechtsmittel, das als Rechtsbeschwerde nach §§ 575 ff ZPO zu be-handeln ist ([X.], 213, 214 f), ist statthaft (§ 17a Abs. 4 Satz 4, 5 [X.]) und auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet. 5 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, zwar spreche viel dafür, dass es sich bei der Haftungsübernahmeerklärung der [X.] um einen öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Schuldbeitritt handele. Es komme jedoch in [X.], dass dieser in eine Bürgschaft umzudeuten sei und die Klägerin ihren Anspruch hierauf stützen könne. Eine Bürgschaft sei auch dann ein in die [X.] der Zivilgerichtsbarkeit fallendes Rechtsgeschäft, wenn sie eine öf-fentlich-rechtliche Forderung sichere. 6 2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Rechtsweg zu den or-dentlichen Gerichten ist zulässig. 7 a) Jeweils vorbehaltlich besonderer Regelungen gehören gemäß § 13 [X.] vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, [X.] die Verwaltungsgerichte nach § 40 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung der öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art berufen sind. 8 aa) Die Beurteilung, ob ein Rechtsstreit bürgerlich- oder öffentlich-recht-lichen Charakter hat, richtet sich, wenn, wie hier, eine ausdrückliche Rechts-wegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des [X.] darstellt, unab-hängig davon, ob dieser eine zivil- oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundla-ge für einschlägig hält (z.B.: [X.] [X.]Z 97, 312, 313 f; Senatsbeschluss 9 - 5 - [X.], 78, 80 m.w.[X.]; [X.], Beschluss vom 29. April 2008 - [X.]/07 Œ RdL 2008, 238, 239, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen; [X.], Urteil vom 24. Januar 2008 - [X.]/06 - NJW-RR 2008, 610 Rn. 14). Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses be-stimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Über diese Zuordnung entscheidet, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausge-staltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt (Se-natsbeschluss aaO S. 80 f mit umfangreichen weiteren Nachweisen). 10 [X.]) Für die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs genügt es [X.], dass sich der geltend gemachte Anspruch möglicherweise auf eine Rechtsgrundlage stützen lässt, die in die Zuständigkeit des angerufenen [X.] fällt. Gewissheit hierüber ist nicht erforderlich (z.B.: [X.] in [X.]/ [X.], Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 17 [X.] Rn. 32). Eine Verwei-sung an eine andere Gerichtsbarkeit ist danach nur zulässig, wenn eine in den vom Kläger gewählten Rechtsweg fallende Anspruchsgrundlage aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts so offensichtlich nicht gegeben sein kann, dass kein Bedürfnis dafür besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzu-weisen (Senatsurteil vom 5. Juli 1990 - [X.] - NVwZ 1990, 1103, 1104; BSG NJW 1995, 1575, 1576; BVerwG NVwZ 1993, 358, 359; [X.] aaO Rn. 33). 11 - 6 - b) Für die von der Klägerin auf die Erklärung der Rechtsvorgängerin der [X.], die anteilsmäßige Haftung für einen öffentlich-rechtlichen Erstat-tungsanspruch zu übernehmen, gestützte Forderung kommt eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage nicht nur möglicherweise, sondern sogar zumindest [X.] in Betracht, so dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unter Anwendung des vorgenannten Maßstabs eröffnet ist. 12 aa) Die Haftungserklärung dürfte als Bürgschaft zu qualifizieren sein. 13 Die Rechte und Pflichten aus einer Bürgschaft sind bürgerlich-rechtlicher Natur, auch wenn sie, wie hier, eine öffentlich-rechtliche ([X.] si-chert ([X.]Z 90, 187, 189 f m.w.[X.]; 174, 39, 46 Rn. 25; BVerwGE 105, 302, 305 unter Aufgabe der abweichenden Ansicht in BVerwGE 35, 170, 172; [X.] NVwZ 1985, 373). Die Bürgschaft begründet eine von der Verbind-lichkeit des [X.] verschiedene, eigene Verpflichtung des Bürgen, für die Erfüllung durch den Hauptschuldner einzustehen. Ihr Rechtscharakter bestimmt sich nicht nach der Hauptschuld. Die Bürgschaft trägt ihren Rechts-grund vielmehr in dem Sinne in sich, dass sie keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedarf. Sie hat ihre Grundlage in den Vorschriften des Bürgerlichen Ge-setzbuchs. Die Abhängigkeit der [X.] von der gesicherten Haupt-verbindlichkeit (Akzessorietät) stellt nur sicher, dass der Gläubiger vom Bürgen das erhält, was er vom Hauptschuldner zu bekommen hat. Die Akzessorietät bestimmt aber nicht die Rechtsnatur der Bürgschaft ([X.]Z 90, 187, 190; [X.]Z 174 aaO). 14 Aus diesen Gründen vermag der Senat die unter Hinweis auf § 62 Satz 2 VwVfGBbg geäußerte Ansicht der [X.] nicht zu teilen, [X.] der vorliegenden Art seien, wenn sie nicht ohnehin als öffentlich-rechtlicher 15 - 7 - Schuldbeitritt anzusehen sein sollten (siehe sogleich [X.]), als Bürgschaften [X.] Natur zu qualifizieren (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. § 62 Rn. 41). Die [X.], die die Beklagte für ihre Auffassung in Anspruch nehmen könnte (BVerwGE 35, 170, 172; [X.] NVwZ 1984, 267 f), ist dement-sprechend im Wesentlichen überholt (BVerwGE 35 aaO aufgegeben durch BVerwGE 105 aaO; [X.] aaO aufgehoben durch [X.] Frank-furt am Main aaO). [X.]) Allerdings ist der Bürgschaftscharakter von [X.] zur Besicherung öffentlich-rechtlicher [X.] je nach den Umständen des Einzelfalls umstritten. Teilweise werden solche Erklärungen nach §§ 765 ff BGB beurteilt (z.B.: [X.] München [X.]R München 1998, 272; [X.] NJW 1990, 1006, 1006 f; [X.] ZIP 1998, 991, 992), teilweise als Schuldbeitritt gewertet (vgl. [X.] Brandenburg, Urteil vom 10. Oktober 2007 - 4 U 20/07 - juris Rn. 45 ff; [X.], Beschluss vom 8. Mai 2007 - 1 O 52/97 - juris Rn. 3; [X.], Urteil vom 27. November 2007 - 2 K 414/05 Me - juris Rn. 22; [X.] ZInsO 2007, 1057, 1058). Im zweiten Fall wäre der Anspruch aus der Erklärung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, weil ein Schuldbeitritt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers teilt, zu der er erklärt wird (Senatsurteil [X.]Z 72, 56, 58 ff; [X.]Z 174 aaO Rn. 23). 16 cc) Für die Bestimmung des Rechtswegs im vorliegenden Streitfall kann allerdings, wie das Beschwerdegericht seiner Entscheidung mit Recht zugrunde gelegt hat, auf sich beruhen, ob die [X.] der Rechtsvorgängerin der [X.] (von vornherein) als Bürgschaft oder (zunächst) als Schuldbeitritt 17 - 8 - einzuordnen ist. Auch wenn Letzteres der Fall wäre, kommt im Ergebnis ein Anspruch der Klägerin aus einer Bürgschaft in Betracht. Als - öffentlich-rechtlich zu qualifizierender - Schuldbeitritt wäre die Erklä-rung nichtig, weil die notwendige gesetzliche Schriftform eines [X.] (§§ 57, 59 Abs. 1, § 62 Satz 2 VwVfGBbg, § 125 Satz 1, § 126 Abs. 2 BGB) nicht gewahrt wurde (vgl. [X.]Z 174 aaO m.w.[X.]). Die Erklärung ist nur einseitig von der [X.] abgegeben und unterschrieben worden. Nach § 57 VwVfGBbg i.V.m. § 62 Satz 2 VwVfGBbg und § 126 Abs. 2 BGB wä-re jedoch erforderlich gewesen, dass die Vertragsparteien auf derselben Ur-kunde unterzeichnet oder nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB einzeln unterschrie-bene gleichlautende Urkunden ausgetauscht hätten. Auf der Basis des [X.] wäre allerdings sodann zu prüfen, ob ein etwaiger nichtiger Beitritt zu einer öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit nach § 140 BGB in einen privatrechtlichen Bürgschaftsvertrag umzudeuten ist, für den hinsicht-lich der Form lediglich § 766 Satz 1 BGB und § 350 HGB gelten (vgl. [X.]Z aaO Rn. 24 ff; hierzu zustimmend [X.], [X.], 391, 392 f; kritisch [X.], [X.] d. - 1.08; siehe ferner Senatsurteil [X.]Z 76, 16, 28). 18 Die "Haftungserklärung" kann gemäß § 140 BGB in eine Bürgschaft um-zudeuten sein, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien bei Kenntnis der Nich-tigkeit der Mithaftungserklärung eine Bürgschaft gewollt hätten. Davon ist im Zweifel auszugehen, wenn durch dieses Sicherungsmittel derselbe [X.] Erfolg erreicht werden kann, da es den Vertragsparteien weniger auf die Rechtsform ihres Geschäfts als auf die von ihnen beabsichtigten [X.]n Wirkungen ankommt und ihnen in der Regel jedes rechtlich zulässige Mit-tel willkommen sein wird, das diesen Erfolg, wenn vielleicht auch nicht ganz, so aber doch annähernd gewährleistet. Nur wenn die Parteien der von ihnen [X.] - 9 - wählten Rechtsform eine besondere Bedeutung beigelegt haben, würde das Aufzwingen einer anderen rechtlichen Gestaltung im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB zu einer im Gegensatz zur Privatautonomie stehenden Be-vormundung der Parteien führen ([X.]Z 174, 39, 47, Rn. 27 m.w.[X.]). Gemessen an diesen Grundsätzen dürfte der nichtige Schuldbeitritt der [X.] in einen wirksamen Bürgschaftsvertrag umzudeuten sein. Zwar stellt das [X.] mit dem Schuldbeitritt in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ein geeignetes Sicherungsmittel zur Verfügung. Es liegt jedoch nahe, dass die Rechtsnatur der von der [X.] zu bestellenden Per-sonalsicherheit für die Parteien ohne Bedeutung war. Die Interessenwertung der Parteien und der von ihnen verfolgte wirtschaftliche Zweck sprechen dafür, dass die Beklagte sich auf entsprechenden Wunsch der Klägerin und bei 20 - 10 - Kenntnis der Rechtslage für die etwaige Verbindlichkeit der [X.], an der sie einen erheblichen Anteil hielt, verbürgt hätte (vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2007 aaO Rn. 28). [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.12.2007 - 33 O 154/07 - [X.] Düsseldorf, Entscheidung vom 06.03.2008 - [X.]/08 -

Meta

III ZB 50/08

17.09.2008

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. III ZB 50/08 (REWIS RS 2008, 1924)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1924

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