Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. III ZB 19/08

III. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1967

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[X.] [X.] vom 17. September 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 13 Für eine Klage, die auf die Erklärung des [X.] gestützt wird, die Haftung für den Rückforderungsanspruch einer öffentlich-rechtlichen Investitionsbank gegen den Empfänger einer Zuwendung mit zu übernehmen, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten jedenfalls dann eröffnet, wenn die Haftungserklä-rung möglicherweise als Bürgschaft auszulegen ist oder ihre Umdeutung in eine Bürgschaft in Betracht kommt. [X.], Beschluss vom 17. September 2008 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 17. September 2008 durch [X.], [X.] und [X.], die Rich-terin [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 23. Zivilsenats des [X.] vom 18. Januar 2008 - 23 W 48/07 - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde der [X.] gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des [X.] vom 2. Juli 2007 - 3/4 O 93/07 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Streitwert: 4.592.549,82 •. Gründe: [X.] Die Parteien streiten in der Hauptsache über einen Anspruch der Kläge-rin aus einer "Haftungserklärung", die die Beklagte im Zusammenhang mit der Gewährung eines Investitionszuschusses zugunsten eines dritten Unterneh-mens abgegeben hatte. 1 - 3 - Die Klägerin ist eine Anstalt öffentlichen Rechts des [X.] Branden-burg, der die Wahrnehmung von öffentlichen [X.] unter anderem auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft obliegt (§ 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Investitionsbank des [X.] in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1996, GVBl. [X.]). Die Beklagte hielt 17,43 v.H. der Aktien an der [X.]. 2 Mit Bescheid vom 13. Juli 1998 gewährte die Klägerin dieser Gesell-schaft (nachfolgend: Zuwendungsempfängerin) aus Mitteln des [X.] sowie aus Haushaltsmitteln des [X.] und des [X.] eine Zuwendung zur Errichtung einer Betriebsstätte. Sie zahlte hieraufhin umgerechnet insgesamt 52.113.129,01 • an die [X.] aus. Die Beklagte unterzeichnete am 6. November 1998 eine "[X.]", in der sie für etwaige Erstattungs- und Verzinsungsansprüche der Klägerin gegen die Zuwendungsempfängerin die quotenmäßige Haftung entsprechend ihrem Aktienanteil übernahm. Nachdem über das Vermögen der Zuwendungsempfängerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Geschäfts-betrieb eingestellt worden war, hob die Klägerin durch Widerrufs- und Feststel-lungsbescheid vom 11. September 2003 den Zuwendungsbescheid auf und setzte den von der Zuwendungsempfängerin zu erstattenden Betrag auf die an sie zuvor geleistete Summe nebst Zinsen fest. 3 Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte aus der Haftungserklärung vom 6. November 1998 auf Zahlung von 13.777.649,47 • sowie Zinsen in Anspruch. Das [X.] hat den Rechtsweg zu den [X.] Gerichten für zulässig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der [X.] hat das [X.] den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und die Feststellung ausgesprochen, dass der Verwaltungsrechtsweg gegeben 4 - 4 - sei. Dagegen richtet sich das vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsmit-tel der Klägerin. I[X.] Das Rechtsmittel, das als Rechtsbeschwerde nach §§ 575 ff ZPO zu be-handeln ist ([X.] 152, 213, 214 f), ist statthaft (§ 17a Abs. 4 Satz 4, 5 [X.]), auch im Übrigen zulässig und begründet. 5 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Zuwendungsempfängerin sei öffentlich-rechtlicher Natur, so dass auch der gegen diese gerichtete Rückforderungsanspruch öffentlich-rechtlichen Charakter habe. Durch die [X.] Mithaftungserklä-rung der [X.] werde dieses Verhältnis nur ergänzt, nicht aber in seiner Natur verändert. Die Beklagte sei aufgrund einer "osmotischen" Eigenschaft der [X.]n Haftungserklärung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rückabwicklungsverhältnis lediglich zur Pflichtigen im Rahmen der bereits be-stehenden öffentlich-rechtlichen Beziehung geworden. 6 2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Vielmehr ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig. 7 a) Jeweils vorbehaltlich besonderer Regelungen gehören gemäß § 13 [X.] vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, [X.] die Verwaltungsgerichte nach § 40 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung der öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art berufen sind. 8 - 5 - aa) Die Beurteilung, ob ein Rechtsstreit bürgerlich- oder öffentlich-recht-lichen Charakter hat, richtet sich, wenn, wie hier, eine ausdrückliche Rechts-wegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des [X.] darstellt, unab-hängig davon, ob dieser eine zivil- oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundla-ge für einschlägig hält (z.B.: [X.] [X.] 97, 312, 313 f; Senatsbeschluss [X.] 162, 78, 80 m.w.N.; [X.], Beschluss vom 29. April 2008 - [X.]/07 - [X.], 238, 239, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; [X.], Urteil vom 24. Januar 2008 - [X.]/06 - NJW-RR 2008, 610 Rn. 14). 9 Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses be-stimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Über diese Zuordnung entscheidet, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausge-staltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt (Se-natsbeschluss aaO S. 80 f mit umfangreichen weiteren Nachweisen). 10 bb) Für die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs genügt es [X.], dass sich der geltend gemachte Anspruch möglicherweise auf eine Rechtsgrundlage stützen lässt, die in die Zuständigkeit des angerufenen [X.] fällt. Gewissheit hierüber ist nicht erforderlich (z.B.: [X.] in [X.]/ [X.], Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 17 [X.] Rn. 32). Eine Verwei-sung an eine andere Gerichtsbarkeit ist danach nur zulässig, wenn eine in den vom Kläger gewählten Rechtsweg fallende Anspruchsgrundlage aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts so offensichtlich nicht gegeben sein kann, dass kein Bedürfnis dafür besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzu-weisen (Senatsurteil vom 5. Juli 1990 - [X.] - NVwZ 1990, 1103, 1104; 11 - 6 - BSG NJW 1995, 1575, 1576; BVerwG NVwZ 1993, 358, 359; [X.] aaO Rn. 33). b) Für die von der Klägerin auf die Erklärung der [X.], die anteils-mäßige Haftung für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu über-nehmen, gestützte Forderung kommt eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage nicht nur möglicherweise, sondern sogar zumindest ernsthaft in Betracht, so dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unter Anwendung des vor-genannten Maßstabs eröffnet ist. 12 aa) Die Haftungserklärung dürfte als Bürgschaft zu qualifizieren sein. 13 Die Rechte und Pflichten aus einer Bürgschaft sind [X.]r Natur, auch wenn sie, wie hier, eine öffentlich-rechtliche ([X.] si-chert ([X.] 90, 187, 189 f m.w.N.; 174, 39, 46 Rn. 25; BVerwGE 105, 302, 305 unter Aufgabe der abweichenden Ansicht in BVerwGE 35, 170, 172; [X.] NVwZ 1985, 373). Die Bürgschaft begründet eine von der Verbind-lichkeit des [X.] verschiedene, eigene Verpflichtung des Bürgen, für die Erfüllung durch den Hauptschuldner einzustehen. Ihr Rechtscharakter bestimmt sich nicht nach der Hauptschuld. Die Bürgschaft trägt ihren Rechts-grund vielmehr in dem Sinne in sich, dass sie keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedarf. Sie hat ihre Grundlage in den Vorschriften des Bürgerlichen Ge-setzbuchs. Die Abhängigkeit der [X.] von der gesicherten Haupt-verbindlichkeit (Akzessorietät) stellt nur sicher, dass der Gläubiger vom Bürgen das erhält, was er vom Hauptschuldner zu bekommen hat. Die Akzessorietät bestimmt aber nicht die Rechtsnatur der Bürgschaft ([X.] 90, 187, 190; [X.] 174 aaO). 14 - 7 - bb) Allerdings ist der Bürgschaftscharakter von [X.] zur Besicherung öffentlich-rechtlicher [X.] je nach den Umständen des Einzelfalls umstritten. Teilweise werden solche Erklärungen nach §§ 765 ff BGB beurteilt (z.B.: [X.] OLGR München 1998, 272; [X.] NJW 1990, 1006, 1006 f; [X.] ZIP 1998, 991, 992), teilweise als Schuldbeitritt gewertet (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2007 - 4 U 20/07 - juris Rn. 45 ff; [X.], Beschluss vom 8. Mai 2007 - 1 O 52/97 - juris Rn. 3; [X.], Urteil vom 27. November 2007 - 2 K 414/05 Me - juris Rn. 22; [X.] ZInsO 2007, 1057, 1058). Im zweiten Fall wäre der Anspruch aus der Erklärung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, weil ein Schuldbeitritt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers teilt, zu der er erklärt wird (Senatsurteil [X.] 72, 56, 58 ff; [X.] 174 aaO Rn. 23). 15 cc) Für die Bestimmung des Rechtswegs im vorliegenden Streitfall kann allerdings auf sich beruhen, ob die [X.] der [X.] (von [X.]) als Bürgschaft oder (zunächst) als Schuldbeitritt einzuordnen ist. Auch wenn Letzteres der Fall wäre, kommt im Ergebnis ein Anspruch der Klägerin aus einer Bürgschaft in Betracht. 16 Als - öffentlich-rechtlich zu qualifizierender - Schuldbeitritt wäre die Erklä-rung nichtig, weil die notwendige gesetzliche Schriftform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (§§ 57, 59 Abs. 1, § 62 Satz 2 VwVfGBbg, § 125 Satz 1, § 126 Abs. 2 BGB) nicht gewahrt wurde (vgl. [X.] 174 aaO m.w.N.). Die Er-klärung ist nur einseitig von der [X.] abgegeben und unterschrieben [X.]. Nach § 57 VwVfGBbg in Verbindung mit § 62 Satz 2 VwVfGBbg und § 126 Abs. 2 BGB wäre jedoch erforderlich gewesen, dass die Vertragsparteien auf derselben Urkunde unterzeichnet oder nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB einzeln 17 - 8 - unterschriebene gleichlautende Urkunden ausgetauscht hätten. Auf der Basis des klägerischen [X.] wäre allerdings sodann zu prüfen, ob ein etwaiger nichtiger Beitritt zu einer öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit nach § 140 BGB in einen privatrechtlichen Bürgschaftsvertrag umzudeuten ist, für den hinsichtlich der Form lediglich § 766 Satz 1 BGB und § 350 HGB gelten (vgl. [X.] aaO Rn. 24 ff; hierzu zustimmend [X.], [X.], 391, 392 f; kri-tisch [X.], [X.] d. - 1.08; siehe ferner Senatsurteil [X.] 76, 16, 28). Die "Haftungserklärung" kann gemäß § 140 BGB in eine Bürgschaft um-zudeuten sein, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien bei Kenntnis der Nich-tigkeit der Mithaftungserklärung eine Bürgschaft gewollt hätten. Davon ist im Zweifel auszugehen, wenn durch dieses Sicherungsmittel derselbe [X.] Erfolg erreicht werden kann, da es den Vertragsparteien weniger auf die Rechtsform ihres Geschäfts als auf die von ihnen beabsichtigten [X.]n Wirkungen ankommt und ihnen in der Regel jedes rechtlich zulässige Mit-tel willkommen sein wird, das diesen Erfolg, wenn vielleicht auch nicht ganz, so aber doch annähernd gewährleistet. Nur wenn die Parteien der von ihnen ge-wählten Rechtsform eine besondere Bedeutung beigelegt haben, würde das Aufzwingen einer anderen rechtlichen Gestaltung im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB zu einer im Gegensatz zur Privatautonomie stehenden Be-vormundung der Parteien führen ([X.] 174, 39, 47, Rn. 27 m.w.N.). 18 Gemessen an diesen Grundsätzen dürfte der nichtige Schuldbeitritt der [X.] in einen wirksamen Bürgschaftsvertrag umzudeuten sein. Zwar stellt das [X.] mit dem Schuldbeitritt in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ein geeignetes Sicherungsmittel zur Verfügung. Es liegt jedoch nahe, dass die Rechtsnatur der von der [X.] zu bestellenden Per-sonalsicherheit für die Parteien ohne Bedeutung war. Die Interessenwertung 19 - 9 - der Parteien und der von ihnen verfolgte wirtschaftliche Zweck sprechen dafür, dass die Beklagte sich auf entsprechenden Wunsch der Klägerin und bei Kenntnis der Rechtslage für die etwaige Verbindlichkeit der [X.], an der sie einen erheblichen Anteil hielt, verbürgt hätte (vgl. [X.] 174 aaO Rn. 28). [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 02.07.2007 - 3/4 O 93/07 - [X.]/Main, Entscheidung vom 18.01.2008 - 23 W 48/07 -

Meta

III ZB 19/08

17.09.2008

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. III ZB 19/08 (REWIS RS 2008, 1967)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1967

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