Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.10.2021, Az. 2 BvC 14/20

2. Senat | REWIS RS 2021, 2000

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Verwerfung einer Wahlprüfungsbeschwerde - Verwerfung offensichtlich unzulässiger Ablehnungsgesuche, Prüfung der Senatsbesetzung von Amts wegen


Tenor

Der [X.] des [X.] ist ordnungsgemäß besetzt.

Die [X.] werden als unzulässig verworfen.

Die Wahlprüfungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

1

1. Die vom Beschwerdeführer erhobene Besetzungsrüge, die er pauschal darauf stützt, dass das Verfahren zur Wahl der [X.] des [X.] intransparent sei, sowie - sinngemäß - darauf, dass es unter Beteiligung des [X.] erfolge, vermag Zweifel an der ordnungsgemäßen Besetzung des [X.] nicht zu begründen.

2

a) Der Senat hat seine ordnungsgemäße Besetzung zur Wahrung des Anspruchs aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG von Amts wegen zu prüfen, soweit Anlass hierzu besteht (vgl. [X.] 65, 152 <154> m.w.N.; 131, 230 <233>; 142, 5 <7 Rn. 7>). Die Feststellung der richtigen Besetzung des erkennenden Gerichts erfolgt dabei grundsätzlich ohne Beteiligung des [X.]s, dessen Berechtigung zur Mitwirkung zweifelhaft erscheint oder angezweifelt wird (vgl. [X.] 82, 286 <298>; 131, 230 <233>; 142, 5 <7 Rn. 7>). Dies gilt auch dann, wenn die Ordnungsgemäßheit seiner Wahl infrage gestellt wird (vgl. [X.] 82, 286 <298> m.w.N.; 131, 230 <233>). Indes sind hier durch die pauschale Besetzungsrüge sämtliche Mitglieder des Senats betroffen, sodass die Beurteilung der vorschriftsmäßigen Senatsbesetzung der Frage nach der ordnungsgemäßen Einrichtung eines Spruchkörpers gleichzusetzen ist, über die dieser selbst befindet (vgl. [X.] 131, 230 <233> m.w.N.).

3

b) Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt, dass die Mitglieder des [X.] je zur Hälfte vom [X.] und vom Bundesrate gewählt werden. Dass es sich dabei um verfassungswidriges Verfassungsrecht handelte, ist nicht ersichtlich. Auch im Übrigen besteht kein Anlass anzunehmen, dass das gesetzlich vorgesehene Wahlverfahren der [X.] des [X.] die Grenzen des dem Gesetzgeber gemäß Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG erteilten Gestaltungsauftrags überschritte.

4

2. Die [X.] sind offensichtlich unzulässig.

5

a) Offensichtlich unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch vor allem dann, wenn es nicht begründet wird oder sich auf eine gänzlich ungeeignete Begründung stützt (vgl. [X.] 46, 200; 72, 51 <59>; 153, 72 <73 Rn. 2>; stRspr). Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten [X.]s; dieser ist auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. [X.] 11, 1 <3>; 142, 1 <4 Rn. 12> m.w.N.; 152, 53 <54 Rn. 2>; 153, 72 <73 Rn. 2>).

6

b) Gemessen hieran sind die [X.] offensichtlich unzulässig, da sie sich auf eine völlig ungeeignete Begründung stützen.

7

aa) Dies gilt zunächst, soweit der Beschwerdeführer die [X.], insbesondere mit Blick auf den [X.] Müller, auf die Beteiligung an abgeschlossenen Verfassungs- und Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren stützt. Die bloße Beteiligung von [X.]n des [X.] an vorherigen Verfahren zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. [X.] 78, 331 <337>; 131, 239 <253>; 133, 377 <406 Rn. 71>) oder desselben Beschwerdeführers (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 3. Juli 2013 - 1 BvR 782/12 -, Rn. 7 m.w.N.) vermag eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Umstände, die ausnahmsweise eine andere Bewertung nahelegen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

bb) Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer das Ablehnungsgesuch gegen den [X.] [X.] auf dessen Dissertation stützt.

9

Entsprechend der Wertung des § 18 Abs. 3 Nr. 2 [X.]G, die bei der Anwendung des § 19 [X.]G zu berücksichtigen ist (vgl. [X.] 2, 295 <297>; 82, 30 <38>; 88, 17 <23>; 133, 377 <406 Rn. 71>; 142, 302 <309 f. Rn. 25>; 148, 1 <8 Rn. 20>; 152, 332 <339 Rn. 18>), stellt eine wissenschaftliche Äußerung zu einer für ein verfassungsgerichtliches Verfahren maßgebenden Rechtsfrage grundsätzlich keinen Ausschlussgrund dar (vgl. [X.] 88, 1 <4>; 98, 134 <137>; 102, 122 <125>; 108, 279 <281>). Dies dürfte umso mehr gelten, wenn die fragliche Äußerung - wie vorliegend die 1989 veröffentlichte Dissertation des [X.]s [X.] - lange zurückliegt und deutlich vor der richterlichen Tätigkeit am [X.] datiert.

Zwar können die Umstände des Einzelfalles für eine Ablehnung nach § 19 [X.]G sprechen. Insoweit muss aber etwas Zusätzliches gegeben sein, das über die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer für das Verfahren bedeutsamen Rechtsfrage hinausgeht (vgl. [X.] 82, 30 <38>; 88, 17 <23>; 135, 248 <257 Rn. 24>; 142, 302 <309 f. Rn. 25 f.>; 148, 1 <8 Rn. 20> m.w.[X.], 332 <339 Rn. 18>). Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich und werden durch den Beschwerdeführer auch nicht dargetan.

cc) Soweit das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers auch gegen den [X.] in seiner Gesamtheit gerichtet zu sein scheint, ist dies schon deshalb offensichtlich unzulässig, weil § 19 [X.]G nur die Ablehnung einzelner [X.] zulässt, nicht aber eine Ablehnung des Spruchkörpers selbst (vgl. [X.], [X.]G, 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 3). Aber selbst wenn man das Ablehnungsgesuch nach Sinn und Zweck dahingehend auslegte (vgl. [X.] 1, 14 <39>; 68, 1 <68>; 129, 356 <364 f.>; 142, 353 <367 Rn. 29> m.w.N.), dass es sich gegen jedes einzelne Mitglied des [X.] richtete, dürfte bereits die pauschale Ablehnung der nicht namentlich genannten [X.] zu seiner Unzulässigkeit führen (vgl. [X.] 46, 200; 72, 51 <59>). Zwar kann es genügen, dass aus dem Gesuch mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, welche [X.] abgelehnt werden sollen; dies gilt jedoch nur dann, wenn es dem Beschwerdeführer - insbesondere wegen der besonderen Art des Ablehnungsgrundes - im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, die Befangenheit der einzelnen [X.] darzulegen (vgl. [X.] 2, 295 <297>). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Ungeachtet dessen ist das Ablehnungsgesuch jedenfalls deshalb unzulässig, weil es sich auf eine gänzlich ungeeignete Begründung stützt. Dies gilt zunächst, soweit der Beschwerdeführer auch hier die Beteiligung der [X.] an früheren Verfahren geltend macht. Soweit er darüber hinaus auf den Umgang mit [X.]n verweist, ist sein Vortrag von vornherein ungeeignet, Zweifel an der ständigen Praxis zu begründen, dass offensichtlich unzulässige [X.] ohne dienstliche Stellungnahme der betroffenen [X.] und unter deren Beteiligung beschieden werden. Eine Besorgnis der Befangenheit resultiert daraus nicht.

3. Der Wahlprüfungsbeschwerde bleibt aus den in dem Schreiben des Berichterstatters vom 8. Juni 2021 genannten Gründen der Erfolg versagt. Gemäß § 24 Satz 2 [X.]gesetz wird von einer weiteren Begründung abgesehen.

Meta

2 BvC 14/20

08.10.2021

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvC

Art 94 Abs 1 S 2 GG, Art 94 Abs 2 S 1 GG, § 19 Abs 1 BVerfGG, § 19 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 24 S 2 BVerfGG, § 48 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.10.2021, Az. 2 BvC 14/20 (REWIS RS 2021, 2000)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3590 REWIS RS 2021, 2000

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Feststellung der ordnungsgemäßen Senatsbesetzung im NPD-Verbotsverfahren (Besetzungsrüge bzgl des "Gerichts insgesamt") sowie Verwerfung von Ablehnungsgesuchen …


Referenzen
Wird zitiert von

1 BvQ 54/22

Zitiert

1 BvR 782/12

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