Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 01.03.2016, Az. 2 BvB 1/13

2. Senat | REWIS RS 2016, 15337

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Feststellung der ordnungsgemäßen Senatsbesetzung im NPD-Verbotsverfahren (Besetzungsrüge bzgl des "Gerichts insgesamt") sowie Verwerfung von Ablehnungsgesuchen als unzulässig - Festhaltung an BVerfGE 131, 230


Tenor

Der [X.] des [X.] ist ordnungsgemäß besetzt.

Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen und Richter [X.], [X.], [X.], [X.], Kirchhof, [X.], [X.] und [X.] werden als unzulässig verworfen.

Gründe

1

Die Antragsgegnerin hat mit vor Beginn der mündlichen Verhandlung vorgelegtem Schriftsatz vom 1. März 2016 die "ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts insgesamt", namentlich die Besetzung mit den [X.]innen und [X.]n [X.], [X.], [X.], [X.], Kirchhof, [X.], [X.] und [X.] gerügt. Für die Entscheidung über die Besetzungsrüge hat die Antragsgegnerin dieselben [X.]innen und [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

2

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die betroffenen [X.]innen und [X.] seien unter Verstoß gegen Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG in ihr Amt berufen worden. Sie meint, § 6 [X.] a.F., wonach die vom [X.] zu wählenden [X.] durch einen zwölfköpfigen Ausschuss gewählt wurden, habe den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Aus Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG folge, dass die Beschlussfassung im Plenum als "Normalfall" angesehen werde, von dem nur aufgrund ausdrücklicher Vorschriften in der Verfassung abgewichen werden dürfe, was vorliegend nicht der Fall sei.

3

Der Beschluss des Senats vom 19. Juni 2012 ([X.] 131, 230) stehe dem nicht entgegen. Der Beschluss sei rechtsfehlerhaft "unter Mitwirkung der seinerzeit abgelehnten [X.]", damit unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gefasst worden und entfalte daher bereits keine Bindungswirkung. Unabhängig davon sei er auch nicht überzeugend. Weder die jahrzehntelange Praxis nach § 6 [X.] a.F. noch das Ansehen des Gerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit stellten einen legitimen Zweck dar, der die Regelung rechtfertigen könne.

4

Schließlich bestehe hinsichtlich der genannten [X.]innen und [X.] die Besorgnis der Befangenheit. Diese resultiere daraus, dass ein [X.], der die Rechtmäßigkeit seiner eigenen Wahl prüfen solle, zwangsläufig in eigener Sache tätig werde, sodass bereits eine unmittelbare Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vertretbar sei. Jedenfalls bestehe aus Sicht eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten gegen die vom [X.] gewählten [X.]innen und [X.] eine begründete Besorgnis der Befangenheit.

5

[X.] ist ordnungsgemäß besetzt. Die [X.] sind offensichtlich unzulässig.

6

1. Die Besetzungsrüge betreffend die [X.]innen und [X.] [X.], [X.], [X.], [X.], Kirchhof, [X.], [X.] und [X.] bleibt ohne Erfolg.

7

a) Der Senat hat seine ordnungsgemäße Besetzung zur Wahrung des Anspruchs aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG von Amts wegen zu prüfen, soweit Anlass hierzu besteht (vgl. [X.] 131, 230 <233> m.w.N.). Vorliegend ist zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin einen Sachverhalt vorgetragen hat, der Anlass für eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Senats geben kann. Jedenfalls ist die mit der Besetzungsrüge aufgeworfene Rechtsfrage geklärt. Der Vortrag der Antragsgegnerin bietet keinen Anlass, hiervon abzuweichen.

8

b) Die Antragsgegnerin hat "die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts insgesamt", namentlich die Besetzung mit den [X.]innen und [X.]n [X.], [X.], [X.], [X.], Kirchhof, [X.], [X.] und [X.] gerügt. Dabei verkennt sie, dass "das Gericht" ausweislich der in § 14 Abs. 2 [X.] geregelten Zuständigkeit im Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG vorliegend allein der [X.] ist. [X.] ist daher von einer Besetzungsrüge die genannten [X.]innen und [X.] des [X.] betreffend auszugehen.

9

c) Der Senat hat sich mit der von der Antragsgegnerin aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die (hälftige) Wahl der [X.] des [X.] durch den in § 6 [X.] a.F. vorgesehenen [X.]wahlausschuss verfassungsgemäß war und insbesondere im Einklang mit Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG stand, in seinem Beschluss vom 19. Juni 2012 (vgl. [X.] 131, 230 <234 ff.>) ausführlich befasst und ist zu dem Ergebnis der Verfassungskonformität der damaligen Regelung gelangt. Der Vortrag der Antragsgegnerin steht dem nicht entgegen. Soweit sie geltend macht, der Beschluss vom 19. Juni 2012 ([X.] 131, 230 ff.) überzeuge inhaltlich nicht, vertritt sie lediglich eine abweichende Rechtsauffassung, ohne Gesichtspunkte vorzutragen, die in diesem Beschluss nicht bereits berücksichtigt wurden.

d) Dasselbe gilt, soweit die Antragsgegnerin meint, der damalige Beschluss entfalte keine Bindungswirkung, weil er unter "Mitwirkung der seinerzeit abgelehnten [X.]" gefasst worden und wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nichtig sei. Der Senat ist in seinem Beschluss vom 19. Juni 2012 ([X.] 131, 230) zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar regelmäßig die Feststellung der richtigen Besetzung eines erkennenden Gerichts ohne Beteiligung des [X.]s erfolgt, dessen Berechtigung zur Mitwirkung zweifelhaft ist, dass aber bei vier Senatsmitgliedern, die von der Frage der Ordnungsgemäßheit ihrer Wahl betroffen sind, die Beurteilung der vorschriftsmäßigen Senatsbesetzung mit der Frage nach der ordnungsgemäßen Einrichtung eines Spruchkörpers gleichzusetzen ist, über die dieser selbst befindet ([X.] 131, 230 <233> m.w.N.). An dieser Rechtsauffassung, die erst in jüngster [X.] erneut bestätigt worden ist ([X.], Beschluss des [X.] vom 18. Februar 2016 - 2 BvC 69/14 -, juris), hält der Senat fest.

2. Die [X.] gegen die [X.]innen und [X.] [X.], [X.], [X.], [X.], Kirchhof, [X.], [X.] und [X.] sind offensichtlich unzulässig.

a) Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist offensichtlich unzulässig. In einem solchen Fall ist der abgelehnte [X.] nicht von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch ausgeschlossen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Mai 2006 - 1 BvR 698/06 -, juris; [X.]K 8, 59 <60>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 3. Juli 2013 - 1 BvR 782/12 -, juris). Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten [X.]s (vgl. [X.] 11, 1 <3>; [X.]K 8, 59 <60>; [X.], Beschluss des [X.] vom 18. Februar 2016 - 2 BvC 69/14 -, juris, Rn. 5). Offensichtlich unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch auch, wenn der abgelehnte [X.] nicht zur Mitwirkung im vorliegenden Verfahren berufen ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 15. Dezember 1988 - 1 BvR 1487/87 -, juris).

b) [X.]) Letzteres ist vorliegend hinsichtlich der [X.]in [X.] und der [X.] Kirchhof, [X.] und [X.] der Fall. Denn diese sind nicht zur Mitwirkung in diesem Verfahren berufen.

bb) Soweit die Antragsgegnerin die [X.]innen und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] ablehnt, ist auch dies offensichtlich unzulässig. Die bloße erneute Thematisierung einer bereits entschiedenen Rechtsfrage ist zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs ungeeignet.

Die Entscheidung zur Besetzungsrüge ist mit 7:1 Stimmen, die Entscheidung zu den [X.]n einstimmig ergangen.

Meta

2 BvB 1/13

01.03.2016

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvB

vorgehend BVerfG, 28. Januar 2014, Az: 2 BvB 1/13, Ablehnung einstweilige Anordnung

Art 94 Abs 1 S 2 GG, § 6 BVerfGG vom 11.08.1993, § 18 Abs 1 Nr 1 BVerfGG, § 19 Abs 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 01.03.2016, Az. 2 BvB 1/13 (REWIS RS 2016, 15337)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 2313 NJW 2017, 611 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 144, 20-369 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 142, 1-5 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 142, 9-17 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 140, 316-317 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 142, 5-9 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 142, 18-24 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 135, 234-237 REWIS RS 2016, 15337 BVerfGE 138, 397-400 REWIS RS 2016, 15337


Verfahrensgang

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Az. 2 BvB 1/13

Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 17.01.2017.

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Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 19.03.2015.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 28.01.2014.


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