Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.2015, Az. 1 C 32/14

1. Senat | REWIS RS 2015, 3322

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Gegenstand

Frist für Aufnahmeersuchen im Dublin-Verfahren ist nicht drittschützend


Leitsatz

1. Die Anfechtungsklage ist die allein statthafte Klageart, wenn ein Asylbewerber die Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung seines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin II-Verordnung begehrt.

2. Jedenfalls im Fall der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zur Aufnahme begründen die in der Dublin II-Verordnung geregelten Fristen für die Stellung eines Aufnahmeersuchens keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers.

Tatbestand

1

Die Kläger, eine Mutter und ihr [X.], sind [X.] Staatsangehörige und gehören der Glaubensgemeinschaft der [X.] an. Sie wenden sich gegen einen Bescheid der Beklagten, durch den ihre Asylanträge als unzulässig abgelehnt werden und ihre Abschiebung nach [X.] angeordnet wird.

2

Die Kläger reisten gemeinsam mit zwei weiteren Kindern der Klägerin zu 1 (BVerwG 1 [X.] 33.14 und 1 [X.] 34.14) Anfang Januar 2013 nach [X.] ein und stellten hier am 14. Januar 2013 Asylanträge. Dabei gaben alle vier Familienmitglieder an, aus religiösen Gründen in [X.] verfolgt zu werden. Ein noch im gleichen Monat durchgeführter Abgleich der Fingerabdrücke mit Daten aus [X.] ergab, dass zwar nicht die Klägerin zu 1, wohl aber ihre drei Kinder bereits in [X.] Asylanträge gestellt hatten.

3

Im Mai 2013 wurde die Tochter (BVerwG 1 [X.] 33.14) durch das [X.] ([X.]) persönlich angehört. Dabei gab sie - ohne ausdrücklich auch die Klägerin zu 1 einzubeziehen - an, bereits in [X.] einen Asylantrag gestellt zu haben. Sie alle hätten sich im November 2012 für drei oder vier Tage in [X.] aufgehalten und seien dort am [X.] kontrolliert worden. Es sei kein Dolmetscher zugegen gewesen, und am Ende hätten sie etwas unterschreiben müssen. Sie wisse nicht, was sie unterschrieben habe, aber sie denke, es sei ein Asylantrag gewesen. Ihr eigentliches Ziel sei bereits damals [X.] gewesen. Von [X.] aus seien sie zunächst nach [X.] zurückgekehrt. Im Januar 2013 seien sie dann mit dem Flugzeug von [X.] kommend nach [X.] geflogen. Ein Flugticket habe sie nicht mehr.

4

Am 4. Dezember 2013 richtete die Beklagte unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c [X.] [X.] hinsichtlich sämtlicher vier Familienmitglieder [X.] an [X.]. Dabei gab sie an, dass es für die Klägerin zu 1 keinen [X.]-Treffer gebe, diese aber gemeinsam mit ihrem [X.] gereist sei, der nach den aus [X.] gewonnenen Daten am 1. Dezember 2012 in [X.] einen Asylantrag gestellt habe. Die Tochter (BVerwG 1 [X.] 33.14) habe ebenfalls am 1. Dezember 2012 in [X.] einen Asylantrag gestellt, der älteste [X.] (BVerwG 1 [X.] 34.14) am 3. Dezember 2012. Das [X.] teilte mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 (BVerwG 1 [X.] 33.14) und 19. Dezember 2013 (BVerwG 1 [X.] 32.14 und 1 [X.] 34.14), gleichfalls unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c [X.] [X.], mit, dass es die Wiederaufnahme sämtlicher vier Familienmitglieder akzeptiere.

5

Mit Bescheid vom 29. Januar 2014 stellte die Beklagte fest, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig sind (Ziffer 1) und ordnete deren Abschiebung nach [X.] an (Ziffer 2). Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG (jetzt: [X.]) unzulässig, da [X.] aufgrund der dort gestellten Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c [X.] [X.] für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik [X.] veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 der [X.] [X.] auszuüben, seien nicht ersichtlich.

6

Mit Beschluss vom 7. März 2014 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klagen gegen die Abschiebungsanordnung an. Mit Urteil vom 22. April 2014 hat es den Bescheid der Beklagten aufgehoben. Die Ablehnung der Asylanträge als unzulässig und die Anordnung der Abschiebung der Kläger seien rechtswidrig. Denn [X.] sei gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] für die Behandlung der Asylanträge zuständig, weil es die Wiederaufnahmegesuche an [X.] nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten gestellt habe. Hier habe bereits am 16. Januar 2013 aufgrund des [X.] mit [X.] ein Hinweis für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der [X.] vorgelegen. Darüber hinaus habe die Tochter bei ihrer Anhörung auf einen Aufenthalt in [X.] und einen dort wahrscheinlich gestellten Asylantrag hingewiesen. Trotz dieser eindeutigen Hinweise habe die Beklagte erst am 4. Dezember 2013 Wiederaufnahmegesuche an [X.] gerichtet. Die in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] enthaltene Fristenregelung finde nicht nur in Verfahren auf Aufnahme eines Asylbewerbers Anwendung, sondern auch in Verfahren auf Wiederaufnahme.

7

Der [X.]hof hat mit Beschluss nach § 130a VwGO vom 25. August 2014 das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. [X.] sei nicht in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] für die Behandlung der Asylanträge zuständig geworden. Zur Anwendung komme allein das Verfahren zur Wiederaufnahme nach Art. 20 [X.] [X.], weil die Kläger vor ihrer Einreise nach [X.] in [X.] um Asyl nachgesucht hätten. Art. 20 der [X.] [X.] enthalte keine dem Art. 17 Abs. 1 [X.] [X.] entsprechende Fristbestimmung. Insoweit sei auch keine Regelungslücke zu erkennen, die durch eine analoge Heranziehung der Fristbestimmungen zur Aufnahme zu schließen wäre. Unabhängig davon könnten sich die Kläger auch nicht auf die Einhaltung der [X.] der [X.] [X.] berufen, denn sie dienten allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaates.

8

Die Kläger wenden sich mit ihrer Revision gegen die Rechtsauffassung des [X.]hofs zur Unzuständigkeit [X.]s wie zur Abschiebungsanordnung. Das Verwaltungsgericht habe mit Recht die Fristenregelung für die Aufnahme auf das Verfahren der Wiederaufnahme übertragen, weil insoweit eine Regelungslücke vorliege. Damit sei [X.] für die Behandlung der Asylanträge zuständig geworden. Andernfalls würden die Mitgliedstaaten für das Wiederaufnahmeverfahren keiner Fristbestimmung unterliegen. Dies würde der generellen Zielsetzung des [X.]-Regelwerks zuwiderlaufen, eine Beschleunigung der Asylverfahren zu erreichen. Es spreche zudem vieles dafür, dass die Kläger auch in ihren Grundrechten aus Art. 41 der GR[X.] und Art. 6 Abs. 1 [X.] verletzt seien. Insoweit sei zu klären, ob sich ein Asylantragsteller in einem solchen Fall auf die Fristbestimmungen des [X.]-Regelungswerks berufen könne. Des Weiteren habe das Berufungsgericht verkannt, dass die gesetzliche Regelung des § 34a [X.] gegen Unionsrecht verstoße. Die [X.] [X.] sehe bei Unzuständigkeit eines Mitgliedstaates eine "Überstellung" vor. Damit habe das Unionsrecht eine neue Form der Aufenthaltsbeendigung geschaffen, die hinter der Abschiebung im Sinne des [X.] Ausländer- und Asylrechts [X.]. Sowohl die [X.] [X.] als auch das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verböten, eine Überstellung eines Asylbewerbers mit dem Zwangsmittel einer Abschiebung durchzuführen.

9

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Vertreter des [X.] beim [X.] hat sich an dem Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist unbegründet. Der [X.]eschluss des [X.]erufungsgerichts steht im Einklang mit revisiblem Recht. Die erhobene Anfechtungsklage ist statthaft (1.). Die Entscheidung der [X.]eklagten, die Asylanträge als unzulässig abzulehnen, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (2.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 [X.] (3.).

Maßgeblich für die rechtliche [X.]eurteilung des klägerischen [X.]egehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 2. September 2008 ([X.] I S. 1798) und das [X.] i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.] I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 ([X.] I S. 1722). Denn nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Rechtsänderungen, die nach der [X.]erufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das [X.]erufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. [X.], Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - [X.]E 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das [X.]erufungsgericht nach § 77 Abs. 1 [X.] regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall in [X.]ezug auf die maßgebliche [X.]-Verordnung - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

1. Die Vorinstanzen haben mit Recht die Anfechtungsklage als die allein statthafte Klageart angesehen, wenn es - wie hier - um das [X.]egehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit [X.] für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der [X.] [X.] geht (Verordnung ([X.]) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur [X.]estimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - A[X.]l. L 50 S. 1).

Der Erhebung einer auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO steht entgegen, dass die [X.] [X.] - [X.] [X.] - ein von der materiellen Prüfung eines Asylantrags gesondertes behördliches Verfahren für die [X.]estimmung des hierfür zuständigen Staats vorsieht (Art. 2 [X.]uchst. e). Die Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung und zur materiellen Prüfung des Asylbegehrens darf nicht dadurch umgangen werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung sogleich über die [X.]egründetheit des Asylantrags entscheidet (so auch [X.], Urteil vom 16. April 2014 - [X.] S 1721/13 - [X.] 2014, 293 - juris Rn. 18). Vielmehr fordert das [X.]-Regelungswerk, dass im Fall einer vom Gericht für fehlerhaft erachteten Verpflichtung eines anderen Staats die für das [X.]-Verfahren zuständige [X.]ehörde - hier das [X.] ([X.]) - die Möglichkeit erhält, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, um die Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers zu ersuchen (vgl. [X.], Urteile vom 21. Dezember 2011 - [X.]/10 u.a. [[X.]:[X.]:C:2011:865], N.S. u.a. - Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11 [[X.]:[X.]:C:2013:740], [X.] - Rn. 33). Die Stellung eines solchen Ersuchens, das den Lauf von zuständigkeitsbegründenden Fristen auslöst, ist eine dem [X.] zugewiesene Aufgabe, die das Gericht im Fall des Durchentscheidens nicht erfüllen könnte (zur Notwendigkeit der Sicherung der dem [X.] zugewiesenen Steuerungsfunktion im Fall der gerichtlichen Überprüfung einer Einstellungsentscheidung nach §§ 32, 33 [X.] vgl. schon [X.], Urteil vom 7. März 1995 - 9 [X.] - [X.] 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12).

Das [X.] hat in Ziffer 1 des angefochtenen [X.]escheids auch eine rechtsgestaltende Regelung über die Zulässigkeit der beiden Asylanträge nach § 27a [X.] getroffen, deren Aufhebung mit der Anfechtungsklage begehrt werden kann. Ungeachtet der gewählten Formulierung des [X.]s ("Die Asylanträge sind unzulässig") liegt nicht lediglich eine Feststellung vor, sondern eine rechtsgestaltende Entscheidung über die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, wie das § 31 Abs. 6 [X.] verlangt (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 12). Auch für die Aufhebung der in Ziffer 2 des [X.]escheids getroffenen Abschiebungsanordnung nach § 34a [X.] ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart.

2. Die Entscheidung der [X.]eklagten, die Asylanträge als unzulässig abzulehnen, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dabei kann offenbleiben, ob die [X.]eklagte bei Stellung ihres Ersuchens an [X.] in [X.]ezug auf die Klägerin zu 1 die Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] zu beachten hatte und im Falle einer durch Fristversäumnis begründeten Zuständigkeit [X.]s für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zu 1 sich diese Zuständigkeit auch auf den Kläger zu 2 als mit der Klägerin zu 1 eingereistes minderjähriges Kind erstreckte (Art. 4 Abs. 3 [X.] [X.]). Denn auf eine etwaige Nichtbeachtung von Fristen für die Aufnahme oder Wiederaufnahme können sich die Kläger nicht berufen, weil die Fristenregelung für sie keine subjektiven Rechte begründet.

a) Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass die Drei-Monats-Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] nur für [X.] gilt, nicht hingegen für Gesuche auf Wiederaufnahme von [X.]. Der [X.] hat bereits entschieden, dass das Fehlen einer Fristvorgabe für die Stellung eines Wiederaufnahmeersuchens in der [X.] [X.] keine Regelungslücke darstellt, die durch eine analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] zu schließen wäre ([X.], [X.]eschluss vom 15. April 2014 - 10 [X.] 17.14 - juris Rn. 13; vgl. auch [X.]eschluss vom 21. Mai 2014 - 10 [X.] 31.14 - juris Rn. 5). Es fehlt aber an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen, dass auch die Klägerin zu 1 - wie ihre Kinder - in [X.] einen Asylantrag gestellt hat und deshalb auch auf sie das Verfahren der Wiederaufnahme nach Art. 20 [X.] [X.] Anwendung findet. Hätte die Klägerin zu 1 in [X.] keinen Asylantrag gestellt, fänden auf sie die [X.]-Regeln über die Aufnahme Anwendung und die [X.]eklagte hätte mit der Unterbreitung des Gesuchs an [X.] mehr als zehn Monate nach der Asylantragstellung die Drei-Monats-Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] verstreichen lassen. Damit wäre [X.] für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

b) Die Frage, ob die Klägerin zu 1 in [X.] einen Asylantrag gestellt hat, erweist sich jedoch nicht als entscheidungserheblich. Denn auf eine etwaige Nichtbeachtung der in diesem Fall zu beachtenden Drei-Monats-Frist für die Aufnahme nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] können sich die Kläger nicht berufen, weil die Fristenregelung für sie keine subjektiven Rechte begründet.

Der [X.] hat in seinem Urteil in der Rechtssache "[X.]" entschieden, dass in einer Situation wie der vorliegenden, in der der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, der [X.]etroffene der Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Asylbewerber in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden [X.]ehandlung im Sinne von Art. 4 der [X.] ausgesetzt zu werden ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 - [X.]/12 [[X.]:[X.]:C:2013:813], [X.] - Rn. 60). Derartige systemische Mängel sind im vorliegenden Verfahren für [X.] weder gerichtlich festgestellt noch von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden. In diesem Fall kann sich ein Asylbewerber nicht auf einen Fristablauf berufen, weil die Fristbestimmungen des [X.]-Regimes für die (Wieder-)Aufnahme lediglich als zwischen den Mitgliedstaaten wirkende Organisationsvorschriften anzusehen sind. Sie dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller dadurch einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch [X.], Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 27a AsylVfG Rn. 65; [X.], in: [X.], Stand: November 2014, § 27a AsylVfG Rn. 196.1.; [X.], [X.] 2015, 81 <84>). Ein erneuter Klärungsbedarf dieser Frage ergibt sich insoweit auch nicht aus zwei anhängigen Vorlageverfahren beim [X.], da sich diese nicht auf die Auslegung der hier maßgeblichen [X.] [X.] beziehen, sondern auf die Frage, ob die Rechtslage bei Anwendung der [X.] I[X.] anders zu beurteilen ist (Vorlage der Rechtbank Den Haag/[X.] vom 12. Februar 2015 - [X.]/15 - [X.] und Vorlage des Kammarrätten [X.]/[X.] vom 1. April 2015 - [X.]/15 - Karim).

Unter welchen Voraussetzungen im Fall einer überlangen Verfahrensdauer eine Pflicht zum Selbsteintritt des ersuchenden Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 2 [X.] [X.] besteht (vgl. dazu [X.], Urteile vom 21. Dezember 2011 - [X.]/10 u.a. - Rn. 108 und vom 14. November 2013 - C-4/11 - Rn. 35), braucht nicht entschieden werden. Denn eine Verfahrensdauer von etwas mehr als elf Monaten von der Asylantragstellung bis zur Erteilung der Zustimmung zur Wiederaufnahme weist jedenfalls keine solche Überlänge auf.

c) Die Kläger können auch aus dem Recht auf eine gute Verwaltung gemäß Art. 41 Abs. 1 der [X.] keinen Anspruch auf [X.]ehandlung ihrer Asylanträge durch [X.] ableiten. Denn in der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass sich dieses Recht nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der [X.] richtet und nicht an die Mitgliedstaaten, selbst wenn diese [X.]srecht anwenden ([X.], Urteil vom 11. Dezember 2014 - [X.]/13 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.]oudjlida - Rn. 32 m.w.N.).

d) Schließlich ergibt sich für die Kläger im Fall einer etwaigen Fristverletzung bei der Stellung eines Aufnahmegesuchs an [X.] auch aus Art. 6 Abs. 1 [X.] kein Anspruch auf [X.]ehandlung ihrer Asylanträge durch die [X.]undesrepublik [X.]. Art. 6 Abs. 1 [X.] bezieht sich schon seinem Schutzbereich nach nicht auf das Verwaltungsverfahren vor dem [X.], sondern enthält lediglich Verfahrensgarantien für Gerichtsverfahren und im Übrigen auch nur für solche Gerichtsverfahren, die zivilrechtliche Ansprüche oder strafrechtliche Anklagen betreffen. Hierzu gehören Streitigkeiten über Einreise, Aufenthalt und Ausweisung von Ausländern nicht ([X.]MR, Urteil vom 17. Mai 2011 - Nr. 43408/08, [X.] u.a./Irland - NVwZ 2012, 686 Rn. 83; Entscheidung vom 24. März 2015 - Nr. 37074/13, [X.]/[X.] - [X.], 464 Rn. 40).

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen [X.]escheids zutreffend als rechtmäßig angesehen. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 [X.]. Diese Vorschrift ist mit den unionsrechtlichen [X.]estimmungen des [X.]-Regelungswerks vereinbar, wie der [X.] in seinem Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - näher ausgeführt hat. Auf die Gründe dieses Urteils wird verwiesen.

4. [X.] ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 C 32/14

27.10.2015

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 25. August 2014, Az: 2 A 976/14.A, Beschluss

§ 27a AsylVfG 1992, § 31 Abs 6 AsylVfG 1992, § 34a Abs 1 AsylVfG 1992, Art 16 Abs 1 EGV 343/2003, Art 17 Abs 1 S 2 EGV 343/2003, Art 2 Buchst e EGV 343/2003, Art 20 EGV 343/2003, Art 4 Abs 3 EGV 343/2003, Art 41 Abs 1 EUGrdRCh, Art 49 Abs 2 EUV 604/2013, Art 6 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.2015, Az. 1 C 32/14 (REWIS RS 2015, 3322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3322

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