Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.12.2016, Az. B 9 SB 73/16 B

9. Senat | REWIS RS 2016, 494

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Schwerbehindertenrecht - gesundheitliche Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl - Blindheit - Vollbeweis - Verkennung des Beweismaßstabs - Divergenz - Rechtsanwendungsfehler - kein Grund für eine Revisionszulassung


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. September 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 21.9.2016 einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des [X.] (Blindheit) ab dem 1.3.2013 bejaht und den [X.]n entsprechend zur Feststellung verurteilt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der [X.] Beschwerde zum [X.] eingelegt und diese mit dem Bestehen einer grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) sowie mit einer Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) begründet. Bei der dementen Klägerin könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob das Sehvermögen 1/50 oder weniger oder vielleicht 1/20 oder weniger betrage. Somit könne der erforderliche [X.] nicht geführt werden, da eine Quantifizierung und Qualifizierung des Sehvermögens an den allgemeinen Beeinträchtigungen der Klägerin und auch an den weiteren vorliegenden medizinischen Besonderheiten scheitere. Insoweit müsse die Klägerin nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass eine (große) Ungewissheit bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben sei. Das in der vorliegenden Rechtssache gleichwohl die Voraussetzungen für das [X.] festgestellt worden seien, werfe die entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige sowie klärungsfähige Rechtsfrage auf. Denn im sozialgerichtlichen Verfahren seien die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, dh mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen. Darüber hinaus weiche die Entscheidung des [X.] von der ständigen Rechtsprechung des [X.] ab.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]n ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder eine behauptete grundsätzliche Bedeutung (1.) noch die zudem geltend gemachte Divergenz (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.]-1500 § 160a [X.]1 S 38; [X.]-4100 § 111 [X.] S 2 f; siehe auch [X.]-2500 § 204 [X.] f mwN).

5

Eine solche Rechtsfrage hat die Beschwerde nicht herausgearbeitet. Ihre Kritik, dass [X.] habe sich in seinem Urteil nicht mit den insgesamt vorliegenden Funktionsstörungen beim Sehen ausreichend auseinandergesetzt und den erforderlichen Beweismaßstab nicht beachtet, wendet sich in der Sache lediglich gegen die Beweiswürdigung des [X.]. Damit kann sie keinen Erfolg haben, weil die Richtigkeit der Entscheidung nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist ([X.] § 160a Nr 7).

6

Die Beschwerde hätte sich vielmehr unter Darlegung einer konkreten Rechtsfrage mit der verbindlichen Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des [X.] und der darauf basierenden Rechtsprechung des [X.] auseinandersetzen müssen. Insofern wäre insbesondere eine Darlegung der Senatsentscheidung vom [X.] ([X.] [X.] 1/14 R, [X.]E 119, 224 = [X.]-5921 Art 1 Nr 3) erforderlich gewesen, in der das [X.] unter anderem ausgeführt hat, dass eine der Blindheit entsprechende gleich schwere cerebrale Störung des Sehvermögens keine spezifische Sehstörung voraussetzt. Denn zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit reicht es nicht aus, lediglich die eigene Rechtsmeinung auszubreiten. Vielmehr ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen erforderlich (vgl [X.] Beschluss vom 10.12.2012 - [X.] R 361/12 B - Juris RdNr 6). Dies hat die Beschwerde versäumt.

7

2. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] KR 31/09 B - RdNr 4; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 26/10 B - RdNr 4; [X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN).

8

Erforderlich ist, dass das [X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich das Recht fehlerhaft angewendet hat (vgl zB [X.] Beschluss vom 15.1.2007 - [X.] KR 149/06 B - RdNr 4; [X.]-1500 § 160 [X.]6 S 44 f mwN). Der [X.] legt allerdings die für eine Divergenz notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar.

9

Zwar führt der [X.] die Entscheidung des [X.] mit Urteil vom [X.] ([X.] [X.]) an und macht geltend, dass das [X.] die Voraussetzungen für einen Vollbeweis verkannt habe, weil hierfür ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit erforderlich sei, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifele. Denn an der Erforderlichkeit der Prüfung, ob die visuellen Fähigkeiten der Betroffenen unterhalb der vorgegebenen Blindheitsschwelle lägen, habe sich auch durch die neue Rechtsprechung nichts geändert; der [X.] müsse weiterhin erbracht werden. Mit diesen Ausführungen legt der [X.] weder einen Rechtssatz aus der [X.]-Entscheidung noch einen Rechtssatz aus der [X.]-Entscheidung dar und behauptet nicht einmal, dass das [X.] in seiner Entscheidung insbesondere den Kriterien des [X.] in dessen Rechtsprechung ausdrücklich habe widersprechen wollen und andere - eigene - rechtliche Maßstäbe entwickelt habe. Tatsächlich rügt die Beschwerdebegründung, das [X.] habe die gesetzlichen Vorgaben für die Feststellung eines [X.] unrichtig angewandt und daher den [X.]n zu Unrecht verurteilt, bei der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des [X.] festzustellen. Damit rügt der [X.] die unrichtige Anwendung des Gesetzes. Die behaupteten Fehler der Rechtsanwendung sind jedoch für sich allein, wie oben bereits dargestellt, kein Zulassungsgrund (vgl [X.] § 160a Nr 7).

3. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung [X.] (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 9 SB 73/16 B

19.12.2016

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Osnabrück, 29. September 2015, Az: S 36 SB 16/14, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 128 SGG, § 69 Abs 4 SGB 9, § 72 Abs 5 SGB 12, § 3 Abs 1 Nr 3 SchwbAwV, Anlage Teil A Nr 6 Buchst a S 2 VersMedV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.12.2016, Az. B 9 SB 73/16 B (REWIS RS 2016, 494)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 494

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