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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Schwerbehindertenrecht - Anspruch auf Landesblindengeld für cerebral schwerst geschädigte Kinder - Entbehrlichkeit einer spezifischen Sehstörung - Diskriminierungsverbot - sozialgerichtliches Verfahren - Revisibilität von Landesrecht
Eine der Blindheit entsprechende gleich schwere cerebrale Störung des Sehvermögens setzt keine spezifische Sehstörung voraus (Aufgabe von BSG vom 20.7.2005 - B 9a BL 1/05 R = BSGE 95, 76 = SozR 4-5921 Art 1 Nr 2).
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. März 2014 aufgehoben und die Berufung des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2010 zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Streitig ist ein Anspruch des [X.] auf Blindengeld nach dem [X.] ([X.]).
Der Kläger erlitt bei seiner Geburt (2005) wegen einer Minderversorgung mit Sauerstoff schwerste Gehirnschäden. Diese führten unter anderem zu einem Anfallsleiden, einer spastischen Bewegungsstörung sowie zu einer schweren mentalen Retardierung mit Intelligenzminderung. Der Entwicklungsstand des [X.] entspricht dem eines ein- bis viermonatigen Säuglings. Seine kognitive Wahrnehmungsfähigkeit ist im Bereich aller Sinnesmodalitäten stark eingeschränkt. Unter anderem verfügt der Kläger lediglich über basale visuelle Fähigkeiten, die unterhalb der [X.] liegen, so dass der Kläger nicht sehen kann.
Die allein sorgeberechtigte Mutter des [X.] beantragte 2006 für ihren [X.] Blindengeld nach dem [X.] Der beklagte [X.] lehnte den Antrag ab. Zwar liege beim Kläger eine schwerste Hirnschädigung vor, jedoch sei das Sehvermögen nicht wesentlich stärker beeinträchtigt als die übrigen Sinnesmodalitäten. Dies aber sei nach der Rechtsprechung des B[X.] zur sogenannten cerebralen Blindheit Voraussetzung für die Gewährung von Blindengeld (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 4.12.2007).
Das [X.] hat der Klage stattgegeben, weil der Kläger faktisch blind und seine visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen sei als die Wahrnehmung durch andere Sinnesorgane (Urteil vom 15.12.2010). Auf die Berufung des beklagten [X.]es hat das L[X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage nach Einholung weiterer Sachverständigengutachten abgewiesen. Der Kläger sei zwar faktisch blind. Auch stehe das Vorliegen cerebraler Schäden der Annahme von Blindheit nicht grundsätzlich entgegen. Bei Vorliegen umfangreicher cerebraler Schäden müsse für einen Anspruch auf Blindengeld jedoch im Vergleich zu anderen - möglicherweise ebenfalls eingeschränkten - Gehirnfunktionen eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliegen. Dies sei entgegen der Ansicht des [X.] beim Kläger nicht der Fall. Die Unterschiede bei den noch vorhandenen Sinneswahrnehmungen seien nach den eingeholten Gutachten im Hinblick auf den Gesamtzustand des [X.] vielmehr marginal (Urteil vom 27.3.2014).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung formellen und materiellen Rechts (§§ 62, 103 [X.]G, Art 1 Abs 2 [X.]). Die vom L[X.] gestellten Anforderungen an die Prüfung einer spezifischen Sehstörung seien mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar. Soweit gutachterlich zur Darstellung der Entwicklung von Kindern mit schwerer Mehrfachbehinderung und motorischer sowie mentaler Retardierung auf die sogenannten [X.] ([X.]) zurückgegriffen worden sei, fehle es an einer allgemein anerkannten Grundlage für die Prüfung einzelner Sinneswahrnehmungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 27. März 2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2010 zurückzuweisen.
Der beklagte [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil für zutreffend.
Der Senat hat zu den [X.] als Methode der Diagnostik spezifischer Sehstörungen bei cerebral geschädigten Kindern Auskünfte der [X.] eingeholt.
Die Revision des [X.] ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 S 1 [X.]). Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Blindengeld nach dem [X.].
1. Der [X.] ist, obwohl in der Sache um die Auslegung [X.] und damit an sich irreversiblen Landesrechts gestritten wird, nicht an einer Sachentscheidung gehindert.
Nach § 162 [X.] kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des [X.] geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des [X.] hinaus erstreckt. Zwar erstreckt sich das [X.] nicht über den [X.] und damit den Bezirk des [X.] hinaus. [X.] von Landesrecht hat das BSG jedoch auch angenommen, wenn inhaltsgleiche Vorschriften verschiedener Länder in den Bezirken verschiedener [X.] gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (vgl dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 162 Rd[X.] 5a mwN; [X.]/[X.], [X.], 2014, § 162 Rd[X.]7 f mwN). Letzteres hat das BSG in ständiger Rechtsprechung auch für den Begriff der Blindheit nach dem [X.] angenommen. Der dort verwendete - hier umstrittene und entscheidungserhebliche - Blindheitsbegriff stimmt mit dem Blindheitsbegriff überein, den auch die in den Bezirken anderer [X.] geltenden landesrechtlichen Blindengeldgesetze zu Grunde legen (zB für [X.] § 1 Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose vom 25.11.1997, GVBl S 430 idF des [X.], [X.]). Übereinstimmung besteht zudem mit dem bundeseinheitlich geltenden Begriff der Blindheit in § 72 Abs 5 [X.], auf den im Schwerbehindertenrecht (§ 3 Abs 1 [X.]) Bezug genommen wird (vgl [X.] vom 26.10.2004, [X.] 4-5921 Art 1 [X.] Rd[X.] 5; Urteil vom [X.] [X.] 1/05 R, [X.], 76 = [X.] 4-5921 Art 1 [X.], Rd[X.] mwN).
2. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage des [X.] ist begründet. Der allein gegenständliche Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2007, mit dem der Beklagte dem Kläger Blindengeld versagt hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat seit Antragstellung Anspruch auf Gewährung von Blindengeld nach dem [X.] Er ist blind im Sinne des Gesetzes (dazu a). Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass beim Kläger auch weitere Sinnesorgane wie das Hörvermögen oder der Tastsinn nicht weniger auf Schwerste beeinträchtigt sind (dazu b).
a) Monatliches Blindengeld nach dem [X.] erhalten blinde und tau[X.]linde Menschen auf Antrag, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] haben oder durch die [X.] ([X.]) [X.] gleichgestellt sind, zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen (Art 1 Abs 1 [X.] vom [X.], GVBl 1995, 150, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des [X.] vom [X.], GVBl 2013, 464). Dies ist beim Kläger der Fall. Er lebt in [X.] und ist entgegen der Ansicht des beklagten [X.] auch blind im Sinne des Gesetzes.
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art 1 Abs 2 S 1 [X.]). Als (faktisch) blind gelten darüber hinaus Personen, deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt (Art 1 Abs 2 S 2 [X.] [X.]) sowie bei denen hierdurch ([X.]) nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach [X.] gleichz[X.]chten sind (Art 1 Abs 2 S 2 [X.] [X.]; zur Entwicklung des Begriffs "Blindheit" vgl [X.], jurisPR-[X.] 24/2009 [X.] 4).
Dies ist beim Kläger der Fall. Nach den Feststellungen des [X.] besitzt er lediglich basale visuelle Fähigkeiten, die unterhalb der [X.] liegen. Der Einsatz seiner Sehfähigkeit im Alltag unter Tageslichtbedingungen ist nicht möglich.
Dabei kann es sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes dahingestellt bleiben, auf welcher konkreten Ursache die Blindheit im Einzelfall beruht, ob sie auf einer Schädigung des optischen Sehapparates, einer Hirnschädigung oder einer Kombination denkbarer Ursachen beruht. Auch cerebrale Schäden, die zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen, sind beachtlich und können zur Blindheit führen (etwa der Ausfall der Sehrinde
Das BSG hatte bisher in [X.]ehnung an Empfehlungen der Sektion Versorgungsmedizin des Ärztlichen Sachverständigenbeirates beim früheren [X.] ([X.], Rundschreiben vom 16.2.1990) zwischen Störungen beim "Erkennen" (Schädigung des Sehapparates) und beim "Benennen" (Schädigung in der Verarbeitung wahrgenommener optischer Reize) unterschieden. Ausgangspunkt der Empfehlung war der Antrag eines Mädchens, das infolge einer Gewalttat unter einem apallischen Syndrom litt und die Versorgung mit einem Blindenführhund beantragt hatte. Der Sachverständigenbeirat beim [X.] kam zu dem Ergebnis, dass bei einer solchen cerebralen Schädigung (dort als "Seelenblindheit" oder "visuelle Agnosie" bezeichnet) keine Blindheit vorliege; nicht das Sehvermögen mit dem Sehorgan im engeren Sinne sei beeinträchtigt, sondern die Fähigkeit, das Gesehene geistig zu verarbeiten (vgl dazu [X.], Nicht sehen können - doch nicht blind? in: Sozialrecht im Umbruch, 2010, [X.], 70). Das BSG hat bei seiner Differenzierung zwischen "Erkennens- und Benennungsstörungen" selbst darauf hingewiesen, dass es sich im Einzelfall als sehr schwierig erweisen könne, eine Störung zu lokalisieren und einer dieser Kategorien zuzuweisen (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 3-5920 § 1 [X.] S 5, Juris Rd[X.] 34 zum [X.] Gesetz [X.] über die Gewährung einer Blindheitshilfe; zum [X.] wieder Urteil vom 26.10.2004 - B 7 SF 2/03 R - [X.] 4-5921 Art 1 [X.] Rd[X.]3; Urteil vom [X.] [X.] 1/05 R - [X.], 76 = [X.] 4-5921 Art 1 [X.], Rd[X.] 9-11).
Das BSG gibt diese Differenzierung nunmehr auf. Soweit in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, unter dem Begriff "Störungen des Sehvermögens" seien Störungen beim Erkennen optischer Reize zu verstehen, die sich nicht auf eine Beeinträchtigung elementarer visueller Leistungen, auf eine Benennungsstörung oder auf eine allgemeine Herabsetzung kognitiver Fähigkeiten zurückführen lassen (Gesetzentwurf der St[X.]tsregierung für ein [X.], [X.] 13/458 S 5; vgl zum Ausschluss jeder visuellen Agnosie nach [X.] zu § 2 Teil [X.] c VersMedV; zur Teilnichtigkeit dieser Regelung [X.] Urteil vom [X.] SB 231/07 mit [X.] [X.], jurisPR-[X.] 24/2009 [X.] 4), hat diese Differenzierung in Art 1 [X.] keinen normativen Niederschlag gefunden.
Die Differenzierung kann zudem gerade bei cerebral geschädigten Menschen vielfach medizinisch kaum nachvollzogen werden, dh die Ursache der Beeinträchtigung des Sehvermögens nicht genau bestimmt werden. Denn die Untersuchung visueller Wahrnehmungsleistungen setzt voraus, dass [X.] gegeben ist; dazu gehören [X.] ausreichende Leistungen in den kognitiven Bereichen Aufmerksamkeit und Gedächtnis, ausreichende [X.] (Mitteilung [X.] über das eigene Sehvermögen bzw Beschreiben von optischen Reizen) oder ausreichende Handfunktionen, etwa um [X.] im Rahmen perimetrischer Untersuchungen betätigen zu können (vgl dazu [X.]/[X.], [X.] bei zerebralen Funktionsstörungen, MED [X.] 2/2015, 81 ff; und sogleich unter 2b, [X.]).
Ein hinreichend sachlicher Grund für das Erfordernis einer genauen Lokalisierung der Sehstörung ist daher nicht nachweisbar. Entscheidend für den Anspruch auf Blindengeld ist allein, ob es insgesamt an der Möglichkeit zur Sinneswahrnehmung "Sehen" (optische Reizaufnahme und deren weitere Verarbeitung im Bewusstsein des Menschen) fehlt, ob der behinderte Mensch "blind" ist. Damit wird die Frage hinfällig, ob die zugrunde liegende Annahme, der [X.] stelle einen in strikter zeitlicher Abfolge stattfindenden Prozess mit mehreren voneinander klar abgrenzbaren Phasen (perzeptiv, semantisch und lexikalisch) dar, mit der aktuellen wissenschaftlichen Evidenzlage vereinbar ist (vgl [X.]/[X.], [X.] bei zerebralen Funktionsstörungen, MED [X.] 2/2015, 81, 82: fehlende Trennschärfe visueller Verarbeitungsstrukturen; aA und für einen mehrstufigen Prozess weiterhin vgl [X.]/Gerrig, Psychologie, 20. Aufl, 2015, [X.] ff, 161 f).
b) Dem Anspruch des [X.] steht auch nicht entgegen, dass bei ihm darüber hinaus auch sonstige Sinnesorgane wie sein Hörvermögen oder der Tastsinn auf Schwerste beeinträchtigt sind. Soweit der [X.] in seiner bisherigen Rechtsprechung für den Blindengeldanspruch verlangt hat, dass bei cerebralen Schäden eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliegt, hält er auch daran nicht mehr fest (Aufgabe von [X.], 76 = [X.] 4-5921 Art 1 [X.]). Der [X.] hat für den Nachweis einer schweren Störung des Sehvermögens bisher verlangt, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten (vgl [X.] vom [X.] [X.] 1/05 R - [X.], 76 = [X.] 4-5921 Art 1 [X.], Rd[X.] 9). Zu einer Aufgabe dieser Rechtsprechung sieht sich der [X.] aus den oben bereits angesprochenen Erkenntnisschwierigkeiten (dazu [X.]) sowie unter dem Aspekt der Gleichbehandlung veranlasst (dazu [X.]).
[X.]) Die Praxis der Instanzgerichte, darunter diejenige über den Anspruch des [X.], zeigen, dass sich gerade bei mehrfach schwerstbehinderten Kindern eine spezifische Störung des Sehvermögens medizinisch kaum verlässlich feststellen lässt (vgl weiter zB Urteil des [X.] vom 17.7.2012 - L 15 [X.] 11/08 - Juris Rd[X.] 58 ff). Insoweit fehlt es an Erhebungs- und Untersuchungsmethoden, deren Einsatz sowohl zu medizinisch sicheren Ergebnissen führt als auch ethisch vertretbar ist. Das Kriterium der "spezifischen Sehstörung" hat sich aus Sicht des [X.]es insgesamt als nicht praktikabel erwiesen, weil es zu einer Erhöhung des Risikos von Zufallsergebnissen führt.
Anspruchsbegründende Tatsachen im Recht der [X.] Leistungen unterliegen grundsätzlich einem notwendigen Vollbeweis (BSG [X.] 4-3250 § 69 [X.]5 Rd[X.] 46), die Nichterweislichkeit geht zu Lasten des [X.]. Die Nichterweislichkeit ginge auch im Falle des [X.] Blindengelds zu Lasten des [X.] (hierzu [X.], Die Entwicklung und Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Blindengeldleistung als Sozialleistung, 2003, [X.]). Etwaige Beweiserleichterungen des [X.] Entschädigungsrechts kommen nicht zum Tragen (zB § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung; Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei [X.] [X.] 4-3200 § 81 [X.] Rd[X.]5). Besondere Vorschriften der Kriegsopferversorgung gelten im Rahmen des [X.] nur, soweit solche im [X.] vorgesehen sind (vgl Art 7 Abs 3 S 2 [X.], zB § 154 Abs 2 [X.]; vgl [X.] 13/458 S 6).
Die mit dem Beweisrecht verbundene typisierende Annahme, dass die relevanten Tatsachen im Ansatz hinreichend verlässlich feststellbar sind, ist in Bezug auf die vorhandene medizinische Diagnostik zur Feststellung einer spezifischen Sehstörung nicht gerechtfertigt. Die Diagnostik spezifischer Sehstörungen insbesondere bei cerebral geschädigten Kindern ist beschränkt. Medizintechnische Untersuchungsmethoden sind - worauf in der Vorinstanz unangegriffen hingewiesen wurde - wegen der notwendigen Sedierung oder gar Narkotisierung ethisch kaum vertretbar, verbleibende Befragungen der Betreuungspersonen störanfällig, weil oftmals subjektiv gefärbt (vgl dazu [X.]/[X.], [X.] bei zerebralen Funktionsstörungen, MED [X.] 2/2015, 81, 83). Der Einsatz von Entwicklungsskalen hängt nach Auskunft der [X.] maßgeblich von der Expertise des Testleiters ab. Die Anwendung der [X.] für Kleinkinder (im Alter von 0 bis 12 Monaten) auf ältere Kinder begünstigt weitere Unwägbarkeiten, unabhängig davon, ob sie dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen [X.] genügen, welcher im Rahmen der richterlichen Sachaufklärung (§ 103 [X.]) verbindlich zugrunde zu legen wäre (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]3). Zweifel bestehen jedenfalls insofern auch in Anbetracht des Umstandes, dass die [X.], Psychosomatik und Psychotherapie in ihrer S2k-Praxisleitlinie "Intelligenzminderung" von Dezember 2014 S 35 die [X.] ([X.] und Sticker 2001) wegen ihrer geringen Testgüte und mangels aktueller Normen für den diagnostischen Einsatz nicht einmal mehr empfohlen hat (abrufbar unter [X.]).
[X.]) Vor allem aber lässt es der allgemeine Gleichheitssatz nicht zu, bei schwer cerebral geschädigten Menschen zu verlangen, dass die zu Blindheit führende Beeinträchtigung ihres Sehvermögens noch deutlich stärker ausgeprägt ist als die Beeinträchtigung ihrer sonstigen Sinneswahrnehmungen (Hören, Tasten etc), sog spezifische Sehstörung. Hieran hält der [X.] im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung behinderter Menschen vor dem Gesetz nicht mehr fest (Art 3 Abs 1 und 3 [X.]; Art 5 UN-Behindertenrechtskonvention, zur unmittelbaren Anwendbarkeit [X.], 194 = [X.] 4-1100 Art 3 [X.]9, Rd[X.]9 ff).
Abgesehen davon, dass sich bei schwersten cerebralen Schäden die mit dem Merkmal einer spezifischen Sehstörung angestrebte Begrenzung des blindengeldberechtigten Personenkreises angesichts des erhöhten Risikos von Zufallsergebnissen (dazu oben [X.]) nach derzeitigen Erkenntnissen nicht hinreichend rechtssicher erreichen lässt (zum vorgelagerten Aspekt einer genauen Abgrenzung des begünstigten Personenkreises bereits [X.] 37, 154, 155, 164 f), besteht auch sonst keine Möglichkeit die genannte Differenzierung zu rechtfertigen.
Der [X.] sieht keinen hinreichenden sachlichen Grund dafür, dass zwar derjenige Blindengeld erhalten soll, der "nur" blind ist, nicht aber derjenige, bei dem zusätzlich zu seiner Blindheit noch ein Verlust oder eine schwere Schädigung des Tastsinns oder sonstiger Sinnesorgane vorliegt, bei dem aber nicht von einer deutlich stärkeren Betroffenheit des Sehvermögens gegenüber der Betroffenheit sonstiger Sinnesorgane gesprochen werden kann (im Ergebnis ebenso bereits [X.] Beschluss vom 7.5.1974 - 1 BvL 6/72 - [X.] 37, 154, 165 f zur Differenzierung zwischen zu einer zu fehlendem Sehvermögen führenden Beeinträchtigung der Sehschärfe und einer vergleichbar wirkenden Einschränkung des Gesichtsfeldes).
Zwar kommt in der früheren Rechtsprechung des BSG das [X.]iegen zum Ausdruck, dass Störungen aus dem seelisch/geistigen Bereich nicht zu einem Blindengeldanspruch führen sollen, weil Behinderungen solcher Art ggf durch anderweitige, auch einkommens- und vermögensunabhängige Sozialleistungen ausgeglichen werden, wenn deren Voraussetzungen vorliegen (etwa Leistungen der Pflegeversicherung oder der Eingliederungshilfe, §§ 61 ff [X.]; vgl [X.], [X.]O, [X.] ff; zur Reform der Eingliederungshilfe durch Einführung eines Bundesteilhabegelds vgl Koalitionsvertrag 2013, [X.] abrufbar unter www.bundesregierung.de). Dies kann die Ungleichbehandlung schwer cerebral geschädigter Behinderter jedoch nicht begründen.
Insbesondere stellt die Erwägung, dass derjenige, der wegen schwerster cerebraler Schäden zu keiner oder so gut wie keinen Sinneswahrnehmungen fähig ist, des [X.] nicht bedarf, weil behinderungsbedingte Mehraufwendungen ohnehin nicht ausgeglichen werden können, keinen solchen sachlichen Grund dar. Zwar heißt es in Art 1 Abs 1 [X.], das Blindengeld werde "zum Ausgleich der durch diese Behinderungen bedingten Mehraufwendungen" gezahlt. Das BSG hat jedoch entsprechend der Praxis der zuständigen Behörden, ohne dass dem der Gesetzgeber entgegengetreten wäre, entschieden, dass das Blindengeld derzeit ohne Rücksicht auf einen im Einzelfall nachzuweisenden oder nachweisbaren Bedarf pauschal gezahlt wird. Dabei ist gerade Sinn und Zweck der Pauschale, bei festgestellter Schädigung auf die Ermittlung des konkreten Mehrbedarfs sowie einer konkreten Ausgleichsfähigkeit zu verzichten. "Blindheitsbedingte Mehraufwendungen" sind insoweit keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreiben lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung (vgl [X.] vom 26.10.2004 - B 7 SF 2/03 R - [X.] 4-5921 Art 1 [X.], Rd[X.]0 und 11; BSG [X.] 3-5922 § 1 [X.]; BVerwGE 51, 281, 286). Insoweit hält der [X.] an seiner Rechtsprechung fest.
Nach allem gilt: Auch in den Fällen, in denen neben dem fehlenden Sehvermögen weitere oder alle Sinnesorgane schwer geschädigt sind, ändert dies nichts daran, dass der Betroffene sowohl in tatsächlich wie auch in rechtlicher Hinsicht blind ist und jedenfalls Anspruch auf Blindengeld hat.
3. [X.] beruht auf § 193 [X.].
Meta
11.08.2015
Urteil
Sachgebiet: BL
vorgehend SG Nürnberg, 15. Dezember 2010, Az: S 15 BL 1/08, Urteil
Art 1 Abs 1 BlindG BY, Art 1 Abs 2 S 1 BlindG BY, Art 1 Abs 2 S 2 Nr 1 BlindG BY, Art 1 Abs 2 S 2 Nr 2 BlindG BY, § 72 Abs 5 SGB 12, Anlage Teil A Nr 6 Buchst c VersMedV, § 1 GHBG NW, Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 S 2 GG, Art 5 UNBehRÜbk, § 162 SGG
Zitiervorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.08.2015, Az. B 9 BL 1/14 R (REWIS RS 2015, 6847)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 6847
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
B 9 BL 1/17 R (Bundessozialgericht)
(Bayerisches Landesblindengeld - Blindheit nach Art 1 BlindG BY - gleich zu achtende Beeinträchtigung der …
Landesblindengeld
Leistungen nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz
B 9 SB 1/18 R (Bundessozialgericht)
Schwerbehindertenrecht - Merkzeichen Bl - Blindheit - Versorgungsmedizinische Grundsätze - Trennung nach Organ- und Funktionseinheiten …
L 13 SB 71/17 (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen)
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