Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2018, Az. V ZB 164/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 10841

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:120418BVZB164.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

12. April 2018

in der [X.]sache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 15 Abs. 5
a)
Die Haftgerichte haben bei der Anordnung von [X.] nicht zu prüfen, ob dem Ausländer aufgrund des Asylgesetzes der Aufenthalt im [X.] gestattet ist.
b)
Bei der von [X.] wegen gebotenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit der [X.] haben die Haftgerichte von der Entschließung der be-teiligten Behörde auszugehen, die Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung durch Abschiebung des Ausländers in sein Heimatland oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat zu vollziehen. Ob diese Entscheidung sachlich richtig ist, haben nicht die Haftgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu prüfen.
[X.], Beschluss vom 12. April 2018 -
V [X.] -
LG [X.]

AG [X.] am Inn

-
2
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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 12. April 2018
durch die

Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch,
[X.], die Richterin [X.] und [X.] Hamdorf
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 14. November 2016 wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass [X.] nicht zu erheben sind.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein burkinischer Staatsangehöriger, reiste 2015 nach [X.] und stellte dort am 17. September 2015 einen Asylantrag, den das zuständige [X.] ([X.]) mit Bescheid vom 27. Juli 2016 als offensichtlich unbegründet ablehnte. Es forderte den [X.] auf, [X.] innerhalb einer Woche zu verlassen,
und drohte ihm die Abschiebung nach [X.] an. Dieser Bescheid ist nach der Abschluss-mitteilung des [X.] vom 5. September 2016 seit dem 10. August 2016 unan-fechtbar.

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Am 2. Oktober 2016 wurde der Betroffene
in einem Zug auf der Fahrt von [X.] nach [X.] bei der Grenzkontrolle von Beamten der be-teiligten Behörde vorläufig festgenommen, weil er keine gültigen Papiere bei sich führte. Mit Bescheid vom gleichen Tag wurde ihm die Einreise in das [X.] verweigert. Gegen ihn wurde durch
einstweilige Anordnungen des für den Festnahmeort zuständigen Amtsgerichts vom
3. und 12. Oktober 2016 Haft zur Sicherung seiner Zurückweisung durch Abschiebung nach [X.] bis längstens 18. Oktober 2016 anordnet. Die
für den 17. Oktober 2016 geplante Abschiebung scheiterte, da sich der Betroffene an der [X.] weigerte, in das Flugzeug einzusteigen, und der Pilot daraufhin die Mitnahme des [X.] ablehnte.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das (für den Haftort zuständige) Amtsgericht die [X.] im ordentlichen Verfahren bis zum 25.
November 2016 verlängert. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das [X.] die Haft unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels bis zum 19. November 2016 begrenzt. Der Betroffene ist am 18. November 2016 begleitet nach [X.] abgeschoben worden. Mit der [X.] strebt er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft an.

II.

Nach Auffassung des [X.] durfte das Amtsgericht gegen den Betroffenen (weitere) [X.] gemäß § 15 Abs. 5
[X.] anordnen, da er gemäß § 13 Abs. 2
Satz 2 [X.] rechtlich noch nicht nach [X.] eingereist sei. Bei der Anordnung von Zurückweisungs-haft komme es nicht darauf an, ob er vollziehbar ausreisepflichtig sei. Es könne 2
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deshalb auch dahinstehen, ob und wann ihm der Bescheid des [X.] wirksam zugestellt worden sei.

Die Anordnung der [X.] sei rechtmäßig. Ihr habe ein zu-lässiger Haftantrag zu Grunde gelegen. Die Staatsanwaltschaft habe der [X.] Zurückweisung zugestimmt. Die beteiligte Behörde habe am 2.
Oktober 2016 eine Einreiseverweigerung ausgesprochen. Die gegen diese
erhobenen formellen Einwände des Betroffenen seien unbegründet. Er
habe keinen [X.] für [X.]
und dürfe auch aufgrund seines in [X.] beste-henden Aufenthaltsrechts zu Erwerbszwecken nicht nach [X.] einrei-sen. Die Haft sei verhältnismäßig, da die Zurückweisung des Betroffenen nach [X.] nicht unmittelbar durchführbar sei. Mildere Mittel stünden nicht zur Verfügung. Allerdings sei die Haft auf den 19. November 2016 zu begrenzen, da der Betroffene am 18. November 2016 nach [X.] begleitet [X.] werden solle.

III.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist die Haftanordnung nicht deshalb rechtswidrig, weil, wie er meint, der Bescheid des [X.] vom 27. Juli 2016 über die Ablehnung seines Asylantrags nicht wirksam bekannt gemacht
worden,
ihm als Folge dessen
weiterhin gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 [X.] der Aufenthalt im [X.] gestattet gewesen sei
und
er deshalb nach § 15 Abs. 4 Satz 2 [X.] nicht habe zurückgewiesen werden dürfen. Die [X.] haben bei der Anordnung von [X.] nicht zu prüfen, ob 5
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dem Ausländer aufgrund des Asylgesetzes der Aufenthalt im [X.] ge-stattet ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats darf zwar Haft zur Sicherung einer Zurückschiebung nicht angeordnet werden, solange einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nach § 55 Abs. 1 [X.] der Aufenthalt im [X.]
gestattet ist (Beschluss vom 25. Februar 2010 -
V [X.], [X.] 2010,
150 Rn. 20). Das beruht aber darauf, dass die Zurückschiebung eine Maßnahme zur Durchsetzung der Ausreisepflicht ist. Sie setzt eine uner-laubte Einreise des Ausländers in das [X.] und dessen
vollziehbare Pflicht zur Ausreise voraus (Bergmann/[X.], Ausländerrecht, 12.
Aufl.,
§ 57 [X.] Rn. 3, 11; [X.][X.]/Kluth, Ausländerrecht, § 57
[X.] Rn. 10
f., 21). Die Haftgerichte haben deshalb bei der Anordnung von Zurückschiebungshaft das Entstehen der Ausreisepflicht und in diesem Rah-men auch zu prüfen, ob dem Ausländer aufgrund eines gestellten Asylantrags nach § 55 Abs. 1 [X.] der Aufenthalt im [X.] (noch) gestattet ist.

b) Das ist bei der Einreiseverweigerung gemäß Art. 14 [X.] ([X.]) ebenso wie bei der Zurückweisung nach § 15 [X.]
(oder § 18 Abs. 2 [X.]) anders.

aa) Diese
Maßnahmen dienen nicht der Durchsetzung der Ausreise-pflicht des Ausländers, sondern dazu, schon dessen
(unerlaubte) Einreise in das [X.] und so zu verhindern, dass die Ausreisepflicht erst entsteht und dann gegen ihn
durchgesetzt werden muss. Damit dient auch die Haft zur Sicherung einer Zurückweisung oder Einreiseverweigerung nicht der Durchset-zung der
Ausreisepflicht des Ausländers, sondern der Sicherung des [X.] oder der
Zurückweisung an der Grenze. Die Haftge-8
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richte haben deshalb bei der Anordnung von [X.] nur den Er-lass und den Fortbestand einer solchen Entscheidung, nicht dagegen zu prüfen, ob dem Ausländer der Aufenthalt im [X.] gestattet ist.

bb) Daran ändert es nichts, dass die Grenzbehörde einen Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nach § 15 Abs. 4 Satz 2 [X.]
an der Grenze nicht zurückweisen darf, solange ihm der Aufenthalt im [X.] nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist. Hierbei handelt es sich nämlich
um eine gewissermaßen negative Voraussetzung der Zurückweisung
bzw. -
nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 15 Abs. 4 Satz 2 [X.] -
der Einreise-verweigerung;
sie betrifft
damit deren Rechtmäßigkeit. Diese
Prüfung ist nach der Aufgabenverteilung zwischen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der
ordentlichen Gerichtsbarkeit aber allein Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Die Haftgerichte haben deshalb vorbehaltlich abweichender Entscheidungen der Verwaltungsgerichte von der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung oder Einreise-verweigerung auszugehen
(Senat, Beschlüsse
vom
16. Dezember 2009

V
ZB
148/09, [X.] 2010, 50 f. [Rn. 12]
und vom 30. Juni 2011

V
ZB
274/10, [X.] 2011, 315 Rn. 21
für die Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung nach § 18 Abs. 2 [X.] und Beschluss vom 20. Sep-
tember 2017

V
ZB
118/17, NVwZ
2018, 349
Rn. 18 für die Einreiseverweige-rung bzw. Zurückweisung nach Art. 14 [X.], § 15 [X.]).

2. Die Anordnung
der [X.] ist nicht deshalb unverhält-nismäßig, weil der Betroffene statt in sein Heimatland, in das er zurückgewie-sen werden sollte, aufgrund einer Erwerbserlaubnis möglicherweise auch nach [X.] hätte zurückgewiesen werden können.

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Bei der von [X.]
wegen gebotenen (vgl. [X.], [X.] 1994, 342, 344; 2008, 358, 359 für die Abschiebungshaft und für die [X.] nach § 57 Abs. 2 [X.]; Senat, Beschluss vom 17.
Juni 2010 -
V [X.], NVwZ 2010, 1318 Rn. 26
für die Zurückschiebung und Beschluss vom 30. Ok-tober 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 57 = juris Rn. 9
für den Transitau-fenthalt) Prüfung der Verhältnismäßigkeit der [X.] haben die Haftgerichte von der Entschließung
der beteiligten Behörde auszugehen, die Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung durch Abschiebung des Ausländers in sein Heimatland oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat zu vollziehen (vgl. Senat, Beschluss vom 17.
Juni
2016 -
V [X.], juris Rn. 17 für die Zu-rückschiebung). Ob diese Entscheidung sachlich richtig ist, haben nicht die Haftgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu prüfen (vgl. Senat, [X.] vom 16. Dezember 2009 -
V [X.], [X.] 2010, 50 Rn. 12, vom 30.
Juni 2011

V
ZB
274/10, [X.] 2011, 315 Rn. 26 und vom 20.
September
2017 -
V [X.], NVwZ
2018, 349
Rn. 18).

Nach den Feststellungen des [X.] hat sich die beteiligte Behörde hier in Abstimmung mit dem [X.] entschlossen, die dem Be-troffenen erteilte Einreiseverweigerung durch die aufgrund des Bescheids über die Zurückweisung seines Asylantrags ohnehin geplante Abschiebung in sein Heimatland zu vollziehen. Von dieser Vollzugsentschließung war für die [X.] der Verhältnismäßigkeit auszugehen. Die von dem Beschwerdegericht auf dieser Grundlage vorgenommene tatrichterliche Würdigung ist im [X.]verfahren nur eingeschränkt überprüfbar und in diesem Rahmen nicht zu beanstanden.
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3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG ab-gesehen.

[X.] Schmidt-Räntsch Kazele

[X.]

Hamdorf
Vorinstanzen:
AG [X.] am Inn, Entscheidung vom 18.10.2016 -
1 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 14.11.2016 -
4 T 3700/16 -

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Meta

V ZB 164/16

12.04.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2018, Az. V ZB 164/16 (REWIS RS 2018, 10841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10841

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