Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2002, Az. VIII ZR 138/01

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1636

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEILVIII ZR 138/01Verkündet am:11. September 2002M a y e r ,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] [X.], Dr. Leimert, [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2000 aufge-hoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 19. Zivil-senat des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger begehrt, die Zwangsvollstreckung aus einem notariellen [X.] für unzulässig zu erklären.Am 9. Januar 1999 schlossen die Beklagten als Verkäufer und der Klä-ger sowie die Zeugin [X.]auf Käuferseite einen Vertrag über ei-nen Diskothekenbetrieb "F. & [X.]" in [X.]. Am 26. Januar 1999vereinbarten die Beklagten einerseits und der Kläger sowie die Zeugin [X.]andererseits durch notariellen Vertrag die Veräußerung und Abtretung von Ge-sellschaftsanteilen. Der notariellen Urkunde wurde der Kaufvertrag vom- 3 -9. Januar 1999 als Anlage beigefügt. Als Erwerber der Diskothek wie auch [X.] wurde die Firma "[X.]GmbH i.G.", als deren Ge-schäftsführerin die Zeugin [X.]vorgesehen war, aufgeführt. Für die [X.] wurden als Kaufpreis 850.000 DM, für die Übertragung der [X.] vereinbart.Für die in der notariellen Urkunde samt Anlagen eingegangenen [X.] sollten einerseits die Beklagten, andererseits die Zeugin [X.],der Kläger und die [X.] jeweils gesamtschuldnerisch haften. Wegen allerin der Urkunde samt Anlagen eingegangenen und übernommenen Zahlungs-verpflichtungen unterwarfen sich der Erwerber ([X.]) sowie die Zeugin[X.] und der Kläger als Gesamtschuldner der sofortigen Zwangsvollstre-ckung in ihr gesamtes Vermögen.Mit Schreiben vom 29. Oktober 1999 erklärte der Kläger die Anfechtungder auf die Vertragsabschlüsse vom 9. Januar und vom 26. Januar 1999 ge-richteten Willenserklärungen.Der Kläger hat behauptet, Eigentümer der gesamten [X.] seien nicht die Beklagten, sondern die [X.] AG ge-wesen. Über diesen für ihn wesentlichen Umstand sei er arglistig getäuschtworden. Weiter hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Rechtsgeschäfteseien sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig. Ferner hat er vorgetra-gen, wegen Untersagung der Weiterführung des Namens vom [X.] zu sein.Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das [X.] Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederher-stellung des erstinstanzlichen Urteils.- 4 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat ausgeführt:Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Un-zulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom26. Januar 1999. Der Senat sei nicht davon überzeugt, daß der Beklagte zu 1,der auch für die Beklagte zu 2 gehandelt habe, die Käuferseite arglistig über [X.] am Inventar habe täuschen wollen. Aufgrund der Aus-sage des Zeugen Rechtsanwalt B. von der [X.] AG stehe zwar fest,daß die Gegenstände laut der von ihm übergebenen Inventarliste zum Siche-rungsübereignungsvertrag vom 25. Juni/2. Juli 1996 der [X.] AG zur Si-cherung von deren Darlehen übereignet worden seien. Dabei handele es [X.] keineswegs um das gesamte Inventar, wie vom Kläger behauptet [X.] sei. Da der Beklagtenvertreter mit einer Anlage [X.] Rechnungen über we-sentlich höhere Beträge, die Einrichtung der Diskothek betreffend, vorgelegthabe, sei bereits die Behauptung, das gesamte Inventar sei an die [X.] AG zur Sicherung übereignet, widerlegt. Zudem hätten sich die Verkäufer inNr. 4 des Kaufvertrages vom 9. Januar 1999 verpflichtet, mit der am [X.] fällig werdenden Kaufpreissumme die noch offenen Darlehen zu befriedi-gen, so daß das Objekt, wie im Vertrag vereinbart und mit der [X.] ab-gesprochen, am 1. März 1999 "lieferantenfrei" gewesen wäre. Es sei [X.] ersichtlich, daß die Beklagten damit hätten rechnen müssen, dem [X.]ei der Zusammenhang zwischen eintretender Lieferantenfreiheit und [X.] der Brauerei nicht bekannt gewesen.Soweit der Kläger geltend mache, die Verträge seien wegen Sittenwid-rigkeit nach § 138 BGB nichtig, weil die veräußerte Diskothek zum Zeitpunkt- 5 -des Vertragsabschlusses keinen nennenswerten Wert gehabt habe, fehle hier-zu substantiierter Sachvortrag. Ein auffälliges Mißverhältnis von Leistung [X.] sei nicht anzunehmen. Bereits im Termin zur [X.] vor dem [X.] hätten die Beklagten als [X.] [X.]Rechnungen zu den Gerichtsakten gegeben, die nach ihren Angaben Investiti-onen in die Diskothek im Jahre 1996 im Wert von über 1,2 Millionen DM belegthätten. Der Kläger habe hierzu zu keinem Zeitpunkt Stellung genommen. [X.] habe auch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, daß ihm die Anlage[X.] nicht vorliege.Der Kläger habe schließlich auch nicht bewiesen, daß die Erwerberin, [X.] [X.] GmbH, von dem im notariellen [X.] Gebrauch gemacht habe.Soweit die Beklagten den Diskothekenkaufvertrag nicht mehr erfüllenkönnten, weil nach ihrem eigenen Vortrag die Diskothek nunmehr durch einenM. R. betrieben werde, hätten sie den [X.] nicht verlo-ren, weil die Unmöglichkeit auf einem Umstand beruhe, den die Käuferseite zuvertreten habe; die Käuferseite habe nämlich den Kaufpreis nicht bezahlt.II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die [X.] Berufungsgerichts, daß dem Beklagten zu 1 bezüglich des [X.] der Brauerei an der Einrichtung der Diskothek weder [X.] Arglist nachzuweisen sei. Entgegen der Revision geht das Berufungsge-richt auch nicht von einem falschen Verständnis der Interessenlage der [X.] aus. Das Berufungsgericht berücksichtigt vielmehr die vertraglichen Re-gelungen, nach denen die Beklagten mit dem vom Kläger gezahlten [X.] erfüllen und dadurch den Rückfall des Sicherungsei-- 6 -gentums bewirken sollten. Wenn die Revision meint, die Beklagten hätten [X.] - vor Erhalt des Kaufpreises - die Brauerei befriedigen müssen, so [X.] diese vertraglichen Regelungen außer acht.2. Zu Recht rügt die Revision aber die Auffassung des Berufungsge-richts, der Kläger habe zur Begründung seines Einwandes, die Verträge seienwegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig, nicht substantiiert vorgetragen.a) Zur substantiierten Darlegung genügt die Behauptung von Tatsachen,die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet ist, das geltend gemachteRecht als entstanden erscheinen zu lassen ([X.], Urteil vom 24. Juni 1999- [X.], NJW-RR 1999, 1586 unter 2). Dem genügt das Vorbringen des[X.]. Der Kläger hat - worauf die Revision zu Recht hinweist - unter [X.] vorgetragen, daß der Wert des [X.] im Zeitpunkt [X.] allenfalls 100.000 DM bis 150.000 DM betragen habe. Nach der stän-digen Rechtsprechung des [X.] kann aber ein Rechtsgeschäftdann gegen die guten Sitten verstoßen und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nich-tig sein, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleis-tung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigteaus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Das ist insbesondere dann der Fall,wenn der begünstigte Vertragspartner die wirtschaftlich schwächere Lage desanderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt oder wenn er sich leichtfertigder Einsicht verschließt, daß sich der andere nur unter Zwang der Verhältnisseauf den ungünstigen Vertrag einläßt. Ist das Mißverhältnis besonders grob, soist allein deswegen der Schluß auf bewußte oder grob fahrlässige [X.] den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchti-genden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig. Voneinem besonders groben Mißverhältnis ist auszugehen, wenn der Wert [X.] knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung des Be-- 7 -günstigten ([X.], Urteil vom 5. Oktober 2001 - [X.], NJW 2002, [X.] b).Der Kaufpreis für die Diskothek betrug hier 850.000 DM. Sollte sich er-geben, daß dieser Kaufpreis mindestens knapp doppelt so hoch ist wie derWert der Leistung der Beklagten oder sogar noch höher, so ist nicht nur ein be-sonders grobes Mißverhältnis gegeben, sondern auch der Schluß auf eine ver-werfliche Gesinnung zulässig (vgl. [X.] aaO unter [X.] d).b) Verfahrensfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, der [X.] die Behauptung der Beklagten, im Jahre 1996 seien 1,2 Millionen DM indie Diskothek investiert worden, nicht spezifiziert bestritten. Das Berufungsge-richt nimmt insoweit zu Unrecht an, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt gel-tend gemacht, daß ihm das [X.] [X.], das die Beklagten dem[X.] überreicht haben, ohne dem Kläger davon Ablichtungen zukommenzu lassen, nicht vorliege. Das Berufungsgericht übersieht dabei, worauf die Re-vision zu Recht hinweist, den Schriftsatz des [X.] vom 23. Mai 2000, in [X.] darauf hinweist, daß das [X.] [X.] zwar in der [X.] vom 15. Februar 2000 dem Gericht, nicht jedoch ihm, dem Kläger, [X.] gebracht worden sei, ihm auch keinerlei in Bezug genommene [X.] vorgelegen hätten und es daher ausdrücklich bestritten bleibe, daß dasInventar entsprechend dieser nicht bekannten Rechnungen habe abgelöst wer-den sollen. Aufgrund dieses Schriftsatzes durfte das Berufungsgericht nicht an-nehmen, daß dem Kläger die im [X.] [X.] überreichten [X.] bekannt waren. Dementsprechend brauchte der Kläger zu dem ihm nichtbekannten Vortrag der Beklagten auch nicht substantiiert Stellung zu nehmen.Das Berufungsgericht mußte weiterhin davon ausgehen, daß der Kläger aus-drücklich die von den Beklagten geltend gemachten Investitionen bestreitet. [X.] macht in diesem Zusammenhang zutreffend geltend, der Kläger habe- 8 -die Angaben in dem [X.] [X.] vorsorglich dahingehend bestritten,daß sich die Rechnungen auf die erworbene Diskothek bezögen bzw., daß sichdas betreffende Inventar in dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch in [X.] befunden hätte. Dem Kläger wären die Anlagen auszuhändigen ge-wesen, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu den einzelnen Angaben zugeben, damit er seiner Darlegungslast in Bezug auf den behaupteten wesent-lich geringeren Wert der Leistung der Beklagten hätte nachkommen können.III. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache istan das [X.] zurückzuverweisen, damit zu der Frage, ob der [X.] wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, die notwendigen Feststellungen getroffenwerden können. Sollte sich der Vertrag als wirksam erweisen, wird zu prüfensein, ob dem [X.] der Beklagten entgegenstände, daß die [X.] nunmehr von einer anderen Person betrieben wird. Das Berufungsge-richt meint, soweit die Beklagten den Diskothekenkaufvertrag mit dem [X.] diesem Grunde nicht mehr erfüllen könnten, beruhe die Unmöglichkeit aufeinem von dem Kläger zu vertretenden Umstand (§ 324 Abs. 1 Satz 1 BGB), sodaß die Beklagten den [X.] nicht verloren hätten. Dem kann sonicht gefolgt werden. Wenn der Schuldner, nachdem der Gläubiger die Erfül-lung des Vertrages grundlos und endgültig verweigert hat, den Gegenstand ei-nem Dritten übergeben hat mit der Folge, daß er selbst nicht mehr leisten kann,steht dem Schuldner der [X.] nicht mehr zu. Er kann lediglichseine Rechte aus § 326 BGB geltend machen und Schadensersatz verlangen,und zwar auch dann, wenn die Überlassung dem Schadensersatzverlangenvorausgegangen ist (Senatsurteil vom 1. Dezember 1976 - [X.], [X.], 580 unter I[X.]). Für den vorliegenden Rechtsstreit würde dies bedeuten,daß die Beklagten, wenn sie - wovon das Berufungsgericht anscheinend aus-geht - durch die Überlassung der Diskothek an eine andere Person selbst [X.] nicht mehr erbringen könnten, den [X.] gegen den [X.] -ger verloren hätten und zu einer Schadensersatzforderung übergehen müßten.Dann allerdings würde sich die weitere, vom Tatrichter zu klärende Frage stel-len, ob auch diese Forderung von der Mithaftungserklärung des [X.] in [X.]) des notariellen Vertrages vom 26. Januar 1999 erfaßt und damit in die Un-terwerfungserklärung der [X.] (3) einbezogen wäre (vgl. [X.], Urteil vom23. November 1979 - [X.], NJW 1980, 1050 zu einer Kaufpreisforde-rung aus einem Grundstückskaufvertrag).Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch gemacht.[X.] [X.] Dr. Leimert[X.] Dr. Frellesen

Meta

VIII ZR 138/01

11.09.2002

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2002, Az. VIII ZR 138/01 (REWIS RS 2002, 1636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1636

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.