Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.04.2018, Az. 15 W (pat) 9/17

15. Senat | REWIS RS 2018, 10522

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Gegenstand

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Orthopädische Vorrichtung zur Korrektur von Zehenfehlstellungen" – zur Zulässigkeit des Einspruchs - Widerrufsgrund der erfinderischen Tätigkeit - Tatsachenvortrag in knapper Form genügt, wenn die angezogenen Entgegenhaltungen aufgrund ihres geringen Umfangs überschaubar sind


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 102 40 121

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dr. Feuerlein, [X.], [X.] und Dr. Freudenreich

beschlossen:

Der Beschluss der [X.] 1.51 des [X.] vom 16. Mai 2013 wird aufgehoben und das Patent 102 40 121 [X.] widerrufen.

Gründe

I.

1

Das Patent [X.] 102 40 121 mit der Bezeichnung "Orthopädische Vorrichtung zur Korrektur von [X.]" ist aus der am 30. August 2002 mit dem Aktenzeichen 102 40 121.7 beim [X.] eingereichten Anmeldung hervorgegangen. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 2. September 2010.

2

Gegen dieses Patent ist von der [X.] mit [X.] vom 2. Dezember 2010, eingegangen beim [X.] am selben Tag, Einspruch erhoben worden.

3

Der Einspruch stützte sich auf den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit (mangelnde erfinderische Tätigkeit) des Patentgegenstands.

4

Die Einsprechende hat hierzu auf die Druckschriften

5

[X.] [X.] 1 183 062

6

[X.] [X.] 369 381

7

[X.] [X.] 322 651

8

verwiesen.

9

Im Erteilungsverfahren wurden noch die Druckschriften

D2 [X.] 316 559

D3 [X.] 298 24 735 [X.]

D4 [X.] 202 05 091 [X.]

D5 [X.] 5 542 774 A

D6 [X.] 299 08 981 [X.]

D8 [X.] 89 02 545 [X.]

D9 [X.] 1 881 215 U

[X.]1 [X.] 100 34 354 [X.]

in Betracht gezogen.

Die Einsprechende hat in ihrem [X.] beantragt,

das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaber sind dem Vorbringen der [X.] entgegengetreten und haben mit Eingabe vom 7. April 2011 beantragt,

den Einspruch als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen und das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Die [X.] 1.51 des [X.]es hat in der Sitzung vom 16. Mai 2013 beschlossen, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

Gegen diesen [X.]uss richtet sich die Beschwerde der [X.] (Einsprechende und Beschwerdeführerin zu 1.) vom 26. Juni 2013, eingegangen beim [X.] am 27. Juni 2013. Sie ist der Ansicht, dass der Einspruch vom 2. Dezember 2010 zulässig sei. Entgegen der Meinung der [X.], erfülle die Einspruchsschrift die formalen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 4 [X.], wonach die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben seien. In der Einspruchsschrift werde als [X.] mangelnde erfinderische Tätigkeit angeführt. Hierzu werde auf die kurzen und verständlichen Druckschriften [X.] 322 651 und [X.] 1 183 062 hingewiesen und dargelegt, welche Merkmale des Anspruchs 1 in welchen der zitierten Dokumente, u.a. in welcher [X.]ur, zu finden seien. Die Einspruchsschrift nenne somit die notwendigen Tatsachen für den geltend gemachten [X.]. Der Einspruch sei auch begründet, da der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 in Anbetracht der [X.] 1 183 062 zudem nicht neu sei bzw. aus der Zusammenschau der [X.] 1 183 062 mit der [X.] 322 651 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Auch die Gegenstände der [X.] beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit [X.] vom 13. August 2014, eingegangen beim [X.] per Telefax am selben Tag, hat die [X.] (Einsprechende

D4_NI  [X.] 1 213 786

D5_NI  [X.], [X.], [X.] & G. Münch, Handbuch der Anatomie der Tiere für Künstler, Band 5, Anatomie des Hundes 1. Auflage, Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, [X.], [X.], [X.] 11

in das Verfahren ein und macht geltend, dass auch die [X.] 1 213 786 alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 vorwegnehme bzw. zumindest nahelege.

Die Patentinhaber und Beschwerdegegner sind den Ausführungen der [X.] zu 1. und 2. entgegengetreten. Sie sind der Auffassung, dass sich die Einsprechende zu 1. in ihrer Einspruchsbegründung durch das Weglassen von Merkmalen bei der Abhandlung des Anspruchs 1 nicht mit dem Gegenstand des [X.]s, sondern mit einem anderen Gegenstand auseinandersetzt habe, was unzureichend sei und den Einspruch unzulässig mache. Darüber hinaus erachten sie den Patentgegenstand als patentfähig.

Mit richterlichem Hinweis vom 6. Februar 2018 hat der [X.] den am Verfahren beteiligten Parteien mitgeteilt, dass in der für den 19. April 2018 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht nur die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs eine Rolle spielen wird, sondern auch die Frage der Patentfähigkeit des [X.] im Hinblick auf den im Verfahren befindlichen Stand der Technik, insbesondere die [X.], [X.] und [X.], zu diskutieren sein könnte.

Die Einsprechende und Beschwerdeführerin zu 1. beantragt sinngemäß,

1. den [X.]uss der [X.] 1.51 des [X.]s vom 16. Mai 2013 aufzuheben sowie

2. den Einspruch vom 2. Dezember 2010 als zulässig zu erklären und

3. das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

4. Hilfsweise zu 3. die Sache an das [X.] zur erneuten Entscheidung über den Einspruch zurückzuverweisen.

Die beigetretene Einsprechende und Beschwerdeführerin zu 2. beantragt sinngemäß,

den [X.]uss der [X.] 1.51 des [X.]s vom 16. Mai 2013 aufzuheben und das Patent vollumfänglich zu widerrufen.

Die Patentinhaber und Beschwerdegegner beantragen sinngemäß,

1. Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen zu 1. und 2. zurückzuweisen;

2. hilfsweise das Verfahren an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen,

3. weiter hilfsweise den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen,

4. sowie weiter hilfsweise, das Patent nach Maßgabe der in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2018 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4 beschränkt aufrecht zu erhalten.

Sie sind weiterhin der Meinung, dass kein zulässiger Einspruch vorliege und im Übrigen der Gegenstand des [X.]s in der erteilten Fassung, zumindest aber in einer der Fassungen nach Hilfsantrag 1 bis 4 patentfähig sei.

Die Beschwerdeführerinnen zu 1. und 2. machen unzulässige Erweiterung der Fassungen nach den [X.] 1 und 3 geltend, und im Übrigen mangelnde Patentfähigkeit in Anbetracht der Druckschriften [X.] 1 183 062, [X.] 322 651 und [X.] 1 213 786.

II.

Die Beschwerde der [X.] und Beschwerdeführerin zu 1. ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (§ 73 [X.]). Auch ihr vorangegangener Einspruch ist frist- und formgerecht eingelegt und zudem substantiiert mit Gründen versehen und somit zulässig. Der [X.] und Beschwerdeführerin zu 2. ist ebenfalls zulässig.

Die Beschwerde hat auch Erfolg, denn sie führt zum Widerruf des [X.]s. Der [X.] sieht entgegen der [X.] Anregung der Beschwerdegegner und Beschwerdeführerin zu 1. davon ab, die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Da aufgrund des vorliegenden Materials die Sache entscheidungsreif ist, folgt dies aus pflichtgemäßem Ermessen und entspricht dem Regelfall des § 79 Abs. 3 [X.].

1. Zur Zulässigkeit des Beitritts der Dr. S… (Einsprechende und Beschwerdeführerin zu 2.).

Nach § 59 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann jeder Dritte, der nachweist, dass gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden ist, nach Ablauf der Einspruchsfrist dem Einspruchsverfahren als Einsprechender beitreten, wenn er den Beitritt innerhalb von drei Monaten nach dem Tag erklärt, an dem die Verletzungsklage erhoben worden ist. Dies gilt auch für denjenigen, gegen den der Patentinhaber wegen Verletzung des Patents den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat ([X.], [X.]. v. 29. August 2017, [X.] - [X.]). Maßgebend für die 3-Monatsfrist ist dabei der Eingang der Antragsschrift beim zuständigen Gericht (vgl. a. a. O. Rn. 26). Voraussetzung für den Beitritt nach Ablauf der Einspruchsfrist ist außerdem, dass das Einspruchsverfahren bei Eingang der Beitrittserklärung noch anhängig, also nicht bestandskräftig abgeschlossen ist (vgl. auch [X.] in Busse/Keukenschrijver, 8. Aufl., § 59 [X.] Rn. 168).

Die Voraussetzungen für einen zulässigen Beitritt sind vorliegend erfüllt.

Mit am 13. Mai 2014 beim LG [X.] eingegangenen Schreiben hat die [X.] Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die [X.] gestellt, dem noch am selben Tage stattgegeben wurde (vgl. [X.]uss des LG [X.], [X.]. 05 O 1191/14). Die [X.] hat daraufhin mit [X.] vom 13. August 2014, eingegangen beim [X.] per Telefax am selben Tag, unter Zahlung der erforderlichen Gebühr ihren Beitritt zum anhängigen Einspruchsverfahren erklärt, mithin innerhalb der 3-Monats-Frist. Somit liegt ein zulässiger Beitritt der Firma [X.] zum anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahren vor.

2. Zur Zulässigkeit des Einspruchs der B… AG (Einsprechende und Beschwerdeführerin zu 1.).

a) Die Erteilung des Patents wurde am 2. September 2010 veröffentlicht. Der Einspruch der B… AG wurde unter Zahlung der Gebühr am

Die Einsprechende hat sich in ihrem [X.] auf den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit, insbesondere mangelnde erfinderische Tätigkeit, gestützt. Sie machte geltend, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 aus der Zusammenschau der Druckschriften [X.] 322 651 ([X.]) und [X.] 1 183 062 ([X.]) dem Fachmann nahegelegt war. Sie beantragte, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die [X.] 1.51 des [X.]es hat in der Sitzung vom 16. Mai 2013 beschlossen, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Sie begründete dies damit, dass der [X.] nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 abhandle. So sei nicht näher erläutert, wie der Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach den Merkmalen [X.] bis [X.] sich aus dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften [X.] 322 651 bzw. [X.] 1 183 062 im Detail ergäbe. Das Merkmal [X.], wonach über die [X.] eine [X.] auf die [X.]e ausübbar sei, werde im [X.] nicht erwähnt. Weiterhin seien die kennzeichnenden Merkmale [X.] bis [X.] um wesentliche Teile verkürzt dargestellt. Das für das Zusammenspiel der Komponenten [X.] und [X.] wichtige Merkmal [X.], wonach die [X.]n aus einem biegsamen, schmiegsamen, zirkulär zugstarren Material sind, werde in der Gegenüberstellung des Patentanspruchs 1 mit dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften [X.] 322 651 bzw. [X.] 1 183 062 nicht erwähnt. Somit bleibe im [X.] unklar, wie die wesentlichen Merkmale des Patentanspruchs 1 dem Stand der Technik entnommen werden könnten. Der [X.] erläutere auch nicht, welche der genannten Druckschriften als Ausgangspunkt im Hinblick auf die patentierte Erfindung anzusehen sei, und wodurch der Fachmann veranlasst sei, aus Hinweisen der weiteren Druckschriften diesen bekannten Gegenstand so weiterzubilden, dass der beanspruchte Gegenstand mit allen seinen Merkmalen dem Fachmann nahegelegt sei.

b) Gemäß den gesetzlichen Anforderungen, die an die Zulässigkeit eines Einspruchs gestellt werden, gilt nach § 59 Abs. 1 [X.] u. a., dass der Einspruch schriftlich zu erklären und zu begründen ist (Satz 2). Er kann nur auf die Behauptung gestützt werden, dass einer der in § 21 genannten Widerrufsgründe vorliege (Satz 3). Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, sind dabei im Einzelnen anzugeben (Satz 4), und die Angaben müssen, soweit sie nicht schon in der Einspruchsschrift enthalten sind, bis zum Ablauf der Einspruchsfrist schriftlich nachgereicht werden (Satz 5).

Nach den vom [X.] in seiner Rechtsprechung zur [X.] nach § 59 Abs. 1 Satz 4 [X.] allgemein aufgestellten Erfordernissen genügt eine Einspruchsbegründung der formellen gesetzlichen Anforderung, wenn sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände im Einzelnen so darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines [X.]s ziehen können ([X.], [X.]. v. 30. Juli 2009, [X.], Rdn. 12 - Leistungshalbleiterbauelement, m. w. N.). Dabei kann es genügen, die Tatsachen in knapper Form vorzutragen. Wesentlich ist, dass die Tatsachen einen bestimmten Tatbestand erkennen lassen und dass sie sich auf ihre Richtigkeit nachprüfen lassen. Maßgebend ist dabei die Sichtweise eines sachkundigen Lesers ([X.], [X.]. v. 30. März 1993, [X.], Rdn. 26 - Tetraploide Kamille; [X.], [X.]. v. 23. Februar 1972, [X.], Rdn. 26 - Sortiergerät). Zweck dieses Erfordernisses ist es, Patentinhaber und Patentamt in die Lage zu versetzen, ohne eigene Ermittlungen das Vorliegen des behaupteten [X.]s zu prüfen (Busse/Keukenschrijver – [X.], [X.], 8. Aufl., § 59 Rdn. 116, 117). Ob die Tatsachen den Widerruf auch tatsächlich rechtfertigen, ist alsdann keine Frage der an die Einspruchsschrift zu stellenden förmlichen Anforderungen mehr, sondern eine solche der Begründetheit ([X.], [X.]. v. 30. Juli 2009, [X.] - Leistungshalbleiterbauelement; [X.], [X.]. v. 18. Dezember 1984, [X.] - Sicherheitsvorrichtung; [X.], [X.]. v. 24. März 1987, [X.] - Streichgarn).

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Einspruchs dürfen die Anforderungen an die Substantiiertheit des [X.] nicht überspannt werden. Denn bei der [X.] nach § 59 Abs. 1 Satz 4 [X.] handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung in einem patentamtlichen Verfahren, bei dem nicht nur die widerstreitenden Interessen der Beteiligten, sondern auch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung nur rechtsbeständiger Patente zu berücksichtigen ist. Diesem Ziel dient auch die Fortsetzung des [X.] nach Rücknahme des Einspruchs sowie die analog zum Erteilungsverfahren auch im Einspruchsverfahren bestehende Möglichkeit für Dritte, Druckschriften anzugeben, die der Aufrechterhaltung entgegenstehen können (vgl. § 59 Abs. 4 i. V. m. § 43 Abs. 3 Satz 3, sowie § 61 Abs. 1 Satz 2 [X.]; Busse/Keukenschrijver – [X.], [X.], 8. Aufl., § 59 Rdn. 116, 117; [X.], [X.], 10. Aufl., § 59 Rdn. 30).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist der vorliegende Einspruch als zulässig anzusehen.

Die Einsprechende hat im [X.] u. a. mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 ausgehend von der [X.] 322 651 in Zusammenschau mit der [X.] 1 183 062 geltend gemacht (Seite 5, erster Abs.). Damit ist ein [X.] nach § 21 [X.] eindeutig bezeichnet (§ 21 Abs. 1 Nr. 1) und somit die Forderung nach § 59 Abs. 1 Satz 3 [X.] erfüllt.

Im Zusammenhang mit der [X.] 322 651 hat die Einsprechende ausgeführt, dass diese Druckschrift den Gegenstand des Hauptanspruchs am besten repräsentiere und eine Vorrichtung zum Geraderichten der [X.]n, insbesondere der großen [X.], offenbare, die zwei [X.] und e aufweise, die in einem [X.], f, zusammengefasst seien (vgl. den die Seiten 3 u. 4 übergreifenden Absatz). Sie hat zur Erläuterung auch auf die [X.]uren 1 u. 2 der [X.] 322 651 hingewiesen, und u. a. sinngemäß ausgeführt, dass durch die Umschlingung der [X.]e mittels einer elastischen Zugschleife eine Ausrichtung der [X.]e erfolge. Für den sachkundigen Leser erschließt sich bereits bei einem kurzen Blick in diese lediglich eine Textseite und drei [X.]uren umfassende Druckschrift die Übereinstimmung mit dem Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 (Merkmale [X.] bis [X.]). Dass zur Ausrichtung der [X.]e eine auf diese ausübbare [X.] in Richtung zur [X.] hin notwendig ist, welche über die mittels [X.] und e gebildete, und an einer [X.]einlage a angebrachten Schiene und der Zugschleife h auf die [X.]e übertragen wird, ergibt sich für den sachkundigen Leser unter Einbeziehung der [X.]ur 1 der [X.] 322 651 von selbst. Auch dass die Schiene sich entlang der [X.] erstreckt, ist unmittelbar aus der [X.]ur 2 ersichtlich. Eine formale begriffliche Deckungsgleichheit sowie eine konkrete Angabe entsprechender Textpassagen muss angesichts der sehr übersichtlichen [X.] 322 651 nicht verlangt werden.

Auch zu den kennzeichnenden Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 hat die Einsprechende insoweit Stellung genommen, als dass der Patentinhaber bzw. das Patentamt als sachkundige Leser abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines [X.]es ziehen konnten. Angesichts der Überschaubarkeit der angezogenen [X.] [X.] 322 651 (eine Textseite) und [X.] 1 183 062 (zwei Textseiten) genügte hierzu ein Tatsachenvortrag in knapper Form. Zu den Merkmalen [X.] bis [X.] hat die Einsprechende darauf verwiesen, dass bei der Vorrichtung der [X.] 322 651 die [X.] in einem [X.], f zusammengefassten [X.], e direkt in Richtung des Gelenks der [X.]e weist, und dabei auf die [X.]ur 1 hingewiesen (vgl. S. 3 letzter Abs.). Daraus folgt auch unmittelbar, dass die bekannte Schiene in der [X.] der zu korrigieren[X.]en gelenkig ausgebildet sein soll. Des Weiteren hat die Einsprechende auch die in den [X.]uren der [X.] 322 651 unmittelbar erkennbare Umschlingung der [X.]e durch eine Zugschleife angeführt. Dabei spielt es für die Substantiierung keine Rolle, dass diese Zugschleife elastisch ist. Denn ob ein von der [X.] angeführtes Merkmal in einer Entgegenhaltung tatsächlich patenthindernd ist, stellt keine Frage der Substantiierung sondern der Begründetheit dar. Ausschlaggebend ist lediglich, ob aus den von der [X.] gemachten Angaben für den sachkundigen Leser abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines [X.]s gezogen werden können. Und das ist vorliegend der Fall.

Darüber hinaus hat die Einsprechende zu den in den Merkmalen [X.] bis [X.] des erteilten Anspruchs 1 genannten [X.]n noch auf die [X.] 1 183 062 verwiesen und angeführt, dass dort in der [X.]ur 1 dem [X.] entsprechende [X.]n 2, 10 gezeigt seien. Ob diese [X.]n in ihren Eigenschaften tatsächlich den patentgemäßen gleichzusetzen sind, ist wiederum keine Frage der Substantiiertheit des [X.] sondern der Begründetheit.

Schließlich hat die Einsprechende in dem die Seiten 4 und 5 übergreifenden Absatz der Einspruchsschrift ausgeführt, dass ihrer Meinung nach ausgehend von der [X.] 322 651 in Zusammenschau mit der [X.] 1 183 062 dem Fachmann der Patentgegenstand nahegelegt sei, da sich beide [X.] auf eine gleichartige orthopädische Vorrichtung beziehen würden, und sich daher die Verwendung von entsprechenden [X.]n bei der [X.] 322 651 förmlich aufgedrängt hätte. Ob diese Argumentation tatsächlich eine ausreichende Veranlassung für den Fachmann darstellte, ist allenfalls eine Frage der Begründetheit des [X.], jedoch nicht der Substantiiertheit. Auch das im angefochtenen [X.]uss bemängelte Fehlen eines Ausgangspunktes im Stand der Technik für den Fachmann liegt daher nicht vor.

Die Einsprechende hat sich somit entgegen der Ansicht der Patentinhaber in ausreichender Weise mit dem unter Schutz gestellten Patentgegenstand auseinandergesetzt.

allen Merkmalen der unter Schutz gestellten Lehre befassen muss, um der Anforderung an einen zulässigen Einspruch zu genügen. Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hat sich die Einsprechende lediglich mit einem einzigen und zudem fakultativen Teilmerkmal des insgesamt vier Merkmale (Verfahrensschritte) umfassenden patentierten Epoxidationsverfahrens befasst, und keine weiteren Angaben gemacht, die für die Patentierungserfordernisse (z. B. Neuheit oder erfinderische Tätigkeit) der die gesamten bzw. nichtfakultativen Merkmale einschließenden Lehre des patentgemäßen Verfahrens von Bedeutung sein könnten. Der diesbezügliche Vortrag der [X.] lag somit neben der Sache, wogegen im vorliegenden Fall eine ausreichend substantiierte Begründung vorliegt, die auch - entgegen der Meinung der Patentinhaber - auf den technischen Zusammenhang zwischen dem Patentgegenstand und dem Inhalt der angezogenen [X.] eingeht (vgl. auch [X.], [X.]. v. 23. Februar 1972, X ZB 6/71, Rdn. 25 - Sortiergerät).

Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Einspruch sind gegeben. Ein Fehlen derartiger weiterer Voraussetzungen für die Zulässigkeit ist auch nicht geltend gemacht worden.

3. Zum Gegenstand des [X.]s:

Das [X.] betrifft eine orthopädische Vorrichtung zur Korrektur von [X.] (vgl. [X.]schrift, Abs. [0001]). Gemäß den Ausführungen in der [X.]schrift sind aus dem Stand der Technik ([X.] 100 34 354 [X.]; [X.] 1 881 215 [X.]; [X.] 89 02 545 [X.]) Vorrichtungen zur Behandlung von Fehlstellungen des [X.]s bekannt, die im normalen [X.]werk als hinderlich, unbequem oder schmerzhaft empfunden werden, oder nur zur Behandlung in der Nacht- bzw. Schlafzeit gedacht sind und die Bewegungsfreiheit der geschienten [X.]e unterbinden. Des Weiteren sind [X.] bekannt, die zwischen den [X.] und [X.] geschoben werden, um den [X.] zur [X.] hin zu drücken. Nachteilig dabei sei, dass das Abstützen der [X.] an den benachbarten [X.]n zu einer Fehlstellung dieser führen könne (Abs. [0002] bis [0006]).

Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zu schaffen, mit der Valgus-Fehlstellungen von [X.]n, d.h. Fehlstellungen von einer oder mehreren [X.]n zur Fußaußenseite hin, behandelt werden können. Weiterhin soll die Vorrichtung angenehm zu tragen, insbesondere ohne nennenswerte Beeinträchtigung im Alltag zu tragen sein. Des Weiteren soll der Behandlungserfolg gegenüber dem Stand der Technik verbessert werden (vgl. Abs. [0007]).

Hauptantrag verteidigten erteilten Patentanspruch 1 eine orthopädische Vorrichtung mit folgenden Merkmalen an ([X.] hinzugefügt):

[X.] Orthopädische Vorrichtung zur Korrektur von [X.], aufweisend

M2 eine [X.], welche sich entlang der Fußinnenseite erstreckt,

[X.] wobei zur Medialisierung der Großzehe durch die [X.] eine durch deren Federhärte beeinflusste [X.] in Richtung zur Fußinnenseite hin auf die Großzehe ausübbar ist,

[X.] a) die [X.] (9) ist als [X.] ausgebildet, welche in der [X.] (20) des oder der zu korrigieren[X.]en gelenkig ausgebildet ist und eine Gelenkeinrichtung (13) aufweist, welche eine Schwenkachse (12) aufweist, die in etwa der Gelenkachse des Großzehengrundgelenks in der [X.] entspricht;

[X.] b) die [X.] (9) weist einen ersten [X.] (10) und einen zweiten [X.] (11) auf, welche um die Schwenkachse (12) schwenkbar mittels der Gelenkeinrichtung (13) gelenkig verbunden sind;

[X.] c) die Übertragung der [X.] wird durch [X.]n (5, 6) aus einem biegsamen, schmiegsamen, zirkulär zugstarren Material gewährleistet;

[X.] d) im Bereich des Mittelfußes weist die Vorrichtung eine erste [X.] (5) auf, welche den Mittelfuß außenseitig und die [X.] (9) umgibt;

[X.] e) im Bereich des freien Endes der Großzehe weist die Vorrichtung eine zweite [X.] (6) auf, welche die Großzehe und die [X.] (9) umfänglich umgibt.

Bezüglich der auf den Anspruch 1 unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogenen erteilten Ansprüche 2 bis 20 wird auf die [X.]schrift verwiesen.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das Merkmal [X.] abgeändert in das Merkmal

[X.]h1  b) die [X.] (9) weist einen ersten [X.] (10) und einen zweiten [X.] (11) auf, deren gelenkseitige Enden (16) in Kugelkalottenraumform und korrespondierend zueinander ausgebildet sind und welche um die Schwenkachse (12) schwenkbar mittels der Gelenkeinrichtung (13) gelenkig verbunden sind;

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das Merkmal [X.] abgeändert in das Merkmal

[X.]h2 b) die [X.] (9) weist einen ersten [X.] (10) und einen zweiten [X.] (11) auf, deren gelenkseitige Enden (16) der [X.] (10, 11) eine um die Schwenkachse (12) rotationssymmetrische, zueinander korrespondierende Raumform aufweisen und welche um die Schwenkachse (12) schwenkbar mittels der Gelenkeinrichtung (13) gelenkig verbunden sind;

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das Merkmal [X.] abgeändert in das Merkmal

[X.]h3 a) die [X.] (9) ist als [X.] ausgebildet, welche in der [X.] (20) des oder der zu korrigieren[X.]en gelenkig ausgebildet ist und eine Gelenkeinrichtung (13) aufweist, welche eine Schwenkachse (12) aufweist, die in etwa der Gelenkachse des Großzehengrundgelenks in der [X.] entspricht und derart ausgebildet ist, dass die Bewegungsfreiheit in [X.] nicht eingeschränkt ist;

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das Merkmal [X.] abgeändert in das Merkmal

[X.]h4 b) die [X.] (9) weist einen ersten [X.] (10) und einen zweiten [X.] (11) auf, deren [X.] (10, 11) jeweils ein freies Ende (15) und ein gelenkseitiges Ende (16) aufweisen, wobei die gelenkseitigen Enden (16) der [X.] (10, 11) in etwa eine Kugelkalottenraumform aufweisen und zueinander derart korrespondierend ausgebildet sind, dass die jeweils gelenkseitigen Enden (16) der [X.] (10, 11) formschlüssig passend ineinanderlegbar sind, und welche [X.] (10, 11) um die Schwenkachse (12) schwenkbar mittels der Gelenkeinrichtung (13) gelenkig verbunden sind;

4. Zum Fachmann

Als zuständigen Fachmann sieht der [X.] einen Orthopädietechniker bzw. Orthopädiemeister mit beruflicher Erfahrung in der Entwicklung bzw. Herstellung von Bandagen, Einlagen und Orthesen zum Korrigieren von Fehlstellungen und zum Stützen von Gliedmaßen.

5. Einige Anspruchsmerkmale bedürfen der Auslegung

M2, [X.] (

Gemäß Patentbeschreibung (vgl. Abs. [0019]) ist als [X.] die Längsseite eines Fußes definiert, welche zum benachbarten Fuß weist. Entlang dieser Längsseite soll sich die beanspruchte [X.] erstrecken, wobei der Wortlaut des Patentanspruchs (Merkmal M2) nicht zwingend fordert, dass sich die [X.] ausschließlich und ohne Unterbrechung entlang der [X.] erstrecken muss.

Die Patentinhaber machen geltend, dass die streitpatentgemäße [X.] gemäß dem [X.] nur dann [X.] auf die [X.]e ausüben könne, wenn sie elastisch ausgelenkt sei. Bei der [X.] handle es sich somit um eine Schiene, die insbesondere in ihren Schenkeln elastisch ausgebildet sei, sich mithin biegen könne und bei Biegung die erforderliche [X.] mittels einer zugstarren [X.] auf die [X.] ausübe. Dabei beeinflusse die Federhärte der [X.] direkt die [X.] und sei, wie der Patentbeschreibung entnommen werden könne, durch geeignete Materialwahl oder -gestaltung veränderbar. Eine steife bzw. starre Schiene, die nicht elastisch ausgelenkt werden könne, habe keinen Federweg und könne daher keine [X.] ausüben. Eine solche starre Schiene könne daher, wie bspw. bei der Entgegenhaltung [X.] 1 183 062, lediglich als bloßes Widerlager dienen.

Der Begriff „[X.]“ ist im [X.] nicht näher definiert und auf dem technischen Gebiet der Erfindung kein feststehender Fachbegriff. Darunter kann eine Schiene verstanden werden, die selbst biegsam ist. Aber auch eine Schiene, die unabhängig von ihren elastischen Eigenschaften zur Biegung eines Körperteils eingesetzt wird. Denn zum Ausüben einer [X.] auf die schräggestellte [X.]e und zum geraden Ausrichten derselben, muss die dafür eingesetzte Schiene nicht notwendigerweise selbst biegsam oder elastisch sein. Auch mit einer weitgehend starren Schiene kann die [X.] in eine Korrekturstellung gezwungen und eine [X.] auf diese aufgebracht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die [X.] in einer zugstarren oder elastischen [X.] aufgenommen ist. Es kommt lediglich darauf an, dass die [X.] in die gewünschte Korrekturstellung gezwungen bzw. gezogen wird.

Eine bestimmte bzw. besonders elastische oder biegsame Ausgestaltung der beanspruchten [X.] kann auch nicht der Beschreibung des [X.]s entnommen werden. Dort (vgl. Abs. [0027]) sind als bevorzugte Materialien für die Schiene Metall oder Kunststoff genannt. Des Weiteren soll auch eine Kohlefaser-verstärkte Platte, die auch bei geringer Materialstärke eine große Federkraft aufweist, günstig sein. Durch eine unebene Querschnittsform soll die Steifigkeit der [X.] zusätzlich erhöht werden können. Das [X.] offenbart somit nicht eine bestimmte Elastizität der [X.], jedenfalls nicht dass diese zwingend biegsam sein muss.

[X.], [X.] (

[X.]). Gemäß dem Ausführungsbeispiel wird die Gelenkeinrichtung dabei durch die mittels z.B. einer Hohlniet 14a verbundenen gelenkseitigen Enden 16 der [X.] 10, 11 gebildet.

Abbildung

[X.]h1, [X.]h2 bzw. [X.]h4 der Hilfsanträge 1, 2 bzw. 4 beansprucht, können die gelenkseitigen Enden 16 der [X.] eine Kugelkalottenraumform bzw. um die Schwenkachse rotationssymmetrische Raumform aufweisen, und derart korrespondierend zueinander ausgebildet sein, dass sie formschlüssig passend ineinanderlegbar sind (vgl. [X.]uren 3 u. 4; Abs. [0020], [0024]).

Abbildung

[X.], wonach die patentgemäße [X.] ([X.]) in der [X.] des oder der zu korrigieren[X.]en gelenkig ausgebildet sein soll, und die Schwenkachse der Gelenkeinrichtung in etwa der Gelenkachse des Großzehengrundgelenks in der [X.] entsprechen soll, beziehen sich auf die [X.] im an einem Patientenfuß angelegten Zustand. Diese Angaben sind nur insoweit gegenständlich merkmalsbildend, als dass die beanspruchte [X.] raumkörperlich so ausgebildet sein muss, dass beim bestimmungsgemäßen Anlegen an einen Patientenfuß die Schwenkachse der Gelenkeinrichtung in etwa der Gelenkachse des Großzehengrundgelenks in der [X.] entspricht (vgl. [X.]ur 1 u. 2).

[X.]h3 beansprucht - ihre Bewegungsfreiheit in dieser Richtung nicht eingeschränkt sein (vgl. [X.]uren 5 u. 6; Abs. [0028]). Die Schwenkachse der Gelenkeinrichtung muss bei angelegter [X.] somit nicht unbedingt fluchtend zur Gelenkachse des Großzehengrundgelenks in der [X.] liegen. Unter die Angabe „in etwa“ fallen daher auch parallele und nicht parallele Lagen der Schwenkachse, bei denen eine uneingeschränkte Bewegung der Großzehe in ihrer natürlichen [X.] noch möglich ist, und somit der erfindungsgemäße Zweck erreicht wird (vgl. Abs. [0028]).

[X.], [X.], [X.] (

Die durch die [X.] auf die [X.]e ausgeübte [X.] soll durch zwei entsprechend am Patientenfuß angelegte und die [X.] umgebende [X.]n 5, 6 auf die [X.]e übertragen werden (vgl. [X.]ur 1). Die [X.]n sollen anspruchsgemäß aus einem biegsamen, schmiegsamen, zirkulär zugstarren Material bestehen. Die Eigenschaftsbeschreibung „zirkulär zugstarr“ ist im [X.] nicht näher definiert und findet sich auch nicht in der Fachsprache des technischen Gebiets der Erfindung. Als beispielhafte Materialien sind in der Patentbeschreibung ein Gewebeband bzw. ein „zugstarres“ Klebeband angegeben (vgl. Abs. [0018]). [X.] und Klebebänder sind jedoch gewöhnlich nicht völlig zugstarr, sondern abhängig von dem verwendeten Material in einem gewissen Maße auch dehnbar.

6. Zur Ausführbarkeit des Patentgegenstands

Die beigetretene Einsprechende und Beschwerdeführerin zu 2. macht geltend, dass der Fachmann der Angabe im Patentanspruch 1, wonach

Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist es für die Ausführbarkeit einer Erfindung erforderlich, dass die in den Ansprüchen in ihrer allgemeinsten Form umschriebene technische Lehre dem Fachmann in der Patentschrift so deutlich und so detailliert offenbart sein muss, wie er dies benötigt, um mit Hilfe seiner als vorhanden vorausgesetzten Fachkenntnisse diese technische Lehre der Erfindung zumindest auf einem praktisch gangbaren Weg auszuführen und hierdurch den technischen Erfolg der Erfindung zu erzielen (vgl. [X.], Urteil v. 3. Februar 2015, [X.], Rdn. 34 - Stabilisierung der Wasserqualität m. w. N.). Dabei ist es jedoch nicht erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist. Vielmehr reicht es aus, wenn der Fachmann ohne eigenes erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten ergänzen und sich notfalls mit Hilfe orientierender Versuche Klarheit verschaffen kann (vgl. [X.], Urteil v. 13. Juli 2010, [X.], Rdn. 17 - Klammernahtgerät).

Diese Vorrausetzungen für eine ausführbare technische Lehre der streitpatentgemäßen Erfindung sind vorliegend erfüllt.

Gemäß der Aufgabe, die sich das [X.] stellt, soll eine Vorrichtung zur Behandlung von Valgus-Fehlstellungen der [X.]n geschaffen werden, die angenehm und insbesondere ohne nennenswerte Beeinträchtigung im Alltag tragbar ist (vgl. [X.], Abs. [0007]). Die patentgemäße [X.] soll in normalem [X.]werk getragen werden können und eine Bewegung der [X.] in der natürlichen [X.], d. h. in der natürlichen Beugerichtung, ermöglichen, und damit die Bewegungsfreiheit der [X.] nicht einschränken (vgl. Abs. [0028]). Als ein möglicher praktisch gangbarer Weg zur Ausführung der Erfindung ist in der Patentschrift angegeben, die Gelenkeinrichtung der [X.] beim Patienten im Bereich einer fußinnenseitigen, für die [X.] typischen Ausbuchtung (Pseudoexostose) anzuordnen. Hierzu kann die Gelenkeinrichtung kugelkalottenförmig ausgebildet und an die fußinnenseitige ballenförmige Ausbuchtung im Bereich des [X.]engrundgelenks angepasst werden (vgl. Abs. [0020], [0025]; [X.]. 1, 2, 5 u. 6). In dieser Stellung ist die Schwenkachse der Gelenkeinrichtung fluchtend zur Gelenkachse des [X.]engrundgelenks angeordnet, und somit die Bewegungsfreiheit der [X.] in der natürlichen dorsalen und plantaren Beugerichtung nicht eingeschränkt. Da es sich bei dem [X.]engrundgelenk zudem um ein Scharniergelenk bzw. Kugelgelenk mit eingeschränkter Beweglichkeit in Medial- bzw. Lateralrichtung handelt (vgl. die von der Patentinhaberin zitierten Literaturstellen: Firma [X.]. [X.], Fuß-Lexikon 1985, Seiten 51-52; [X.] „[X.]ngrundgelenk“), das bei Bewegung in [X.], bspw. in [X.], eine - auch unter Berücksichtigung von anatomisch bedingten marginalen Verschiebungen - definierte Gelenkachse aufweist, ist durch eine dazu fluchtende Anordnung der Achse des [X.]ngelenks die geforderte Bewegungsfreiheit der [X.] in ihrer natürlichen Beugebewegung gegeben. Auch eine nichtfluchtende Anordnung der [X.]ngelenkachse zur [X.]engelenkachse, bei der sich die Achsen „in etwa“ entsprechen sollen, führt zum erfindungsgemäßen Erfolg, solange dabei die [X.]e in ihrer natürlichen Beugebewegung nicht nennenswert eingeschränkt wird. Hierzu sind orientierende Versuche des Fachmanns ausreichend, mit denen er sich Klarheit über mögliche Anordnungen der [X.]ngelenkachse relativ zur [X.]engelenkachse verschaffen kann, die noch die geforderte Bewegungsfreiheit der [X.] ermöglichen.

Bezüglich der Nacharbeitbarkeit einer patentgemäßen „zirkulär zugstarren“ [X.] sind im [X.] als beispielhafte Materialien für eine solche Bandage ein Gewebeband bzw. ein zugstarres Klebeband genannt (vgl. Abs. [0018]). [X.] und Klebebänder sind zwar gewöhnlich nicht als völlig zugstarr anzusehen, sondern können abhängig von dem verwendeten Material in einem gewissen Maße auch dehnbar sein, wie die Beschwerdeführerin zu 2. zutreffend einwendet. Da das [X.] jedoch diese Materialien zur möglichen Realisierung einer patentgemäßen „zirkulär zugstarren“ [X.] nennt, ist davon auszugehen, dass mit diesen - ggf. in einem gewissen Maße auch dehnbaren - Materialien eine „zirkulär zugstarre“ [X.] im Sinne des [X.]s realisiert werden kann.

7. Zur Patentfähigkeit

[X.]) und [X.] 322 651 ([X.]) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht.

7.1 Zur erteilten Fassung und der Fassung nach Hilfsantrag 1

[X.]) und [X.] 322 651 ([X.]) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht, gilt dies somit gleichermaßen für den Gegenstand des weiter gefassten erteilten Anspruchs 1.

[X.] 1 183 062 ([X.]) (vgl. die [X.]uren 1 bis 3 mit Beschreibung) ist eine orthopädische Vorrichtung (orthopedic device / bunion-guard) zur Korrektur von [X.] (cure of bunions) bekannt [= Merkmal [X.]]. Diese Vorrichtung weist eine Schiene auf, die aus zwei Schienenschenkeln ([X.] / shank 1; toe part D / forward portion 8) besteht. Die beiden Schienenschenkel sind um eine Schwenkachse schwenkbar mittels einer Gelenkeinrichtung (hinge loops 13, 14; pivot rivet 15) gelenkig verbunden (vgl. [X.]ur 2) [= Merkmal [X.]]. Die Schienenschenkel der Schiene bestehen aus einem starren, steifen Material, bspw. aus Metall (vgl. S. 1 Z. 41-44: „

Abbildung

[X.]].

[X.]]. Der andere Schienenschenkel ([X.]) wird durch eine weitere, den [X.] bzw. [X.] des Fußes (instep) und den Schienenschenkel umgebende [X.] (strap / tape 2) am Patientenfuß gehalten (vgl. [X.]. 1) [= Merkmal [X.]]. Der Einwand der Patentinhaber, dass die [X.] keine [X.] zeige, geht fehl, da auch der [X.] bzw. [X.] anatomisch dem Mittelfußbereich zuzurechnen ist.

[X.]].

[X.]].

Die aus der [X.] 1 183 062 ([X.]) bekannte Schiene soll von einem Patienten während des Gehens im [X.] getragen werden können (vgl. S. 1 Z. 112 - S. 2 Z. 2: „

Abbildung

[X.] 322 651 ([X.]) bekannt, die ebenfalls eine Vorrichtung zum Schutz des Fußballens und Geraderichten der [X.]n zeigt (vgl. [X.]uren 1-3 mit Beschreibung). Zwar handelt es sich bei dieser Vorrichtung um eine [X.]einlage. Diese ist jedoch mittels des seitlich an der [X.]einlage befestigten [X.]s  gelenkig in Beugerichtung des Fußes ([X.] der [X.]n) ausgebildet, wobei am vorderen Teil der Einlage a ein elastischer Ring h angebracht ist, in welchen die große [X.] eingeführt ist, so dass in gespannter Haltung über das seitliche [X.] ein Gegendruck auf den Ballen ausgeübt wird, und die große [X.] in eine gerade Linie zum Ballen gestreckt wird (vgl. einzige Beschreibungsseite, rechte Spalte). Die Vorrichtung der [X.] wirkt somit in vergleichbarer Weise wie die Schiene der [X.].

Abbildung

M2], und kann platzsparend seitlich in einem [X.] untergebracht werden. Die zwei gewölbten Schalen b, c an den gelenkseitigen Enden der Fortsätze d, e sind, wie im Hilfsantrag 1 beansprucht, in Kugelkalottenraumform und korrespondierend zueinander ausgebildet (vgl. [X.]ur 3 mit Beschreibung) [= Merkmal [X.]h1].

Damit ist der Fachmann auf naheliegende Weise beim Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl in der Fassung nach Hilfsantrag 1 als auch in der erteilten Fassung angelangt.

Entgegen der Meinung der Patentinhaber ist die in der [X.] 322651 ([X.]) gezeigte [X.]einlage nicht starr in Beugerichtung des [X.]s, und dient das [X.] (b, c, f) nicht nur der zusätzlichen Versteifung der [X.]einlage. Denn die Schalen b, c des Gelenkes haben einen gemeinsamen Drehpunkt f, und die [X.]einlage a weist - wie in der [X.]ur 2 deutlich erkennbar - direkt über dem [X.] eine Einkerbung auf, die offensichtlich dazu dient, ein Abbiegen der [X.]einlage in [X.] des [X.]s zu ermöglichen. Es ergäbe ansonsten auch keinen Sinn, an dieser Stelle ein [X.] vorzusehen. Für eine reine Versteifung wäre eine starre Platte geeigneter. Die in der [X.] genannte Abstützung der [X.]einlage dient auch nicht dazu diese zusätzlich so zu versteifen, damit sie starr sei und nicht abgebogen werden könne, wie die Patentinhaber meinen, sondern damit die [X.]einlage der in ihrem Vorderteil angebrachten Zugschleife für [X.] hinreichenden Rückhalt bieten kann (vgl. linke Spalte Z. 11-15).

Auch das Argument der Patentinhaber, wonach die Vorrichtungen der [X.] und [X.] nur dem Ballenschutz dienen sollen, kann nicht überzeugen. Denn bei der patentgemäßen [X.] ist die Gelenkeinrichtung durch ihre Kugelkalottenraumform an die Form der ballenförmigen Ausbuchtung des [X.]engrundgelenks bei Vorliegen einer [X.] in gleicher Weise angepasst (vgl. [X.], Abs. [0025]), und dient somit selbstverständlich ebenfalls dem Schutz des gewöhnlich schmerzempfindlichen Ballens.

7.2 Zu den Fassungen nach den Hilfsanträgen 2 bis 4

[X.]) und [X.] 322 651 ([X.]) nahegelegt.

[X.]h2 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2. Denn auch dort weisen die gelenkseitigen Enden der [X.] (Fortsätze d, e) eine um die Schwenkachse (Drehpunkt f) rotationssymmetrische, zueinander korrespondierende Raumform (gewölbte Schalen b, c) auf (vgl. [X.]uren 1 bis 3 mit Beschreibung). Dasselbe gilt für das Merkmal [X.]h4 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4. Denn die das [X.] der [X.] bildenden Schenkel weisen ebenfalls jeweils ein freies Ende (gelenkferne Enden der Fortsätze d, e) und ein gelenkseitiges Ende in Kugelkalottenraumform (gewölbte Schalen b, c) auf, das jeweils derart korrespondierend ausgebildet ist, dass die gelenkseitigen Enden (gewölbte Schalen b, c) formschlüssig passend ineinanderlegbar sind (vgl. [X.]uren 1 bis 3).

Hilfsantrag 3 gegenüber der erteilten Fassung geänderte Merkmal [X.]h3, da auch bei dem dort gezeigten, direkt auf dem Ballen des Großzehengrundgelenkes angeordneten [X.]s (b, c, f) die Bewegungsfreiheit in [X.] ersichtlich nicht eingeschränkt ist (vgl. [X.]ur 1).

Der Hinweis der Patentinhaberinnen auf das Alter der [X.] [X.] 1 183 062 ([X.]) und [X.] 322 651 ([X.]) kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn diese Druckschriften sind dem vorveröffentlichten Stand der Technik auf dem technischen Gebiet des [X.]s zuzurechnen, von dem der Fachmann selbstverständlich Kenntnis hatte. Gerade diese Druckschriften stellten wegen der in ihnen offenbarten technischen Lehre auch ein geeignetes Sprungbrett für den Fachmann im Hinblick auf den [X.]gegenstand dar. Für den Fachmann bestand daher selbstverständlich eine Veranlassung diese Druckschriften trotz ihres Alters aufzugreifen. Darüber hinaus kann auch ein lange bestehendes unbefriedigend gelöstes Bedürfnis für sich eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen (vgl. Busse/Keukenschrijver – Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl., § 4 Rdn. 175).

Auch ein großer Markterfolg der patentgemäßen Vorrichtung, wie ihn die Patentinhaberinnen geltend machen, kann für sich genommen eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen (vgl. Busse/Keukenschrijver – Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl., § 4 Rdn. 171, 188-190).

7.3 Die Gegenstände der erteilten Unteransprüche sind von den Parteien, soweit sie keinen Eingang in die Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 2 und 4 gefunden haben, nicht weiter diskutiert worden. Sie vermögen jedoch auch nicht zur Patentfähigkeit beizutragen, wie sich der [X.] überzeugt hat.

Nach alledem ergeben sich die Gegenstände nach Hauptantrag sowie nach den [X.] 1 bis 4 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (§ 4 [X.]). Das [X.] war danach zu widerrufen.

Meta

15 W (pat) 9/17

19.04.2018

Bundespatentgericht 15. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.04.2018, Az. 15 W (pat) 9/17 (REWIS RS 2018, 10522)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10522

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