Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.03.2012, Az. 2 B 120/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 8626

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegungsanforderungen; Bindungswirkung im Disziplinarverfahren bei rechtskräftigen Strafurteilen; Bundeszentralregister; Verwertungsverbot im Disziplinarverfahren


Gründe

1

[X.]ie Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]n hat keinen Erfolg. [X.]er geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 41 [X.]isziplinargesetz des [X.] - [X.] -, § 69 Bundesdisziplinargesetz - [X.] - liegt nicht vor.

2

[X.]er [X.] war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen [X.]ienstunfähigkeit im Jahre 2003 als Oberamtsanwalt tätig. Im Oktober 2005 wurde er wegen Betruges zum Nachteil des [X.]ienstherrn, Verstoß gegen das [X.], Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen und Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt. [X.]ie auf Aberkennung des Ruhegehalts gerichtete [X.] war erstinstanzlich erfolgreich; die hiergegen eingelegte Berufung des [X.]n blieb erfolglos. [X.]as Oberverwaltungsgericht stellte u.a. als Sachverhalt fest, dass der [X.] im Jahre 1999 als Alleingesellschafter die [X.] gegründet und als Geschäftsführer deren Geschäfte persönlich geführt hat, und zwar auch in der [X.] seiner Krankschreibung von November 2001 bis Mai 2003. Im Februar 2001 habe die GmbH ein Mietshaus in [X.] erworben, das saniert und in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden sollte; allerdings seien lediglich drei der insgesamt 20 Eigentumswohnungen verkauft worden. [X.]er [X.] sei außerdem für dieses und für ein anderes Objekt alleiniger Ansprechpartner der von der GmbH übernommenen Hausverwaltung gewesen. Eine Nebentätigkeitsgenehmigung habe er nicht gehabt, und eine solche hätte ihm auch nicht erteilt werden können. [X.]es Weiteren habe er die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 6 849 [X.]M unterlassen.

3

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der [X.] Verfahrensfehler geltend.

4

1. [X.]er [X.] rügt zum einen, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zum konkreten zeitlichen Umfang seiner Nebentätigkeit getroffen habe. [X.]as sei aber erforderlich gewesen, um die Schwere des [X.]ienstvergehens beurteilen zu können. Es fehle deshalb an einer Grundlage für die Gesamtwürdigung.

5

[X.]ie diesem Vorbringen zu entnehmende Aufklärungsrüge, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 41 [X.], § 69 [X.], greift nicht durch.

6

[X.]ie Ausführungen genügen bereits nicht den [X.] nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. [X.]anach muss ein Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan werden (vgl. zuletzt Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 4.11 - juris Rn. 3 m.w.[X.]). Für die Frage, ob ein Aufklärungsmangel oder ein Gehörsverstoß zur Beschwerdezulassung führt, kommt es auf die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an; andernfalls kann die Entscheidung nicht auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO "beruhen". An der [X.]arlegung des Beruhens fehlt es, wenn die Beschwerde sich im Wesentlichen nicht mit dem Berufungsurteil auseinandersetzt, sondern an ihm vorbei argumentiert (Beschluss vom 26. Oktober 2011 a.a.O.).

7

Für die Ahndung ungenehmigter Nebentätigkeiten steht wegen der Vielfalt der möglichen [X.] grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Es kommt auf [X.]auer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen, d.h. die Betätigungen auch materiell rechtswidrig sind und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in [X.]en einer Krankschreibung wahrnimmt (Urteile vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 [X.] 16.05 - juris Rn. 59, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 [X.] 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 11. [X.]ezember 1990 - BVerwG 1 [X.] 63.89 - BVerwGE 86, 370 <378>).

8

[X.]as Berufungsgericht hat hiervon ausgehend angenommen, dass ein Versagungsgrund hinsichtlich der Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung unabhängig davon vorliege, inwieweit nach Art und Umfang die Arbeitszeit des Beamten in Anspruch genommen werde, wenn die Tätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein könne; es hat dies für gewerbsmäßige [X.]ienst- und Arbeitsleistungen auch bei weniger zeitintensiven Betätigungen bejaht und einen solchen Fall bei der Gründung und Geschäftsführung der [X.] angenommen ([X.] f.). [X.]as [X.]ienstvergehen wiege äußerst schwer und indiziere die disziplinarische Höchstmaßnahme. Mit der ungenehmigten Nebentätigkeit in Gestalt der Gründung und Führung der Geschäfte der [X.] habe sich der [X.] massiv über das Verbot der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeit hinweggesetzt und gegen seine Pflicht zur Gesunderhaltung verstoßen. [X.]abei seien insbesondere die Gesamtdauer von drei Jahren und sieben Monaten, auch in der [X.] seiner Krankschreibung von November 2001 bis Mai 2003, sowie die Häufigkeit der Verstöße - mit jeder Wahrnehmung von Geschäften für die [X.] - zu berücksichtigen (UA S. 29).

9

[X.]anach hat das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es von einer Beweiserhebung zum konkreten Umfang der Tätigkeit des [X.]n als Geschäftsführer der [X.] abgesehen hat. Zum einen hat das Berufungsgericht den konkreten zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit des [X.]n nicht als maßgeblich für die Schwere des [X.]ienstvergehens gehalten; es hat vielmehr auf die Gesamtdauer der unerlaubten Nebentätigkeit und die Häufigkeit der Verstöße abgestellt. [X.]eshalb ist es ausgeschlossen, dass das Berufungsurteil auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel "beruht". Zum anderen hat der anwaltlich vertretene [X.] einen entsprechenden Beweisantrag im Berufungsverfahren nicht gestellt. Nachdem das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hatte, dass der [X.] zeitlich in einem nicht unerheblichen Maße tätig gewesen sein müsse, um den Kauf und die Sanierung des Wohnhauses mit 20 Wohnungen sowie die Umwandlung in Eigentumswohnungen und deren Weiterveräußerung zu bewerkstelligen ([X.] bis 12), wäre im Berufungsverfahren ein entsprechender Beweisantrag des anwaltlich vertretenen [X.]n zu erwarten gewesen, wenn er insoweit Korrekturbedarf sah. [X.]em Berufungsgericht musste sich eine solche Beweiserhebung ausgehend von seiner Rechtsauffassung nicht aufdrängen.

2. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Rüge fehlender Feststellungen zu einer etwaigen Nachentrichtung der nicht fristgerecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge. [X.]as Berufungsgericht hat auch insoweit seine Aufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es von einer Beweiserhebung dazu abgesehen hat, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes des § 266a Abs. 6 Satz 1 StGB vorlagen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen von einer Bestrafung absehen, wenn der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet.

Aus dem Umstand, dass in dem Strafurteil, an dessen tatsächliche Feststellungen das Berufungsgericht gemäß § 23 Abs. 1 [X.] gebunden war, Feststellungen zu einer solchen Nachentrichtung fehlen, ist nicht zu schließen, dass das Strafgericht es unterlassen hat, das Vorliegen dieses Strafaufhebungsgrundes zu prüfen. Nicht von Bedeutung ist insoweit, dass das Urteil nach § 267 Abs. 4 StPO in abgekürzter Form begründet worden ist. [X.]enn die Urteilsgründe müssen nach § 267 Abs. 2 StPO stets entsprechende Feststellungen nur dann enthalten, wenn in der mündlichen Verhandlung dahin gehende Umstände behauptet worden sind. [X.]er [X.] trägt aber nicht vor, solche Umstände im Strafverfahren behauptet zu haben, er behauptet sie im Übrigen auch nicht im Rahmen dieser Beschwerde.

3. Soweit der [X.] schließlich rügt, dass das Berufungsurteil sich maßgeblich auch auf die strafgerichtliche Verurteilung stütze, dies aber rechtsfehlerhaft sei, weil seine Verurteilung wegen Betruges rechtlich falsch gewesen sei, deshalb die 5-jährige Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gelte und abgelaufen sei und schließlich das Strafurteil nach § 51 Abs.1 [X.] einem Verwertungsverbot unterliege, rügt er damit die Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall, zeigt aber keinen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO, § 41 [X.], § 69 [X.] auf.

Abgesehen davon regeln die [X.]isziplinargesetze die Bindungswirkung im [X.]isziplinarverfahren für tatsächliche Feststellungen von rechtskräftigen Urteilen in Straf- oder Bußgeldverfahren (vgl. § 23 Abs. 1 [X.], § 23 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 [X.]). Mit der Bindung der [X.]isziplinargerichte an die tatsächlichen Feststellungen in Urteilen, die in einem sachgleichen Strafverfahren ergangen sind, sollen die besseren Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden genutzt und zugleich das Auseinanderfallen von Entscheidungen verschiedener Gerichtsbarkeiten in ein- und derselben Sache verhindert werden. Es handelt sich hierbei um eine für [X.]isziplinarverfahren gesetzlich bestimmte Ausnahme von der grundsätzlichen Freiheit der Gerichte bei der Feststellung des von ihnen unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Sachverhalts (Urteil vom 8. April 1986 - BVerwG 1 [X.] 145.85 - BVerwGE 83, 180). [X.]anach erfasst die Bindungswirkung bei rechtskräftigen Strafurteilen nur diejenigen Feststellungen, die zu den [X.] der jeweiligen Strafnorm gehören, die Grundlage der Verurteilung ist, nicht aber etwa auch diejenigen Feststellungen, die für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB (vgl. Urteile vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - [X.] 235.1 § 70 [X.] Nr. 3 juris Rn. 29 und vom 13. März 2003 - BVerwG 1 W[X.] 2.03 - [X.] 235.01 § 84 W[X.]O 2002 Nr. 2 S. 3) oder sonst für den Strafausspruch oder das Strafmaß Bedeutung haben. Folgerichtig ist eine Ausnahme von der Bindungswirkung im Falle der offenkundigen Unrichtigkeit auch nur hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, nicht aber hinsichtlich des nicht bindenden Strafausspruchs vorgesehen (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 [X.]; vgl. zur Lösung von grundsätzlich bindenden Feststellungen im [X.]isziplinarverfahren zuletzt Beschluss vom 28. [X.]ezember 2011 - BVerwG 2 [X.] - juris Rn. 13 m.w.[X.]).

Für die Frage, ab welchem [X.]raum nach Vollendung eines [X.]ienstvergehens - das auch und gerade in einer Straftat liegen kann - eine [X.]isziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden darf (sog. [X.]isziplinarmaßnahmeverbot), treffen die [X.]isziplinargesetze eine eigenständige, nach der Schwere der [X.]isziplinarmaßnahme abgestufte Regelung (vgl. § 15 [X.], § 15 [X.]). [X.]ie [X.]isziplinargesetze enthalten auch Regelungen zu Verwertungsverboten früherer [X.]isziplinarmaßnahmen nach Ablauf bestimmter Fristen (vgl. § 16 [X.], §16 [X.]). [X.]as Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz - [X.] -, wonach die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist, ist in [X.]isziplinarverfahren daneben lediglich insoweit von Bedeutung, als im Rahmen der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme, bei der das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. § 13 Abs. 1 [X.]), nicht zu Lasten des Beamten auf von § 51 [X.] erfasste Verurteilungen wegen anderer - nicht den Gegenstand des [X.]isziplinarverfahrens bildender - Vergehen abgestellt werden darf.

[X.]as Berufungsgericht hatte mithin im vorliegenden Fall die Bindungswirkung des § 23 Abs. 1 [X.] unabhängig davon zu beachten, ob der (nicht bindende) Strafausspruch im Strafurteil rechtsfehlerhaft war oder nicht und ob sich aus einem rechtsfehlerhaften Strafausspruch Folgerungen für die Tilgungsfrist nach dem Bundeszentralregistergesetz ergeben können oder nicht.

Meta

2 B 120/11

01.03.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 29. Juni 2011, Az: 80 D 4.09, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 Abs 3 S 3 VwGO, § 15 BDG, § 57 BDG, § 23 Abs 1 BDG, § 23 Abs 1 DiszG BE, § 15 DiszG BE, § 51 Abs 1 BZRG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.03.2012, Az. 2 B 120/11 (REWIS RS 2012, 8626)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8626

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