Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2022, Az. 6 AZR 216/21

6. Senat | REWIS RS 2022, 1699

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Gegenstand

Entgeltordnung Lehrkräfte - Angleichungszulage


Tenor

1. Die Revisionen der Kläger zu 1., zu 2., zu 3. und zu 4. gegen das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2020 - 8 [X.]/20 - werden zurückgewiesen.

2. Ihre außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu 1., zu 2., zu 3. und zu 4. jeweils selbst zu tragen. Die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu 1. zu 52 %, die Klägerin zu 2. zu 3 %, der Kläger zu 3. zu 25 % und die Klägerin zu 4. zu 20 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klageparteien auf eine sog. „Angleichungszulage“ nach Anhang 1 der Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder.

2

Die Klageparteien sind bei dem beklagten Land seit den Jahren 2004, 2005 bzw. 2012 als Lehrerinnen bzw. Lehrer an allgemeinbildenden Schulen angestellt. Auf die Arbeitsverhältnisse finden [X.] die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst der Länder Anwendung. Die Klageparteien sind Mitglieder der [X.] ([X.]).

3

Am 28. März 2015 schloss die [X.] ([X.]) mit [X.] und [X.] den Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder ([X.]). Er trat am 1. August 2015 in [X.]. Zur Überleitung der Lehrkräfte in die dem [X.] als Anlage beigefügte Entgeltordnung Lehrkräfte ([X.]) bestimmt § 29a des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]) idF des § 11 [X.] auszugsweise Folgendes:

        

§ 29a

Überleitung der Lehrkräfte in die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV [X.]) am 1. August 2015

        

(1)     

1Für in den [X.] übergeleitete und für zwischen dem 1. November 2006 und dem 31. Juli 2015 neu eingestellte Lehrkräfte gelten für Eingruppierungen ab dem 1. August 2015 der § 12 [X.] in der Fassung des § 3 TV [X.] sowie die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV [X.]). …

        

(2)     

1In den [X.] übergeleitete und ab dem 1. November 2006 neu eingestellte Lehrkräfte,

                 

-       

deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der [X.] oder eines Mitgliedsverbandes der [X.] ist, über den 31. Juli 2015 hinaus fortbesteht, und

                 

-       

die am 1. August 2015 unter den Geltungsbereich des § 44 [X.] fallen,

                 

sind - jedoch unter Beibehaltung der bisherigen [X.] für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit - zum 1. August 2015 in die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV [X.]) übergeleitet; Absatz 3 bleibt unberührt. …

        

(3)     

1Ergibt sich in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 nach der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum [X.]) eine höhere [X.], sind die Lehrkräfte auf Antrag in die [X.] eingruppiert, die sich nach § 12 [X.] in der Fassung des § 3 [X.] ergibt. 2Die Stufenzuordnung in der höheren [X.] richtet sich nach den Regelungen für Höhergruppierungen (§ 17 Absatz 4 [X.] in der Fassung des § 7 [X.]). … 4Satz 1 gilt für den erstmaligen Anspruch auf eine [X.]nzulage entsprechend. 5Satz 1 gilt für den Anspruch auf die Angleichungszulage (Anhang 1 zur Anlage zum [X.]) entsprechend.

                 

…       

        

(4)     

1Der Antrag nach Absatz 3 Satz 1 und/oder nach Absatz 3 Satz 4 kann nur bis zum 31. Juli 2016 gestellt werden (Ausschlussfrist) und wirkt auf den 1. August 2015 zurück; …

        

(5)     

1Der Antrag nach Absatz 3 Satz 5 kann nur bis zum 31. Juli 2017 gestellt werden (Ausschlussfrist) und wirkt auf den 1. August 2016 zurück. … 3Ergibt sich in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 nach der Entgeltordnung Lehrkräfte ein Anspruch auf eine höhere [X.] (Absatz 3 Satz 1) oder auf eine [X.]nzulage (Absatz 3 Satz 4) und bestünde nach entsprechender Eingruppierung Anspruch auf eine Angleichungszulage (Absatz 3 Satz 5) ab 1. August 2016, gilt im Falle eines nicht ausgeübten Antragsrechts nach Absatz 3 Satz 1 bzw. Satz 4 ein Antrag nach Absatz 3 Satz 5 als Antrag nach Absatz 3 Satz 1 bzw. Satz 4, der auf den 1. August 2015 zurückwirkt.

        

…“    

        

4

Mit Wirkung zum 1. März 2017 vereinbarten auch die [X.] [X.] und [X.] mit der [X.] die Geltung des [X.]. Der [X.] zum [X.] vom 17. Februar 2017 verlängerte demzufolge die bereits abgelaufene Ausschlussfrist des § 29a Abs. 4 [X.] idF des § 11 [X.] bis zum 31. Mai 2017. Die Frist für den Antrag auf die Angleichungszulage nach § 29a Abs. 5 Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] blieb unverändert.

5

Die [X.] bestimmt, dass Lehrkräfte in [X.]n, die mit der Markierung **) versehen sind, eine monatliche Angleichungszulage gemäß Anhang 1 erhalten. Dieser lautet in der seit dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung:

        

„Angleichungszulage

        

1Die Angleichungszulage im Sinne der Entgeltordnung Lehrkräfte wird ab 1. August 2016 gewährt. 2Sie beträgt ab dem 1. Januar 2019 105 Euro, höchstens jedoch den Betrag, der als Höhergruppierungsgewinn bei entsprechender Anwendung des § 29a Absatz 3 Satz 2 und 3 TVÜ-Länder in der Fassung des § 11 TV [X.] zustehen würde.“

6

In der [X.] vom 1. August 2016 bis zum 31. Dezember 2018 wurde - soweit es die Klageparteien betrifft - eine Angleichungszulage von 30,00 Euro gezahlt.

7

Die Klageparteien üben seit August 2015 unveränderte Tätigkeiten aus und werden hierfür nach den [X.]n 10 bzw. 11 [X.] vergütet. Sie stellten anlässlich der Überleitung in die neue Entgeltordnung keinen Antrag auf Höhergruppierung und beantragten erst im Jahr 2019 die Leistung einer Angleichungszulage. Das beklagte Land lehnte dies wegen Versäumung der Antragsfrist ab.

8

Mit ihren vor verschiedenen Arbeitsgerichten erhobenen Klagen verfolgen die Klageparteien den von ihnen angenommenen Anspruch auf eine Angleichungszulage weiter. Die Versäumung der Antragsfrist stehe dem nicht entgegen. Zwar sehe § 29a Abs. 5 Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] dem Wortlaut nach eine solche Frist bis zum 31. Juli 2017 vor. Die Tarifnorm sei aber bei einem isolierten Antrag auf Leistung einer Angleichungszulage teleologisch zu reduzieren. Der vollständige Ausschluss späterer Anträge sei mit dem Zweck der in der neuen Entgeltordnung bei bestimmten Eingruppierungen vorgesehenen Angleichungszulage nicht vereinbar. Mit der neuen Entgeltordnung sollte für alle Lehrkräfte das Ziel der Angleichung an die Besoldung beamteter Lehrkräfte verfolgt werden. Alle Lehrkräfte seien dementsprechend in die neue Entgeltordnung überführt worden, auch wenn sie keinen Antrag auf Höhergruppierung gestellt haben. Diejenigen Lehrkräfte, welche keine Höhergruppierung beantragen konnten oder dies wegen negativer Auswirkungen nicht wollten, sollten nicht wegen eines bloßen Fristversäumnisses von der Angleichung durch die Angleichungszulage gänzlich ausgeschlossen werden. Hierfür bestehe auch kein Grund. Die Versäumung der Antragsfrist bewirke für diesen Personenkreis daher lediglich, dass keine Rückwirkung der Antragstellung zum 1. August 2016 eintrete, sondern Ansprüche für die Vergangenheit der allgemeinen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 [X.] unterfielen. Anderenfalls läge eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung nicht nur gegenüber den Lehrkräften vor, welche den Antrag fristwahrend gestellt haben, sondern auch gegenüber den ab dem 1. August 2016 neu eingestellten Lehrkräften, welche bei Erfüllung der Voraussetzungen einen Anspruch auf die Angleichungszulage ohne Antragserfordernis haben.

9

Die Klageparteien haben - im Fall der Klägerinnen zu 2. und 4. unter Berücksichtigung von Teilzeit - zuletzt folgende Anträge gestellt:

Der Kläger zu 1. hat beantragt,

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm ab dem 1. September 2018 die Angleichungszulage nach dem Anhang 1 zur Anlage zum TV [X.] zu zahlen.

Die Klägerin zu 2. hat beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 182,00 Euro brutto (Angleichungszulage für die Monate Januar bis Oktober 2019) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. November 2019 zu zahlen.

Der Kläger zu 3. hat beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 1.785,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.050,00 Euro seit dem 26. November 2019 und aus weiteren 735,00 Euro seit dem 8. Juli 2020 zu zahlen.

Die Klägerin zu 4. hat beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 1.469,99 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 864,70 Euro seit dem 16. November 2019 und aus weiteren 605,29 Euro seit dem 8. Juli 2020 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klagen wegen Versäumung der Antragsfrist abzuweisen.

Die Arbeitsgerichte haben die Klagen abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichteten Berufungen zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Berufungen zurückgewiesen. Mit den vom [X.] zugelassenen Revisionen verfolgen die Klageparteien ihre Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind unbegründet. Das [X.] hat die Berufungen gegen die klageabweisenden Urteile der Arbeitsgerichte zu Recht zurückgewiesen.

I. Die Klagen sind unbegründet. Die Klageparteien können keine [X.] beanspruchen, weil sie die Antragsfrist nach § 29a Abs. 5 Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] versäumt haben. Deren absolute [X.] verletzt die Klageparteien nicht in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

1. Der Anspruch auf die streitgegenständliche [X.] nach Anhang 1 zur Anlage zum [X.] setzt nach § 29a Abs. 5 Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] voraus, dass der nach § 29a Abs. 3 Satz 5 iVm. Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] erforderliche Antrag auf Gewährung der [X.] bis zum 31. Juli 2017 gestellt wurde. Der Antrag ist konstitutiv und stellt eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung des Beschäftigten dar (vgl. zu § 29a Abs. 3 Satz 1 [X.]: [X.] 18. Oktober 2018 - 6 [X.] - Rn. 35; 19. Oktober 2016 - 4 [X.] - Rn. 40). Durch die Einschränkung „nur“ und den Klammerzusatz „Ausschlussfrist“ haben die Tarifvertragsparteien in § 29a Abs. 5 Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] unmissverständlich klargestellt, dass die (rückwirkende) Entstehung des Anspruchs die fristgerechte Antragstellung erfordert. Wird die Antragsfrist versäumt, steht dies dem Entstehen eines Anspruchs auf Dauer entgegen. Bezogen auf das Antragsrecht verdrängt die Antragsfrist die allgemeine Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Teil IIIb § 11 [X.] Stand September 2019 Rn. 101 iVm. Stand April 2016 Rn. 72; zu § 26 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] 18. September 2019 - 4 [X.] - Rn. 26 ff., [X.]E 168, 13). Im Ergebnis haben die Tarifvertragsparteien damit eine Antragsobliegenheit konstituiert.

2. Die Klageparteien haben demnach keinen Anspruch auf die [X.], weil sie ihre Anträge auf Gewährung der [X.] erst im Jahr 2019 und damit nach dem 31. Juli 2017 gestellt haben. Entgegen der Auffassung der Revisionen kommt eine teleologische Reduktion des § 29a Abs. 5 Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] nicht in Betracht.

a) Mit der teleologischen Reduktion, die zu den von [X.] wegen anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, wird der ausgehend vom Gesetzeszweck zu weit gefasste Wortlaut auf den Anwendungsbereich reduziert, welcher der ratio legis entspricht ([X.] 13. November 2014 - 6 [X.] 868/13 - Rn. 20; 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 190/12 - Rn. 33, [X.]E 147, 60). Bei Beachtung der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie kann die teleologische Reduktion auch bei Tarifverträgen ein Mittel zur Schließung einer unbewussten oder nachträglich entstandenen Regelungslücke sein ([X.] 21. Mai 2015 - 6 [X.] 254/14 - Rn. 29; 16. Dezember 2010 - 6 [X.] 433/09 - Rn. 16).

b) An der erforderlichen verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der Tarifregelung fehlt es hier offenkundig. § 29a [X.] idF des § 11 [X.] stellt vielmehr ein in sich geschlossenes Regelungssystem zur Überleitung der Lehrkräfte in die neue Entgeltordnung dar. Die darin vorgesehenen Antragserfordernisse und Fristbindungen fügen sich lückenlos in das Gesamtbild des Tarifvertrags ein und sind damit systemgerecht.

aa) § 29a Abs. 3 [X.] idF des § 11 [X.] unterscheidet zwischen Eingruppierung, [X.], [X.] und [X.].

(1) Die hier streitgegenständliche [X.] nach Anhang 1 zur Anlage zum [X.] (§ 29a Abs. 3 Satz 5 [X.] idF des § 11 [X.]) ist der Sache nach ein vorweggenommener Höhergruppierungsgewinn für bestimmte [X.]n der neuen Entgeltordnung. Die Tarifvertragsparteien haben bezüglich der [X.]n 9 bis 11 [X.], welche bezogen auf die beamteten Lehrkräfte unter Berücksichtigung des länderspezifischen Besoldungsrechts den Besoldungsgruppen A 9 bis A 12, 12a vergleichbar sind, eine künftige Besserstellung vereinbart. Es soll schrittweise eine Zuordnung nach der sog. „[X.]“ erfolgen. Beabsichtigt ist im Ergebnis die Anhebung der angestellten Lehrkraft um eine [X.], was in zahlreichen Fällen zu einem Gleichlauf von Besoldungsgruppe und [X.] führt (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Teil IIIb 3/1 - [X.] Stand September 2019 Rn. 412 ff.). Die Gewährung der [X.] ist gleichsam als „Einstieg in die [X.]“ zu verstehen ([X.] ZTR 2015, 483, 485 unter Ziff. 4.2).

(2) Wird eine [X.] gezahlt, führt das noch nicht zu einer Höhergruppierung. Diese erfolgt erst am Ende der [X.] mit dem Wirksamwerden der „[X.]“. Folglich unterbleibt während der [X.] die bei [X.] nach § 12 Abs. 5 [X.] idF des § 9 [X.] stattfindende Anrechnung des [X.] zum bisherigen Entgelt auf den [X.]. Auch die [X.] bleibt in dieser [X.] unverändert ([X.]/Steinherr [X.] Vor 2620-L TV EntgeltO-L Stand August 2016 Rn. 465). Nach einer Höhergruppierung richtet sich die [X.] demgegenüber nach § 29a Abs. 3 Satz 2 [X.] idF des § 11 [X.].

bb) Die Tarifvertragsparteien haben sowohl bezüglich der Eingruppierung für den Fall einer Höhergruppierung nach der neuen Entgeltordnung als auch bezüglich der [X.] und der [X.] ein fristgebundenes Antragserfordernis vereinbart (§ 29a Abs. 4 und Abs. 5 [X.] idF des § 11 [X.]).

(1) Hinsichtlich der Eingruppierung begründet sich das Antragserfordernis mit dem Umstand, dass eine Höhergruppierung nach neuem Eingruppierungsrecht für manche von der Überleitung betroffenen Lehrkräfte wegen der Auswirkungen auf den [X.] und die [X.] nachteilig sein kann. Zwar wurden alle Lehrkräfte in die neue Entgeltordnung übergeleitet. Sie sollten aber nach den in § 29a [X.] idF des § 11 [X.] festgelegten Maßgaben bei unverändert auszuübender Tätigkeit trotz Erfüllung der Voraussetzungen einer höheren [X.] nach der neuen Entgeltordnung die Wahl haben, ob sie unter Beibehaltung der bisherigen [X.] an dem damit verbundenen Besitzstand festhalten oder mit dem fristgerechten Stellen eines Höhergruppierungsantrags das Eingreifen der Tarifautomatik des neuen Eingruppierungsrechts herbeiführen wollen ( vgl. [X.]/[X.]/Kiefer/Thivessen [X.] Teil B 5 § 11 [X.] Stand Juli 2016 Rn. 30 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Teil IIIb § 11 [X.] Stand April 2016 Rn. 69 ff.; [X.]/Steinherr [X.] Vor 2620-L TV EntgeltO-L Stand August 2016 Rn. 507 ff.). Dies entspricht der Überleitung in andere Entgeltordnungen des öffentlichen Dienstes (vgl. zu § 29a [X.] [X.] 21. Dezember 2017 - 6 [X.] 790/16 - Rn. 19 ff.; zu § 29a [X.] VKA [X.] 25. November 2021 - 6 [X.] 150/21 - Rn. 19 mwN; 25. März 2021 - 6 [X.] 41/20 - Rn. 25 mwN; zu § 26 [X.] [X.] 18. September 2019 - 4 [X.] - Rn. 30 mwN, [X.]E 168, 13).

(2) Entgegen der Auffassung der Revisionen kann auch die bloße Beantragung einer [X.] zu negativen Auswirkungen führen, denn diese Antragstellung bewirkt, dass die Lehrkraft endgültig nach der [X.] eingruppiert ist, welche ab dem 1. August 2016 den Anspruch auf die [X.] begründet (vgl. [X.]/Steinherr [X.] Vor 2620-L TV EntgeltO-L Stand August 2016 Rn. 538). Die Antragstellung führt zwar nicht zwangsläufig dazu, dass sich unmittelbar die Eingruppierung in eine andere als die bisherige [X.] ergibt. Mit Beantragung der [X.] wird aber das Verfahren auf die künftige individuelle Höhergruppierung entsprechend der „[X.]“ ausgelöst (vgl. [X.] [X.] [X.]/Winter [X.] [X.] § 11 Stand 1. Juni 2016 Rn. 39 f.). Die Lehrkraft befindet sich dann nicht mehr lediglich unter dem „Dach der [X.]“ (so [X.]/[X.]/Kiefer/Thivessen [X.] Teil B 5 § 11 [X.] Stand Juli 2016 Rn. 67), vielmehr greift die Tarifautomatik der neuen Entgeltordnung. Die Lehrkraft kann aufgrund dieser Tarifautomatik Entgeltnachteile zB durch die Kürzung des [X.]s bei ihrer im [X.]punkt des Wirksamwerdens der „[X.]“ eintretenden Höhergruppierung nicht mehr vermeiden. Gleiches gilt, wenn aufgrund einer Änderung des beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgesetzes die Stellen vergleichbarer beamteter Lehrkräfte höher bewertet werden. Derartige Verbesserungen im [X.] werden nach dem [X.] im Sinne eines „mitschwingenden Systems“ automatisch auf den Tarifbereich übertragen ([X.] ZTR 2015, 483, 485 unter Ziff. 4.1; Winter ZTR 2016, 123, 125 unter Ziff. 2.2.1). Das befristete Antragsrecht in § 29a [X.] idF des § 11 [X.] kommt dann wegen der bereits eingreifenden Tarifautomatik nicht mehr zum Tragen. Dieser Verbindung zwischen [X.] und späterer Höhergruppierung entspricht § 29a Abs. 5 Satz 3 [X.] idF des § 11 [X.], welcher für den Fall eines Anspruchs auf eine höhere [X.] den Antrag auf eine [X.] als Antrag auf Eingruppierung in die höhere [X.] rückwirkend zum 1. August 2015 gelten lässt.

(3) Vor dem Hintergrund dieser Verknüpfung hatten die Lehrkräfte im Anwendungsbereich des § 29a [X.] idF des § 11 [X.] auch bezogen auf die [X.] innerhalb einer von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich bestimmten Frist zu prüfen, ob sich die materielle Anwendbarkeit der [X.] für sie als sinnvoll darstellt oder nicht. Die von den Revisionen angenommene teleologische Reduktion würde in Widerspruch hierzu zu einem Entfall der Antragsfrist führen. Damit würde keine unbewusste oder nachträglich entstandene Regelungslücke [X.] geschlossen, sondern im Gegenteil der Regelungsplan der Tarifvertragsparteien missachtet. Dies ist mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie nicht zu vereinbaren.

3. Entgegen der Ansicht der Revisionen ist § 29a Abs. 3 Satz 5, Abs. 5 Satz 1 [X.] idF des § 11 [X.] mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

a) Die Regelung gilt für alle dem Anwendungsbereich des § 29a [X.] idF des § 11 [X.] unterfallenden Lehrkräfte, dh. für die Lehrkräfte, die von der Überleitung in den [X.] betroffen waren und für die Lehrkräfte, die zwischen dem 1. November 2006 und dem 31. Juli 2015 neu eingestellt wurden (vgl. § 29a Abs. 1 [X.] idF des § 11 [X.]). Die Schaffung eines zeitlich befristeten Antragserfordernisses bezüglich der [X.] ist vom Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien umfasst (vgl. hierzu [X.] 15. Oktober 2021 - 6 [X.] 253/19 - Rn. 38 mwN; 19. Dezember 2019 - 6 [X.] 563/18 - Rn. 19 ff., [X.]E 169, 163). Die Klageparteien werden dabei nicht gegenüber den Lehrkräften ungerechtfertigt benachteiligt, die die [X.] fristgerecht beantragt haben.

aa) Es handelt sich um die Bestimmung einer fristgebundenen Anspruchsvoraussetzung für die Überleitung in ein neues Entgeltsystem, welche lediglich sachlich vertretbar sein muss. Ein solches Antragserfordernis ist jedenfalls dann eindeutig sachlich vertretbar, wenn die tarifvertraglichen Regelungen nicht nur eine tendenzielle bzw. potentielle Erhöhung der Vergütung, sondern im Interesse der Wahrung des [X.] der Beschäftigten auch eine unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen zulassen. Das fristgebundene Antragserfordernis dient in dieser Konstellation der Rechtssicherheit. Es soll damit innerhalb eines definierten [X.]raums Klarheit über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses nach der Überleitung geschaffen werden.

bb) Dies ist hier bezogen auf die Eingruppierung der Fall, denn § 29a [X.] idF des § 11 [X.] sieht in Absatz 1 erst bei [X.] ab dem 1. August 2015 die zwingende Geltung der neuen Eingruppierungsregelungen vor und lässt in Absatz 2 für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit - wie dargelegt - die Beibehaltung der bisherigen [X.] ohne Prüfung der Eingruppierungsvoraussetzungen nach neuem Recht zu. Hinsichtlich der [X.] ist das fristgebundene Antragserfordernis im Gegensatz zur Auffassung der Revisionen wegen der dargestellten Verknüpfung der [X.] mit der Geltung des neuen Eingruppierungsrechts und den damit verbundenen denkbaren Entgeltnachteilen sachlich begründet.

b) Die Klageparteien werden auch nicht gegenüber den ab dem 1. August 2015 neu eingestellten Lehrkräften iSv. § 44 [X.] benachteiligt, die allesamt ohne Anwendbarkeit des Überleitungsrechts und damit ohne Antragserfordernis den Regelungen des [X.] und damit auch der tariflichen Ausgestaltung der [X.] unterfallen. Die beiden Beschäftigtengruppen sind nicht vergleichbar. Sie befinden sich in unterschiedlichen Situationen. Nur bei den überzuleitenden Lehrkräften stellte sich die Frage der Wahrung des [X.] verbunden mit der Abwägung der Vor- und Nachteile der neuen Entgeltordnung. § 29a [X.] idF des § 11 [X.] dient der Auflösung dieses spezifischen Spannungsverhältnisses (vgl. zu § 29b [X.]VKA [X.] 19. November 2020 - 6 [X.] 449/19 - Rn. 28 ff.).

II. [X.] gründet sich auf § 97 Abs. 1 ZPO iVm. § 100 Abs. 2 ZPO.

        

    Spelge    

        

    Wemheuer    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Wollensak    

        

    C. Klar    

                 

Meta

6 AZR 216/21

27.01.2022

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wuppertal, 13. Mai 2020, Az: 2 Ca 2552/19, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 37 Abs 1 TV-L, § 29a Abs 3 S 5 TVÜ-L, § 29a Abs 5 S 1 TVÜ-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2022, Az. 6 AZR 216/21 (REWIS RS 2022, 1699)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1699

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