Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2002, Az. 4 StR 461/02

4. Strafsenat | REWIS RS 2002, 392

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[X.] StR 461/02vom3. Dezember 2002in der Strafsachegegenwegen gefährlicher Körperverletzung u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 3. Dezember 2002 gemäß § 349Abs. 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 17. Juli 2002 mit den Fest-stellungen aufgehoben.2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eineandere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung in vierFällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Körper-verletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckunges zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich der [X.] mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.Das Rechtsmittel hat Erfolg.Das Urteil hat insgesamt keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung des[X.] durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.Das [X.] stützt die Verurteilung des die Taten im [X.] bestrei-tenden Angeklagten "zum überwiegenden Teil" ([X.]) auf die als glaubhaft- 3 -gewertenden Angaben der Geschädigten [X.], obwohl diese —in Bezug aufeinen wesentlichen Teil des [X.] ([X.]) zu den Geschehnissenteilweise widersprüchliche Angaben gemacht hat und dabei auch frühere An-gaben hat korrigieren müssen. Das [X.] hat daraus den zutreffendenSchluß gezogen, "die Aussage der Zeugin (biete) durchaus Anhaltspunkte, diejedenfalls für sich genommen geeignet erscheinen, Zweifel an der Glaubwür-digkeit von [X.] zu erwecken" ([X.]). Dies hinderte den Tatrichter aller-dings noch nicht, sich gleichwohl von der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zumfestgestellten [X.]geschehen zu überzeugen. Doch ist die Aussage nach [X.] des [X.] dann, wenn letztlich —Aussage [X.] steht, einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen. [X.] namentlich, wenn der im wesentlichen einzige [X.] wie [X.] in der Hauptverhandlung seine Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr auf-rechterhält, der anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird odersich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt. Es bedarf dann [X.] einer Gesamtschau einer lückenlosen Würdigung seiner Aussagesamt aller Umstände und Indizien, die für ihre Bewertung von Bedeutung seinund das gefundene Ergebnis in Frage stellen können (vgl. [X.]St 44, 153, 158;256, 257; [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 23; [X.], Beschluß vom 18.Dezember 2001 [X.] 4 StR 497/01). Dem wird das angefochtene Urteil nicht ge-recht.Das [X.] hat seiner Beweiswürdigung zur Glaubhaftigkeit [X.] der [X.] schon im Ansatz einen rechtsfehlerhaften [X.] gelegt. Es hält nämlich [X.] deshalb für "glaubwürdig", weil ihreBekundungen "hinsichtlich der tatrelevanten Umstände nicht widerlegt wordensind, sondern zur Überzeugung der Kammer lediglich ernsthafte Zweifel vorlie-- 4 -gen, mithin sogar von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit auszugehen istund daß auch zur Überzeugung der Kammer eine vorsätzliche Falschbekun-dung nicht gegeben ist" ([X.]). Damit hat die [X.] gegen den für [X.] tragenden Zweifelsgrundsatz —in [X.] pro reofi verstoßen.Denn wie die Revision zu Recht einwendet, hat das [X.], indem es [X.] —ernsthafter [X.] für die Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage [X.] entschieden hat, im Ergebnis dem Angeklagten den Nachweis seinerUnschuld aufgebürdet (—Umkehr der Beweislastfi). Zugleich erweist sich die Er-wägung als Zirkelschluß, weil das [X.] damit letztlich die Glaubhaftig-keit der Angaben der Zeugin mit ihrer eigenen Aussage begründet, anstatt -wie es geboten wäre - für deren Richtigkeit auf Indizien abzustellen, die außer-halb der Aussage selbst liegen (vgl. [X.]St 44, 256, 257; [X.] StV 1998, 580,581). Dies stellt einen Verstoß gegen die Denkgesetze dar (vgl. [X.] StV1996, 366, 367; Senatsbeschluß vom 21. November 2000 [X.] 4 StR 489/00; [X.] in [X.]. § 261 Rdn. 47 m.w.N.). Es handelt sich hierbei auchnicht etwa um eine bloß mißverständliche, und deshalb unschädliche [X.]. Dies zeigt sich etwa bei der Beweiswürdigung zur Tat vom 3. Februar2002. In jenem Fall ist das [X.] der Tatversion der [X.], der [X.] habe ihr das Ellenbogengelenk durch "Überstrecken" gebrochen, mit [X.] gefolgt, "ein Hebeln - einen kurz zuvor zugezogenen Haarbruch unterstellt - (sei) in etwa gleich wahrscheinlich, wie [X.]", obwohl der rechtsmedizinische Sachverständige dargelegt hatte, [X.] könne auch durch einen Sturz in der Badewanne, wie ihn der Angeklagtegeschildert hatte, herrühren. Bei dieser Sachlage durfte das [X.] nichtdarauf abstellen, daß "die Bekundungen der Zeugin keinesfalls widerlegt [X.]). Im übrigen hat das [X.] übersehen, daß gegen den festge-stellten Tathergang spricht, daß der sachverständige Zeuge Dr. Sch. ein- 5 -"Überstrecken" als Ursache des Ellenbogengelenkbruchs eher ausgeschlossenhat ([X.] läßt auch im übrigen die gebotene erschöpfende Beweiswür-digung zur Glaubhaftigkeit der Aussage der [X.] vermissen. Dies betrifftinsbesondere ihre wechselnden Angaben zum Geschlechtsverkehr mit [X.]. Während sie noch bei ihrer ersten Vernehmung angegeben [X.], es sei regelmäßig zum Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen gekommen,nachdem der Angeklagte sie geschlagen habe, hat sie dem Angeklagten nurnoch im Zusammenhang mit den Taten vom 21. und 29./30. Januar 2002 an-gelastet, sie dabei vergewaltigt zu haben, ihre früheren Angaben seien "[X.]" ([X.]). Insoweit vermochte das [X.] sich von diesemAnklagevorwurf nicht zu überzeugen, "wenngleich die Kammer davon über-zeugt ist, daß keine bewußte Falschbelastung durch Zeugin vorliegt"([X.]). Schon der Ausschluß einer bewußten Falschbelastung stellt sich [X.] Vermutung zu Lasten des Angeklagten dar, zumal das [X.] inanderem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt hat, die Zeugin habe dieKammer "angelogen" ([X.]). Den gleichen Bedenken ist ausgesetzt, soweitdas [X.] für —jedenfalls nicht ausgeschlossenfi gehalten hat ([X.]),daß sich [X.] infolge ihrer Befragung durch die Vernehmungspersonenselbst eingeredet habe, vergewaltigt worden zu sein. Ebenso wenig durfte das[X.] bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der [X.]die Widersprüche ohne nähere Substantiierung "durch ein nicht untypischesverringertes Erinnerungsvermögen infolge von Furcht und Schreckenfi ([X.])bzw. - konkret im Zusammenhang mit dem Treppensturz am 13. Januar 2002 -mit dem "vergangenen Zeitraum und (der) Vielzahl der Ereignisse" ([X.] 25) er-klären; vielmehr hätte es insoweit der Darlegung tragfähiger Anhaltspunkte be-- 6 -durft, die eine bewußte falsche Darstellung durch die Zeugin ausschließen (vgl.[X.], Beschluß vom 4. September 2002 - 2 StR 307/02).Schließlich sind - wie der [X.] in seiner Antragsschriftvom 4. November 2002 zu Ziff. 1. näher ausgeführt hat - auch die [X.] zur im Zeitraum vom 15. bis 20. Januar 2002 begangenen [X.] widersprüchlich. Diese Widersprüche entziehen aber nicht nur [X.] in diesem Fall eine tragfähige Grundlage. Vielmehr legen [X.] einen Zusammenhang zwischen den Widersprüchen und [X.] der [X.] nahe. Deshalb ist auch insoweit deren Glaubwürdigkeitberührt, die das Urteil insgesamt betrifft. Aus diesem Grunde sieht der Senatdavon ab, dem Antrag des [X.]s entsprechend das Verfahreninsoweit gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, weil dem neuen Tatrichter ei-ne umfassende Grundlage für die Beweiswürdigung erhalten bleiben muß (vgl.zur Einstellung gemäß § 154 StPO im Zusammenhang mit der Würdigung [X.] eines Belastungszeugen [X.] StV 1998, 580, 582; 2001, 552; [X.],Beschluß vom 24. Oktober 2002 - 1 [X.] aufgezeigten Bedenken gegen die Würdigung der Aussage der[X.] berühren deren Glaubhaftigkeit allgemein. Bei dieser Sachlage [X.] der Anklagevorwurf, der sich in allen Fällen in erster Linie auf die Angabender [X.] stützt, insgesamt neuer Prüfung und Entscheidung. [X.] könnte die Verurteilung im Fall der Tat vom 14. Januar 2002 auch [X.] nicht bestehen bleiben, weil - wie die Revision ebenfalls zu Recht rügt -die dazu getroffenen Feststellungen schon für sich genommen den [X.] Freiheitsberaubung nicht [X.] 7 -Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daßauch die Frage der Schuldfähigkeit eingehenderer Prüfung als im angefochte-nen Urteil bedarf, zumal das [X.] davon ausgegangen ist, der [X.] sei bei sämtlichen Taten alkoholisiert gewesen. Soweit das [X.]meint, das Verhalten sei "keinesfalls auf einen Kontrollverlust zurückzuführen",hätte es zumindest der Mitteilung bedurft, was [X.] zur Alkoholisierung undderen Auswirkungen beim Angeklagten ausgesagt hat. In diesem Zusammen-hang kann auch die als glaubhaft gewertete Aussage des ehemaligen Arbeit-gebers des Angeklagten Bedeutung erlangen, der Angeklagte habe "Alkoholnicht getrunken, sondern 'gesoffen' " ([X.] 30). Daß die Sachverständige "keinetatsächliche Alkoholabhängigkeit" beim Angeklagten festzustellen vermocht hat([X.] 41), schließt die Annahme alkoholbedingter erheblicher Verminderung [X.] (§ 21 StGB) zu den [X.] nicht aus.Tepperwien Maatz Athing

Meta

4 StR 461/02

03.12.2002

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2002, Az. 4 StR 461/02 (REWIS RS 2002, 392)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 392

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