Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2004, Az. I ZB 4/04

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 403

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[X.] vom 2. Dezember 2004 in der [X.]

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.]I
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1

Zur Frage, ob es für ein Unternehmen, das keine Rechtsabteilung eingerichtet hat, zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gegen einen wettbewerbs-rechtlichen Unterlassungsanspruch im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO not-wendig ist, eine Rechtsanwaltskanzlei am Geschäftsort als Hauptbevollmächtig-ten hinzuzuziehen, wenn diese Kanzlei ständig mit der Bearbeitung sämtlicher im Unternehmen anfallender Rechtsangelegenheiten beauftragt ist.
[X.], [X.]. v. 2. Dezember 2004 - [X.] - OLG Köln

LG Köln

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 2. Dezember 2004 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Pokrant und Dr. Schaffert beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der [X.]uß des 17. Zivilsenats des [X.] vom 4. November 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 486,89 • festgesetzt.

- 3 - Gründe:

[X.] Die Beklagte ist ein in [X.]ansässiges Presseunternehmen. Sie hat keine eigene Rechtsabteilung eingerichtet. Seit mehr als einem Jahrzehnt werden sämtliche Rechtsangelegenheiten des Konzerns, zu dem die Beklagte gehört, von der [X.]

am Sitz der [X.] bearbeitet. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte diese Kanzlei mit der Prozeßführung beauftragt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen Unterlassungsanspruch wegen wettbewerbswidriger Werbung gegen die Beklagte geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 28. Februar 2002 hat sich die Beklagte durch einen am Sitz des [X.] ansässigen Rechts-anwalt als Unterbevollmächtigten vertreten lassen. Nach Einholung eines Sach-verständigengutachtens hat die Klägerin ihre Klage zurückgenommen. [X.] wurden ihr durch [X.]uß des [X.] die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte u.a. beantragt, neben den bei ihren Prozeßbevollmächtigten in [X.]angefallenen Kosten auch die Kosten ihres Unterbevollmächtigten am Sitz des [X.] [X.].
Das [X.] hat die außergerichtlichen Kosten der [X.] nur in Höhe derjenigen Kosten als erstattungsfähig anerkannt, die der [X.] er-wachsen wären, wenn sie einen am Ort des [X.] tätigen Rechtsan-walt zum Prozeßbevollmächtigten bestellt und diesen schriftlich und ergänzend telefonisch über den maßgeblichen Sachverhalt unterrichtet hätte. - 4 -
Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Beklagte beantragt, die durch die Mitwirkung des Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten in vollem Umfang anzusetzen.
Das [X.] hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Kostenfestsetzungsantrag im Umfang ihrer sofortigen Beschwerde weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]us-ses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Kosten des mit der Wahrnehmung des Termins beim [X.] beauftragten unterbevollmächtigten Rechtsanwalts wären auch dann nicht voll zu erstatten, wenn die Beklagte einen Rechtsanwalt an ihrem Geschäftssitz zum Prozeßbevollmächtigten hätte bestellen dürfen, ohne Nachteile bei der [X.] nehmen zu müssen. Die durch die Tätigkeit des Unter-bevollmächtigten entstandenen Kosten wären dann nur insoweit in Ansatz zu bringen, als sie die Kosten nicht wesentlich überstiegen, die durch die Fahrt des [X.] zur Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung ent-standen wären. - 5 - Die Beklagte habe jedoch im Zusammenhang mit dem Verhandlungs-termin des [X.] durch die Einschaltung des [X.] Reisekosten erspart, weil sie erstattungsrechtlich gehalten gewesen sei, ei-nen Rechtsanwalt am Ort des [X.] zum Prozeßbevollmächtigten zu bestellen. Eines eingehenden Mandantengesprächs am Sitz ihres Unterneh-mens habe es nicht bedurft.
Dem Vorstand der Konzernmutter der [X.] gehöre als assoziiertes Mitglied Rechtsanwalt Prof. Dr. S. mit dem Aufgabengebiet "Recht" an. Dessen Kanzlei bearbeite sämtliche Rechtsangelegenheiten der dem Konzern angehörenden Unternehmen. Die Tätigkeit dieser in die Anwaltskanzlei inte-grierten Rechtsabteilung der Konzernmutter der [X.] erstrecke sich auf alle Gebiete des [X.] sowie auf presse- und medienrechtliche Spezialgebiete. Dies rechtfertige die Annahme, daß die Beklagte häufiger [X.] sei, sich mit Rechtsangelegenheiten zu befassen, die aus ihrer ge-schäftlichen Betätigung hervorgegangen seien. Es könne daher von ihr erwartet werden, daß sie selbst über die Mitarbeiter verfüge, die zur Bearbeitung solcher unternehmensbezogenen Rechtssachen geeignet seien. Es stehe der [X.] selbstverständlich frei, ob sie eine eigene Rechtsabteilung unterhalte oder ob sie die Aufgaben einer nach Art und Umfang ihres Geschäftsbetriebs an sich notwendigen Rechtsabteilung von Rechtsanwälten wahrnehmen lasse, weil sich dies als organisatorisch zweckmäßig und wirtschaftlich sinnvoll erwiesen habe. Das ändere jedoch nichts daran, daß es sich im einen wie im anderen Fall um allgemeine Geschäftskosten handele, die auch insoweit, als sie durch den Rechtsstreit veranlaßt worden seien, eigene Bearbeitungskosten blieben. Diese könnten - wie der sonstige mit eigenen Prozeß- und Rechtsangelegenheiten verbundene Arbeitsaufwand - nicht durch die Beauftragung Dritter auf den [X.] abgewälzt werden. Die Beklagte müsse sich deshalb erstattungs-rechtlich so behandeln lassen, als hätte sie die Aussichten ihrer [X.] - gung selbst hinreichend zuverlässig beurteilen und den maßgeblichen Tatsa-chenstoff einem [X.] Rechtsanwalt schriftlich und telefonisch übermitteln können.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Die Kosten, die einer [X.] durch die Beauftragung eines unterbe-vollmächtigten Rechtsanwalts entstanden sind, können nur ersetzt werden, wenn sie im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig waren.
Dabei kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich ver-nünftige [X.] die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veran-lassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die [X.] ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderli-chen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen ([X.], [X.]. v. 16.10.2002 - [X.], NJW 2003, 898, 899; [X.]. v. 11.11.2003 - [X.], NJW-RR 2004, 430; [X.]. v. 9.9.2004 - I ZB 5/04, [X.], 1492, 1493 - [X.], m.w.[X.]).
Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungs-weise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig diffe-renzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem [X.] zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall mit [X.] darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechts-verfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (vgl. [X.], [X.]. v. 12.12.2002 - [X.], NJW 2003, 901, 902 = [X.], 391 - Auswärtiger Rechtsanwalt I). - 7 -
Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen [X.] die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernom-men hat, sind erstattungsfähig, soweit sie die durch die Tätigkeit des [X.] ersparten, erstattungsfähigen Reisekosten des [X.] nicht wesentlich übersteigen (vgl. [X.] NJW 2003, 898 f.; [X.], [X.]. v. 14.9.2004 - [X.] 37/04, Umdruck S. 4). Reisekosten des am Ge-schäftsort der [X.] ansässigen [X.] sind nicht erstattungs-fähig, wenn dessen Beauftragung nicht zur zweckentsprechenden Rechts-verfolgung oder -verteidigung erforderlich war, sondern ein am Ort des [X.] ansässiger Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter hätte beauftragt werden müssen.
3. Das Beschwerdegericht hat danach die Kosten des Unterbevollmäch-tigten zu Unrecht als in vollem Umfang nicht erstattungsfähig angesehen.
a) Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder [X.] Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte [X.] ist in der Regel als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzusehen, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen [X.] und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erfor-derlich und sinnvoll ist (vgl. [X.], [X.]. v. 23.3.2004 - VIII ZB 145/03, [X.], 866 m.w.[X.]). Dabei ist bei einem Unternehmen, das laufend [X.] zu führen hat, auch das Interesse zu berücksichtigen, mit besonders sachkundigen Rechtsanwälten seines Vertrauens am Ort zusammenzuarbeiten.
b) Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des [X.] feststeht, daß ein eingehendes Man-- 8 - dantengespräch für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht erforderlich sein wird (vgl. [X.] NJW 2003, 898, 901; [X.], [X.]. v. 10.4.2003 - [X.], [X.], 725 f. = [X.], 894 = NJW 2003, 2027 - Aus-wärtiger Rechtsanwalt II; [X.]. v. 18.12.2003 - [X.], [X.], 448 = [X.], 495 = NJW-RR 2004, 856 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; [X.] [X.], 1492, 1493 - [X.]; [X.], [X.]. v. 14.9.2004 - [X.] 37/04, Umdruck S. 5).
[X.]) Dies kann der Fall sein, wenn es sich bei der fraglichen [X.] um ein Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechts-abteilung verfügt (vgl. [X.] [X.], 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV, m.w.[X.]). Dies ist bei der [X.] jedoch unstreitig nicht der Fall.
bb) Die Beklagte muß sich bei der Beurteilung, ob ihre Aufwendungen zur Rechtsverteidigung notwendig waren, auch nicht so behandeln lassen, als habe sie eine Rechtsabteilung eingerichtet. Denn im Rahmen der [X.] kommt es auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der [X.] an und nicht darauf, welche Organisation als zweckmäßiger anzusehen sein könnte (vgl. [X.] NJW-RR 2004, 430). Der [X.] hat es hinzunehmen, daß er die erforderlichen Kosten eines als [X.] eingeschalte-ten Rechtsanwalts regelmäßig zu tragen hat, während die Kosten einer Rechts-abteilung nicht auf ihn abgewälzt werden könnten ([X.], [X.]. v. 25.3.2004 - I ZB 28/03, [X.], 623 = [X.], 777 = NJW-RR 2004, 857 - [X.]; [X.] [X.], 1492, 1493 - [X.]). Dies gilt auch dann, wenn eine [X.], wie hier die Beklagte, ständig eine be-stimmte Anwaltskanzlei mit der Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten, die nicht zu ihrem eigentlichen Unternehmensgegenstand gehören, beauftragt und dadurch die Einrichtung einer eigenen Rechtsabteilung entbehrlich macht. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß nicht erwartet werden kann, daß die Be-- 9 - klagte oder ihre Konzernmutter als Presseunternehmen gerade auch Mitarbeiter beschäftigen, die mit dem Recht des unlauteren [X.] vertraut sind. 4. Der angefochtene [X.]uß war daher aufzuheben. Die Sache war an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderli-chen Feststellungen zu den fiktiven Reisekosten des [X.] trifft.

[X.] v. Ungern-Sternberg Bornkamm

Pokrant Schaffert

Meta

I ZB 4/04

02.12.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2004, Az. I ZB 4/04 (REWIS RS 2004, 403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 403

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