Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. I ZB 5/04

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1742

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[X.] vom 9. September 2004 in der [X.]

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja
Unterbevollmächtigter II
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1

Zur Frage, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Geschäftsort als Haupt-bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch Führen eines Regreßprozesses notwendig ist, wenn das klagende [X.] an einem anderen Ort als demjenigen, an dem der Schadensfall bear-beitet worden ist, eine Rechtsabteilung eingerichtet hat.

[X.], [X.]. v. 9. September 2004 - [X.] - OLG München
LG München I

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 9. September 2004 durch [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der [X.]uß des 11. Zivilsenats des [X.] vom 1. März 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 458,20 • festgesetzt.

Gründe:

[X.] Die Klägerin ist ein in [X.] ansässiges Versicherungsunterneh-men. Ihre Rechtsabteilung befindet sich in [X.]. Sie hat das beklagte Spediti-onsunternehmen aus abgetretenem Recht vor dem [X.] we-gen des Verlustes von Transportgut auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe - 3 - von 6.176,92 • nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin beantragt, neben den von ihr verauslagten Gerichtskosten und den bei ihren Prozeßbevollmächtigten in [X.] angefallenen Kosten auch die Kosten ihres Unterbevollmächtigten am Sitz des [X.] festzusetzen. Das [X.] hat dem Antrag in-soweit nicht entsprochen. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Kostenfestsetzungsantrag in dem Umfang weiter, in dem er in den [X.] keinen Erfolg hatte. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel [X.]. I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]us-ses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Grundsatz, wonach die Zuziehung eines am Sitz der [X.] ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen sei, könne nur mit der Notwendigkeit eines persönlichen [X.]s begründet werden. Bei einem [X.] Schadensfall könne der Versicherer seinen Prozeßbevollmächtigten jedoch im Regelfall durch Übersenden der Schadensakte unterrichten. Ein [X.] [X.] finde in der Regel nicht statt und sei hier von der - 4 - Klägerin auch nicht behauptet worden. Da die Klägerin als Transportversicherer Schadensersatz aus abgetretenem Recht geltend mache, habe sie keine per-sönliche Sachkenntnis gehabt und die Klage daher vollständig auf schriftliche Unterlagen gestützt. In Fällen wie dem vorliegenden seien Sachbearbeiter tätig, die den Versicherungsfall vorgerichtlich abschließend zu bearbeiten hätten. Es könne auch unterstellt werden, daß bei der Bearbeitung des Versicherungsfalls die im Unternehmen der Klägerin zur Verfügung stehenden [X.] ausgenutzt würden und der Sachbearbeiter daher erforderlichenfalls mit der Rechtsabteilung telefoniere.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten, die einer [X.] durch die Beauf-tragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts entstanden sind, richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ([X.], [X.]. v. 16.10.2002 - [X.], NJW 2003, 898, 899; [X.]. v. 11.11.2003 - [X.], NJW-RR 2004, 430).
a) Kosten eines Unterbevollmächtigten sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne dieser Vorschrift, soweit durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden und als solche er-stattungsfähig wären ([X.] NJW 2003, 898, 899). Reisekosten des am Ge-schäftsort der [X.] ansässigen Hauptbevollmächtigten sind nicht erstattungs-fähig, wenn dessen Beauftragung nicht zur zweckentsprechenden Rechts-verfolgung oder -verteidigung erforderlich war, sondern ein am Ort des [X.] ansässiger Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter hätte beauftragt werden müssen. - 5 - b) Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozeßkosten i.S. des § 91 ZPO notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige [X.] die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeit-punkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die [X.] ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Be-lange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen ([X.] NJW 2003, 898; [X.] NJW-RR 2004, 430).
Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist zudem eine typisierende Betrach-tungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem [X.] zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall mit [X.] darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (vgl. [X.], [X.]. v. 12.12.2002 - [X.], NJW 2003, 901, 902 = [X.], 391 - Auswärtiger Rechtsanwalt I).
3. a) Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder [X.] ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte [X.] ist danach in der Regel als eine Maßnahme zweckent-sprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzusehen, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen [X.] und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist (vgl. [X.], [X.]. v. 23.3.2004 - VIII ZB 145/03, [X.], 866 m.w.N.). Dabei ist bei einem klagenden Versicherungsunternehmen, das laufend eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten - 6 - zu führen hat, auch das Interesse zu berücksichtigen, mit besonders sachkun-digen Rechtsanwälten seines Vertrauens am Ort zusammenzuarbeiten.
b) Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des Hauptbevollmächtigten feststeht, daß ein eingehendes [X.] für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht erforderlich sein wird (vgl. [X.] NJW 2003, 898, 901; [X.], [X.]. v. 10.4.2003 - [X.], [X.], 725 f. = [X.], 894 = NJW 2003, 2027 - Aus-wärtiger Rechtsanwalt II; [X.]. v. 18.12.2003 - [X.], [X.], 448 = [X.], 495 = NJW-RR 2004, 856 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV).
[X.]) Dies kann der Fall sein, wenn es sich bei der fraglichen [X.] um ein Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechts-abteilung verfügt (vgl. [X.] [X.], 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV, m.w.N.). Der Umstand, daß die Klägerin eine eigene Rechtsabteilung hat, steht hier jedoch der Annahme, daß die Beauftragung des unterbevollmächtigten Rechtsanwalts eine notwendige Maßnahme zweckentsprechender Rechtsver-folgung war, nicht entgegen.
Die Rechtsabteilung befindet sich nicht am Sitz der Klägerin, wo die Rechtssache bearbeitet worden ist, und war im übrigen mit der Sache auch zu keiner Zeit befaßt. Die Möglichkeit, gegebenenfalls fernmündlich bei einer an einem anderen Ort eingerichteten Rechtsabteilung Rechtsrat einzuholen, kann - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - ein persönliches Gespräch mit einem Anwalt am Ort nicht ersetzen. Auf die Frage, ob es nach der [X.] der Klägerin Aufgabe ihrer Rechtsabteilung in [X.] war, Sachbearbeitern am Sitz des Unternehmens in [X.] in Einzelfällen telefo-nische Rechtsauskünfte zu erteilen, kommt es danach nicht an. - 7 - bb) Die Klägerin muß sich als Versicherungsunternehmen bei der Beur-teilung, ob ihre Aufwendungen zur Rechtsverfolgung notwendig waren, auch nicht so behandeln lassen, als hätte sie eine Rechtsabteilung an dem Ort, an dem sie Schadensfälle bearbeiten läßt. Denn im Rahmen der Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der [X.] an und nicht darauf, welche Organisation als zweckmäßiger anzusehen sein könn-te (vgl. [X.] NJW-RR 2004, 430). Der [X.] hat es hinzunehmen, daß er die erforderlichen Kosten eines als Hauptbevollmächtigten eingeschalteten Rechtsanwalts regelmäßig zu tragen hat, während die Kosten einer Rechtsab-teilung nicht auf ihn abgewälzt werden könnten ([X.], [X.]. v. 25.3.2004 - I ZB 28/03, [X.], 623 = [X.], 777 = NJW-RR 2004, 857 - [X.]).
[X.]) Ein eingehendes persönliches [X.] kann auch dann entbehrlich sein, wenn die Sache von Mitarbeitern bearbeitet worden ist, die in der Lage sind, einen am Sitz des [X.] ansässigen [X.] umfassend schriftlich zu unterrichten. Dies kann anzunehmen sein, wenn es sich bei den mit der Sache befaßten Mitarbeitern um rechtskundiges Personal handelt und der Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufweist (vgl. [X.] [X.], 623 - [X.]). Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin waren im vorliegenden Fall jedoch keine rechtskundigen Mitarbeiter tätig. Allein aus ihrer gewerblichen Tätigkeit und ihrer Rechtsform ergibt sich nichts anderes (vgl. [X.], [X.]. v. 9.10.2003 - [X.], [X.]-Rep 2004, 70, 71).
[X.]) Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß im vorliegenden Fall bereits im Zeitpunkt der Beauf-tragung der Hauptbevollmächtigten feststand, daß es sich um einen einfach - 8 - gelagerten Fall handelte und deshalb ein eingehendes [X.] entbehrlich sein werde.
Welche Schwierigkeiten das Führen eines Rechtsstreits aufwirft, ist für Rechtsunkundige regelmäßig nicht überschaubar und hängt darüber hinaus wesentlich vom Verhalten der Gegenseite während des Prozesses ab ([X.] NJW 2003, 898, 901). Im vorliegenden Fall gilt nicht bereits deshalb etwas [X.], weil es sich um einen Regreßprozeß handelte. Die Einstandspflicht eines Versicherers hängt nicht von denselben Voraussetzungen ab wie sein etwaiger Regreßanspruch gegenüber dem Schädiger. Ein Versicherungsnehmer hat für einen nachgewiesenen Schaden nach Maßgabe des Versicherungsvertrages Ersatz zu leisten. Für das Führen eines Regreßprozesses sind demgegenüber neben der Feststellung des Schadenseintritts weitere Voraussetzungen zu [X.] wie etwa die Frage, ob den Schädiger ein Verschulden am Schadenseintritt trifft, ob er eine Haftungsbeschränkung geltend machen oder sich auf Verjäh-rung berufen kann ([X.], [X.]. v. 13.5.2004 - I ZB 3/04, [X.]. [X.]). In [X.] der vorliegenden Art wird danach - auch unter Berücksichtigung der oben (Abschnitt I[X.] 2. b)) dargelegten Grundsätze - in der Regel davon auszugehen sein, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Geschäftsort zur [X.] Rechtsverfolgung notwendig war. - 9 - 4. Der angefochtene [X.]uß war daher aufzuheben. Die Sache war an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderli-chen Feststellungen trifft.

v. Ungern-Sternberg Bornkamm [X.]

Schaffert Bergmann

Meta

I ZB 5/04

09.09.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. I ZB 5/04 (REWIS RS 2004, 1742)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1742

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