Bundessozialgericht, Urteil vom 15.06.2010, Az. B 2 U 26/09 R

2. Senat | REWIS RS 2010, 5870

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Übertragung bzw Abtretung eines Verletztenrentennachzahlungsanspruchs - öffentlich-rechtlicher Vertrag - kein Schriftformerfordernis - Gesetzgebungsgeschichte - Beachtung der Schuldnerschutzvorschrift dem § 409 Abs 1 S 2 BGB)


Leitsatz

Für den Vertrag über die Übertragung eines Anspruchs auf eine Geldleistung nach § 53 SGB 1 besteht kein Schriftformerfordernis.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft ([X.]) die Zahlung von 14.852,26 Euro.

2

Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) sind die leiblichen Töchter und je zur Hälfte die gesetzlichen Erbinnen des [X.] (im Folgenden: [X.]). Die Beigeladene zu 1) ist die Tochter der zuvor verstorbenen Ehefrau des [X.], jedoch nicht seine leibliche Tochter, der Beigeladene zu 3) der Ehemann der Beigeladenen zu 1). [X.] war in den Jahren von 1947 bis 1989 zum Teil unter Tage bei der [X.] beschäftigt und bezog eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Rente der Norddeutschen Metall-[X.] (NM[X.]). Aufgrund einer ärztlichen Anzeige über den Verdacht einer Berufskrankheit ([X.]) wegen eines Bronchialkarzinoms bei [X.] leitete die Rechtsvorgängerin der [X.] (im Folgenden: die Beklagte) ein Feststellungsverfahren ein. In diesem teilte [X.] der [X.] ua mit, er habe die Beigeladene zu 1) bevollmächtigt, ihn in dieser Angelegenheit zu vertreten, und sich für weitere Rückfragen an diese zu wenden. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 19.12.2001 die [X.] [X.] 2402 nach der Anlage der [X.] ([X.]V) bei [X.] fest und bewilligte ihm aufgrund eines Versicherungsfalls vom [X.] eine Verletztenrente ab 17.5.2001 in Höhe der Vollrente.

3

Wegen des [X.]punktes des Versicherungsfalls erhob [X.] Widerspruch in einem Schreiben, das seinen Briefkopf trug und mit seiner persönlichen Unterschrift versehen war. Mit weiterem Bescheid vom 14.2.2003 half die Beklagte dem Widerspruch ab, nahm den Bescheid vom 19.12.2001 teilweise zurück, erkannte als [X.]punkt des Versicherungsfalls den [X.] an und bewilligte [X.] ab dem 21.10.1998 die Vollrente. Den Nachzahlungsbetrag für die Verletztenrente für die [X.] vom 21.10.1998 bis zum [X.] in Höhe von 20.813,25 Euro behielt sie zunächst ein. Nachdem der [X.] von der Beigeladenen zu 1) der am 15.3.2003 eingetretene Tod des [X.] mitgeteilt worden war, bat die Beklagte die Beigeladene zu 1), die Namen aller Erben mitzuteilen und einen Erbschein zu beantragen. Am 25.3.2003 legte die Beigeladene zu 1) der [X.] ein mit "[X.]" unterzeichnetes Schriftstück vom 25.12.2001 vor, das die Überschrift "Abtretungserklärung" und ua den Satz enthält: "Sämtliche Ansprüche, die sich aus dem Widerspruchsverfahren gegen den Termin der Anerkennung meiner Berufskrankheit nach [X.] 2402 ergeben, trete ich in vollem Umfang an meine Tochter, [X.], und an meinen Schwiegersohn, [X.], ab."

4

Am 4.4.2003 überwies die Beklagte an die NM[X.] zur Erfüllung des von dieser geltend gemachten Erstattungsanspruchs in Höhe von 5.960,99 Euro. Nachdem die Beklagte nochmals um die Vorlage eines Erbscheins gebeten und ua mitgeteilt hatte, die Auszahlung könne nur aufgrund einer gemeinsamen Erklärung aller Erben erfolgen, verwies die Beigeladene zu 1) auf die vorgelegte "Abtretungserklärung" und darauf, dass sie und ihr Ehemann die Betreuungs- und Fürsorgeleistungen an [X.] erbracht hätten. Daraufhin sah die Beklagte die Auszahlung des restlichen [X.] in Höhe von 14.852,26 Euro (im Folgenden: Auszahlungsanspruch) an die Beigeladene zu 1) nicht als ermessensfehlerhaft an. Eine erste Überweisung des Betrags am 14.5.2003 auf das Konto des [X.] wurde von der [X.] erfolgreich zurückgefordert, nachdem die Beigeladene zu 1) mitgeteilt hatte, sie habe auf das Konto keinen Zugriff mehr und das Konto werde aufgelöst.

5

Am 23.5.2003 erkundigte sich die Klägerin telefonisch bei der [X.] nach dem Stand der Sache und machte mit Schreiben vom [X.] für sich und die Beigeladene zu 2) als Erben Ansprüche geltend. Am 16.6.2003 überwies die Beklagte den Auszahlungsbetrag auf das Konto der Beigeladenen zu 1), das ihr von dieser angegeben worden war. In einem Telefongespräch am 18.6.2003 und einem Schreiben vom 20.6.2003 wiederholte die Klägerin ihr Begehren, wies darauf hin, dass die Beigeladene zu 1) kein leibliches Kind von [X.] sei, und äußerte Zweifel an der Richtigkeit der "Abtretungserklärung" und der Echtheit der Unterschrift des [X.]

6

Nach weiterem Schriftwechsel hat die Klägerin am 5.10.2006 Klage erhoben. Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin und deren erst im Berufungsverfahren zu 2) beigeladene Schwester zur gesamten Hand einen Betrag in Höhe von 14.854,26 Euro zu zahlen (Urteil vom 11.4.2008). Das L[X.] hat die Berufungen der [X.] und der Beigeladenen zu 1) zurückgewiesen (Urteil vom 30.10.2009) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufungen seien unbegründet, weil der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) als gesetzlichen Erben des [X.] ein Anspruch auf Auszahlung des sich aus dem Bescheid der [X.] vom 14.2.2003 ergebenden [X.] nach § 58 Satz 1 [X.] ([X.]B I) zustehe und Sonderrechtsnachfolger nach § 56 [X.]B I nicht vorhanden seien. Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) seien Gläubiger des Nachzahlungsanspruchs, weil die Abtretung an die Beigeladene zu 1) nicht wirksam erfolgt sei.

7

Die Übertragung eines solchen Anspruchs auf eine Geldleistung nach § 53 Abs 2, 3 [X.]B I erfordere wie die Abtretung nach §§ 398 ff Bürgerliches Gesetzbuch ([X.]B) einen Vertrag. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass zwischen [X.] und der Beigeladenen zu 1) ein Vertrag über die Abtretung zustande gekommen sei, sei dieser nicht wirksam, weil die notwendige Schriftform nicht eingehalten worden sei. Bei einem solchen Abtretungsvertrag handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag iS des § 53 Abs 1 Satz 1 Zehntes [X.] ([X.]B X), da ein Anspruch auf Sozialleistung Gegenstand des Vertrages sei, auch wenn er zwischen zwei Privatpersonen abgeschlossen werde. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei nach § 56 [X.]B X schriftlich abzuschließen; bei öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen Privatpersonen sei die Vorschrift entsprechend anzuwenden. Die nach § 56 [X.]B X iVm § 126 Abs 2 [X.]B erforderliche Schriftform sei nicht gewahrt, weil die "Abtretungserklärung" nur von [X.], nicht aber von der Beigeladenen zu 1) unterschrieben sei.

8

Unabhängig von der Frage, ob § 151 Satz 1 [X.]B vorliegend überhaupt anwendbar sei, könne er nicht über die fehlende Unterschrift der Beigeladenen zu 1) auf der "Abtretungserklärung" hinweghelfen, weil dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 [X.]B folge nichts anderes, auch könne die Beklagte sich nicht auf § 409 Abs 1 Satz 2 [X.]B berufen. Dies folge zum einen aus dem Fehlen der Voraussetzung des § 151 Satz 1 [X.]B und zum anderen habe [X.] die "Abtretungserklärung" vom 25.12.2001 nicht willentlich in Verkehr gebracht, sondern selbst am 30.12.2001 Widerspruch eingelegt und begründet, sodass die Erklärung vom 25.12.2001 insofern widersprüchlich sei. Auch obliege dem Leistungsträger im Hinblick auf § 17 Abs 1 [X.]B I eine erhöhte Prüfungspflicht hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung.

9

Die Beklagte hat Revision eingelegt und rügt: Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) hätten keinen Anspruch auf diesen Betrag, weil dieser von [X.] wirksam an die Beigeladene zu 1) abgetreten worden sei. Die alleinige Unterschrift des [X.] auf der "Abtretungserklärung" stehe dem nicht entgegen, weil § 151 Satz 1 [X.]B auf öffentlich-rechtliche Verträge anzuwenden sei und [X.] auf die Annahme der Abtretung verzichtet habe. Außerdem könne sie - die Beklagte - sich auf die Schuldnerschutzvorschrift des § 409 Abs 1 Satz 2 [X.]B berufen, deren Voraussetzungen erfüllt seien.

Die Beklagte beantragt

die Urteile des [X.] vom 30. Oktober 2009 und des [X.] vom 11. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt, aber die familiären Hintergründe aus ihrer Sicht dargestellt. Die Beigeladene zu 2) hat sich nicht und der im Laufe des Revisionsverfahrens mit seiner Zustimmung Beigeladene zu 3) hat sich nur in einem persönlichen Schreiben geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Das Urteil des [X.] verletzt zum einen Bundesrecht und zum anderen reichen die tatsächlichen Feststellungen des [X.] für eine den Rechtsstreit abschließende Entscheidung des [X.] nicht aus.

Die von der Klägerin erhobene allgemeine Leistungsklage ist die richtige Klageart. Nach § 54 Abs 5 [X.]G kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Die allgemeine, reine Leistungsklage zielt auf eine Verurteilung zu [X.], Dulden oder Unterlassen ab, wenn der Kläger einen Anspruch auf die Leistung hat und ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat, [X.] wenn die Verwaltung ihrer Verpflichtung aus einem Verwaltungsakt nicht nachkommt, da ein solcher nicht zugunsten des Bürgers vollstreckbar ist und nur so der Bürger einen vollstreckbaren Titel (vgl § 199 Abs 1 [X.]G) erwirken kann (vgl nur [X.] vom 15.12.1994 - 4 RA 67/93 - [X.]E 75, 262, 265 = [X.]-8560 § 26 [X.]; [X.] vom 30.4.1986 - 2 RU 15/85 - [X.]E 60, 87 = [X.] § 53 Nr 6).

Diese Voraussetzungen sind gegeben, da von der Klägerin die Auszahlung eines durch Verwaltungsakt festgestellten Geldbetrages durch die Beklagte begehrt wird. Hierüber ist nach den Feststellungen des [X.] zumindest gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) kein Verwaltungsakt seitens der [X.] ergangen und ein solcher braucht auch nicht zu ergehen.

Die Revision der [X.] ist materiell-rechtlich im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache begründet. Die Revision der [X.] wäre in vollem Umfang begründet, wenn das [X.] zu Unrecht ihre Berufung gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen hätte, in dem sie verurteilt wurde, an die Klägerin und deren erst im Berufungsverfahren zu 2) beigeladene Schwester zur gesamten Hand einen Betrag in Höhe von 14.854,26 Euro zu zahlen.

Als Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) als gesetzliche Erbinnen des [X.] kommt vorliegend nur § 58 Satz 1 [X.]B I in Betracht, nach dem fällige Ansprüche auf Geldleistungen nach den Vorschriften des [X.] vererbt werden, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 [X.]B I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend insofern erfüllt, als es sich bei dem Auszahlungsanspruch hinsichtlich der festgestellten Nachzahlung der Verletztenrente des [X.] um einen Anspruch auf eine Geldleistung handelte, der am Todestag des [X.], dem 15.3.2003, fällig war (vgl §§ 41, 40 Abs 1 [X.]B I), weil die im [X.] - ([X.]B VII) bestimmten Voraussetzungen für eine Verletztenrente vorlagen, wie sich aus dem Bescheid der [X.] vom 14.2.2003 ergibt. Der vorrangige Anspruch eines Sonderrechtsnachfolgers nach § 56 [X.]B I scheidet aus, da [X.] allein lebte und auch nicht festgestellt wurde, dass jemand von ihm überwiegend unterhalten wurde. Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) sind die nach den Vorschriften des [X.] berechtigten Erben des [X.], wie sich aus dem von ihnen vorgelegten Erbschein ergibt (vgl § 2365 [X.]). Zum Erbe gehört das gesamte Vermögen des Verstorbenen (vgl § 1922 Abs 1 [X.]) und es umfasst auch einen Anspruch auf Nachzahlung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Dem Zahlungsanspruch könnte jedoch entgegenstehen - und würde zum Erfolg der Revision der [X.] führen -, wenn [X.], dem der Auszahlungsanspruch ursprünglich zustand, diesen wirksam an die Beigeladene zu 1) und den Beigeladenen zu 3) aufgrund der "Abtretungserklärung" nach § 53 [X.]B I übertragen hätte. Dann wäre die Forderung bei seinem Tod nicht in die Erbmasse gefallen und daher nicht auf seine leiblichen Töchter und Erbinnen - die Klägerin und die Beigeladene zu 2) - übergegangen (dazu 1.). Außerdem könnte, selbst wenn keine wirksame Übertragung erfolgt ist, die Beklagte durch ihre Zahlung an die Beigeladene zu 1) aufgrund der vorgelegten "Abtretungserklärung" des [X.] nach dem grundsätzlich auch im Sozialrecht anwendbaren Rechtsgedanken des § 409 Abs 1 Satz 2 [X.] gegenüber den Erbinnen von ihrer Zahlungspflicht frei geworden sein (dazu 2.). Hinsichtlich keiner der beiden Varianten ist mangels entsprechender Feststellungen des [X.] eine endgültige Entscheidung möglich.

1. Die Übertragung von Ansprüchen auf Geldleistungen ist in § 53 Abs 2 ff [X.]B I geregelt. Die Vorschrift entspricht der aus dem Zivilrecht bekannten Abtretung nach §§ 398 ff [X.]. Ziel des § 53 [X.]B I, der bei seinem Inkrafttreten mit der Schaffung des [X.]B I nur die heutigen Absätze 1 bis 3 umfasste, ist es, einerseits die Verkehrsfähigkeit von Sozialleistungen zu erhöhen, andererseits aber auch den notwendigen [X.] Schutz der Leistungsberechtigten zu wahren (vgl die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 7/868 S 32).

Ähnlich wie eine Abtretung nach § 398 [X.] erfordert die Übertragung eines Anspruchs auf eine Geldleistung nach § 53 [X.]B I einen Vertrag zwischen dem bisherigen Gläubiger (= Zedent) und dem neuen Gläubiger (= Zessionar), durch den der Zedent auf den Zessionar eine Forderung überträgt. Ebenso wie die Abtretung ist die Übertragung ein Verfügungsgeschäft und daher von dem schuldrechtlichen Grundgeschäft ([X.] Forderungskauf) zu unterscheiden. Da Gegenstand des [X.] eines Anspruchs auf Sozialleistungen ist, wie vorliegend der Anspruch auf Auszahlung einer Verletztenrente nach §§ 56 ff [X.]B VII, ist sie ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ([X.] vom 27.11.1991 - 4 RA 80/90 - [X.]E 70, 37 = [X.]-1200 § 53 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, § 53 RdNr 58).

a) Ein wirksamer [X.] zwischen [X.] und der Beigeladenen zu 1) und dem Beigeladenen zu 3) scheitert entgegen der Auffassung des [X.] nicht schon an der mangelnden Einhaltung der Schriftform.

Für den [X.] über die Übertragung eines Anspruchs auf eine Geldleistung nach § 53 [X.]B I besteht entgegen der Ansicht des [X.] kein Schriftformerfordernis. Denn der Gesetzgeber hat sich mit der Frage eines solchen Formerfordernisses für [X.] iS des § 53 [X.]B I beschäftigt und es ausdrücklich verneint (vgl BT-Drucks 11/1004 [X.], 9, 11; BT-Drucks 11/2460 [X.], 15).

Im Entwurf zum Ersten [X.]B-Änderungsgesetz vom [X.] ([X.]l I S 1046), das zur Einführung der heutigen Absätze 4 und 5 des § 53 [X.]B I führte, war ein Formerfordernis vorgesehen, nach dem die Übertragung nur wirksam sein sollte, wenn sie auf einem amtlichen Vordruck erfolgte (BT-Drucks 11/1004 [X.], 9, 11). Im Gesetzgebungsverfahren wurde diese Regelung gemäß der Beschlussempfehlung des [X.] und [X.] gestrichen, "um Erschwernisse im Rechtsverkehr zu vermeiden", die entsprechend heranzuziehenden Regelungen des bürgerlichen Rechts wurden als ausreichend angesehen, um den Schuldner vor einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen (BT-Drucks 11/2460 [X.], 15).

Angesichts dieser Gesetzgebungsgeschichte kann entgegen Auffassungen in der Literatur (vgl nur [X.] in jurisPraxiskommentar [X.]B I § 53 Rd[X.]7) ein Schriftformerfordernis für einen [X.] nach § 53 [X.]B I nicht im Wege der Analogie begründet werden, zumal die in der Gesetzesbegründung für das Schriftformerfordernis nach § 56 [X.]B X genannten Gründe - Vertrag als atypische Regelung und die wechselnden handelnden Personen auf [X.] (BT-Drucks 7/910 S 81) - für einen [X.] zwischen Privaten nicht "passen" (im Ergebnis ebenso [X.] in [X.]/[X.], [X.]B I, § 53 RdNr 7).

Vielmehr liegt insoweit in § 53 [X.]B I ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes für diesen speziellen Vertragstyp vor, das den Rückgriff auf die allgemeinen Regeln über öffentlich-rechtliche Verträge in §§ 53 ff [X.]B X ausschließt, unabhängig davon, ob sie auf [X.] direkt oder analog anwendbar sind.

b) Ob ein mündlicher Vertrag zwischen [X.] und den Beigeladenen zu 1) und 3) über eine Übertragung des [X.] zustande gekommen ist und dieser vor dem Tod des [X.] wirksam wurde, hat das [X.] - aus seiner Sicht zu Recht - dahingestellt sein lassen. Dies wird es im Rahmen des wiedereröffneten Berufungsverfahrens zu klären haben und dabei [X.] prüfen müssen, ob ein Vertrag durch Angebot und Annahme mündlich (uU konkludent) vor, bei oder nach der Unterzeichnung der "[X.]" durch den Versicherten geschlossen wurde.

Sollten die Beigeladenen zu 1) und 3) keine Annahmeerklärung abgegeben haben, muss das [X.] feststellen, ob [X.] auf die Abgabe der beiden Annahmeerklärungen verzichtet hatte. In diesem Fall könnte der [X.] auch ohne Abgabe der Annahmeerklärungen zustande gekommen sein, ferner dann, wenn die Abgabe dieser Erklärungen nach den vom [X.] entwickelten Grundsätzen zur Verkehrssitte gemäß § 151 Satz 1 [X.] nicht zu erwarten war.

2. Unabhängig von der Wirksamkeit eines [X.]es hätte die Revision Erfolg gehabt, wenn die Beklagte sich auf den Rechtsgedanken der Schuldnerschutzvorschrift des § 409 Abs 1 Satz 2 [X.] hätte stützen können (vgl zu deren Anwendung vor Schaffung des [X.]B I: [X.] vom 8.7.1959 - 4 [X.] - [X.]E 10, 160 = NJW 1959, 2087; [X.] vom 11.11.1959 - 11 RV 696/58 - [X.]E 11, 60 = NJW 1960, 264; zu einer Übertragung nach § 53 Abs 3 [X.]B I: [X.] vom 29.6.1995 - 11 [X.]/94 - [X.]E 76, 184 = [X.]-1200 § 53 Nr 8).

Gegen einen Schuldnerschutz zugunsten der [X.] im vorliegenden Verfahren bei Anwendung des Rechtsgedankens der Vorschrift sprechen aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.]: Der [X.] war schon unmittelbar nach dem Tod des [X.] bekannt, dass es als mögliche Anspruchsinhaber neben der Beigeladenen zu 1) auch Erben gab. Die Beklagte hat zunächst um die Vorlage eines Erbscheins gebeten, dann zugunsten der Beigeladenen zu 1) hierauf verzichtet, obwohl die Klägerin den Auszahlungsbetrag für sich und die Beigeladene zu 2) beansprucht hatte. Die erste Überweisung des Auszahlungsbetrags auf das bisherige Konto des [X.] wurde zurückgerufen, weil die Beigeladene zu 1) keinen Zugriff auf das Konto hatte. Anschließend erkundigte sich die Klägerin telefonisch bei der [X.] nach dem Stand der Sache und machte für sich und die Beigeladene zu 2) als Erben Ansprüche geltend. Zwei Tage nach der [X.] der Überweisung auf das dann von der Beigeladenen zu 1) angegebene Konto äußerte die Klägerin Zweifel an der Richtigkeit der "Abtretungserklärung" und der Echtheit der Unterschrift des [X.] Die Beklagte unternahm jedoch nun keinen Versuch das Geld zurückzurufen. Gründe, warum seitens der [X.] eine umgehende Auszahlung erfolgen musste und keine [X.] zur Klärung des Sachverhalts war, sind den Feststellungen des [X.] nicht zu entnehmen.

Des Weiteren ist zu beachten, dass die sinngemäße Anwendung des § 409 Abs 1 Satz 2 [X.] die Maßgeblichkeit zwingenden Sozialverwaltungsrechts nicht beeinträchtigen darf und nach § 17 Abs 1 Nr 1 [X.]B I die Beklagte verpflichtet ist, darauf hinzuwirken, dass der "Berechtigte" die Leistung erhält. Es widersprach ihrer Sorgfaltspflicht, bei ungeklärter Inhaberschaft an der Forderung an eine der streitenden Beteiligten zu zahlen oder die Zahlung, falls noch möglich, nicht rückgängig zu machen.

Mit der Frage, ob eine wirksame Übertragung iS des § 53 [X.]B I vorliegend an weitere Voraussetzungen geknüpft ist, hat das [X.] sich - aus seiner Sicht zu Recht - ebenfalls nicht auseinandergesetzt und dazu keine Feststellung getroffen. Dies wird es ebenfalls nachzuholen haben.

Dabei wird zu bedenken sein, ob die von den Beteiligten erörterte Feststellung des wohlverstandenen Interesses des Berechtigten durch den Leistungsträger nach § 53 Abs 2 [X.] [X.]B I in allen Fällen zu erfolgen hat, in denen es sich - wie hier - nicht um laufende Geldleistungen iS des § 53 Abs 3 [X.]B I oder um eine Übertragung nach § 53 Abs 2 Nr 1 [X.]B I handelt (in diesem Sinne wohl: [X.] vom 14.8.1984 - 10 [X.] 19/83 - [X.] § 53 [X.]; [X.] vom 6.4.2000 - B 11 [X.] 47/99 R - [X.]-1200 § 53 [X.]), oder ob eine solche Feststellung nur als eine Art "Unbedenklichkeitsbescheinigung" zur Vorbereitung einer entsprechenden Übertragung eingeholt werden kann. Denn bei der zuerst angeführten Auslegung würde an der Rechtslage vor dem [X.]B I festgehalten, die [X.] nach dem früheren § 119 Abs 2 [X.] die Übertragung von [X.] von einer Genehmigung des [X.] abhängig machte, während durch § 53 [X.]B I die "Verkehrsfähigkeit" von Sozialleistungen erhöht werden sollte (vgl die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 7/868 S 32). Dem ebenfalls als notwendig angesehenen [X.] Schutz dient die Pfändungsfreigrenze, während eine andere Auslegung an der früheren Abhängigkeit des Sozialleistungsempfängers von der Beurteilung des Leistungsträgers festhalten würde.

Die Kostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten. Eine Streitwertfestsetzung ist notwendig, da die Klägerin nicht zum Personenkreis nach § 183 [X.]G gehört. Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz und entspricht dem Betrag, zu dessen Zahlung die Beklagte verurteilt wurde.

Meta

B 2 U 26/09 R

15.06.2010

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 11. April 2008, Az: S 2 KNU 642/07, Urteil

§ 17 Abs 1 Nr 1 SGB 1, § 53 Abs 2 SGB 1, § 58 S 1 SGB 1, § 56 SGB 7, §§ 56ff SGB 7, § 53 SGB 10, § 56 SGB 10, § 126 BGB, § 151 BGB, § 398 BGB, § 409 Abs 1 S 2 BGB, § 1922 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.06.2010, Az. B 2 U 26/09 R (REWIS RS 2010, 5870)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5870

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