Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2011, Az. IX ZR 162/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8498

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX [X.]/08

Verkündet am:

17. März 2011

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 675 Abs. 1, § 254 Abs. 2 Dc
Der durch eine steuerliche Fehlberatung geschädigte Mandant ist nicht gehalten, den entstandenen Steuerschaden durch ein teures,
mit neuen Risiken ausgestatte-tes Kompensationsgeschäft auszugleichen.

[X.], Urteil vom 17. März 2011 -
IX [X.]/08 -
OLG [X.]

LG Mainz

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
17. März
2011
durch [X.] [X.], die Rich-ter Prof. Dr. Gehrlein und
Vill,
die Richterin [X.] und den Richter
Dr. [X.]

für Recht erkannt:

Auf die
Revision des [X.] wird
das Grund-
und Teilurteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom
24.
Juli 2008, berichtigt durch Beschluss vom 29.
Juli 2010,
teilweise aufgeho-ben.
Der [X.] wird dem Grunde nach für gerechtfertigt er-klärt.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 190.283,85

4
v.H. Zinsen seit dem 13.
Juli 2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass die Auszahlung seiner mit Datum vom 23.
Dezember 1984 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung bei der T.

AG im Jahre 1997 eine Versteuerung der darin enthaltenen Zinsen zur Folge hatte.

Die auf Feststellung gerichtete Klage bleibt im Übrigen abgewie-sen.

-
3
-
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des
Nichtzulassungsbeschwerdever-fahrens und des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger
ist niedergelassener Arzt und hatte über viele
Jahre
hinweg
eine Steuerberaterkanzlei mit der Wahrnehmung seiner
steuerlichen [X.] betraut.
Im Jahre 1984 schloss er mit einem Versicherungsunter-nehmen einen Lebensversicherungsvertrag über eine Versicherungssumme von 3.000.000
DM ab. Der Vertrag
sollte bis zum 1.
Dezember 2000 gelten. Der Kläger erhielt in den Jahren 1985 bis 1997 von diesem Unternehmen zahlrei-che Darlehen, die als so genannte Policedarlehen vereinbarungsgemäß nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch Verrechnung mit der [X.] Versicherungssumme getilgt werden sollten. Der Kläger beantragte die Darlehen jeweils zum Jahresende
und sprach zuvor hierüber mit der [X.], die 1991 die Steuerberaterkanzlei übernommen hatte.

Um eine Besteuerung der Erträge aus
der Lebensversicherung zu [X.], investierte der Kläger die [X.] ab dem Jahre 1992 teil-weise in die Ausstattung seiner Praxis und im übrigen in Beteiligungen an [X.] gewerblichen Anlagen. Zum 1.
Dezember 1997 kündigte der Kläger den Lebensversicherungsvertrag. Hierauf stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 16.
März 1998 die Steuerpflicht der Zinsen aus der Versicherungssumme 1
2
-
4
-
fest, weil die einzelnen Investitionen nicht, wie steuerrechtlich geboten, in der engen zeitlichen Nähe zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlungen vorgenom-men worden waren. Am 25.
Juni 1998 erging gegen den Kläger ein Vorauszah-lungsbescheid in Höhe von insgesamt 629.163
DM.

Um eine steuerliche Inanspruchnahme abzuwenden, kaufte der Kläger im Dezember 1998 mit
Hilfe
eines Bankkredits zwei Windkraftanlagen sowie eine Beteiligung an einer weiteren Anlage zum Preis von insgesamt 3.860.000
DM. Hierdurch erzielte der Kläger einen [X.], durch den seine Steuerlast, die sich für das [X.] infolge der Erträge aus der Le-bensversicherung ergeben hatte, kompensiert wurde.

Der Kläger
nimmt die Beklagte
wegen fehlerhafter
steuerlicher Beratung
in Anspruch. Für die ihm zusätzlich entstandene Steuerlast in Höhe von 902.349
DM, finanzgerichtliche Kosten
in Höhe von 21.529,57
DM und 13.440
DM sowie für die vorgerichtliche Schadensermittlung notwendige
Steu-erberaterkosten von weiteren 15.113,41
DM müsse die Beklagte aufkommen. Durch den Erwerb der Windkraftanlagen sei der Schaden nicht verringert [X.]. Jedenfalls
könnten die Auswirkungen seiner Investitionen nicht zu Guns-ten der Beklagten berücksichtigt werden.

Das [X.] hat die Klage
abgewiesen. Auf die Berufung des
Klä-gers hat das [X.] im Wege eines Grund-
und Teilurteils den [X.] dem Grunde nach unter Abzug einer auf den Kläger entfallenden Quote von einem Drittel für gerechtfertigt erklärt. Ferner wurde die Beklagte zur Zahlung von 190.283,85

an den Kläger verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte 2/3 des zukünftigen Schadens zu ersetzen hat. Mit seiner
vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger
seinen
Klageantrag,
ausgenommen 3
4
5
-
5
-
die Abweisung des [X.] hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens, vollumfänglich weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des
[X.] hat
Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht
hat ausgeführt,
die Beklagte hätte den
Kläger über eine steuerunschädliche Verwendung der [X.] umfassend beraten müssen.
Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen, insbesondere habe sie den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass die Steuerpflicht nur dann hätte vermieden werden können, wenn die von der Versicherung gewährten Darle-hen binnen 30 Tagen seit Gutschrift auf dem Konto zur Bezahlung angeschaff-ter Wirtschaftsgüter oder hierfür aufgenommener Finanzierungskosten verwen-det worden
wären. Bei der Feststellung der tatsächlichen Vermögenslage sei nicht von der durch den [X.] zunächst eingetretenen steu-erlichen Belastung auszugehen, sondern von der Vermögenslage nach Erwerb der Windkraftanlagen. Die (teilweise) Abwendung des Steuerschadens durch den Erwerb der Anlagen habe
der
Kläger im Hinblick auf seine
Schadensab-wendungs-
und [X.] vornehmen müssen; eine
überpflichtgemä-ße
Anstrengung liege nicht vor. Da dem Kläger anderenfalls die Insolvenz [X.] habe, sei es vernünftig
und zumutbar gewesen, die außergewöhnliche Gefahr durch die Übernahme eines entsprechend hohen Risikos abzuwenden.

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-
6
-

Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel an-rechnen
lassen. Indem er
die [X.] so verwendet habe, wie gesche-hen, habe er nicht unerheblich gegen die ihm selbst obliegende Sorgfaltspflicht verstoßen. Angesichts der jeweils nur sehr knappen Beratung durch die [X.] habe der Kläger in Betracht ziehen müssen, dass diese Auskunft unvollstän-dig sein könne. Aufgrund der ihm zugeleiteten Hinweise bezüglich der neuen
Rechtslage nach Änderung des Einkommensteuergesetzes habe ihm nicht ver-borgen bleiben können, dass deutliche Schwierigkeiten bei der Anwendung des Gesetzes bestünden. Da die Beklagte ihn darauf hingewiesen habe, die Poli-cendarlehen seien unmittelbar in begünstigte Wirtschaftsgüter zu investieren, hätte er sich
fragen müssen, wann eine Investition als "unmittelbar"
und "zeit-nah"
anzusehen sei.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung
nicht in allen Punkten stand. Mit Recht ist das Berufungsgericht von einer Pflichtverletzung
der [X.] ausgegangen. Demgegenüber kann den Ausführungen des Berufungs-gerichts zur Frage des Mitverschuldens und zur Schadenshöhe
nicht zuge-stimmt
werden.

1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte sei dem Kläger zur ordnungsgemäßen und
umfassenden Beratung über eine steuerunschädliche Verwendung der [X.] verpflichtet gewesen und habe ihn
nicht dar-über aufgeklärt, dass die Steuerpflicht nur dann hätte vermieden werden [X.], wenn die von der Versicherung gewährten Darlehen binnen 30
Tagen seit Gutschrift auf dem Konto zur Bezahlung angeschaffter Wirtschaftsgüter oder 8
9
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-
7
-
hierfür aufgenommener Finanzierungskosten verwendet würden, ist rechtlich zutreffend.
Auch die Beklagte wendet sich hiergegen nicht.

2. Mit Recht beanstandet die Revision die Annahme des Berufungsge-richts, der Kläger müsse sich ein Mitverschulden (§
254 Abs.
1 [X.])
anrech-nen lassen.

a) Im Falle eines Beratungsvertrages kann dem zu Beratenden regelmä-ßig nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, wo-rüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entspre-chenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können
([X.],
Urteil
vom 6.
Februar 2003 -
IX
ZR
77/02, [X.], 1138, 1141; vom 20.
März 2008 -
IX
ZR
238/06,
[X.], 950 Rn.
17; Zugehör, in
Zugehör/[X.]/Sieg/
[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 2.
Aufl. Rn.
1235). Dies gilt namentlich im Verhältnis des steuerlichen Beraters zu seinem Mandanten ([X.], Urteil vom 15.
April 2010 -
IX
ZR
189/09, [X.], 993 Rn.
14; vom 23.
September 2010 -
IX
ZR 26/09, [X.], 2050 Rn.
43; Zugehör, aaO Rn.
1235;
[X.], [X.] 2010, 2600, 2601). Die steuerliche Bearbeitung eines ihm an-vertrauten Mandats obliegt allein dem Steuerberater. Selbst wenn ein Mandant über steuerrechtliche Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehler-frei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Juni 1993 -
IX
ZR
216/92, NJW
1993,
2747, 2750; vom 9.
Dezember 1999 -
IX
ZR 129/99, NJW
2000,
1263, 1265; vom 18.
Dezember 2008 -
IX
ZR 12/05, [X.], 1141, 1143 Rn.
21; vom 23.
September 2010 -
IX
ZR 26/09, aaO). Der Berater, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung ver-letzt hat, kann deshalb gegenüber dem Schadensersatzanspruch des geschä-digten Mandanten nach [X.] und Glauben regelmäßig nicht geltend machen, 11
12
-
8
-
diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe ([X.], Urteil vom 4.
Mai 2000 -
IX
ZR 142/99, [X.], 1591, 1595; vom 15.
April 2010
-
IX
ZR
189/09,
aaO).

Unter besonderen Umständen kann allerdings ausnahmsweise auch im Rahmen eines Beratungsfehlers ein Mitverschulden des Mandanten in Erwä-gung zu ziehen sein
(vgl. [X.],
Urteil
vom
4.
März
1987
-
IVa
ZR
122/85,
[X.]Z
100,
117,
125;
vom
8.
Juli
2010
-
III
ZR
249/09,
WM
2010,
1493
Rn.
21,
zVb
in
[X.]Z
186,
152).
Dies kann
beispielsweise
in Betracht kommen, wenn [X.] oder ohne weiteres erkennbare Umstände, die gegen die Richtigkeit des von dem Berater eingenommenen Standpunkts sprechen, nicht genügend beachtet werden (vgl. [X.], Urteil
vom
19.
Januar 1977 -
VIII
ZR 211/75, WM
1977,
334,
337; vom
25.
November 1981 -
IVa [X.]/80,
NJW
1982,
1095,
1096; Beschluss vom 23.
September 2010 -
IX
ZR 132/08, Rn.
2, hierzu

[X.],
aaO, S.
2601). Auch kann ein Mandant nach dem ihm obliegenden Gebot
der Wahrung des eigenen Interesses gehalten sein, seinen Berater über eine fundierte abweichende Auskunft, die er von einer sachkundigen Person erhalten hat, zu unterrichten ([X.], Beschluss vom 23.
September 2010 -
IX
ZR 132/08, aaO).

b) Nach den getroffenen Feststellungen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Raum für die Annahme eines Ausnahmetatbestands im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundsätze. Auf die Kürze der Beratung kann nicht abgestellt werden. Da der Mandant sich auf ihren Inhalt verlassen darf, braucht er nicht in Erwägung zu ziehen, die knappe Beratung könne [X.] sein. Die dem Kläger zugeleiteten schriftlichen Hinweise hat das [X.] an anderer Stelle zutreffend dahingehend gewertet, dass sie in 13
14
-
9
-
großen Teilen nur schwer verständlich gewesen waren. Hinreichende [X.] des [X.] oder anderweitige, ohne weiteres erkennbare [X.], um die Auskunft der Beklagten aus der Sicht des Kläger für eindeutig [X.] zu bewerten, sind nicht festgestellt. Damit scheidet ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens aus.

3. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, bei der Feststellung der tatsächlichen Vermögenslage sei nicht von der durch den [X.] zunächst eingetretenen steuerlichen Belastung auszugehen, sondern von der Vermögenslage nach Erwerb der Windkraftanlagen, erweist sich als nicht zutreffend. Die in diesem Zusammenhang vertretene
Ansicht, der Kläger müsse sich den Erwerb der Anlagen im Rahmen der ihn obliegenden Scha-dens[X.] zurechnen lassen, ist mit den zu §
254 Abs.
2 [X.] nicht vereinbar.

a) Der rechtliche Berater, der seinem Auftraggeber wegen positiver [X.] zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat diesen durch die Schadensersatzleistung so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des rechtlichen Beraters stünde ([X.], Urteil vom 20.
Oktober 1994 -
IX
ZR 116/93, NJW 1995, 449, 451; vom 19.
Januar 2006 -
IX
ZR 232/01, [X.], 927
Rn.
33; vom 7.
Februar 2008 -
IX
ZR 149/09, [X.], 946 Rn.
24). Danach muss im Rahmen der Differenzmethode die tatsächliche Vermögenslage derje-nigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des rechtlichen [X.] ergeben hätte. Das erfordert einen [X.], der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst ([X.], Urteil vom 20.
November 1997 -
IX
[X.]/96, [X.], 142
f.; vom 20.
Januar 2005 -
IX
ZR 416/00, [X.], 999, 1000; vom 19.
Januar 2006 -
IX
ZR 232/01, aaO; vom 7.
Februar 2008 -
IX
ZR 149/09,
15
16
-
10
-
aaO). Hierbei ist grundsätzlich die gesamte Schadensentwicklung bis zur letz-ten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen in die Schadensbe-rechnung einzubeziehen. Es geht bei dem [X.] nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage ([X.], Urteil vom 19.
Januar 2006 -
IX
ZR 232/01, aaO; vom 7.
Februar 2008 -
IX
ZR 149/09, aaO).
Im Ausgangs-punkt hat das Berufungsgericht diese Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt, aber nicht erkannt, dass der Erwerb der Windkraftanlagen nicht in den
Gesamtver-mögensvergleich einzustellen ist.

b)
Gemäß §
254
Abs.
2
Satz
1
Fall
2
[X.]
ist der Geschädigte im Inte-resse des Schädigers gehalten, den entstehenden Schaden zu mindern. Die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 [X.] ist ein Anwendungs-fall des allgemeinen Grundsatzes von [X.] und Glauben, der dann eingreift,
wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und ver-ständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergreifen würde ([X.], Urteil vom
13.
Dezember 1951 -
III
ZR 83/51, [X.]Z 4, 170, 174;
[X.]/[X.], [X.], 70.
Aufl., §
254 Rn.
36).
Handelt es sich dagegen um Maßnahmen, die dem Geschädigten zur Schadensminderung nicht zugemutet werden können, führt ihr Unterlassen nicht zum Mitverschulden.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf nämlich ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs-
und
-[X.] (§
254
Abs.
2
[X.]) verpflichtet ist, wegen des Grundsatzes, dass überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die [X.] eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung an-rechnen zu lassen ([X.], Urteil vom 16.
Februar 1971 -
VI
ZR 147/69, [X.]Z
55,
329,
332
ff;
vom
11.
Januar
2005
-
X
ZR
118/03,
[X.]Z
161,
389,
396;

17
-
11
-
[X.]/[X.], aaO [X.] §
249 Rn.
70).
Der
danach
gebotene
Ab-grenzungsmaßstab
ergibt
sich
aus
dem
Grundsatz
von
[X.]
und
Glauben
([X.], Urteil vom 13.
Dezember 1951, aaO, S.
176; [X.]/[X.], aaO, §
254 Rn.
36).

c) Für die Frage, ob der Kläger mit dem Erwerb der Windkraftanlagen eine überobligationsmäßige Anstrengung unternommen hat, ist zunächst der
von
ihm
aufgebrachte Kostenaufwand
zu würdigen. Mit einem nur durch [X.] zu realisierenden
Finanzierungsbedarf
von 3.860.000
DM hat der Kläger als niedergelassener Arzt in Ansehung seiner Vermögenslage eine weit über-durchschnittliche Investition vorgenommen, die sich auch ganz erheblich von dem durch den [X.] mit insgesamt 629.163
DM bezifferten Steuermehraufwand abhebt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der [X.], den der Kläger mit dem Investitionsgeschäft erwarb, auf einer anfäng-lichen kumulierten Abschreibung des Substanzwertes der
Anlage beruht. Ob sich die Investition insgesamt als wirtschaftlich erweist, lässt sich erst am Ende der auf über zwanzig Jahre angelegten Laufzeit beurteilen. So hat auch das Berufungsgericht die Investition
in Anlehnung an die Bewertung des von ihm beauftragten Sachverständigen als sehr risikoreich eingestuft. Das
von der [X.] in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, es sei für einen [X.] unzumutbar, mit einem Schädiger über Jahrzehnte in Form einer ungewollten Schadensgemeinschaft verbunden zu sein, ist unter dem hier maßgeblichen Grundsatz von [X.] und Glauben von erheblicher Bedeutung. Der vom Berufungsgericht herangezogene Aspekt, zur Abwendung einer dro-henden Insolvenz sei die vom Kläger vorgenommene Investition als vernünftige und zumutbare Maßnahme anzusehen, vernachlässigt die vorstehend ange-führten Beurteilungskriterien.
Jedenfalls im Rahmen einer Gesamtschau muss unter angemessener Würdigung der vorstehenden Gesichtspunkte die vom 18
-
12
-
Kläger ergriffene [X.] als überobligationsmäßige Anstrengung im Sinne von §
254 Abs.
2 [X.] bewertet werden.
Es entspricht nicht dem Gebot von [X.] und Glauben, dem
Geschädigten zuzumuten, um der vagen Aussicht willen, auf diese Weise den
von anderer Seite verantworte-ten
Steuerschaden
zu neutralisieren, ein teures und zudem hoch spekulatives, mit neuen Risiken ausgestattetes Kompensationsgeschäft einzugehen.

4.
Der vom Berufungsgericht auf der Grundlage des Erwerbs der [X.] vorgenommene [X.] kann mithin keinen Bestand haben. Die Schadensermittlung ist unabhängig von der durch den Klä-ger getätigten Investition der Kraftanlagen vorzunehmen, so dass
der vom Klä-ger erzielte [X.] nicht der Beklagten zu [X.] kommt. Bei der Ermitt-lung der hypothetischen Vermögenslage des [X.] im Rahmen des neu vor-zunehmenden [X.]s
sind auch die Finanzierungskosten zu berücksichtigen, die angefallen wären, wenn der Kläger seine Investitionen zwischenfinanziert hätte, bis er die [X.] steuerunschädlich hätte in Anspruch nehmen können.
Im Rahmen der Schadensfeststellung besteht für das Berufungsgericht auch die Gelegenheit, die vom Kläger weiter geltend ge-machten, bislang allerdings nicht bezifferten
Schadensersatzkosten hinsichtlich
des Steuerberaters [X.], soweit sie sich auf die Betreuung nach Klageerhe-bung beziehen, auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Eine hinreichende [X.] mit dem bisherigen Prozessvortrag des [X.],
insbesondere in seinen Schriftsätzen vom 2.
März 2006 und vom 20.
April 2007,
wonach [X.] als Aufwand zur Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, lässt sich der knapp gefassten Beurteilung des Berufungsgerichts
nicht
verlässlich entnehmen. Dem Kläger bleibt es allerdings unbenommen,
den geltend ge-machten Aufwand im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens weiterzuver-folgen (vgl. hierzu [X.]/[X.], ZPO 28.
Aufl. §
91 Rn.
13 Stichwort Privatgut-19
-
13
-
achten). Hinsichtlich der Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit der durch das Führen des finanzgerichtlichen Verfahrens entstandenen Kosten besteht gleichfalls Gelegenheit,
sich mit den von der Revision dargelegten [X.] auseinanderzusetzen. Auch insoweit hat das Berufungsgericht bislang keine
Klageabweisung
ausgesprochen, so dass über
diese Schadensersatzpo-sition noch im Schlussurteil zu befinden ist.

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts unterliegt daher -
mit Ausnahme der Abweisung des [X.] hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens
-
der Aufhebung (§
562 Abs.
1 ZPO), soweit es zum Nachteil des

20
-
14
-
[X.] erkannt hat;
die Sache ist, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).

Kayser
Gehrlein
Vill

[X.]
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.04.2002 -
2 O 266/00 -

OLG [X.], Entscheidung vom 24.07.2008 -
6 [X.] -

Meta

IX ZR 162/08

17.03.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2011, Az. IX ZR 162/08 (REWIS RS 2011, 8498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8498

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 162/08

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