Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2005, Az. 5 StR 78/05

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 3101

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5 StR 78/05
BUNDESGERICHTSHOF IM N[X.]MEN DES VOLKES URTEIL
vom 15. Juni 2005 in der Strafsache gegen

wegen Totschlags

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 15. [X.] 2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin [X.],

[X.], Richterin [X.], [X.], [X.]

als [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin [X.]

als Verteidigerin,

Rechtsanwalt H

als Vertreter der Nebenkläger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 - für Recht erkannt:

[X.]uf die Revision der [X.]ngeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 17. November 2004 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der [X.]ufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].

[X.] Von Rechts wegen [X.]

G r ü n d e

Das [X.] hat die [X.]ngeklagte wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision der [X.]ngeklagten, die mit der Sachrüge den Strafausspruch beanstandet, hat Erfolg.

1. Das [X.] hat im wesentlichen folgende Feststellungen ge-troffen:

Die 23jährige aus [X.] stammende [X.]ngeklagte kam im [X.] 2001 nach [X.], wo sie beruflich und persönlich Fuß zu fassen such-te. [X.]n ihrem [X.]rbeitsplatz, einem großen Hotel, lernte sie die Zeugin [X.]

kennen, die dort ebenfalls als Zimmermädchen arbeitete. Die [X.]nge-klagte schloß sich eng an die Zeugin an und hatte auch freundschaftlichen Kontakt zu deren Ehemann und den Kindern.
- 4 - a) [X.]m [X.]bend des 5. Juni 2004 hielt sich die Zeugin He

bei

[X.] auf, mit dem sie bis [X.]pril 2004 ein Liebesverhältnis unter-halten hatte. [X.]ls die [X.]ngeklagte auf Einladung ihrer Freundin einige [X.] [X.] in der Wohnung des [X.] eintraf, hatte dieser bereits in er-heblichem Umfang dem [X.]lkohol zugesprochen. Nachdem man zunächst Mu-sik gehört und sich unterhalten hatte, schlug die Stimmung plötzlich um. [X.] das spätere Opfer [X.] beschimpfte die Frauen als —[X.] und verzog sich in sein Schlafzimmer. Während die Zeugin ihm folgte, verblieb die [X.]ngeklagte im Wohnzimmer. [X.] später hörte sie laute Schreie; sie lief ins Schlafzimmer und sah, wie [X.]

auf dem Rücken der Zeugin kniete und mit beiden Händen deren Hals zudrückte. Die [X.]nge-klagte packte nun ihrerseits [X.] fest an den Hals und es ge-lang ihr, die Zeugin zu befreien. [X.] war wegen ihres Eingreifens [X.] und wütend; er schubste die [X.]ngeklagte zur Seite und trat mit Füßen nach ihr. Währenddessen beschimpfte er beide Frauen weiterhin als —[X.], —[X.] und —[X.] Die Zeugin redete auf ihren Freund ein und bat ihn eindringlich, sie und die [X.]ngeklagte gehen zu lassen. Zu ihrer Verteidigung ergriff sie eine leere [X.], die [X.] ihr abnahm. Dann holte sie aus der Küche ein Messer mit einer Klingenlänge von 20 cm, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Beide Frauen verließen dann gegen 3.00 Uhr morgens die Wohnung.

b) [X.]uf der Straße übergab die Zeugin der [X.]ngeklagten das Messer mit der Bitte, es in ihre größere Tasche zu stecken. Dazu bemerkte sie, daß sie beide nicht genug [X.] hätten und sich verteidigen müßten. [X.]ls die Frauen eine naheliegende Bushaltestelle erreicht hatten, wurden sie von [X.] eingeholt. [X.]uf Bitten der Zeugin schaltete sich ein Passant ein und forderte [X.] auf, die Frauen nicht zu belästigen, woraufhin dieser erwiderte: —Ihr kennt die nicht, die haben meine Wohnung kaputt gemacht. Es sind [X.] Währenddessen gingen die Frauen in Richtung Bushaltestelle. [X.] folgte ihnen, zeigte ein Küchenmesser vor und sagte zu der Zeu-gin [X.] : —Wenn Du Tod willst, dann gibt es jetzt [X.] Die Zeugin - 5 - [X.] flehte ihn an, sie in [X.] zu lassen. Gleichzeitig gelang es ihr, ihm das Messer zu entwinden und wegzuwerfen. Zu der [X.]ngeklagten, die den Wegwurf des Messers gesehen hatte, bemerkte sie: —Ich gehe jetzt [X.], und entfernte sich. Unterdessen schrie die [X.]ngeklagte das spätere Op-fer an, er solle die Zeugin in Ruhe lassen, sie gehöre ihm nicht. [X.] schubste sie zur Seite und lief der Zeugin nach. [X.]ls er sie eingeholt hatte, zog er sie derart stark an den Haaren, daß sie mit dem Fuß umknickte und zu Boden fiel. Dabei schrie sie laut vor Schmerzen. [X.] ließ nunmehr von der Zeugin ab und ging zurück in Richtung [X.].

c) Inzwischen hatte die [X.]ngeklagte das Küchenmesser aus der Ta-sche genommen und lief hinter [X.]

her. Sie hatte [X.]ngst um ihre Freundin, deren Schmerzensschreie sie gehört hatte. Sie ging davon aus, daß [X.] der Zeugin etwas angetan hätte. [X.]ls dieser ihr entgegen kam und an ihr vorbei gehen wollte, stach sie mit voller Wucht und erhebli-cher [X.] mit dem Messer unterhalb des Brustbeins in den Brustkorb des [X.] , wobei sie in Kauf nahm, daß er durch den Stich sterben könnte. Der Stich drang in die rechte Herzkammer hinein bis zum linken Lungenflü-gel. [X.] verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Die [X.]ngeklagte war infolge des Tatgeschehens sehr aufgeregt und verwirrt. Sie rief den Ehemann der Zeugin [X.]

an, dem sie berichtete, was sich in der Nacht zugetragen hatte. Dabei erklärte sie sinngemäß auch, daß sie zugestochen habe. [X.]m Nachmittag stellte sich die [X.]ngeklagte der Polizei.

2. Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Das [X.] hat die Tat der [X.]ngeklagten als einen sonstigen minder schweren Fall im Sinne der zweiten [X.]lternative des § 213 StGB be-wertet und eine Strafe oberhalb der Mitte des Strafrahmens verhängt. - 6 - Bei Bemessung der Strafe hat das [X.] eine Vielzahl gewichti-ger Milderungsgründe genannt und lediglich zwei Gesichtspunkte zu Lasten der [X.]ngeklagten berücksichtigt: Zum einen hat es der [X.]ngeklagten angela-stet, sie habe aus falsch verstandener Solidarität die schwierige Partnerbe-ziehung zwischen dem Opfer und der Zeugin [X.] zum [X.]nlaß genom-men, ihrerseits gegen [X.] vorzugehen. Zum anderen hat es zu Ungunsten der [X.]ngeklagten gewürdigt, daß sie aus Wut und Verärgerung über das gesamte Verhalten des [X.]
auf diesen eingestochen habe, obwohl sie dessen [X.]ggressionen zutreffend als alkoholbedingt erkannt hätte.

b) Der erstgenannte [X.] findet in den Feststellungen keine tragfähige Grundlage.

Die [X.]nnahme des [X.]s, die [X.]ngeklagte habe aus falsch ver-standener Solidarität die schwierige Partnerbeziehung zwischen dem Opfer und der Zeugin [X.] zum [X.]nlaß genommen, ihrerseits gegen [X.] vorzugehen, erweist sich angesichts der konkreten Tatumstände als bloße Vermutung; Feststellungen zu diesem Motiv fehlen in den [X.]. Einziger [X.]nknüpfungspunkt für die [X.]uffassung des [X.]s könnte die Äußerung der [X.]ngeklagten gegenüber

[X.] sein, die Zeugin [X.] gehöre ihm nicht. Damit hat die [X.]ngeklagte indes lediglich in verständlicher Weise auf die fortgesetzte Mißhandlung und Demütigung ihrer einzigen engeren Freundin durch das spätere Opfer reagiert.

In diesem Zusammenhang bleibt angesichts der massiven Übergriffe des späteren Opfers gegenüber der Zeugin [X.]
auch der Vorwurf [X.] —falsch verstandenenfi Solidarität letztlich unverständlich. In der ersten Phase des Geschehens war das Eingreifen der [X.]ngeklagten zu Gunsten ih-rer Freundin dringend erforderlich und möglicherweise lebensrettend; auch anschließend ging es wesentlich um die Reaktion auf weitere gefährliche Nachstellungen durch [X.] . - 7 - Die zweite strafschärfende Erwägung des [X.]s, die [X.]ngeklag-te habe trotz ersichtlicher alkoholischer Beeinträchtigung des Opfers aus Wut und Verärgerung gehandelt, ist nicht unbedenklich, da diese Gefühlsregun-gen im Blick auf das Gesamtgeschehen jedenfalls verständlich waren. In die-sem Zusammenhang wäre auch zu bedenken gewesen, daß bei dem Opfer kurze [X.] nach der Tat ein B[X.]K-Wert von lediglich 1,51 Promille festgestellt wurde.

c) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, das Tatgeschehen auch unter dem Gesichtspunkt der ersten [X.]lternative des § 213 StGB zu prü-fen. Es wird zudem zu erwägen sein, ob die [X.]ngeklagte im Blick auf das [X.] möglicherweise in ihrer Schuldfähigkeit beeinträchtigt war, wozu sich die Heranziehung eines Sachverständigen anbieten könnte. [X.] Basdorf Gerhardt Brause [X.]

Meta

5 StR 78/05

15.06.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2005, Az. 5 StR 78/05 (REWIS RS 2005, 3101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3101

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