Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.03.2015, Az. 3 C 6/14

3. Senat | REWIS RS 2015, 14131

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Gegenstand

Zurechnung von Kenntnissen zwischen Ausgleichsämtern bei der Rückforderung von Lastenausgleich


Leitsatz

1. Kenntnisse, die ein Rückforderungsamt gelegentlich seiner Ermittlungen erlangt, werden anderen Ausgleichsbehörden grundsätzlich nicht fristauslösend zugerechnet.

2. Eine Zurechnung von Wissen kann ausnahmsweise bei aktiven Ermittlungen eines unzuständigen Rückforderungsamtes in Betracht kommen, wenn der zur Rückzahlung Verpflichtete in der Annahme, das Amt sei zuständig, seinerseits alles getan hat, um seine Mitwirkungspflicht aus § 349 Abs. 5 Satz 3 LAG zu erfüllen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG).

2

Zugunsten der Klägerin und zweier weiterer Geschädigter war mit [X.] vom 29. April 1982 über die einheitliche Feststellung von Vermögensschäden nach dem [X.] ([X.]) ein Wegnahmeschaden an zwei [X.]n in [X.] festgestellt worden. Den [X.] erteilte das [X.] des [X.] als einheitliches Feststellungsamt (§ 33 Abs. 2 [X.]). Weitere Geschädigte waren die Schwester der Klägerin und eine Tante. Der Klägerin wurde durch das [X.] der [X.] Hauptentschädigung zuerkannt, für die Zuerkennung von Hauptentschädigung an die beiden anderen Geschädigten blieb das [X.] des [X.] zuständig. Dementsprechend wurden die Schadensakten getrennt geführt. Nach der Auflösung des [X.] im Jahre 2001 gingen die Akten zur Weiterbearbeitung auf das [X.] der [X.] über.

3

Mitte 1992 nahm das [X.] des [X.] Ermittlungen auf, ob die Geschädigten über die [X.] wieder frei verfügen konnten. Es wandte sich zunächst an die Schwester der verstorbenen Tante, sodann an Frau [X.], eine nichteheliche Tochter des vorverstorbenen Ehemanns der Tante, die diese beerbt hatte, sowie mit Schreiben vom 24. Januar 1995 auch an die Klägerin. Diese äußerte sich nicht schriftlich, sondern sprach zu einem nicht aufklärbaren Zeitpunkt beim [X.] des [X.] vor. Erkenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gewann das Amt von dem Verwalter der Grundstücke in [X.] und aus dem Erbschein, der dem [X.] im Juni 1995 zuging. Danach konnten die drei Miteigentümerinnen über ihre Grundstücke wieder frei verfügen. Entsprechend forderte das [X.] des [X.] von den beiden Miteigentümerinnen, für die es zuständig war, die ihnen gewährte bzw. zugeflossene Hauptentschädigung mit [X.] und Leistungsbescheiden von 1995 zurück. Das [X.] der [X.] als für die Klägerin zuständiges [X.] wurde über die Erkenntnisse nicht informiert. Von dem bei der Klägerin eingetretenen Schadensausgleich erfuhr es erst anlässlich einer Durchsicht der Schadensakten des ehemaligen [X.]es des [X.] am 21. Juli 2008. Die Rückforderung der ihr gewährten Hauptentschädigung in Höhe von 6 387,05 € folgte mit [X.] vom 22. Juli 2010, der mit [X.] vom 1. September 2010 berichtigt wurde. Die vornehmlich auf Verjährung der Rückforderung gestützte Beschwerde wies die Beschwerdestelle für Lastenausgleichssachen bei dem [X.] mit [X.] vom 23. September 2010 zurück.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den [X.] und Leistungsbescheid abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin könne über ihren Miteigentumsanteil seit der Wiederherstellung der Deutschen Einheit frei verfügen, der Rückforderungsbetrag sei zutreffend ermittelt. Die Rückforderung sei auch nicht wegen Verstreichens der [X.] ausgeschlossen; weder die vierjährige noch die zehnjährige Frist nach § 349 Abs. 5 Satz 4 LAG seien abgelaufen. Zwar habe das [X.] des [X.] bereits 1995 vom Schadensausgleich erfahren. Zuständig für die Rückforderung von der Klägerin sei jedoch das [X.] der [X.], das von den Verhältnissen erst am 21. Juli 2008 erfahren habe. Die frühere Kenntnis des [X.]es des [X.] müsse das [X.] der [X.] nicht gegen sich gelten lassen. Die Regelung in [X.]. 8.4.5 des [X.] des [X.], wonach die [X.] in Fällen einer aktiven Befragung der Beteiligten durch ein einheitliches Feststellungsamt in der Regel sämtlichen Beteiligten gegenüber zu laufen beginne, wenn das Feststellungsamt die nötige Kenntnis erworben habe, greife nicht ein. Es sei schon zweifelhaft, ob alle Beteiligten, wie es danach erforderlich sei, schriftlich befragt worden seien; jedenfalls fehle es an einer aktiven Mitwirkung der Klägerin. Ihre Behauptung, den Schadensausgleich bei ihrer persönlichen Vorsprache bei dem [X.] des [X.] bestätigt zu haben, sei nicht erwiesen. Abgesehen davon fehle es an einer erfolgreichen aktiven Befragung, weil eine der Rückzahlungsverpflichteten den Schadensausgleich nicht bestätigt habe. [X.]. 8.4.5 des [X.] sei aber nur dann einschlägig, wenn die Kenntnis sämtlicher Rückforderungsvoraussetzungen auf einer Mitwirkung der Betroffenen beruhe. Ohne Konsequenzen bleibe auch, dass die Erkenntnisse nicht an das [X.] der [X.] weitergeleitet worden seien. Zwar sehe das [X.] eine enge Zusammenarbeit der Ämter vor; hieraus folge aber nicht, dass Kenntnisse eines [X.] einem anderen ohne Weiteres zuzurechnen seien. Es habe sich auch nicht um auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten gehandelt. Die Ausschlussfrist sei daher erst am 1. Januar 2009 in Gang gesetzt worden, die maßgebliche Vierjahresfrist bei [X.]erlass 2010 noch nicht abgelaufen gewesen.

5

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansicht weiter, die [X.] sei verstrichen gewesen. Es sei dem [X.] der [X.] zuzurechnen, dass einem anderen [X.] schon 1995 der Schadensausgleich und die [X.] bekannt gewesen seien. Für den Fristbeginn genüge es, dass die nötigen Erkenntnisse bei irgendeiner Behörde der Ausgleichsverwaltung vorhanden seien. Dafür spreche schon der Wortlaut des § 349 Abs. 5 Satz 4 LAG, der im Unterschied zu Satz 3 nicht von der "zuständigen Ausgleichsbehörde", sondern nur von einer "Ausgleichsbehörde" spreche. Dasselbe ergebe sich aus den Entscheidungen des [X.] vom 18. Mai 2010 - 3 C 23.09 - und vom 28. September 2011 - 3 C 38.10 -. [X.] ein einheitliches Feststellungsamt, werde dies von den Befragten stets als das maßgebliche Amt wahrgenommen, denn die Betroffenen müssten nicht damit rechnen, dass sich eine unzuständige Behörde an sie wende. Das Verwaltungsgericht überspanne die Anforderungen an die aktive Befragung nach dem [X.]. Es müsse ausreichen, wenn die Ausgleichsbehörde die für die Rückforderung nötigen Erkenntnisse von einem der [X.] erhalte, die Frist laufe dann auch für alle anderen. Das bestätige der Präsident des [X.] in einem Schreiben vom 30. Juli 1998. Mehr als zehn Jahre nach der Rückforderung von den anderen Miteigentümern habe sie, die Klägerin, auch nicht mehr damit rechnen müssen, noch in Anspruch genommen zu werden. Jedenfalls aber sei die vierjährige Frist im Jahre 2001 angelaufen, als die Schadensakten auf das zuständige [X.] übergegangen seien. Dadurch sei dieses Amt unmittelbar in den Besitz aller nötigen Kenntnisse gelangt.

6

Die Beklagte tritt dem Revisionsbegehren entgegen. Es komme allein auf die Kenntnis des für die Klägerin zuständigen [X.]es an. Die Kenntnis des einheitlichen Feststellungsamtes könne diesem nicht zugerechnet werden, weil es der Klägerin nicht als zuständiges [X.] entgegengetreten sei. Die Voraussetzungen der aktiven Befragung nach [X.]. 8.4.5 des [X.] habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Zudem habe sie nicht annehmen können, ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht nachgekommen zu sein.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgewiesen und dabei die im Revisionsverfahren zentrale Frage, ob die Rückforderung wegen Verstreichens der dafür geltenden Frist ausgeschlossen ist, im Ergebnis zu Recht verneint.

8

1. Nach § 349 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 342 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] sind die zuviel gewährten Ausgleichsleistungen zurückzufordern, wenn nach dem 31. Dezember 1989 ein Schaden, für den Lastenausgleich gewährt worden ist, ganz oder teilweise ausgeglichen wird. Der zugunsten der Klägerin und der weiteren Geschädigten festgestellte [X.] an Mietwohngrundstücken in [X.] war am 3. Oktober 1990 ausgeglichen. Die Anerkennung eines [X.]s beruhte darauf, dass die in der [X.] befindlichen Eigentümer keinen Zugriff auf ihr Grundvermögen hatten. Die tatsächliche Unmöglichkeit, über ein im [X.] befindliches Wirtschaftsgut zu verfügen, stand gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] einer Wegnahme gleich. Diese Lage war infolge der [X.] und der damit einhergehenden Wiedererlangung der vollen Verfügungsmöglichkeit über diese Vermögenswerte beseitigt, der [X.] galt gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 [X.] als in voller Höhe ausgeglichen (zu dieser so genannten Mietwohngrundstücksregelung vgl. auch [X.]. 5.2.1.1 des [X.] des [X.] i.d.F. vom 29. Januar 2013 sowie [X.], Beschluss vom 9. September 2004 - 3 B 42.04 - juris Rn. 6).

9

2. Die Rückforderung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ausschlussfrist des § 349 Abs. 5 Satz 4 [X.] im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des [X.] abgelaufen gewesen wäre.

a) Die Frist beginnt nach § 349 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 [X.] nach dem Kalenderjahr, in dem die Ausgleichsbehörde von dem Schadensausgleich und von der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt hat. [X.] ist die Kenntnis der für die Rückforderung zuständigen Behörde, unerheblich, ob die Kenntnis bei einer anderen Behörde der Ausgleichsverwaltung vorhanden ist. Dass es allein auf die Kenntnis der zuständigen Rückforderungsbehörde ankommt, ergibt sich deutlich aus dem Gesetz und erklärt sich aus den Notwendigkeiten einer Massenverwaltung, die den gesamten Lastenausgleich rückabzuwickeln hat und dabei auf Informationen Dritter und die Erkenntnisse und Ergebnisse anderer Verwaltungsverfahren, die zum Schadensausgleich führen (vgl. etwa § 349 Abs. 3 Satz 4 und 5 [X.]), angewiesen ist. Der [X.] hat das wiederholt klargestellt ([X.], Beschlüsse vom 9. September 2004 - 3 B 42.04 - juris Rn. 7 und vom 25. Juli 2007 - 3 B 4.07 - juris Rn. 6), aus den von der Klägerin angeführten Entscheidungen ergibt sich nichts anderes. Hieran ist festzuhalten. Wenn in Satz 3 von "der zuständigen Ausgleichsbehörde" die Rede ist, in Satz 4 aber nur von der "Ausgleichsbehörde", bedeutet das keinen Unterschied, sondern eine bloße sprachliche Verkürzung. Satz 4 spart ein Wort ein, das sich aus dem Zusammenhang und dem Rückbezug auf Satz 3 von selbst versteht.

b) Örtlich zuständig für die Rückforderung war bereits 1995 das [X.] der [X.], bei dem die Akten der Klägerin geführt wurden. Das ergibt sich aus [X.]. 12.1 des [X.], wonach die örtliche Zuständigkeit des [X.]es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung "eingefroren“ ist. Für die Rückforderung in abgeschlossenen Gewährungsfällen ist das [X.] zuständig, bei dem sich am 31. Juli 1992 die Hauptentschädigung-Zuerkennungsakte befand. Mangels normativer Festlegung der Zuständigkeit war der Präsident des [X.] nach Art. 120a Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 319 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu einer Bestimmung durch allgemeine Verwaltungsvorschrift im Sinne des Art. 85 Abs. 2 GG ermächtigt.

c) [X.] ist die positive Kenntnis von dem Schadensausgleich und von der Person des Verpflichteten, gleichgültig, worauf sie beruht ([X.], Beschluss vom 4. Juni 2009 - 3 B 112.08 - [X.] 2009, 256 f.) und ob oder inwieweit sich die Ausgleichsbehörde um Kenntniserlangung bemüht hat ([X.], Beschlüsse vom 19. August 2008 - 3 B 3.08 - [X.] 427.3 § 349 [X.] Nr. 18 Rn. 5 und vom 3. November 2009 - 3 [X.] - [X.] 2010, 31). Diese positive Kenntnis hat das [X.] der [X.] nach den bindenden Feststellungen des [X.] am 21. Juli 2008 erlangt, sodass die [X.] am 1. Januar 2009 begonnen hatte und bei [X.] im Jahre 2010 nicht abgelaufen war.

d) Das zuständige [X.] hat die fristauslösenden Kenntnisse nicht schon im Jahr 2001 erlangt, als ihm die Akten des [X.]es des [X.] - nach dessen Auflösung - zur zuständigkeitsgemäßen Weiterbearbeitung zugeleitet wurden. In Fällen solcher Funktionsnachfolge von Ämtern verschiedener Verwaltungsträger muss das nachfolgende Amt die Kenntnis des Funktionsvorgängers von im Rechtsverkehr erheblichen Umständen nur dann gegen sich gelten lassen, wenn dieser für die Verwaltungsaufgabe vor dem [X.] zuständig war. Nur dann darf der Bürger darauf vertrauen, dass die Verwaltung das ihr zuständigkeitsgemäß vermittelte, typischerweise aktenmäßig festgehaltene Wissen so organisiert, dass es bis zum Abschluss eines Verwaltungsverfahrens verfügbar bleibt und dass ihm durch seinem Einfluss entzogene Umstrukturierungen keine Nachteile entstehen (vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 1996 - [X.] - [X.]Z 132, 30 <35 ff.>). Diese Erwägungen gelten nicht für Kenntnisse, die der Funktionsvorgänger nicht als zuständige Behörde, sondern bei der Wahrnehmung anderer Verwaltungsaufgaben beiläufig gewonnen und in seinen Akten niedergelegt hat und die nicht für seinen Zuständigkeitsbereich rechtserheblich waren. Unter solchen Voraussetzungen fehlt es an der Kontinuität der Zuständigkeiten, die es rechtfertigt, die einmal erworbene Kenntnis ungeachtet des [X.]s als fortbestehend zu betrachten. Der Bürger kann auch nicht ernstlich darauf vertrauen, dass aktenkundige Kenntnisse einer bisher unzuständigen Behörde, die infolge eines - aus seiner Sicht zufälligen - Wechsels von Zuständigkeiten und der damit verbundenen [X.] in den Bereich der zuständigen Behörde gelangen, in dem Moment der [X.] als der neuen Behörde bekannt gelten. Vielmehr bleibt es in solchen Fällen auch unter dem Gesichtspunkt des [X.] bei dem Grundsatz, dass positive Kenntnis im Sinne des § 349 Abs. 5 Satz 4 [X.] erst dann gegeben ist, wenn dem zuständigen [X.] der rechtserhebliche Sachverhalt tatsächlich bekannt ist. Ist dieser von einem unzuständigen [X.] ermittelt worden, erlangt das zuständige Amt bei einer durch [X.] veranlassten [X.] erst in dem Zeitpunkt Kenntnis, in dem der mit der Sachbearbeitung betraute Bedienstete die rechtserheblichen Umstände den Akten entnimmt, hier also am 21. Juli 2008.

3. [X.] der Ausgleichsbehörde des [X.] aus dem Jahre 1995 muss die zuständige Ausgleichsbehörde auch nicht aus anderen Gründen gegen sich gelten lassen. Für eine Zurechnung dieses Wissens an die zuständige Ausgleichsbehörde fehlt eine Rechtsgrundlage.

a) Die Rechtsgrundlage kann nicht in [X.]. 8.4.5 des [X.] gesehen werden. Die Anwendung dieser Bestimmung würde zu einer materiellen Verkürzung von Rückforderungsansprüchen führen, weil die Ausgleichsverwaltung dadurch angehalten wird, von der Geltendmachung von Ansprüchen abzusehen, die objektiv noch durchsetzbar sind. Zu einer derart anspruchsverkürzenden Regelung ist der Präsident des [X.] nicht ermächtigt. Auch Art. 120a GG erlaubt ihm nicht, durch Verwaltungsvorschrift vom Gesetz abzuweichen oder ihm einen Inhalt zuzuschreiben, der sich mit der objektiven Rechtslage als unvereinbar erweist (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2012 - 5 C 14.11 - [X.]E 143, 314 Rn. 30; Beschluss vom 13. November 1987 - 3 B 14.87 - [X.] 427.6 § 30 [X.] Nr. 5 S. 2). Daher kann [X.]. 8.4.5 des [X.] nur Bedeutung haben, soweit darin im Sinne einer norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift rechtsfehlerfrei erläutert wird, was sich für die geregelte Fallkonstellation aus Gesetz und Recht ergibt. Nichts anderes gilt für das Rundschreiben des Präsidenten des [X.] von 1998, auf das die Klägerin sich beruft.

b) Die Klägerin kann ihre Auffassung auch nicht auf die Grundsätze der Wissenszurechnung entsprechend § 166 [X.] stützen, die allerdings auch im öffentlichen Recht Geltung beanspruchen (vgl. dazu [X.], in: [X.], [X.], 6. Aufl. 2012, § 166 Rn. 24 und Schilken, in: [X.], [X.], § 166 Rn. 40). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass zwischen verschiedenen Behörden (desselben oder eines anderen Rechtsträgers) im Grundsatz keine Zurechnung von Kenntnissen stattfindet. Aus Respekt vor der behördlichen Zuständigkeitsordnung hat die Beurteilung behördlichen Handelns nur auf das bei der zuständigen Behörde vorhandene Wissen abzustellen. Für die mit einer Wissenszurechnung verbundene Durchbrechung von gesetzlichen Zuständigkeitsgrenzen bietet der Rechtsgedanke des § 166 [X.] allein keine Grundlage (stRspr; vgl. [X.], Urteile vom 4. Februar 1997 - [X.] - [X.]Z 134, 343 <348>, vom 15. Dezember 2005 - [X.]/04 - NJW-RR 2006, 771 Rn. 13 und vom 30. Juni 2011 - [X.]/08 - [X.]Z 190, 201 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 29. Juni 2006 - [X.] - juris Rn. 3; ebenso BSG, Urteil vom 17. April 2008 - [X.] R 123/07 R - [X.], 215 Rn. 20 und [X.], Beschluss vom 2. Mai 2013 - 4 ZB 12.1393 - BayVBl. 2014, 81 Rn. 10).

Zwar sind Ausnahmen anerkannt, nach denen in Anwendung vorrangiger Rechtsgrundsätze eine Wissenszurechnung auch zwischen verschiedenen Behörden geboten ist. So muss etwa eine Behörde, die eine andere mit der Erledigung ihrer Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, sich das Wissen zurechnen lassen, das die ausführende Behörde in diesem Rahmen erlangt ([X.], Beschluss vom 14. Februar 2013 - [X.]/12 - [X.], 620 Rn. 4; Urteile vom 25. Juni 1996 - [X.] - [X.]Z 133, 129 <138> und vom 4. Februar 1997- [X.] - [X.]Z 134, 343 <347 f.>.). Eine Zurechnung kann auch aus Gründen des [X.] geboten sein, wenn etwa der Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens berechtigterweise darauf vertrauen darf, dass das von einem Bediensteten erlangte Wissen in einer Verwaltungseinheit übergreifend verfügbar ist. Die Risiken einer Wissensaufteilung hat derjenige zu tragen, der sie veranlasst hat und durch zweckmäßige Organisation beherrschen kann (vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 1996 - [X.] - [X.]Z 132, 30 <35 f., 38 f.).

Diese Erwägungen bieten aber im Fall der Klägerin keine taugliche Grundlage für eine Zurechnung. Als Ansatzpunkte hierfür kommen nach den Feststellungen des [X.] nur der Schutz der Klägerin infolge der "aktiven Befragung“ durch das [X.] des [X.] und dessen Versäumnis in Betracht, maßgebliche Erkenntnisse weiterzuleiten. Die Klägerin durfte jedoch nicht infolge der Ermittlungen des [X.] annehmen, dass die Ausschlussfrist nach § 349 Abs. 5 Satz 4 [X.] auch ihr gegenüber schon im Jahre 1995 ausgelöst worden ist. Es mag insofern einem [X.] in Fällen der "aktiven Befragung“ im Sinne der [X.]. 8.4.5 des [X.] nicht zum Nachteil gereichen, dass das [X.] nicht für ihn zuständig ist. Den Befragten ist nicht abzuverlangen, die behördliche Zuständigkeitsordnung zu durchschauen, sodass es genügen kann, wenn ein ehemals für die Schadensfeststellung zuständiges einheitliches Feststellungsamt tätig wird und den objektiven Anschein einer für die Rückforderung fortbestehenden Zuständigkeit nicht ausräumt. Zur Entstehung einer Vertrauensgrundlage muss der Rückzahlungspflichtige aber seinerseits alles getan haben, um die Rückforderungsfrist, die für jeden Verpflichteten gesondert läuft, in Gang zu setzen. Dazu muss er gegenüber dem um Informationen nachsuchenden (unzuständigen) Amt, wiewohl diesem gegenüber nicht anzeigepflichtig, seine Mitwirkungspflicht gemäß den Vorgaben des § 349 Abs. 5 Satz 3 [X.] einschränkungslos erfüllt und aus seiner Sicht die Voraussetzungen geschaffen haben, damit der ihm gezahlte Lastenausgleich zurückgefordert werden kann. Eine solche Erfüllung der Mitwirkungspflichten hat das Verwaltungsgericht für die Klägerin nicht festgestellt. Es hat zwar angenommen, dass die Klägerin - zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt - beim [X.] des [X.] vorgesprochen hat; jedoch ist im Dunkeln geblieben, ob dies rechtzeitig geschehen ist und sie dabei die ihre Person betreffenden Angaben gemacht hat. Die Sachverhaltswürdigung des [X.] hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, sie ist daher für den [X.] bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin nicht zugutekommt, dass der [X.] das für die Klägerin zuständige [X.] nicht informiert hat. Zwar verstieß dieses Unterlassen gegen die ausdrückliche und die nachgeordneten Ämter bindende Anweisung in [X.]. 12.5 Satz 10 des [X.]. Deshalb ist die Klägerin aber nicht so zu behandeln, als sei das für sie zuständige [X.] umgehend - nämlich noch im Jahr 1995 - in Kenntnis gesetzt worden und die mangels Mitwirkung der Klägerin ausgelöste Zehnjahresfrist (§ 349 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 2 [X.]) am 31. Dezember 2005, also vor Erlass des angefochtenen Bescheides abgelaufen. Veranlassung, die Klägerin nach Treu und Glauben oder nach dem Grundgedanken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (dazu [X.], Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 C 36.10 - [X.]E 140, 103 Rn. 22 f. so zu stellen, als hätte der [X.] seine Informationspflicht erfüllt, besteht nicht. Denn die Verpflichtung zur Informationsweiterleitung entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten von [X.]; sie soll lediglich im Interesse der Verwaltung sicherstellen, dass begründete Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

3 C 6/14

12.03.2015

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Hannover, 10. April 2013, Az: 5 A 5027/10, Urteil

§ 319 Abs 2 S 2 LAG, § 349 Abs 5 S 3 LAG, § 349 Abs 5 S 4 Halbs 1 LAG, § 166 BGB, § 4 Abs 1 S 2 BFG, § 33 Abs 2 BFG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.03.2015, Az. 3 C 6/14 (REWIS RS 2015, 14131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14131

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