Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2018, Az. VI ZR 378/17

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11055

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:100418BVIZR378.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

VI ZR
378/17
vom

10. April
2018

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 7

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im [X.] keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Fortführung [X.], [X.] vom 27.
Oktober 2015 -
VI
ZR 355/14, [X.], 641).

[X.], Beschluss vom 10. April 2018 -
VI [X.] -
OLG Schleswig

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
10. April
2018
durch den
Vorsitzenden [X.], die Richterin von [X.], den
Richter
Offenloch, die Richterin
Dr. Roloff
und [X.] Allgayer

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerden
der
[X.] zu 2 und der Streithelferin des [X.] zu 1 wird der Beschluss des 7. Zivil-senats des [X.] vom 24.
August 2017
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 20.539,90

Gründe:
I.
Der Kläger beansprucht von den [X.] Schadensersatz aufgrund ei-nes Verkehrsunfalls. Am Abend des 4. November 2015 gegen 18:00 Uhr fuhren
der Kläger mit seinem Fahrzeug und der Beklagte zu 1 als Fahrer des bei der [X.] zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeugs
Mercedes [X.] L nebenei-nander; der Kläger auf dem linken Fahrtrichtungsstreifen und der Beklagte zu 1 auf dem rechten Fahrtrichtungsstreifen. Als sich die Fahrzeuge annähernd auf gleicher Höhe befanden, kam es zur seitlichen Kollision beider Fahrzeuge. An dem Pkw des [X.] 1
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Diesen, die Kostenpauschale sowie Freistellungsansprüche wegen vorgerichtli-cher Gutachterkosten und Anwaltskosten macht der Kläger mit der [X.] Klage geltend. Die Beklagte zu 2 beruft sich darauf, dass der Unfall von dem Kläger und dem Beklagen zu 1 willentlich herbeigeführt worden sei.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der
[X.] zu 2 und der Streithelferin des [X.] zu 1 durch Beschluss gemäß
§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet
sich die
Beklagte zu 2 -
zugleich auch als Streithelferin des [X.] zu 1 (beide im folgenden auch "Beklagte zu 2") -
mit ihren
Nichtzulassungsbe-schwerden.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerden
haben
Erfolg. Sie führen
gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Das Berufungsgericht hat den An-spruch des
[X.]
auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
1.
Das Berufungsgericht hat -
soweit hier erheblich -
ausgeführt,
die Beweiswürdigung des [X.]s in Bezug auf die Behauptung der [X.] zu 2, es liege ein manipulierter Unfall vor, sei nicht zu beanstanden. Die Haf-tung des Schädigers entfalle nur dann, wenn in ausreichendem Maße Um-stände vorlägen, die die Feststellung gestatteten, dass es sich bei dem be-haupteten Unfall um ein manipuliertes Geschehen handele. Hier sei zwar nicht von der Hand zu weisen, dass es einige solche Anzeichen gebe. Im Ergebnis reichten diese Umstände aber nicht aus. Es könne nicht ausgeschlossen wer-den, dass der Beklagte zu 1 möglicherweise nur unaufmerksam oder abgelenkt gewesen sei und deshalb seine Fahrspur nicht eingehalten habe. Der Unfall 2
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habe sich auf einer vielbefahrenen Straße bei einer Geschwindigkeit von 50
km/h ereignet. Die Ehefrau des [X.] sei mit im Fahrzeug und dem Risiko eines Personenschadens ausgesetzt gewesen.
Für die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens fehle es an ent-sprechenden Anknüpfungstatsachen. Durch ein solches Gutachten könne näm-lich nicht bewiesen werden, ob der Beklagte zu 1 willentlich oder absichtlich die Kollision herbeigeführt habe oder nicht. Es sei unstreitig, dass es eine [X.] Kollision zwischen den
beteiligten Fahrzeugen gegeben habe. Auf den [X.] Blick ergebe sich anhand der eingereichten Fotodokumentationen der betei-ligten Fahrzeuge ein kompatibles Schadensbild, das mit der Schilderung des [X.] durch die unbeteiligten Zeugen K.
in Einklang zu bringen sei.
2.
Diese Erwägungen
halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand und verletzen die Beklagte zu 2 in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unter-lassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.] haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103
Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze [X.] (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2015
-
VI ZR 355/14, [X.], 641 Rn. 6 mwN; [X.], [X.], 492 f.).
b) So verhält es sich im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde bean-standet zu Recht, dass das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vor-5
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trag der [X.] zu 2, bei einem (tatsächlichen)
Unfall sei ein unfallverhüten-des bzw. beendendes Fahrmanöver (auch) des [X.] zu erwarten gewesen, nicht ausreichend berücksichtigt hat und aus diesem Grund einem erheblichen Beweisangebot nicht nachgegangen ist.
aa) Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Ungeeignetheit des Be-weismittels kommt nur dann in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen [X.], dass das Beweismittel
zu dem Beweisthema sachdienliche Erkenntnis-se erbringen kann ([X.], Urteil vom 23. Oktober 2014 -
III ZR 82/13, [X.], 2212 Rn. 17
mwN). Insoweit ist größte Zurückhaltung geboten ([X.], Urteil vom 26. November 2003 -
IV ZR 438/02, [X.]Z 157, 79, 84 f.). Darüber hinaus scheidet die Ablehnung eines Beweisantrags als ungeeignet aus, wenn dadurch ein noch nicht erhobener Beweis vorab gewürdigt wird, weil dies eine unzuläs-sige Beweisantizipation darstellt ([X.], Urteil vom 23. Oktober 2014, ebenda).
bb) Das Berufungsgericht hat (nur) darauf abgestellt, dass ein [X.] keine Aussage dazu treffen kann, ob der Beklagte zu 1 das Fahrzeug willentlich auf die andere Spur gelenkt hat, oder schlicht abgelenkt war. Es hat sich in diesem Zusammenhang nicht mit dem Vortrag der [X.] zu 2 aus-einandergesetzt, dass (auch)
die (Nicht-)reaktion des [X.] nicht plausibel zu erklären sei und ein Unfallrekonstruktionsgutachten insoweit weiteres ergeben
könne. Das ist auch unter Berücksichtigung der Angaben des [X.] bei seiner Anhörung nicht
von der Hand zu weisen, vor allem, nachdem der Vorgang nach der Aussage der Zeugen K.
so viel Zeit in Anspruch genommen hat, dass der Zeuge K. noch
vor dem Unfall die Lichthupe getätigt und die Warnblinkanlage angeschaltet hat. Vor diesem Hintergrund findet die Nichtberücksichtigung des Antrags der [X.] zu 2 auf Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutach-tens im Prozessrecht keine Stütze, Art. 103 Abs. 1 GG.
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c) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht aus-geschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksich-tigung des Vortrags der [X.] zu 2 zu
einer anderen Beurteilung gelangt wäre.
Bei der neuen Würdigung wird das Berufungsgericht auch zu beachten haben, dass der Tatrichter bei der Beurteilung einer Fachwissen voraussetzen-den Frage auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten kann, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen [X.] ([X.], Urteil vom 23. Oktober 2014, aaO, Rn. 18 mwN).
3. Die weitere Rüge der Nichtzulassungsbeschwerden
hat der Senat ge-prüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Galke
von [X.]
Offenloch

Roloff

Allgayer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.01.2017 -
10 O 64/16 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 24.08.2017 -
7 U 8/17 -

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Meta

VI ZR 378/17

10.04.2018

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2018, Az. VI ZR 378/17 (REWIS RS 2018, 11055)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11055

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 378/17

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