Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2013, Az. 4 StR 303/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 76

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bandenmäßiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Strafrahmen bei minder schwerem Fall; Untersuchungshaft als Strafmilderungsgrund


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2013 im Strafausspruch in den Fällen [X.] 1.a bis 1.e der Urteilsgründe - im Fall [X.] 1a auch zugunsten des Angeklagten - sowie im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 23. Februar 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine weitere Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil richtet sich die wirksam auf den Strafausspruch in den Fällen [X.] 1.a bis 1.e sowie den [X.] beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.

[X.]

2

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils schloss sich der Angeklagte spätestens im [X.] 2011 mit den gesondert verfolgten E.    M.     und              A.       zusammen, um mit Kokain in nicht geringen Mengen Handel zu treiben. Im Dezember 2011 schloss sich ihnen noch der gesondert verfolgte     B.        an. In den Fällen [X.] 1.a bis 1.e der Urteilsgründe bezog die Bande zu Handelszwecken jeweils mindestens 500 g, 150 g, 200 g, 910 g und 100 g Kokain mit 10 % Wirkstoffgehalt. Im Fall [X.] 1.d waren zunächst 910 g Kokain in den Besitz der Bande gelangt; 410 g davon hatte man mangels Absatzmöglichkeit an den Lieferanten zurückgegeben. Das [X.] hat im Fall 1.a eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, in den Fällen 1.b bis 1.d eine Freiheitsstrafe von jeweils zwei Jahren und im Fall 1.e eine solche von einem Jahr und drei Monaten verhängt.

I[X.]

3

Der Strafausspruch in den von der Staatsanwaltschaft angegriffenen Fällen hat keinen Bestand.

4

1. Schon die Erwägungen, mit denen die [X.] den Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG bejaht hat, begegnen rechtlichen Bedenken. Die Formulierung, „der Gesetzgeber hatte bei Schaffung des zusätzlich verschärften Verbrechenstatbestandes des § 30a BtMG international organisierte Drogensyndikate im Blick, die nicht nur mittels Kurieren Drogen in die [X.] einschleusen, sondern auch Absatzorganisationen aufbauen und Maßnahmen für das Waschen und den Rückfluss der Gelder aus Rauschgifthandel treffen" lässt besorgen, dass die [X.] im Rahmen der Gesamtabwägung zu hohe Anforderungen an die Annahme eines „Normalfalles" nach § 30a Abs. 1 BtMG gestellt hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 1996 - 5 [X.], [X.]R BtMG § 30a Bande 2; Urteil vom 18. Juni 2009 - 3 [X.], [X.], 320, 321). Zudem sind die Wertungen zur Bandenstruktur widersprüchlich. Bei der Erörterung des minder schweren Falles geht die [X.] davon aus, dass die Bande um den Angeklagten besonders schlecht organisiert war ([X.]). Bei der rechtlichen Würdigung spricht sie hingegen von einer „ausgeklügelten Organisationsstruktur" ([X.] 16).

5

2. Rechtsfehlerhaft hat die [X.] außerdem bei der konkreten Strafzumessung eine zu geringe Strafrahmenuntergrenze zugrunde gelegt, indem sie den Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe des § 30a Abs. 3 BtMG angewendet hat. Dabei hat sie übersehen, dass die durch den schwereren Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 1 BtMG im Wege der [X.] verdrängten Tatbestände sowohl des § 29a Abs. 1 BtMG als auch des § 30 Abs. 1 BtMG eine Sperrwirkung hinsichtlich der Mindeststrafe entfalten ([X.], Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 1); für die Höchststrafe gilt demgegenüber nach der ständigen Rechtsprechung die für den Schuldspruch maßgebliche Bestimmung (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, [X.], 98, 99; Beschluss vom 14. August 2013 - 2 StR 144/13; vgl. aber auch Beschluss vom 25. Juli 2013 - 3 [X.] Rn. 7 ff., juris).

6

Die [X.] hat nicht erwogen, ob auch minder schwere Fälle nach § 29a Abs. 2 und § 30 Abs. 2 BtMG vorliegen. Der [X.] kann deshalb nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen in den Fällen des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auf diesem Fehler beruhen. Im Fall [X.] 1.e unterschreitet die Einzelstrafe den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG, in den Fällen [X.] 1.b bis 1.d ist auf die Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 BtMG erkannt worden. Im Fall [X.] 1.a ist lediglich auf eine die Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 BtMG geringfügig übersteigende Einzelstrafe erkannt worden. Überdies lässt das Urteil zum Fall [X.]1.a angesichts der [X.], die nicht über der im Fall [X.] 1.d gehandelten lag, eine nachvollziehbare Begründung für die Bemessung dieser Strafe vermissen. Insoweit wirkt die Aufhebung auch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).

7

3. Hinzu kommt ein weiterer Fehler zugunsten des Angeklagten bei der Bemessung aller Einzelstrafen. Das [X.] hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund, es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden ([X.], Urteile vom 28. März 2013 - 4 [X.] Rn. 25 und vom 10. Oktober 2013 - 4 StR 258/13 Rn. 18, jeweils mwN). [X.] der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden ([X.], Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/06, [X.], 2645). Daran fehlt es hier. Die [X.] hat dazu lediglich ausgeführt, dass sich der Angeklagte als besonders haftempfindlich erwiesen habe, ohne dies näher darzulegen.

8

4. Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen [X.] 1.a bis 1.d der Urteilsgründe hat - auch soweit im Fall 1.a die Revision zugunsten des Angeklagten Erfolg hat - die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.

[X.]                                  Roggenbuck                                 [X.]

                           Mutzbauer                                      [X.]

Meta

4 StR 303/13

19.12.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 1. Februar 2013, Az: 26 KLs 52/12

§ 29a Abs 1 BtMG, § 30 Abs 1 BtMG, § 30a Abs 1 BtMG, § 30a Abs 3 BtMG, § 46 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2013, Az. 4 StR 303/13 (REWIS RS 2013, 76)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 76

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 302/13 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung: Strafzumessungsuntergrenze beim bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; Untersuchungshaft als Strafmilderungsgrund


4 StR 303/13 (Bundesgerichtshof)


4 StR 302/13 (Bundesgerichtshof)


2 StR 610/10 (Bundesgerichtshof)


10 KLs 10/21 (Landgericht Bielefeld)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.