Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.04.2016, Az. X E 5/16

10. Senat | REWIS RS 2016, 13116

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Gegenstand

Erinnerung gegen Kostenansatz im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - Verfahrenstrennung - Haftungsbescheid - Leistungsgebot


Leitsatz

1. NV: Es stellt keine unrichtige Sachbehandlung i.S. von § 21 Abs. 1 S. 1 GKG dar, wenn im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zur Ordnung verschiedener Streitgegenstände (Anfechtung von Haftungsbescheiden und Leistungsgeboten) eine Verfahrenstrennung vorgenommen wird (Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich Leistungsgebote unzulässig; im Übrigen Revisionszulassung). Bei der teilweisen Fortführung des Beschwerdeverfahrens nach einer Zulassung als Revisionsverfahren und einer teilweisen Verwerfung bzw. Zurückweisung der Beschwerde wird das Verfahren aufgespalten (BGH-Beschluss vom 25. November 2015 II ZR 384/13, NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2016, 189, unter II.) .

2. NV: Mit rein kostenrechtlichen Einwänden gegen die richterliche Ermessensausübung bei Vornahme einer Verfahrenstrennung nach § 73 Abs. 1 S. 2 FGO kann der Kostenschuldner im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden .

Tenor

Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung des [X.] --Kostenstelle-- vom 4. Februar 2016 ... ([X.]/15) wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) wandte sich mit seiner im Jahr 2014 erhobenen Klage gegen vom Finanzamt erlassene Spendenhaftungsbescheide über --zuletzt-- 443.800 DM (entspricht 226.911 €) und 150.360 DM (entspricht 76.877 €) betreffend die [X.] bzw. 1999 sowie die zugehörigen, im Jahr 2007 gesondert ausgesprochenen [X.]. Das Finanzgericht ([X.]) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage insgesamt ab. Im --vorliegend allein zu beurteilenden-- Verfahren über die Anfechtung der [X.] seien nach dem Rechtsgedanken des § 256 der Abgabenordnung nur Einwendungen zulässig, die sich gegen die Zulässigkeit des [X.] selbst, nicht aber gegen den zugrundeliegenden Verwaltungsakt (hier: die Spendenhaftungsbescheide) richteten (ständige Rechtsprechung des [X.] --BFH--, vgl. [X.] vom 16. März 1995 VII S 39/92, [X.] 1995, 950, unter 2.d). Da der Kostenschuldner aber nur Gründe vorgetragen habe, die sich gegen die Rechtmäßigkeit der [X.] richteten, sei die Klage diesbezüglich bereits unzulässig. Ungeachtet dessen sei die Klage unbegründet, da gegen die Rechtmäßigkeit der [X.] sprechende Tatsachen auch nicht aus den Akten ersichtlich seien.

2

Dagegen erhob der Kostenschuldner ohne Einschränkung im Hinblick auf die vorgenannten Streitgegenstände Nichtzulassungsbeschwerde. In dem betreffenden Beschwerdeverfahren [X.] trennte der Senat das Verfahren wegen der [X.] 1998 und 1999 mit Beschluss vom 10. Dezember 2015 ab und verwarf das Rechtsmittel mit Beschluss vom selben Tag insoweit als unzulässig ([X.] 203/15, nicht veröffentlicht). In dem Beschluss [X.] 203/15 legte er dem Kostenschuldner zudem die Kosten des abgetrennten Beschwerdeverfahrens auf (§ 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Hinsichtlich der [X.] ließ der Senat die Revision gegen das [X.]-Urteil mit weiterem Beschluss vom 10. Dezember 2015 [X.] (nicht veröffentlicht) zu.

3

Mit Kostenrechnung vom 4. Februar 2016 wurden die Gerichtskosten für das Verfahren [X.] 203/15 nach einem Streitwert von 303.788 € (Summe aus 226.911 € und 76.877 €) auf 4.924 € festgesetzt.

4

Mit seiner Erinnerung wendet sich der Kostenschuldner "sowohl gegen den Streitwert, als auch gegen den [X.]". Er macht unter Verweis auf einen in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2007, 221 veröffentlichten Beschluss des [X.] Baden-Württemberg vom 25. August 2006  3 KO 1/02 geltend, der "[X.]" habe "jedenfalls bis zur Abtrennung der Beschwerde gegen das Leistungsgebot (...) 110 v.H. des Streitwerts der Klage gegen den Haftungsbescheid, somit 334.166,80 €" betragen. Die Verfahrensabtrennung wegen der [X.] durch den Senat habe nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) im Urteil vom 30. Oktober 1956 I ZR 82/55 (Neue Juristische Wochenschrift 1957, 183), der auch in der Kommentarliteratur zugestimmt werde (aktuell Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 73 Rz 24), und des [X.] im Urteil vom 21. Oktober 1971  2 [X.] 17/71 ([X.] 1972, 132) nicht erfolgen dürfen, da "alle Klagegegenstände (...) entscheidungsreif" gewesen seien. Obwohl der Senat die Verfahrenstrennung dennoch vorgenommen habe, seien die Entscheidungen "kostenmäßig als einheitliche Entscheidung anzusehen". Folglich habe es "zwingend zur Kostenquotelung" kommen müssen, mit der Folge, dass der Kostenschuldner lediglich "1/11 (= 10/110)" der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in Höhe von 480,18 € (ein [X.] von 2,0 Gebühren aus dem "[X.]" von 334.166,80 €) zu tragen habe.

5

Die Vertreterin der Staatskasse hat beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

[X.] Die nach § 66 des Gerichtskostengesetzes (GKG) statthafte Erinnerung ist unbegründet.

7

1. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gemäß § 1 Abs. 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch den Einzelrichter.

8

2. Die Kostenstelle des [X.] hat die Kosten für das Verfahren X B 203/15 dem Grunde und der Höhe nach rechtsfehlerfrei angesetzt.

9

a) Die Kosten schuldet gemäß § 29 [X.]r. 1 GKG u.a. derjenige, dem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind. Dies ist im vorliegenden Fall der Kostenschuldner, da ihm der [X.] im rechtskräftigen Beschluss vom 10. Dezember 2015 X B 203/15 die Kosten jenes Verfahrens auferlegt hat.

b) Die Ermittlung des Streitwerts ist nicht zu beanstanden. Als Streitwert ist der volle Betrag, d.h. 303.788 €, anzusetzen.

aa) Kommt es zu einer --auch im [X.] zulässigen (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 5. [X.]ovember 2013 IV B 119/12, [X.]/[X.]V 2014, 540, unter [X.] und 3.)-- Abtrennung von [X.], ist für jeden [X.] rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (§ 40 GKG) ein Einzelstreitwert anzusetzen ([X.]-Beschluss vom 22. September 2008 II E 14/07, nicht veröffentlicht, unter [X.], m.w.[X.].). Dieser entspricht bei der hier zu beurteilenden Klage eines Haftungsschuldners gegen das Leistungsgebot grundsätzlich dem vollen im Leistungsgebot angeforderten Betrag (vgl. [X.]-Beschluss vom 15. Juni 2015 VII E 18/14, [X.]/[X.]V 2015, 1417), vorliegend also --für das Rechtsmittelverfahren unverändert (§ 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GKG)-- 303.788 €. Davon ausgehend, ergibt sich aus der Gebührentabelle in der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG, dass die der streitgegenständlichen Kostenrechnung zugrunde gelegte Gebührenhöhe von 2.462 € zutreffend ist. Denn nach [X.]r. 6500 des Kostenverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG waren für das vom Kostenschuldner erfolglos betriebene [X.] 2,0 Gebühren, mithin 4.924 €, anzusetzen.

bb) Die hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Insbesondere liegt die vom Kostenschuldner im Hinblick auf die Verfahrenstrennung sinngemäß geltend gemachte unrichtige Sachbehandlung i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht vor.

(1) [X.]ach der genannten Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Dies bewirkt nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht, dass unanfechtbare (§ 128 Abs. 2 FGO) oder rechtskräftige (§ 116 Abs. 5 Satz 3 FGO) Gerichtsentscheidungen, die dem Kostenansatz vorausgegangen sind bzw. zugrunde liegen, im Verfahren der Erinnerung inzident auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden könnten. Ausnahmen hiervon kommen nur bei erkennbaren Versehen des Gerichts oder offensichtlichen Verstößen gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften in Betracht (s. dazu z.B. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2005 [X.], [X.]/[X.]V 2006, 326; Gräber/Ratschow, a.a.[X.], Vor § 135 Rz 70, 87 ff., jeweils m.w.[X.]). Dafür ist im Streitfall jedoch nichts ersichtlich.

(2) Der Beschluss des [X.] in [X.], 221 ist --wie selbst in der [X.] angedeutet ("Jedenfalls bis zur Abtrennung der Beschwerde")-- vorliegend nicht einschlägig. Dies ergibt sich daraus, dass der Streitwertbemessung in jenem Fall keine Abtrennung des Verfahrens wegen des [X.] vorausging, sondern eine einheitliche Streitwertbemessung vorzunehmen war (vgl. zu einer ähnlichen Abgrenzung [X.]-Beschluss in [X.]/[X.]V 2015, 1417). Es kann daher dahinstehen, ob den vom [X.] aufgestellten Grundsätzen zur Streitwertbemessung in der dort behandelten Konstellation der Sache nach zugestimmt werden könnte.

(3) Die vom Kostenschuldner begehrte Übertragung der in dem genannten [X.] aufgestellten Grundsätze kann auch nicht mittelbar über eine vermeintlich unrichtige Sachbehandlung bei der Abtrennung des Verfahrens wegen der Leistungsgebote bewirkt werden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Der [X.] des Senats beruht weder auf einem erkennbaren Versehen noch auf einem offensichtlichen Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften. Vielmehr bewegte er sich innerhalb des von § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO eröffneten richterlichen Ermessensspielraums, da das Rechtsmittelverfahren hinsichtlich der Spendenhaftungsbescheide nicht gleichfalls beendet, sondern --mit offenem [X.] als Revisionsverfahren fortzusetzen war (§ 116 Abs. 7 Satz 1 FGO). Damit war das im Zweiten Teil, Abschnitt V., der FGO geregelte Rechtsmittelverfahren, zu dem im hiesigen Kontext auch das [X.] zu zählen ist, entgegen der Auffassung des [X.] insgesamt noch nicht "entscheidungsreif" (s. hierzu auch [X.]-Beschluss vom 23. Juni 2004 VI B 28/04, [X.]/[X.]V 2004, 1420, unter 1., und [X.] vom 25. [X.]ovember 2015 II ZR 384/13, [X.]JW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2016, 189, unter [X.]). Der von ihm beanstandete offensichtliche [X.] bzw. Ermessensfehler bei der Anwendung von § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO (i.V.m. § 121 FGO analog) scheidet schon deshalb aus, weil durch die Verfahrenstrennung eine übersichtlichere Ordnung der verschiedenen --vom Kostenschuldner uneingeschränkt zum Gegenstand der [X.]ichtzulassungsbeschwerde gemachten-- Streitgegenstände ermöglicht wurde. Dabei handelt es sich um einen sachlichen Grund zur Vornahme einer Verfahrenstrennung (vgl. Beschluss des [X.] vom 3. August 2011  5 KO 101/11, [X.], 1924, 1925, m. Anm. [X.], zum Fall der Verfahrenstrennung nach [X.] der Klage).

(4) Die dagegen vom Kostenschuldner vorgebrachten kostenrechtlichen Einwände können bereits im Ausgangspunkt nicht durchdringen, weil Kostengesichtspunkte für sich betrachtet sachfremde Erwägungen bei der Ausübung des dem Gericht nach § 73 Abs. 1 FGO zustehenden Ermessens darstellen (vgl. [X.]-Beschluss vom 24. [X.]ovember 1994 VII E 7/94, [X.]/[X.]V 1995, 720, für den umgekehrten Fall der Rüge einer unterlassenen Verfahrensverbindung).

3. Soweit der Kostenschuldner seiner [X.] "vorsorglich für den Fall der Zurückweisung der Erinnerung" einen an die Kostenstelle des [X.] adressierten Antrag auf Erlass bzw. Stundung der Gerichtskosten "bis auf einen zu zahlenden Betrag von 480,18 €" beigefügt und hilfsweise um Weiterleitung desselben gebeten hat, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher, sich auf das Stadium der Beitreibung der Gerichtskosten beziehender Billigkeitsantrag (so versteht der Senat das diesbezügliche Vorbringen) unmittelbar bei dem hierfür gemäß § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 2 Satz 1 Justizbeitreibungsordnung zuständigen [X.] anzubringen ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 17. April 2012 [X.], [X.]/[X.]V 2012, 1459, unter [X.]3.).

Damit erledigt sich zugleich der von den Ausführungen des [X.] sinngemäß mitumfasste Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung (§ 66 Abs. 7 Satz 1 GKG).

4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Meta

X E 5/16

13.04.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 256 AO, § 73 Abs 1 S 2 FGO, § 116 Abs 5 S 3 FGO, § 116 Abs 7 S 1 FGO, § 121 FGO, § 128 Abs 2 FGO, § 1 Abs 5 GKG, § 3 Abs 2 GKG, § 21 Abs 1 S 1 GKG, § 29 Nr 1 GKG, § 34 Abs 1 S 3 GKG, § 40 GKG, § 47 Abs 1 S 1 GKG, § 47 Abs 3 GKG, § 66 Abs 6 S 1 GKG, § 66 Abs 7 S 1 GKG, § 66 Abs 8 GKG, § 2 Abs 2 JBeitrO, § 6 Abs 2 S 1 JBeitrO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.04.2016, Az. X E 5/16 (REWIS RS 2016, 13116)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13116

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Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZB 18/16

VIII ZB 18/16

VIII ZB 17/16

VIII ZB 17/16

B 13 SF 19/16 S

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