Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2016, Az. VIII ZR 239/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5281

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:200916BVIIIZR239.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 239/15

vom

20. September 2016

in dem Rechtsstreit

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Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 20. September 2016 durch die Vorsitzende Rich[X.]in Dr.
Milger sowie [X.] Dr.
Achilles, Dr.
Schneider, Dr.
Bünger und Kosziol

beschlossen:

Die Beschwerde der [X.] gegen die Nichtzulassung der Re-vision in dem Beschluss des 23. Zivilsenats des [X.] vom 11.
September 2015 wird auf ihre Kosten als unzulässig [X.].
Der Streitwert füt-gesetzt.

Gründe:
I.
Die klagende Verbraucherzentrale (im Folgenden: Kläger) nimmt das [X.] Versorgungsun[X.]nehmen (im Folgenden: Beklagte) nach dem [X.] ([X.]) in Anspruch, es zu un[X.]lassen, bei [X.], die mit Verbrauchern außerhalb der Grundversorgung [X.] werden, eine Reihe von Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedin-gungen einzubeziehen und sich darauf bei Abwicklung derartiger Verträge zu berufen. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sind nur noch die [X.], außerhalb der Klammern stehenden beiden Teile der Klausel in § 13.2 der von der [X.] verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Streit:
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G.

[Bekl.] Ersatz für den dadurch entstandenen Schaden verlangen; dieser wird pauschal mit Rücklastschriften berechnet die G.

dem Kunden eine Pauschale in [X.]. [Dem Kunden steht jeweils der Nachweis frei, dass der G.

kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist.]"
Das Landgericht hat die Beklagte auch hinsichtlich der Mahn-
und der [X.] antragsgemäß zur Un[X.]lassung
verurteilt, [X.] hat die Berufung der [X.] gemäß § 522 Abs. 2 ZPO Klauselteil festgesetzt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht die [X.]. Denn es handele sich -
wie un[X.] anderem die allein bei ihr durch [X.] Kundenverhalten jährlich anfallende Kostenbelastung von mehr -
um nicht nur branchenüblich, sondern sogar [X.] verwendete Klauseln von herausragender wirtschaftlicher Bedeu-tung. Zudem lasse sich eine Begünstigung der Verbraucherschutzverbände auch mit dem sonst geltenden Grundsatz, dass der Wert der Beschwer nach dem In[X.]esse des [X.] zu bemessen sei, nur schwer vereinba-ren, ganz abgesehen davon, dass solche Verbände einer Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert auch durch Beantragung einer Streitwertbegünstigung begegnen könnten.
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II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.], mit der sie nach einer Revisionszulassung ihren Klageabweisungsantrag wei[X.]verfolgen will, ist als unzulässig zu verwerfen, da der Wert der mit der Revision geltend zu [X.] 20.000

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] richtet sich der Streitwert in Verfahren nach dem [X.] in aller Regel allein nach dem In[X.]esse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzwidrigen [X.], nicht hingegen nach der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klau-selverbots. Der Wert einer angegriffenen Klausel wird dabei regelmäßig in einer Größenordnung bemessen, von
der auch die Vorinstanzen, jedenfalls wenn sie sich -
wie im Streitfall -

Teilklausel an den sonst üblichen Beträgen orientiert haben (vgl. [X.], [X.] vom 28. Oktober 2015 -
III ZR 36/15, juris Rn.
5 mwN), bei ihrer Wert-bemessung ausgegangen sind. Auf diese Weise sollen [X.] vor Kostenrisiken bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeinin[X.]esse eingeräumten Befugnisse zur Bereinigung des Rechtsverkehrs von unwirksa-men [X.] möglichst geschützt werden. Das gilt in gleicher Weise für die nach §
3 ZPO zu schätzende Beschwer der in der Vorinstanz un[X.]legenen [X.], und zwar nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, [X.] auch für die Bemessung der Beschwer des im Un[X.]lassungsprozess un-[X.]legenen Verwenders ([X.], Beschlüsse vom 9. Dezember 2014 -
VIII ZR 160/14, [X.] 2015, 441 Rn. 5; vom 7. Mai 2015 -
I [X.], juris Rn. 6; vom 28. Oktober 2015 -
III ZR 36/15, aaO Rn. 4; jeweils mwN).
2. Diese Grundsätze schließen es zwar nicht von vornherein aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise Rechnung zu tragen, wenn die 4
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Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für de-ren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verall-gemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird ([X.], Beschlüsse vom 28. Oktober 2015 -
III ZR 36/15, aaO Rn.
5; vom 7. Mai 2015 -
I [X.], aaO Rn. 7; vom 9.
Dezember 2014
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VIII ZR 160/14, aaO Rn. 6; vom 10. Dezember 2013 -
XI [X.], [X.], 96 Rn. 6 f.). An einem solchen Ausnahmefall fehlt es im Streitfall jedoch, weil die für die Beurteilung beider Klauselteile entscheidende Frage nach einem Er-satz des Arbeits-
und Zeitaufwandes eines durch Pflichtverletzungen der ande-ren Seite Geschädigten bei der Schadensermittlung und außergerichtlichen Abwicklung des Schadensersatzanspruchs durch eine jahrzehntelange ständige Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich geklärt ist und damit keine zusätzlich klärungsbedürftige Bedeutung mehr für den allgemeinen Rechtsverkehr hat (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Oktober 2015 -
III ZR 36/15, juris Rn. 6).
a) Der [X.] geht in jahrzehntelanger ständiger Rechtspre-chung, der sich etwa auch das [X.] angeschlossen hat ([X.], Urteil vom 23. Januar 1992 -
8 [X.], juris Rn. 35), davon aus, dass ein Geschädig[X.] seinen bei der Schadensermittlung und außergerichtlichen Ab-wicklung seines Schadensersatzanspruchs anfallenden Arbeits-
und [X.], auch wenn er hierfür besonderes Personal einsetzt oder -
wie hier -
die Tätigkeiten ex[X.]n erledigen lässt, bei einer am Schutzzweck der Haftungsnorm sowie an Verantwortungsbereichen und Praktikabilität orientierten Wertung selbst zu tragen hat, sofern der im Einzelfall erforderliche Aufwand -
wie im Streitfall -
die im Rahmen des Üblichen typischerweise zu erbringende Mühe-waltung nicht überschreitet ([X.], Urteile vom 9.
März 1976 -
VI ZR 98/75, 7
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[X.]Z 66, 112, 114 f.; vom 31. Mai 1976 -
II ZR 133/74, WM
1976, 816 un[X.] 2 a; vom 6. November 1979 -
VI [X.], [X.]Z 75, 230, 231 f.; vom 26.
Februar 1980 -
VI ZR 53/79, [X.]Z 76, 216, 218; vom 24.
November 1995
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V [X.], [X.]Z 131, 220, 225; vom 8. November 1994 -
VI ZR 3/94, [X.]Z
127, 348, 352).
Diese höchstrich[X.]liche Rechtsprechung, die unabhängig von der Häu-figkeit der Schadensfälle und/oder einer zumindest kalkulatorischen Zuord-nungsmöglichkeit des Aufwandes zu den einzelnen Schadensfällen angewandt ([X.], Urteile vom 9.
März 1976 -
VI ZR 98/75, aaO S.
117; vom 6. November 1979 -
VI [X.], aaO S. 232 ff.) und genauso für den parallel gelagerten Fall einer prozessualen Kostenerstattung praktiziert worden ist ([X.], Urteile vom 9.
März 1976 -
VI ZR 98/75, aaO S. 115; vom 6. November 1979 -
VI [X.], aaO S.
232; ebenso etwa auch [X.], NVwZ
2005, 466, 467), hat bis in die Gegenwart Bestand (z.B. [X.], Urteile vom 17.
September 2009 -
Xa [X.], [X.], 2398 Rn. 13; vom 8. Mai 2012 -
VI [X.], [X.], 2267 Rn. 7, 10; Beschlüsse vom 7. Mai 2014 -
V [X.], NJW 2014, 2347 Rn. 6; vom 13. November 2014 -
VII ZB 46/12, NJW 2015, 633 Rn. 20 ff.). Sie wird auch in der obergerichtlichen Spruchpraxis durchgängig befolgt (z.B. [X.], Urteil vom 28. Juli 2011 -
29
U 634/11, juris Rn. 54 ff.; [X.] Ham-burg,
NJW 2015, 85, 86; [X.] Koblenz, Urteil vom 30. Juni 2016 -
2
U 615/15, juris Rn. 97).
b) Eine zusätzlich klärungsbedürftige Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsfrage für den allgemeinen Rechtsverkehr folgt entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht daraus, dass im Laufe der [X.] wieder einmal vereinzelte Stimmen im Schrifttum die genannte Rechtspre-chung des [X.] als verfehlt oder als durch angebliche gemein-schaftsrechtliche Vorgaben überholt angegriffen haben.
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Eine solche Bedeutung ergibt sich insbesondere nicht aus der bereits nach ihrem personellen Geltungsbereich nicht einschlägigen Richtlinie 2011/7/[X.] des [X.] und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ([X.].
L
48 S. 1; [X.]), und zwar auch nicht aus der in Art. 6 dieser Richtlinie vorgesehenen pauschalierten Entschädigung für verzugsbedingte "Beitrei-bungskosten" und/oder deren in § 288 Abs. 5 und 6 BGB erfolg[X.] Umsetzung in das nationale [X.] Recht. Denn dass der [X.] Gesetzgeber das in der [X.] (vgl. Art. 1 Abs. 1,
2, Art.
2 Nr. 1 der Richtlinie) konzipierte Entschädigungsprinzip, wie es in den Erwägungsgründen 19 und 20 beschrieben ist, gemäß Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie überschießend auch zu Lasten von Verbrauchern in das von möglicherweise abweichenden Grundsät-zen geprägte nationale Recht umsetzen und damit zugleich bei Entgeltforde-rungen den Ersatz von Verzugsschäden (§
280 Abs.
1,
2, §§ 286, 288 Abs. 4 BGB) in seiner Bemessung von den sonst im Schadensersatzrecht geltenden Zurechnungskri[X.]ien abkoppeln wollte, kann sowohl aufgrund des klaren Wort-lauts von § 288 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 4 BGB als auch nach der insoweit nicht minder klaren Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/1309, S.
19 f.) für ausgeschlossen erachtet werden.
III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zuzulassen hätte. Der Rechtsstreit der [X.] hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer ein-

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heitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider

Dr. Bünger
Kosziol
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.10.2014 -
15 [X.]/12 -

KG Berlin, Entscheidung vom 11.09.2015 -
23 [X.] -

Meta

VIII ZR 239/15

20.09.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2016, Az. VIII ZR 239/15 (REWIS RS 2016, 5281)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5281

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