Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 AZR 93/18

6. Senat | REWIS RS 2019, 7211

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zulage gemäß Protokollnotiz 2 der Anlage 1 zum Kirchlichen Tarifvertrag Diakonie (KTD) - Schichtleitung eines examinierten Altenpflegers


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. November 2017 - 1 Sa 31/17 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. März 2017 - 21 [X.]/16 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Schichtleitungs-Zulage auf der Grundlage eines kirchlichen Tarifvertrags.

2

Der Kläger ist examinierter Altenpfleger und als solcher bei der [X.] bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er ist im Seniorenhaus M in der Wohngruppe III eingesetzt. Dort gibt es eine Wohnbereichsleitung, aber keine stellvertretende Wohnbereichsleitung. In der Stellenbeschreibung des [X.] ist [X.]. vorgesehen, dass er die Wohnbereichsleitung als Schichtleitung vertritt. In dieser Funktion ist er Ansprechpartner für Ärzte, Angehörige der zu pflegenden Personen und Apotheken sowie zuständig für die Arbeitsverteilung nach Art der Tätigkeit und Auswahl der von den Pflegehilfskräften und Auszubildenden durchzuführenden Arbeiten sowie das Notfallmanagement, dh. die Koordination und [X.]enachrichtigung von Notarzt und Rettungswagen im [X.]edarfsfall.

3

Unter den in den Dienstplänen der [X.] mit Kürzeln bezeichneten Diensten finden sich sog. „[X.] (06:15 Uhr bis 14:30 Uhr), „[X.] (13:00 Uhr bis 21:15 Uhr) und „[X.] (20:45 Uhr bis 06:45 Uhr). [X.]ei diesen handelt es sich um „Schichten und Schichtleitung“. Der Kläger war im Zeitraum Juni 2015 bis Mai 2016 überwiegend zu diesen Diensten eingesetzt und dann der einzige examinierte Altenpfleger in seinem Wohnbereich. Die Wohnbereichsleitung war nur während der Überschneidung des „[X.]Frühdienstes des [X.] und ihres „[X.]Spätdienstes von 13:00 Uhr bis 14:30 Uhr zeitgleich mit dem Kläger tätig oder wenn sie [X.]ürotätigkeiten verrichtete (sog. „[X.]). Während dieser stand sie nicht als Ansprechpartnerin für externe Dritte oder Pflegekräfte zur Verfügung. Nachtdienste absolvierte die Wohnbereichsleitung nicht.

4

Auf das Arbeitsverhältnis war im streitgegenständlichen Zeitraum nach Feststellung des [X.] vom 15. August 2002 idF vom 4. Mai 2015 ([X.] 2015) anzuwenden. Regelungen zum Entgelt, das sich nach [X.] und -stufe bemisst, enthalten § 14 [X.] 2015 und die als Anlage 1 hierzu abgeschlossene Entgeltordnung. Nach der Entgeltordnung (im Folgenden [X.]) werden [X.]. Altenpfleger/innen mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung von in der Regel mindestens zweieinhalbjähriger Dauer und entsprechender Tätigkeit nach [X.] 7 Abschnitt A vergütet. In [X.] 7 Abschnitt [X.] sind „Arbeitnehmerinnen in folgenden Funktionen“ eingruppiert: Hauswirtschaftsleitung in einer stationären Einrichtung, Küchenleitung, Schichtleitung und stellvertretende Stationsleitung, Leitung in der ambulanten Pflege, Kindertagesstättenleitung sowie Hauswirtschaftsleitung in einem Krankenhaus mit bis zu 400 [X.]etten. Die [X.]. im Falle der Schichtleitung in [X.]ezug genommene Protokollnotiz 2 der Anlage 1 zum [X.] 2015 sieht die Zahlung einer Zulage in Höhe der Hälfte des [X.] zwischen der entsprechenden Stufe der [X.] und der gleichen Stufe der nächsthöheren [X.] vor.

5

Der Kläger erhielt im Streitzeitraum eine monatliche Vergütung nach der [X.] 7 Abschnitt A [X.] in Höhe von 3.037,00 [X.] brutto, ab dem 1. Jan[X.]r 2016 in Höhe von 3.119,00 [X.] brutto. Die monatliche Vergütung der nächsthöheren [X.] 8, nach der die Wohnbereichsleitung vergütet wurde, betrug 3.469,00 [X.] brutto, ab dem 1. Jan[X.]r 2016 3.563,00 [X.] brutto. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 forderte er von der [X.] erfolglos die Zahlung der Zulage nach der Protokollnotiz 2 der Anlage 1 zum [X.] 2015 ab Juni 2015.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die Zulage in Höhe von 216,00 [X.] bzw. ab Jan[X.]r 2016 222,00 [X.] monatlich zu. Hierzu sei erforderlich, aber auch ausreichend, dass ein der [X.] 7 Abschnitt A [X.] unterfallender Mitarbeiter mit einer in [X.] 7 Abschnitt [X.] [X.] genannten Funktion betraut werde. Das sei bei ihm der Fall. Er übe überwiegend Schichtleitungstätigkeiten aus.

7

Der Kläger hat zusammengefasst beantragt,

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum vom 1. Juni 2015 bis zum 31. Oktober 2016 insgesamt einen [X.]etrag von 3.732,00 [X.] brutto zuzüglich Zinsen in im Einzelnen genannter, gestaffelter Höhe zu zahlen.

8

Die [X.]eklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Zahlung der Zulage setze voraus, dass mit der Übertragung der in [X.] 7 Abschnitt [X.] [X.] genannten Funktion die tatsächliche Ausübung einer solchen Tätigkeit einherzugehen habe, die zudem eine entsprechende Gesamtverantwortung aufweisen müsse. Das folge aus der Überlegung, dass die Schichtleitung im Hinblick auf die wahrzunehmende Gesamtverantwortung mit den übrigen in [X.] 7 Abschnitt [X.] [X.] genannten Funktionen, denen die Zulage zustehe, insbesondere der stellvertretenden Stationsleitung, vergleichbar sein müsse. Zudem sei der Kläger nur dann Schichtleiter, wenn die Wohnbereichsleitung abwesend sei und tatsächlich Vertretungsaufgaben erledigt werden müssten. Dies entspreche nicht mindestens 50 % seiner Tätigkeit.

9

Das [X.] hat die gegen das stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts gerichtete [X.]erufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die [X.]eklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht die Zulage gemäß der Protokollnotiz 2 der Anlage 1 zum [X.] 2015 für die Monate Juni 2015 bis Oktober 2016 nicht zu. Er hatte in diesem Zeitraum nicht die Funktion einer Schichtleitung im Sinne der [X.] 7 Abschnitt [X.] auszuüben.

I. Gemäß § 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 [X.] 2015 ist die Arbeitnehmerin in der [X.] eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist nach Satz 3 dieser Tarifnorm der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderung eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrere Tätigkeitsmerkmale dieser [X.] erfüllen.

Gemäß der als Anlage 1 zum [X.] 2015 erlassenen Entgeltordnung sind Arbeitnehmerinnen mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung von in der Regel mindestens zweieinhalbjähriger Dauer und entsprechender Tätigkeit in einem der nachfolgend abschließend aufgezählten Berufe, ua. dem Beruf der Altenpflegerin, in die [X.] 7 Abschnitt [X.] eingruppiert. Unter [X.] 7 Abschnitt [X.] fallen „Arbeitnehmerinnen in folgenden Funktionen: … Schichtleitung, …“.

II. Der Anspruch des [X.] scheitert entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daran, dass er zeitlich nicht mindestens zur Hälfte tatsächlich Schichtleitungstätigkeiten ausübte. Für die Erfüllung des [X.] der Schichtleitung kommt es nicht auf den zeitlichen Umfang der tatsächlichen Wahrnehmung von Schichtleitungstätigkeiten, sondern auf die bloße Übertragung dieser Funktion an. Dem [X.] muss diese Funktion jedoch in dem von § 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3 [X.] 2015 geforderten zeitlichen Umfang übertragen worden sein. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

1. Die [X.]e in den [X.]n 1 bis 6 [X.] setzen Tätigkeiten eines bestimmten Inhalts voraus. Das sind „einfache Tätigkeiten“ ([X.] 1) bzw. Tätigkeiten, die eine „Einübung“ bzw. eine „fachliche Einarbeitung“ erfordern ([X.] 2 bzw. 3). In den [X.]n 4 und 6 [X.] fordert der Tarifvertrag eine mindestens einjährige bzw. in der Regel mindestens zweieinhalbjährige, erfolgreich abgeschlossene Ausbildung und entsprechende Tätigkeiten. Nach der [X.] 5 [X.] sind Arbeitnehmerinnen der [X.] 4 mit schwierigen fachlichen Tätigkeiten zu vergüten. Zu jeder dieser [X.]n nennt der Tarifvertrag [X.]. Erstmals die [X.] 7 Abschnitt [X.] ist berufsbezogen. Sie setzt eine Ausbildung von in der Regel mindestens zweieinhalbjähriger Dauer und entsprechende Tätigkeiten in einem der abschließend aufgezählten Berufe, unter denen sich der Beruf der Altenpflegerin findet, voraus. [X.] wie die vorherigen [X.]n kennt die [X.] 7 Abschnitt [X.] nicht.

Die [X.] 7 Abschnitt [X.] spricht demgegenüber von „Arbeitnehmerinnen in folgenden Funktionen“. Damit macht der Tarifvertrag nach seinem klaren Wortlaut die Eingruppierung in diese [X.] nicht von einer bestimmten Tätigkeit (in einem bestimmten Beruf), sondern von einem [X.] abhängig. Bei solchen Merkmalen ist die gesamte Tätigkeit in dieser Funktion als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu werten (vgl. nur [X.] 7. Juni 2006 - 4 [X.]/05 - Rn. 17). Die Arbeitnehmerin muss daher nicht mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit tatsächlich Einzeltätigkeiten der dort genannten Funktion ausüben (vgl. [X.] 23. Januar 1985 - 4 [X.] - juris-Rn. 18; zum [X.] der „ständigen Vertretung“ iSd. § 12 [X.]/[X.] ebenso [X.] 23. Februar 2011 - 4 [X.] - Rn. 23 mwN).

2. Nach dem [X.] 2015 ist es deshalb denkbar, dass neben Arbeitnehmern, die ausschließlich als Schichtleitung eingesetzt sind, auch solche Arbeitnehmer die Voraussetzungen der [X.] 7 Abschnitt [X.] erfüllen, die - wie der Kläger - beispielsweise Tätigkeiten eines Altenpflegers leisten und denen daneben eine der im Tarifvertrag genannten Funktionen nur für den Fall der Abwesenheit eines anderen Beschäftigten übertragen ist. In diesen Vertretungsfällen führt jedoch der Umstand, dass es sich bei den in [X.] 7 Abschnitt [X.] genannten Merkmalen um [X.]e handelt, nicht dazu, dass es auf den zeitlichen Anteil der Funktionsübertragung nicht ankommt. Die Tätigkeit der betreffenden [X.] setzt sich vielmehr aus mindestens zwei Arbeitsvorgängen zusammen. Das sind einerseits die Wahrnehmung der Funktion im Vertretungsfall und andererseits die übrigen übertragenen Tätigkeiten, beim Kläger die des Altenpflegers (vgl. [X.] 23. Januar 1985 - 4 [X.] - juris-Rn. 12, 18). Letztgenannte Tätigkeiten können uU ihrerseits wiederum aus mehreren Arbeitsvorgängen bestehen.

Dabei kommt es in den [X.] nicht darauf an, welche Einzeltätigkeiten wahrgenommen werden. Denn während dieser Zeiten erfüllt der Beschäftigte das [X.] für seine gesamte Arbeitszeit, unabhängig von den Aufgaben, die er im Einzelnen wahrnimmt. Außerhalb der Vertretungszeit ist das [X.] aber nicht erfüllt. Darin liegt der Unterschied zum ständigen Vertreter. Dieser ist während der gesamten Arbeitszeit mit Leitungsaufgaben befasst. Er erfüllt damit das [X.] der Leitung während seiner gesamten Arbeitszeit, so dass die Tätigkeit nicht weiter aufspaltbar ist ([X.] 23. Januar 1985 - 4 [X.] - juris-Rn. 18). Damit ist es für den [X.] erforderlich, dass er eine der in [X.] 7 Abschnitt [X.] genannten Funktionen in dem von § 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3 [X.] 2015 geforderten zeitlichen Umfang ausübt, um die Zulage nach der Protokollnotiz 2 der Anlage 1 zum [X.] 2015 zu erhalten.

3. Das [X.] hat zwar keine eigenen Arbeitsvorgänge gebildet. Diese Bestimmung kann der Senat jedoch selbst vornehmen. Die erforderlichen Tatsachenfeststellungen hat das Berufungsgericht getroffen. Die Wahrnehmung der Funktion des Schichtleiters wäre - sofern die Abwesenheitsvertretung der Wohnbereichsleitung die Voraussetzungen dieses Merkmals in [X.] 7 Abschnitt [X.] erfüllte - ein einheitlicher Arbeitsvorgang. Der Kläger hatte zeitlich mindestens zur Hälfte seiner Arbeitszeit die Wohnbereichsleitung zu vertreten. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s war für die überwiegende Zeit der Tätigkeit des [X.] keine Wohnbereichsleitung anwesend. Der Kläger war mehrheitlich zu „[X.], „[X.] und „N1“-Diensten eingeteilt. Er war dann der einzige examinierte Altenpfleger in seinem Wohnbereich. Die Wohnbereichsleitung war nur zeitgleich anwesend, wenn sich der „[X.]Dienst des [X.] und ihr „[X.]Dienst zwischen 13:00 Uhr und 14:30 Uhr überschnitten oder sie Bürotätigkeiten verrichtete (sog. „[X.]). Ob sie dann nicht als Ansprechpartnerin für Pflegekräfte oder andere Personen zur Verfügung stand und somit ebenfalls der Vertretungsfall vorlag, braucht dabei nicht entschieden zu werden.

III. Der Kläger nimmt jedoch, anders als das [X.] angenommen hat, in den [X.] ungeachtet der Stellenbeschreibung nicht die Funktion der Schichtleitung im Sinne des [X.] 2015 wahr.

1. Den Begriff der Schichtleitung definiert der Tarifvertrag selbst nicht. Seine Bedeutung ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen, insbesondere des Wortlauts, von dem bei einer Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist, und unter Berücksichtigung der tariflichen Systematik sowie des Sinn und Zwecks einer [X.], sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat, zu ermitteln (vgl. zuletzt [X.] 22. März 2018 - 6 [X.] - Rn. 17; 20. September 2017 - 6 [X.] - Rn. 33, [X.]E 160, 192; 16. November 2011 - 10 [X.] - Rn. 16). Bei der Wortlautauslegung ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff in dem Sinne gebraucht haben, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind ([X.] 8. Juli 2009 - 10 [X.] - Rn. 19; 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 21, [X.]E 129, 355).

a) Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch ist Leiter jemand, der etwas leitet ([X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „Leiter “), der leitend an der Spitze von etwas steht ([X.] Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl. Stichwort „ Leiter“). Dabei bestimmt auch der Gegenstand der Leitungstätigkeit das Tatbestandsmerkmal des Leiters (vgl. [X.] 23. Oktober 1996 - 4 [X.] - zu III 5.1 der Gründe). Das ist im Falle der Schichtleitung im Sinne der [X.] 2015 die Schicht als eine Gruppe von gemeinsam Arbeitenden (vgl. [X.] aaO Stichwort „Schicht“ zu 3 b). Als [X.] ist für den Begriff des Leiters weiter erforderlich, dass dieser für eine Einrichtung, einen Teil derselben oder einen abgrenzbaren Aufgabenbereich die Verantwortung trägt (vgl. zum Begriff des Leiters als [X.] des BAT [X.] 13. Dezember 1995 - 4 [X.] - zu II 4 a der Gründe; 5. April 1995 - 4 [X.] - zu II 5 a der Gründe). Die Schichtleitung steht mithin an der Spitze der in der jeweiligen Schicht tätigen Arbeitnehmer und trägt für diesen abgrenzbaren Bereich die Verantwortung. Danach wäre der Kläger in den Zeiten der Abwesenheit der Wohnbereichsleitung Schichtleiter.

b) Dabei stellt der Tarifvertrag nach dem Wortlaut zunächst keine weiteren Anforderungen an die Schichtleitung. Anders als im Falle einer Arbeitnehmerin in der Funktion der Hauswirtschaftsleitung in einer stationären Einrichtung wird im Falle der Schichtleitung nicht auf die Protokollnotiz 1 der Anlage 1 zum [X.] 2015 verwiesen. Diese setzt für die Hauswirtschaftsleitung in einer stationären Einrichtung in sieben Ziffern aufgezählte unverzichtbare Aufgaben, ua. den Einkauf, die Vorratswirtschaft oder die Beteiligung an der Aufstellung und Durchführung des Wirtschaftsplans für ihren Bereich voraus. Entsprechende Vorgaben macht der Tarifvertrag für die Schichtleitung nicht.

c) Allerdings folgt bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass es sich bei einer Funktion um ein Amt oder eine Stellung, das/die jemand in einem bestimmten größeren Ganzen wie einer Organisation innehat, handelt (vgl. [X.] Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl. Stichwort „Funktion“ zu 1 b). Das [X.] setzt mithin eine Institutionalisierung dergestalt voraus, dass bestimmte Aufgaben gebündelt und eingebettet in eine hierarchische Struktur wahrgenommen werden. Im Bereich der Pflege kommen insoweit typischerweise die Funktionen [X.], Pflegedienstleitung und Heimleitung in Betracht. Dem entspricht die bei der Beklagten vorzufindende institutionalisierte Leitungsstruktur.

d) Die Systematik des Tarifvertrags bestätigt, dass eine Eingruppierung in die [X.] 7 Abschnitt [X.] auch im Falle der Schichtleitung Tätigkeiten voraussetzt, die die Planung, Organisation, Anweisung, Koordination und Kontrolle und damit die organisatorische Gesamtzuständigkeit für den entsprechenden Bereich beinhalten und der betreffende Arbeitnehmer diesbezüglich die Verantwortung tragen muss. Wie die weiteren, abschließend aufgeführten [X.]e der Küchenleitung, stellvertretenden Stationsleitung, Leitung in der ambulanten Pflege, Kindertagesstättenleitung und Hauswirtschaftsleitung in einem Krankenhaus mit bis zu 400 Betten zeigen, handelt es sich jeweils um Funktionen, bei denen der Stelleninhaber nicht nur rein tatsächlich [X.] erster Ansprechpartner ist. Vielmehr nennt der Tarifvertrag hier Funktionen, mit denen typischerweise förmliche Unterstellungsverhältnisse verbunden sind und die einen umfassenden Aufgabenzuschnitt für den betreffenden Verantwortungsbereich aufweisen, der planerische, organisatorische, personelle, koordinierende und kontrollierende Aspekte beinhaltet.

e) Für dieses aus der Tarifsystematik folgende Verständnis des Begriffs der Schichtleitung spricht zudem die Vorbemerkung Nr. 2 der Anlage 1 zum [X.] 2015. Diese bestimmt, dass Arbeitnehmerinnen, die als ständige Stellvertretung benannt werden, in der Entgeltordnung eine [X.] niedriger eingruppiert sind als die zu vertretende Leitung. Dementsprechend wäre eine als ständige Vertreterin der Wohnbereichsleitung benannte Beschäftigte ausgehend von einer Vergütung der Wohnbereichsleitung selbst nach [X.] 8 Abschnitt [X.] nach der [X.] 7 [X.] zu vergüten, ohne dass ihr die Zulage nach der Protokollnotiz 2 der Anlage 1 zum [X.] 2015 zustünde. Dieser inneren Struktur des [X.] 2015 widerspräche es, wenn ein lediglich als [X.] für die Wohnbereichsleitung bestellter Beschäftigter wie der Kläger (vgl. zur Unterscheidung [X.] - ständiger Vertreter [X.] 23. Februar 2011 - 4 [X.] - Rn. 25 mwN) Vergütung nach [X.] 7 [X.] zuzüglich dieser Zulage erhielte.

2. Danach war der Kläger im vorliegenden Fall nicht mit der Funktion einer Schichtleitung im Sinne des [X.] 2015 betraut. Er war nach seinem eigenen Vortrag lediglich erster Ansprechpartner für andere Arbeitnehmer der Schicht oder Ärzte, Angehörige bzw. Apotheken. Auch war er zuständig für die Arbeitsverteilung nach Art der Tätigkeit und Auswahl der von den Pflegehilfskräften und Auszubildenden durchzuführenden Arbeiten sowie das Notfallmanagement. Dies erfüllt aber nicht die vom Tarifvertrag vorausgesetzte organisatorische Gesamtzuständigkeit für die Schicht. Der Kläger hat nicht sowohl planerische, organisatorische, personelle, koordinierende als auch kontrollierende Aufgaben wahrzunehmen. Auch sind ihm andere Beschäftigte nicht förmlich unterstellt. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass es bei der Beklagten keine institutionalisierte Schichtleitung als eigenständige Hierarchieebene unterhalb der Ebenen Heimleitung, Pflegedienstleitung und Wohnbereichsleitung gibt. Der Kläger ist vielmehr rein tatsächlich [X.] erster Ansprechpartner in seiner Schicht. Dabei darf auch nicht verkannt werden, dass ihm ausweislich seiner Stellenbeschreibung bereits in seiner Tätigkeit als examinierte Pflegefachkraft jedenfalls zum Teil solche Aufgaben übertragen sind, die er nun als zulagenbegründend heranzieht. So obliegen ihm als bewohnerbezogene Aufgaben das Führen von Beratungsgesprächen, die Kommunikation mit den behandelnden Ärzten, mit Angehörigen/Betreuern sowie Gespräche mit und bezüglich Bewohner/innen, auch mit deren Angehörigen und Dritten, die in die Pflege einbezogen sind. Als mitarbeiterbezogene Aufgaben hat der Kläger als examinierte Pflegefachkraft ungelernte und/oder teilqualifizierte Mitarbeiter/innen anzuleiten und zu beraten. Das Gleiche gilt im Hinblick auf Praktikant/innen und Auszubildende. Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht gehören diese Aufgaben zum Berufsbild des examinierten Altenpflegers bzw. des [X.] (vgl. § 3 Abs. 1 Altenpflegegesetz, ab 1. Januar 2020 § 5 Abs. 3 iVm. § 64 Pflegeberufegesetz).

IV. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

    Heinkel    

        

        

        

    Wollensak    

        

    M. Kreis    

                 

Meta

6 AZR 93/18

16.05.2019

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamburg, 21. März 2017, Az: 21 Ca 250/16, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 AZR 93/18 (REWIS RS 2019, 7211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7211

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 Sa 31/17 (Landesarbeitsgericht Hamburg)


6 AZR 331/19 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung AVR Caritas - Praxisanleiter


4 AZR 161/20 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung eines (Teilzeit-)Praxisanleiters - Funktionsmerkmal - Bestimmung von Arbeitsvorgängen - organisatorische Trennung zugewiesener Tätigkeiten


6 AZR 142/21 (Bundesarbeitsgericht)

Zulage für Vertretungstätigkeit eines handwerklich Beschäftigten - Weitergeltung BMT-G-O und TV Lohngruppenverzeichnis


4 AZR 218/20 (Bundesarbeitsgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

2 Sa 190/19

7 TaBV 27/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.