Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.05.2010, Az. 7 B 18/10

7. Senat | REWIS RS 2010, 6362

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax; Beweislast bei technischer Störung


Gründe

1

Die [X.]eschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden ist.

2

Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des [X.] vom 26. November 2009 ist den Prozessbevollmächtigten der [X.]eigeladenen am 30. Dezember 2009 zugestellt worden. Die [X.] des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO endete somit am Montag, dem 1. März 2010. Die [X.]egründung der [X.]eschwerde ist per Fax erst am 2. März 2010 und damit verspätet beim Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht eingegangen.

3

Dem Antrag der [X.]eigeladenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO konnte nicht stattgegeben werden, weil ihr Prozessbevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzuhalten.

4

Die Versäumung einer Frist ist grundsätzlich dann verschuldet, wenn der [X.]eteiligte die Sorgfalt außer [X.] gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigen zuzurechnen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO; vgl. Urteil vom 8. März 1983 - [X.]VerwG 1 C 34.80 - [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 129 und [X.]eschluss vom 23. Februar 1996 - [X.]VerwG 8 [X.] - [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 204 jeweils m.w.N.). Die "[X.]eweislast" für die Umstände, die dafür sprechen, dass die Fristversäumnis unverschuldet war, liegt bei dem [X.]etroffenen, der die Wiedereinsetzung begehrt (Kopp/[X.], VwGO, 16. Aufl. 2009, § 60 Rn. 29).

5

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass wegen des Anspruchs auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der [X.]etroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannt werden dürfen. Namentlich bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionstüchtigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der [X.] das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24.00 Uhr zu rechnen ist. [X.]ei Störungen des Empfangsgeräts und/oder der Leitung, die gemeinsam mit dem Empfangsgerät die vom Gericht eröffnete Zugangsmöglichkeit darstellt, liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumnis in der Sphäre des Gerichts ([X.], [X.] vom 1. August 1996 - 1 [X.]vR 121/95 - NJW 1996, 2857; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 13. November 1996 - [X.]VerwG 7 [X.] 304.96 - [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 206). Wird eine Fristversäumung auf eine technische Störung des eigenen Telefaxgeräts zurückgeführt, ist Voraussetzung für die Wiedereinsetzung, dass dargelegt und glaubhaft gemacht wird, dass ein einen bloßen [X.]edienungsfehler ausschließender technischer Defekt des Sendegeräts aufgetreten ist, der nicht vorhersehbar war (sog. Spontanversagen; vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 10. Oktober 2006 - XI Z[X.] 27/05 - NJW 2007, 601 f.; [X.]FH, [X.]eschluss vom 13. Juni 2002 - IX [X.] 215/01 - [X.]FH/NV 2002, 1159 f.). Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bei einem solchen Spontanversagen des Sendegeräts nur dann abzulehnen, wenn der Ausfall zu einem Zeitpunkt eingetreten oder konkret vorhersehbar gewesen ist, als noch eine Übermittlung der [X.] auf einem anderen Wege möglich und zumutbar war (vgl. [X.]SG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 - [X.]SGE 72, 158 ff.).

6

Ebenfalls geklärt ist, dass eine Frist im Interesse des Rechtsschutz suchenden [X.]ürgers bis zuletzt ausgeschöpft werden kann. Wer eine Rechtsmittefrist voll ausnutzt, nimmt jedoch eine "erhöhte Sorgfaltspflicht" für die Fristwahrung auf sich ([X.]eschluss vom 29. Mai 1991 - [X.]VerwG 8 C 60.90 - juris; [X.]FH, [X.]eschluss vom 25. November 2003 - [X.]/03 - [X.]FH/NV 2004, 519; [X.]GH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - [X.] - NJW 1992, 244). So hat ein Rechtsanwalt etwa dem Phänomen, dass der gerichtseigene [X.] durch andere eingehende Sendungen kurz vor Fristablauf vielfach belegt ist, im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen ([X.], [X.] vom 19. November 1999 - 2 [X.]vR 565/98 - NJW 2000, 574; vgl. auch [X.]FH, [X.]eschluss vom 25. November 2003 a.a.[X.]). Dabei ist es kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender des Telefax nicht rechnen muss, wenn das Empfangsgerät in den Abendstunden und Nachtstunden für eine Zeit von zwanzig Minuten belegt ist ([X.]FH, [X.]eschluss vom 28. Januar 2010 - VIII [X.] 88/09 - [X.]FH/NV 2010, 919).

7

[X.]ei Anlegung dieser Maßstäbe kann den [X.]eigeladenen Wiedereinsetzung in die Frist zur [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden. Ihr Prozessbevollmächtigter hat innerhalb der Monatsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO nicht dargelegt, dass er ohne Verschulden gehindert war, die [X.]egründungsfrist einzuhalten.

8

Zur [X.]egründung des [X.] hat der Prozessbevollmächtigte der [X.]eigeladenen mit Schriftsatz vom 2. März 2010 ausgeführt:

9

Die letzte Überarbeitung des Schriftsatzes mit der [X.]eschwerdebegründung sei am 1. März 2010 bei ihm zu Hause um 23.45 Uhr erfolgt. Nach dem Ausdruck habe er den unterschriebenen Schriftsatz in das Faxgerät gelegt und die Nummer des [X.] gewählt. Die Sendung sei nicht per Fax übermittelt worden. Das Gerät habe die Mitteilung gesprochen: "Die von ihnen gewünschte Verbindung mit diesem Dienst oder Dienstmerkmal ist nicht möglich." Mehrfache Versuche, die Übermittlung zu wiederholen, seien gescheitert. Mit dem Faxgerät, das seiner Lebensgefährtin - einer Rechtsanwältin - gehöre, seien bislang unzählige Sendungen problemlos versandt worden. Ein anderes Faxgerät in der Nähe habe nicht zur Verfügung gestanden. Das Faxgerät in seiner Kanzlei hätte er auch unter Verletzung von Verkehrsvorschriften nicht mehr rechtzeitig erreichen können.

Zur Glaubhaftmachung seiner Angaben hat der Prozessbevollmächtigte der [X.]eigeladenen drei Fehlerberichte des Telefaxgeräts seiner Lebensgefährtin vom 1. bzw. 2. März 2010 (von 23.46 Uhr, 23.54 Uhr und 00.03 Uhr) sowie einen Auszug aus einem [X.] vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 16. April 2010 hat er überdies einen Auszug aus der [X.]edienungsanleitung des Faxgeräts vorgelegt. Aus alledem ergibt sich nicht, dass der Prozessbevollmächtigte der [X.]eigeladenen alles seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan hat.

Auf der Grundlage der dienstlichen Stellungnahme des Präsidenten des [X.] vom 24. März 2010 kann ausgeschlossen werden, dass die entscheidende Ursache für die fehlgeschlagene Sendung in der Sphäre des [X.] liegt. Danach war das Faxgerät des [X.] im maßgeblichen Zeitraum ordnungsgemäß in [X.]etrieb und empfangsbereit. In den [X.] sei kein Einwahlversuch eines Faxgeräts mit der Nummer +494060951... ersichtlich. Außerhalb der Dienstzeit seien am Abend des 1. März 2010 und am Morgen des 2. März 2010 Telefaxe korrekt eingegangen.

Ist die Sendung demnach nicht wegen einer Störung des Empfangsgeräts oder der Leitung fehlgeschlagen, kann die Ursache für das Fehlschlagen der Sendung nur in der Sphäre des Prozessbevollmächtigten der [X.]eigeladenen, etwa in einer fehlerhaften [X.]edienung des Sendegeräts oder einem technischen Defekt des Sendegeräts liegen. Wiedereinsetzung könnte bei dieser Sachlage nach der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung nur dann gewährt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte der [X.]eigeladenen dargelegt und glaubhaft gemacht hätte, dass die Übermittlung der [X.]eschwerdebegründung nicht wegen eines [X.]edienungsfehlers, sondern eines unvorhersehbaren technischen Defekts des Sendegeräts fehlgeschlagen ist. Dazu hätte etwa dargetan und glaubhaft gemacht werden müssen, dass das Faxgerät normalerweise zuverlässig funktioniert hat und im [X.] an die gescheiterten Übertragungsversuche gewartet oder repariert werden musste. Alternativ hätte eine sonstige, plausible (vorübergehende) Störung dargelegt werden müssen (z.[X.]. Stromausfall o.ä.; vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 10. Oktober 2006 a.a.[X.] Rn. 12; [X.], [X.]eschluss vom 27. März 2007 - 10 U 26/06 - juris Rn. 7). Daran fehlt es. Der Prozessbevollmächtigte der [X.]eigeladenen hat weder näher ausgeführt, welche Art von Störung sich hinter der Mitteilung "Die von ihnen gewünschte Verbindung mit diesem Dienst oder Dienstmerkmal ist nicht möglich" verbirgt, noch hat er sonst dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ein [X.]edienungsfehler oder ein vorhersehbarer technischer Defekt ausgeschlossen werden können. Etwas anderes folgt auch nicht aus seinem Vorbringen, von dem fraglichen Gerät aus seien zuvor unzählige Sendungen problemlos übermittelt worden. Abgesehen davon, dass auch dieses Vorbringen unsubstantiiert geblieben ist, wäre auch dann nicht ausgeschlossen, dass die Übermittlung der [X.]eschwerdebegründung aufgrund eines [X.]edienungsfehlers fehlgeschlagen ist. Die gegenteilige [X.]ehauptung des Prozessbevollmächtigten der [X.]eigeladenen im Schriftsatz vom 16. April 2010, "zumindest kann eine Fehlbedienung des Geräts oder eine fehlerhafte Verbindung des Geräts mit der Stromzufuhr und dem Telefonnetz ausgeschlossen werden", wird - abgesehen davon, dass die Monatsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO bereits Anfang April 2010 abgelaufen war - durch nichts belegt. Aus den vorgelegten [X.] ergibt sich nur, dass der Prozessbevollmächtigte der [X.]eigeladenen die richtige [X.] eingegeben hat. Dies schließt aber andere [X.]edienungsfehler nicht aus.

Meta

7 B 18/10

25.05.2010

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 26. November 2009, Az: 1 LB 23/08, Urteil

§ 60 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.05.2010, Az. 7 B 18/10 (REWIS RS 2010, 6362)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6362

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