Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.07.2015, Az. 2 StR 16/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8046

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Gegenstand

Strafverfahren wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs: Abgrenzung von Betrug und Computerbetrug


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]      wird das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2014, auch soweit es die Angeklagten [X.]     und [X.]     betrifft,

a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Angeklagten [X.]      und [X.]     jeweils des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in fünf Fällen, der Angeklagte [X.]    in vier Fällen schuldig sind,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen für die drei Angeklagten im Fall II.2. der Urteilsgründe und im jeweiligen Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten [X.]      , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]      wegen gewerbs- und bandenmäßigen [X.] in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßig begangenen [X.]etrugs, unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg und ist insoweit auf die [X.] zu erstrecken.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s beschlossen die gesondert Verfolgten [X.]und [X.]im [X.] 2012, gemeinsam mit jeweils mindestens einem weiteren [X.]eteiligten in wechselnder [X.]esetzung älteren Personen durch Täuschungen die [X.]ankkarte nebst Geheimzahl abzunehmen und damit an Geldautomaten Geld vom Konto der Geschädigten abzuheben. Zunächst begingen [X.]und [X.]       mit den ebenfalls gesondert Verfolgten [X.], S.     S.     , [X.]und              [X.]    derartige Taten, später kamen andere [X.]eteiligte hinzu, darunter auch der gesondert Verfolgte        [X.]     . Umgekehrt schieden im Lauf der [X.] einzelne [X.]andenmitglieder aus, darunter der gesondert verfolgte [X.], der sich dann einer anderen Gruppe um die hier Angeklagten [X.]      , [X.]    und [X.]anschloss, die gleichartige Taten beging. Dies betrifft die abgeurteilten Taten, an denen der gesondert Verfolgte [X.]in vier Fällen als Anrufer beteiligt war, im letzten Fall der gesondert Verfolgte [X.]    .

3

[X.]ei den Taten trat ein Anrufer in Telefonkontakt zum jeweiligen Geschädigten. Dabei handelte es sich um Personen im Alter zwischen 63 und 99 Jahren. Diese wurden vor allem aus einer vorhandenen Datensammlung ausgewählt. Der Anrufer gab sich als Mitarbeiter einer [X.]ank aus und behauptete, dass ein Hackerangriff auf das Computersystem der [X.]ank stattgefunden habe, wodurch vom Konto der Geschädigten ungewöhnliche Auslandsüberweisungen getätigt würden, oder es wurden sonstige Unregelmäßigkeiten vorgespiegelt, durch die das Vermögen des jeweiligen Geschädigten in Gefahr sei. Sodann kündigte der Anrufer an, ein anderer [X.]ankmitarbeiter werde alsbald bei dem jeweiligen Geschädigten erscheinen und die [X.]ankkarte in Empfang nehmen; diese müsse überprüft werden. Außerdem wurde den Geschädigten die Geheimzahl zu ihrem [X.]ankkonto entlockt. Das Gespräch wurde von einem anderen Tatbeteiligten, dem sogenannten Logistiker, mitgehört. Dieser gab die Informationen über Name und Adresse des jeweiligen Geschädigten und die diesem vorgespiegelte Legende an einen anderen Tatbeteiligten weiter, der sich noch während des Gesprächs des [X.] zum Geschädigten machte. In einem Fall forderte der Anrufer vom Geschädigten auch, im Haus befindliche [X.]argeldbeträge zwecks Überprüfung zur Verfügung zu stellen. Er spiegelte dazu vor, es könne sich um Falschgeld oder Fehldrucke handeln. [X.]edenken der Angerufenen wurden mit Ausreden ausgeräumt. Der Anrufer verhinderte auch eine telefonische Rückfrage des Geschädigten bei seiner [X.]ank. Hatte der [X.] die [X.]ankkarte des Geschädigten entgegengenommen, nutzte er diese alsbald zu [X.] am nächstgelegenen Geldautomaten. Das abgehobene Geld und der durch Täuschung entgegengenommene [X.]argeldbetrag wurden unter den Tatbeteiligten aufgeteilt.

4

In vier der hier abgeurteilten Fälle wirkte der Angeklagte [X.]      als "Logistiker" mit, in diesen Fällen auch der Angeklagte [X.]        als "[X.]", in allen fünf Fällen der Angeklagte [X.]    als [X.]egleitperson des jeweiligen [X.]s. Im fünften Fall waren der gesondert Verfolgte [X.]       der Anrufer und der gesondert verfolgte [X.].    der [X.].

5

2. Das [X.] hat die Tat im zweiten Fall als gewerbs- und bandenmäßigen [X.]etrug angesehen, soweit die Täter der Geschädigten dabei durch die Täuschungshandlung [X.]argeld abgenommen haben. [X.] damit hat es gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrug angenommen. In den übrigen Fällen haben die Täter sich nur die [X.]ankkarte des Geschädigten nebst Geheimzahl verschafft und damit anschließend Geld abgehoben. Insoweit ist das [X.] von gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrug ausgegangen.

II.

6

Die Revision des Angeklagten [X.]       ist teilweise begründet.

7

1. Ein Verfahrenshindernis liegt aus den vom [X.] genannten Gründen nicht vor. Die Verfahrensrüge der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes greift aus den von ihm genannten Gründen ebenfalls nicht durch.

8

2. Aufgrund der Sachrüge des Angeklagten [X.]       ist das angefochtene Urteil abzuändern. Der Angeklagte hat nicht (gewerbs- und bandenmäßigen) Computerbetrug gemäß § 263a Abs. 1 [X.]. 3 und Abs. 2 StG[X.] begangen, sondern (gewerbs- und bandenmäßigen) [X.]etrug im Sinne von § 263 Abs. 1 und 5 StG[X.], soweit er als Mittäter den Geschädigten die [X.]ankkarten nebst Geheimnummer mithilfe einer Täuschung abgenommen hat, damit anschließend Geld abgehoben werden konnte.

9

a) Der Tatbestand des [X.] ist nicht erfüllt, da die Mittäter die [X.]ankkarten und Geheimnummern nicht "unbefugt" im Sinne von § 263a Abs. 1 StG[X.] benutzt haben. Wer vom berechtigten Karteninhaber die [X.]ankkarte und die Geheimnummer durch dessen Verfügung erhält und damit Abhebungen an Geldautomaten vornimmt, begeht keinen Computerbetrug.

Dies folgt aus der verfassungsrechtlich gebotenen einschränkenden Auslegung des Tatbestands des [X.] (vgl. [X.]ger in [X.], StG[X.], 28. Aufl., § 263a Rn. 12). Danach handelt nicht schon derjenige "unbefugt", der Daten entgegen dem Willen des [X.]erechtigten verwendet oder die verwendeten Daten rechtswidrig erlangt hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 2005 - 4 [X.], [X.]St 50, 174, 179; a.A. SSW/Hilgendorf, StG[X.], 2014, § 263a Rn. 14; [X.], StG[X.], 4. Aufl., § 263a Rn. 27). Aus der im Verhältnis zum berechtigten Karteninhaber missbräuchlichen Verwendung der [X.]ankkarte mit der Geheimzahl folgt auch keine fehlerhafte [X.]eeinflussung der automatisierten Abläufe (so die "computerspezifische Auslegung"). Nach der Rechtsprechung des [X.] ist der Anwendungsbereich des § 263a Abs. 1 [X.]. 3 StG[X.] unter [X.]erücksichtigung des Zwecks der Vorschrift durch Struktur- und Wertgleichheit mit dem [X.] bestimmt. Mit § 263a StG[X.] sollte lediglich die [X.] geschlossen werden, die dadurch entstanden war, dass der Tatbestand des [X.]etrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die beim Einsatz von EDV-Anlagen fehlen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 21. November 2001 - 2 [X.], [X.]St 47, 160, 162). Das Tatbestandsmerkmal "unbefugt" erfordert daher eine betrugsspezifische Auslegung (vgl. [X.], Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 376/91, [X.]St 38, 120, 124; [X.]eschluss vom 21. November 2001 - 2 [X.], [X.]St 47, 160, 163; LK/Tiedemann, StG[X.], 12. Aufl., § 263a Rn. 16a). Der dazu erforderliche Maßstab ist allerdings wiederum umstritten.

Die missbräuchliche [X.]enutzung der vom [X.]erechtigten mitsamt der Geheimnummer erlangten [X.]ankkarte durch den Täter bei Abhebungen am Geldautomaten entspricht nicht einem [X.]etrug am [X.]ankschalter. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn es bei dem fiktiven Prüfvorgang eines [X.] um dieselben Aspekte ginge, die auch der Geldautomat abarbeitet (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 21. November 2001 - 2 [X.], [X.]St 47, 160, 163; [X.], [X.]eschluss vom 5. Januar 1998 - 2 Ss 437/97 - 123/97 II, [X.], 137; [X.], Urteil vom 2. Februar 2015 - 2 OLG 3 Ss 170/14). Für den Automaten sind Identität und [X.]erechtigung des Abhebenden mit der Eingabe der echten [X.]ankkarte und der zugehörigen Geheimnummer hinreichend festgestellt.

Unbefugt im Sinne des § 263a Abs. 1 StG[X.] handelt danach nur derjenige, der manipulierte oder kopierte Daten verwendet. Nach der Rechtsprechung soll allerdings auch derjenige einen Computerbetrug begehen, der sich durch Diebstahl oder Nötigung die für den Abhebungsvorgang erforderliche Datenkenntnis und Kartenverwendungsmöglichkeit verschafft hat. Insoweit führt die Vergleichsbetrachtung von [X.]etrug und Computerbetrug nicht stets zu einem klaren Auslegungsergebnis. Sie muss um eine Gesamtbetrachtung des Geschehens, das zur Erlangung von [X.]ankkarte und Geheimnummer geführt hat, sowie der [X.] ergänzt werden. Danach gilt das Merkmal der unbefugten Verwendung der Daten nicht für denjenigen, der die [X.]ankkarte und die Geheimnummer vom [X.]erechtigten jeweils mit dessen Willen erlangt hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.], StG[X.], 29. Aufl., § 263a Rn. 10; [X.]/[X.] in MünchKomm, StG[X.], 2. Aufl., § 263a Rn. 49 f.), mag die Überlassung auch auf einer Täuschung beruhen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 15. Januar 2013 - 2 StR 553/12; [X.], StG[X.], 62. Aufl., § 263a Rn. 13).

Wenn der Täter mit einer echten [X.]ankkarte und der richtigen Geheimnummer, die er jeweils vom [X.]erechtigten durch dessen täuschungsbedingte Verfügung erhalten hat, [X.] vornimmt, werden nicht zwei Straftatbestände des [X.]etrugs und des [X.] erfüllt. Dieses Verhalten erfüllt nur den Tatbestand des [X.]etrugs gegenüber dem [X.]erechtigten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 15. Januar 2013 - 2 StR 553/12; [X.]är in [X.]/[X.] [Hrsg.], Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 4. Aufl., [X.]. Teil [X.] Rn. 23). Der Täter betrügt den berechtigten Inhaber von [X.]ankkarte und Geheimnummer im Sinne von § 263 StG[X.], aber er "betrügt" nicht außerdem den Geldautomaten im Sinne von § 263a StG[X.], weil er danach die echte [X.]ankkarte und die richtige Geheimnummer verwendet.

b) Der [X.] ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte [X.]      , der ein Geständnis abgelegt hat, nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelstrafe im Fall II.2. der Urteilsgründe. Insoweit entfällt einer von zwei nach Ansicht des [X.]s tateinheitlich begangenen Tatbeständen. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass sich dies auf die Strafzumessung ausgewirkt hätte. In den übrigen Fällen ist hingegen davon auszugehen, dass die Änderung des Schuldspruchs von gewerbs- und bandenmäßig begangenen Computerbetrug in gewerbs- und bandenmäßig begangenen [X.]etrug sich auf die Strafzumessung nicht ausgewirkt hat. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II. 2. zwingt aber zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

III.

Der Rechtsfehler bei der materiell-rechtlichen [X.]ewertung führt zur Revisionserstreckung auf die Angeklagten [X.]    und [X.]     gemäß § 357 StPO und zur entsprechenden Entscheidung.

[X.]                          Eschelbach                              Ott

                   Zeng                                   [X.]artel

Meta

2 StR 16/15

16.07.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 6. Oktober 2014, Az: 5/4 KLs 6360 Js 207481/13 (21/14)

§ 263 StGB, § 263a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.07.2015, Az. 2 StR 16/15 (REWIS RS 2015, 8046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8046

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