Bundessozialgericht, Urteil vom 28.09.2010, Az. B 1 KR 31/09 R

1. Senat | REWIS RS 2010, 2951

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankengeld - Rente wegen voller Erwerbsminderung - Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen - Rentenbezug ab Festsetzung des Rentenbeginns durch Rentenversicherungsträger - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Spontanberatung


Leitsatz

1. Gesetzlich Krankenversicherte können auch dann kein Krankengeld wegen des Bezugs von Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen, wenn sie wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen überhaupt keinen Rentenzahlbetrag erhalten.

2. Gesetzlich Krankenversicherte "beziehen" Renten wegen voller Erwerbsminderung mit der Folge eines Ausschlusses von Krankengeld ab dem Zeitpunkt, den der Rentenversicherungsträger als Rentenbeginn festsetzt.

3. Der Herstellungsanspruch ist auf Herstellung eines dem Gesetz und seinen Zielen entsprechenden Zustands gerichtet und darf nicht zu Ergebnissen führen, die mit dem Gesetz nicht übereinstimmen (Fortentwicklung von BSG vom 8.3.1990 - 3 RK 9/89 = SozR 3-2200 § 183 Nr 1).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des [X.] auf [X.]rankengeld ([X.]) in der [X.] vom 1.9. bis 31.12.2005.

2

Der 1952 geborene [X.]läger war als selbstständig tätiger staatlich bestellter Bezirkskaminkehrermeister bei der beklagten [X.]rankenkasse ([X.]) freiwillig mit Anspruch auf [X.] versichert. Satzungsgemäß erhielt er wegen einer seit 24.2.2005 bestehenden Arbeitsunfähigkeit ([X.]) nach Ablauf der [X.]arenzfrist ab [X.] fortlaufend [X.]. Am 15.4.2005 beantragte er bei der Rechtsvorgängerin ([X.]) der beigeladenen Rentenversicherungsträgerin Rente wegen Erwerbsminderung und am [X.] bei seinem Dienstherrn die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand. Die [X.] gewährte ihm mit Rentenbeginn [X.] befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei die [X.] wegen Überschreitung des [X.] nach § 96a [X.] zu einem Zahlbetrag von null Euro gelangte (Bescheid vom 30.8.2005).

3

Der [X.]läger teilte der [X.] unter dem 21.10.2005 mit, er habe seine Tätigkeit noch nicht aufgegeben. Die Beklagte stellte daraufhin die [X.]-Zahlung mit dem [X.] ein und berief sich auf den Ausschluss des [X.]-Anspruchs nach § 50 Abs 1 Satz 1 [X.] wegen der Rentenbewilligung (Hinweisschreiben vom 14.10.2005; Bescheid vom 8.11.2005; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Der [X.]läger, der sein Gewerbe zum 31.12.2005 abmeldete und dann ab 1.1.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgezahlt erhielt, ist mit seiner auf Zahlung von [X.] vom 1.9. bis 31.12.2005 gerichteten [X.]lage beim [X.] (Urteil vom [X.]) und mit seiner Berufung ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das L[X.] ua ausgeführt, der [X.]-Anspruch habe nach § 50 Abs 1 Satz 1 [X.] wegen der Rentenbewilligung mit Ablauf des [X.] geendet. Es würde zu unsinnigen und widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn man für das Bestehen eines [X.]-Anspruchs je nach Höhe des [X.] in Abhängigkeit vom Hinzuverdienst nach § 96a [X.] differenziere. Der [X.]läger könne sein [X.]-Begehren auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durchsetzen, da er weder um Beratung ersucht habe noch eine Pflicht zur Spontanberatung bestanden habe (Urteil vom [X.]).

4

Mit seiner Revision rügt der [X.]läger die Verletzung des § 50 Abs 1 Satz 1 [X.], des § 14 [X.]B I und der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Ein [X.]-Anspruch sei nur dann ausgeschlossen, wenn Versicherte eine werthaltige Rente wegen voller Erwerbsminderung "beziehen", nicht aber bei einem "Rentenzahlbetrag" von null Euro, wie es vorliegend der Fall sei. Das entspreche dem Wortlaut des § 50 Abs 1 Satz 1 [X.]B V und der [X.]ommentarliteratur ([X.] [X.]/[X.], [X.]B V, Stand Juni 2010, [X.] § 50 RdNr 43). Es widerspräche dagegen dem Regelungszweck, Doppelleistungen auszuschließen, wenn ein [X.]-Anspruch bereits wegen eines gar nicht zur Auszahlung kommenden Rentenanspruchs entfiele. Der Gesetzgeber hätte § 50 Abs 1 [X.]B V bestimmter fassen müssen, wenn er ein anderes Regelungsziel hätte verfolgen wollen. Der Beklagten und der Beigeladenen sei die Verletzung ihrer Pflicht zu spontaner Beratung ihm (dem [X.]läger) gegenüber anzulasten, da sie ihn nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hätten, den Rentenantrag zurückzunehmen. Es habe klar auf der Hand gelegen, dass er (der [X.]läger) durch Rücknahme und spätere Stellung des [X.] Vorteile gehabt hätte.

5

Der [X.]läger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 22. Oktober 2009 sowie des [X.] vom 15. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm [X.]rankengeld auch vom 1. September bis 31. Dezember 2005 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

8

Die Beigeladene schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [X.] ist nicht begründet. Zu Recht hat das [X.] die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende [X.] zurückgewiesen. Der Kläger hat ab [X.] keinen Anspruch gegen die beklagte [X.] auf [X.], da die Beigeladene ihm vom selben [X.]punkt an Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligte. Für den [X.]-Anspruch ist es unerheblich, dass die Beigeladene erst ab 1.1.2006 unter Berücksichtigung der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 96a [X.] einen Rentenzahlbetrag errechnete.

1. Der Kläger konnte [X.] nur bis zum Ablauf des [X.] beanspruchen. Auch wenn die übrigen Voraussetzungen eines [X.]-Anspruchs erfüllt gewesen sein sollten, wozu das [X.] keine Feststellungen getroffen hat, stand dem Kläger ab [X.] nach § 50 [X.] [X.] [X.] kein [X.] mehr zu. Nach dieser Norm endet für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, ein Anspruch auf [X.] vom Beginn dieser Leistung an; nach Beginn dieser Leistung entsteht ein neuer [X.]-Anspruch nicht. Ist über den Beginn der in § 50 [X.] [X.] SGB V genannten Leistungen hinaus [X.] gezahlt worden und übersteigt dieses den Betrag der Leistungen, kann die [X.] den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern (§ 50 [X.] Satz 2 SGB V). Wird eine der in § 50 [X.] [X.] SGB V genannten Leistungen nicht mehr gezahlt, entsteht ein Anspruch auf [X.], wenn das Mitglied bei Eintritt einer erneuten [X.] mit Anspruch auf [X.] versichert ist (§ 50 [X.] Satz 4 SGB V).

Die Voraussetzungen des § 50 [X.] Satz 2 SGB V liegen nach den Feststellungen des [X.] nicht vor, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den erkennenden Senat bindend sind (§ 163 SGG). Denn die Beklagte hat die [X.]-Zahlungen mit Ablauf des [X.] eingestellt. Auch ein Fall des § 50 [X.] Satz 4 SGB V ist nicht gegeben, da beim Kläger ab 24.2.2005 bis zum Jahresende 2005 durchgehend [X.] bestand.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] unterfällt er ab [X.] dem Ausschlusstatbestand des § 50 [X.] [X.] [X.], obwohl die [X.] vom selben [X.]punkt an Rente unter Berücksichtigung des anzurechnenden Erwerbseinkommens bestandskräftig nur mit einem "Zahlbetrag" in Höhe von null Euro bewilligte. Für den Ausschluss des [X.]-Anspruchs nach § 50 [X.] [X.] [X.] genügt es, dass Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden ist, ohne dass es auf die Höhe des [X.] im Hinblick auf § 96a [X.] ankommt. Das lässt der Wortlaut des § 50 [X.] [X.] SGB V zu und es entspricht Entstehungsgeschichte (dazu a), Regelungssystem (dazu b) sowie Sinn und Zweck der Regelung (dazu c).

a) Versicherte "beziehen" Renten wegen voller Erwerbsminderung, wenn ihnen der Rentenversicherungsträger eine solche Leistung bewilligt hat. Davon ging bereits die Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 183 Abs 3 [X.] aus, der auf die "[X.]" einer Rente abstellte (vgl [X.], 253, 254 = [X.] 2200 § 183 [X.] mwN). Diese Regelung hat der Gesetzgeber bewusst in § 50 [X.] [X.] [X.] übernommen (s Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen der Fraktionen der [X.] und [X.], BT-Drucks 11/2237 [X.] zu § 49 zu [X.], wonach [X.] [X.] mit redaktionellen Änderungen § 183 Abs 3 [X.] [X.] entspricht). Dem entsprechend ist das BSG davon ausgegangen, dass mit dem "Beginn" der jeweiligen Rente, auch soweit sie nur auf [X.] gewährt wird, der [X.]punkt zu verstehen ist, von dem an sie im rentenversicherungsrechtlichen Sinne beansprucht werden kann (vgl [X.], 294, 296 = [X.] 3-2500 § 48 [X.] unter Hinweis auf §§ 1247, 1276 [X.] für den Beginn der EU-Rente).

Allerdings hatte der erkennende Senat zur früheren Regelung in § 50 [X.] [X.] [X.] SGB V aF (idF des [X.] vom 20.12.1988, [X.] 2477) die Auffassung vertreten, die Norm sei nur in den Fällen anwendbar, in denen das Ruhegehalt nach Entstehung des [X.]-Anspruchs beginnt ([X.] 1994, 316 f = [X.] 1994, 523 f = [X.] 93110). Mit Blick auf diese Entscheidung ersetzte der Gesetzgeber in der Überschrift das Wort "Wegfall" durch das Wort "Ausschluss" und änderte § 50 [X.] [X.] und 2 [X.] Er ging davon aus, ein zeitlich deckungsgleicher Bezug mehrerer Lohnersatzleistungen sei sozialpolitisch nicht sinnvoll. Um den gleichzeitigen Bezug von Leistungen iS von § 50 [X.] SGB V und von [X.] zu vermeiden, seien die Änderungen der Überschrift und des Wortlauts der Vorschrift erforderlich. Danach werde jeglicher [X.]-Bezug neben den in § 50 [X.] SGB V genannten Leistungen ausgeschlossen (vgl Gesetzentwurf eines [X.] der Bundesregierung, BT-Drucks 13/340 S 9 zu [X.]). Dieser Änderungsgeschichte hat der erkennende Senat in der Folgezeit in ständiger Rechtsprechung entnommen, die Neufassung von [X.] habe den Ausschluss jeglichen [X.]-Bezuges neben den anderen dort genannten Lohnersatzleistungen bewirken sollen (vgl zB [X.], 13, 16 = [X.] 3-2500 § 50 [X.]; BSG Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 14/05 R - [X.] 2006-11; BSG Beschluss vom [X.] - B 1 KR 68/06 B - Rd[X.] 3 mwN).

b) Das Regelungssystem unterstreicht, dass der Gesetzgeber mit § 50 [X.] SGB V eine grundsätzliche Systementscheidung zur Zuordnung der Lohnersatzleistungen getroffen hat. Während für die Dauer des [X.]-Anspruchs Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen den [X.]-Anspruch nach § 49 [X.] [X.] zum Ruhen bringen, führt nach dem Ausschluss des [X.]-Anspruchs aufgrund Bewilligung einer der Rentenleistungen nach § 50 [X.] [X.] [X.] die Hinzuverdienstregelung des § 96a [X.] dazu, dass der monatliche Rentenzahlungsanspruch (ganz oder teilweise) wegfallen kann (vgl zum Regelungssystem in der gesetzlichen Rentenversicherung [X.] Urteil vom [X.] - B 1 KR 21/09 R - Rd[X.]3 f mwN, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen). Zu der angesprochenen Systemabgrenzung gehört es ebenfalls, dass nach § 101 [X.] [X.] befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden. Diese Regelung bezweckt, die Risiken zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) zu verteilen (Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.]; [X.] und [X.] eines Rentenreformgesetzes - [X.] -, BT-Drucks 11/4124 S 176 zu § 100 Entwurf [X.]). Die Regelung geht typisierend davon aus, dass ein in der [X.] Versicherter im allgemeinen für die ersten sechs Monate seiner [X.] noch [X.] erhält und erst für die sich anschließende [X.] den Schutz der [X.] genießt, weil erst dann davon auszugehen ist, dass seine Leistungsfähigkeit nicht nur vorübergehend beeinträchtigt ist (vgl BSG [X.] 3-2600 § 101 [X.] S 4 mwN).

c) § 50 [X.] [X.] [X.] bezweckt danach, die Eintrittspflicht der Systeme der [X.] und der [X.] in Bezug auf Entgeltersatzleistungen einschließlich ihrer Anrechnungsvorschriften durch den rechtstechnischen [X.]punkt des Rentenbeginns voneinander abzugrenzen. Dieser [X.]punkt ist leicht und verwaltungspraktikabel feststellbar, da der Beginn der Rente notwendiger Verfügungssatz eines Bescheides über die Gewährung von Rente ist (stRspr; vgl dazu [X.] [X.] 3-2600 § 101 [X.] S 3 mwN). Der im [X.] festgesetzte, maßgebliche [X.]punkt des Rentenbeginns darf nicht mit dem Datum des [X.]es verwechselt werden. Die [X.] hat denn auch klar den [X.]punkt des Beginns der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf den [X.] festgelegt (Bescheid vom 30.8.2005).

3. Der Kläger kann [X.] von der Beklagten auch nicht im Wege des [X.] beanspruchen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Auf der Rechtsfolgenseite muss durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; vgl dazu [X.] Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 8/08 R - [X.] 2008-128, Rd[X.]2; [X.] 99, 180 = [X.] 4-2500 § 13 [X.], Rd[X.]0 mwN). Dafür liegt hier nichts vor.

a) Eine Pflichtverletzung besteht nicht wegen einer unzutreffenden Beratung des [X.]. Der Kläger hat weder von der beklagten [X.] oder der beigeladenen Rentenversicherungsträgerin eine (dann unterbliebene) Beratung erbeten noch ist daraufhin eine Fehlberatung seitens dieser Leistungsträger erfolgt. Bei dieser Sachlage bedarf es insoweit hier noch keines [X.] darauf, ob der Beklagten eine Pflichtverletzung der Beigeladenen zuzurechnen wäre.

b) Eine Beratung des [X.] ist auch nicht pflichtwidrig unterblieben. In der [X.] ist allerdings anerkannt, dass der Leistungsträger unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren gehalten ist, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (sog Spontanberatung, vgl [X.] 99, 180 = [X.] 4-2500 § 13 [X.], Rd[X.] 31 mwN; BSG [X.] 4-1200 § 14 [X.] Rd[X.] 9 mwN; [X.] 92, 34 = [X.] 4-3100 § 60 [X.] Rd[X.]6; BSG [X.] 3-4100 § 110 [X.] S 9; BSG [X.] 3-1200 § 14 [X.]6 S 49 f; BSG [X.] 3-1200 § 14 [X.], alle mwN). Ist das von den [X.]n zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf einem Gebiet bereitgestellte Leistungsangebot für die Versicherten so unübersichtlich, dass sich im Einzelfall nicht vermeiden lässt, einen konkreten Weg aufzuzeigen, der zu den gesetzlich möglichen Leistungen führt, ist eine solche Spontanberatung geboten ([X.] 96, 161 = [X.] 4-2500 § 13 [X.], Rd[X.]4). Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus dem Verhalten eines Versicherten ergibt, dass er über die gesetzlichen Möglichkeiten nicht ausreichend informiert ist (vgl BSG [X.] 2200 § 182 [X.]7 S 108 f). Das setzt aber voraus, dass der Beklagten oder der Beigeladenen als einem zu berücksichtigenden [X.] ein solcher Informationsbedarf überhaupt erkennbar ist. Daran fehlt es.

c) Die Beklagte war nicht zu einer Spontanberatung verpflichtet. Der erkennende Senat kann nach den für ihn bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) schon nicht davon ausgehen, dass nach den dargelegten Grundsätzen dem Kläger ein sozialrechtlich erheblicher Nachteil dadurch entstand, dass er ab [X.] Rente zugebilligt erhielt und kein [X.] mehr ausgezahlt bekam. Ein solcher Nachteil ergibt sich weder aus den Feststellungen des [X.] noch aus dem [X.]. Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich Arbeitseinkommen, welches (noch) aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit erzielt wird, auf beide der hier vom Kläger beantragten Entgeltersatzleistungen auswirkt, sowohl auf den Bezug von Rente als auch auf die Gewährung von [X.]:

§ 96a [X.] [X.] regelt, dass eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet wird, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird ([X.]). Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in [X.] genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach [X.] im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt (Satz 2). Die in Satz 2 genannten Einkünfte werden zusammengerechnet (Satz 3). Dementsprechend geht die Rechtsprechung des BSG davon aus, dass erst mit dem Erwerb von Arbeitseinkommen, welches die Hinzuverdienstgrenze iS von § 96a [X.] überschreitet, der monatliche Rentenzahlungsanspruch (teilweise) wegfällt (vgl BSG Urteil vom [X.] - B 1 KR 21/09 R - Rd[X.]4 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen; entsprechend zB zum Arbeitsentgelt BSG [X.] 3-2600 § 96a [X.]; [X.] 4-2600 § 313 [X.]; [X.] 4-2600 § 313 [X.]; [X.] 4-2600 § 313 [X.] 4). Insoweit ist schon nicht klar, dass der Kläger überhaupt noch nach dem [X.] selbstständig erwerbstätig war - wofür seine Mitteilung an die [X.] unter dem 21.10.2005 sprechen könnte, er habe seine Tätigkeit noch nicht aufgegeben, wogegen aber evtl die Bestellung eines Stellvertreters sprechen könnte (Bescheid des Landratsamts vom 30.8.2005 auf Antrag des [X.]) - und welches Arbeitseinkommen er ggf aus seiner Tätigkeit noch erzielte.

Nach der gegenüber dem Satzungsrecht der beklagten [X.] vorrangigen Regelung des § 49 [X.] [X.] war indes auch [X.] nicht auszuzahlen, soweit ein Anspruch hierauf ruhte, weil und solange der Kläger aus einer weiterhin bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als Selbstständiger beitragspflichtiges Arbeitseinkommen erzielte. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass den Kläger unter Berücksichtigung der Ruhensregelung beim [X.] ein Rechtsnachteil traf. Unter diesen Umständen vermag der Senat nicht von der Verletzung einer Pflicht der Beklagten zur Spontanberatung auszugehen.

d) Auch die Beigeladene und ihre Rechtsvorgängerin waren aus weiteren Gründen heraus nicht zu einer Spontanberatung verpflichtet. Sie mussten - auch als evtl einzubeziehende Dritte (dazu aa) den Kläger nicht spontan auf die Möglichkeit hinweisen, seinen Rentenantrag zurückzunehmen (dazu [X.]).

aa) Der Senat lässt die Frage offen, ob sich die Beklagte Pflichtverletzungen der Beigeladenen im Rahmen des [X.] zurechnen lassen müsste. Es ist jedenfalls entgegen der Auffassung des [X.] nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass einen Träger der [X.] Beratungspflichten treffen, die sich ein Träger der [X.] im Rahmen des [X.] bei einer unterlassenen Leistungsgewährung entgegenhalten lassen muss. Die Rechtsprechung des BSG hat beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in bestimmten Fallgestaltungen vom Grundsatz der Verantwortlichkeit nur für eigene Fehler Ausnahmen gemacht und einem Leistungsträger die Pflichtverletzung eines anderen Leistungsträgers oder sonstigen [X.] wie eine eigene Pflichtverletzung zugerechnet (stRspr seit [X.] 51, 89 = [X.] 2200 § 381 [X.] 44). Sie bejaht eine solche Zurechnung insbesondere, wenn zwei Leistungsträger im Sinne einer Funktionseinheit mit einer Aufgabenerfüllung arbeitsteilig betraut sind ([X.], 217 = [X.] 3-1200 § 14 [X.]) oder ein Leistungsträger einen anderen Leistungsträger oder einen [X.] in die Abwicklung eines Versicherungsverhältnisses mit einbezogen hat (vgl zB [X.] 52, 254, 256 f = [X.] 2200 § 216 [X.] S 10 f; BSG [X.] 3-5670 § 5 [X.]) und wenn spezifische Beratungspflichten aufgrund der Verknüpfung zweier Leistungsträger oder seitens eines Leistungsträgers aufgrund besonderer Aufgaben bestehen (vgl insgesamt [X.] [X.] 2010, 47; bejahend zB [X.] 73, 56 = [X.] 3-1200 § 14 [X.] 9; zum einer [X.] erkennbaren Beratungsbedarf zur Pflichtversicherung auf Antrag nach § 4 [X.] [X.] in der [X.]: BSG [X.] 4-2600 § 4 [X.]; verneinend etwa [X.], 217 = [X.] 3-1200 § 14 [X.]; BSG [X.] 3-3100 § 60 [X.] 3).

[X.]) Ein auf nachträgliche Zahlung des [X.] gerichteter Herstellungsanspruch des [X.] wegen von der Beigeladenen bzw der [X.] unterlassener Spontanberatung ist hier jedenfalls nach der Zielsetzung des Rechtsinstituts des [X.] zu verneinen. Der Anspruch ist auf Herstellung des dem Gesetz und seinen Zielen entsprechenden Zustandes gerichtet (vgl insgesamt BSG [X.] 3-2200 § 183 [X.] S 3 mwN; [X.] 63, 112, 114 = [X.] 1300 § 14 SGB I [X.]8; s auch BSG Urteil vom 25.10.1989 - 7 [X.]/88 -; BSG Urteil vom [X.] - 7 [X.]/88 - mwN). Den Herstellungsanspruch beurteilen die Gerichte nach der Rechtslage zur [X.] der letzten mündlichen Verhandlung und prüfen danach, ob die begehrte Amtshandlung auch den Zielen des Gesetzes entspricht. Der Herstellungsanspruch darf nicht zu Ergebnissen führen, die mit dem Gesetz nicht übereinstimmen. Dabei geht es nicht um die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Amtshandlung als Mittel zur Herstellung des gewünschten Zustandes, sondern um diesen Zustand selbst, also um das Ziel, das durch die Amtshandlung herbeigeführt werden soll (vgl BSG [X.] 3-2200 § 183 [X.] S 3 unter Hinweis auf [X.], [X.], 505, 514). Die vom Kläger angestrebte Beratung über eine Rücknahme des [X.] hätte den gesetzlichen Zielen widersprochen.

Der Rentenbeginn mit dem [X.] stimmt nämlich mit dem vom Gesetz erstrebten Zustand überein. Der Kläger hätte nach Beginn seiner vollen Erwerbsunfähigkeit am 24.2.2005 - bei entsprechender Versicherung mit [X.]-Anspruch - zunächst länger als sechs Monate [X.] beanspruchen können, bevor ihm Rente bewilligt wurde. Das entspricht der dargelegten Risiko- und Lastenverteilung zwischen [X.] und [X.] in § 101 [X.] [X.], die den Rentenbeginn trotz Erfüllung aller anderen rentenrechtlichen Voraussetzungen um sechs Monate hinausschiebt. In Kenntnis der wahren Sach- und Rechtslage hätte die Beklagte den Kläger in der ersten Hälfte des Juni 2005 - gestützt auf den Bericht der Ärztin Dr. K. vom 2.6.2005 und § 51 [X.] SGB V - dazu auffordern können, innerhalb von 10 Wochen sein Einverständnis mit einer Reha-Maßnahme zu erklären (vgl zur Einschränkung der Dispositionsfreiheit für eine sog nachträgliche Aufforderung, nachdem der Versicherte bereits von sich aus einen Reha- oder Rentenantrag gestellt hat, BSG [X.] 2009, 309). Damit stimmt auch die Bewertung in § 50 [X.] Satz 2 SGB V überein. Sie billigt Versicherten lediglich zu, dass sie empfangenes [X.] behalten dürfen, soweit es die Rente wegen voller Erwerbsminderung übersteigt. Sie können dagegen eine nachträgliche Optimierung der Zahlungen im Wege der Einforderung einer Spontanberatung nicht beanspruchen.

4. [X.] beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 1 KR 31/09 R

28.09.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Würzburg, 15. Januar 2008, Az: S 4 KR 575/06, Urteil

§ 49 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 5, § 50 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5, § 50 Abs 1 S 2 SGB 5, § 96a Abs 1 SGB 6, § 101 Abs 1 SGB 6, § 14 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.09.2010, Az. B 1 KR 31/09 R (REWIS RS 2010, 2951)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2951

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