Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2002, Az. AnwZ (B) 8/02

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2002, 553

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[X.] ([X.]) 8/02vom25. November 2002in dem Verfahrenwegen Untersagung eines [X.] 2 -Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch den Präsidentendes [X.]undesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, [X.], die RichterinDr. [X.] und [X.] Frellesen sowie die Rechtsanwälte Dr. Schott,[X.] und Dr. [X.] nach mündlicher Verhandlung am 25. [X.]:Die sofortige [X.]eschwerde der Antragsgegnerin gegen den [X.]e-schluß des I. Senats des [X.]s [X.]erlin vom 29. No-vember 2001 wird zurückgewiesen.Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragenund dem Antragsteller die ihm im [X.]eschwerdeverfahren entstan-denen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird [X.]:[X.] Antragsteller betreibt zusammen mit einem anderen [X.] Anwaltskanzlei und ist zugleich als Notar tätig.Im [X.] unterhält er eine Homepage unter dem Domain-Namen"[X.]". Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 fordertedie Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Verwendung dieses Domain-Na-mens "mit sofortiger Wirkung zu [X.] hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat [X.] mit [X.]eschluß vom 29. November 2001 stattgegeben [X.] angefochtenen [X.]escheid vom 29. Januar 2001 aufgehoben. Dagegen rich-tet sich die zugelassene sofortige [X.]eschwerde der Antragsgegnerin.II.Die sofortige [X.]eschwerde ist zulässig (§ 223 Abs. 3 [X.]RAO), bleibt [X.] in der Sache ohne Erfolg.1.Der [X.]eschwerde ist schon deshalb der Erfolg zu versagen, weil die [X.]un-desrechtsanwaltsordnung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht [X.] verleiht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche [X.]estimmungenmit einer Unterlassungsverfügung zu [X.] 4 -a) Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 [X.]RAO obliegt es dem Vorstand der [X.], die Kammermitglieder in Fragen der [X.]erufspflichten zu bera-ten und zu belehren. Des weiteren hat er nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 [X.]RAO die Er-füllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen unddas Recht der Rüge zu handhaben.Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seinerAufgaben fest, daß sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so beläßtes der Vorstand häufig nicht dabei, den Rechtsanwalt auf die [X.] hinzuweisen und über den Inhalt seiner [X.]erufspflichten zubelehren; vielmehr wird der Rechtsanwalt darauf hingewiesen, daß er das be-anstandete Verhalten zu unterlassen habe, bzw. daß er dann, wenn [X.] bestimmten Frist der [X.]erufsrechtsverstoß nicht abgestellt werde, mit [X.] eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrenszu rechnen habe. Diese Praxis der Rechtsanwaltskammern ist für sich genom-men nicht zu beanstanden, da dem betroffenen Rechtsanwalt die möglichenKonsequenzen seines Verhaltens deutlich vor Augen geführt werden und erzudem ausreichend Gelegenheit hat, die Rechtslage zu prüfen, ohne unmittel-bare Sanktionen fürchten zu müssen.Erteilt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer einem Kammermitgliedeine derartige mißbilligende [X.]elehrung, so stellt diese nach der Rechtspre-chung des Senats eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, denRechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie nach§ 223 Abs. 1 [X.]RAO anfechtbar (vgl. [X.] vom 18. November 1996- [X.] ([X.]) 20/96 - NJW-RR 1997, 759 und vom 17. Dezember 2001- 5 -- [X.] ([X.]) 12/01 - NJW 2002, 608; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 73Rn. 19 ff).b) Ausgehend vom Wortlaut ist aus der Sicht eines verständigenEmpfängers das Gebot, die Verwendung des Domain-Namens "www.rechtsan-waelte-notar.de" zu unterlassen, die Kernaussage des Schreibens vom 29. Ja-nuar 2001. So hat es auch der Antragsteller verstanden und unter anderemdaraus die Rechtswidrigkeit des [X.]escheids hergeleitet. Es geht daher nicht an,die Rechtsausführungen der Antragsgegnerin als [X.]elehrung zu verstehen, beider die Unterlassungsaufforderung nur als eine unselbständige Folgerung er-scheint (vgl. hierzu [X.] vom 7. November 1983 - [X.] ([X.]) 21/83 -NJW 1984, 1042, 1044).c) Die Frage, ob der Vorstand der Rechtsanwaltskammer von einemkammerangehörigen Rechtsanwalt kraft [X.]erufsrechts die Vornahme oder Un-terlassung einer bestimmten Handlung verlangen kann, hat der Senat [X.] (vgl. [X.] vom 7. November 1983 aaO). Sie ist [X.] an die ältere Rechtsprechung des [X.] beim [X.] ([X.] 1, 193, 199; 16, 205, 210) und ein neueres Urteil des [X.]des [X.]undesgerichtshofs (Urteil vom 25. Oktober 2001 - [X.] - [X.], 2039, 2040) zu verneinen.In § 73 Abs. 2 Nr. 4 [X.]RAO wird nicht nur die Aufgabe des [X.] beschrieben, die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegendenPflichten zu überwachen, sondern zugleich das Mittel genannt, das dem [X.] zur Ahndung von [X.] aus eigenem Recht zusteht ([X.] nach § 74 [X.]RAO; für die Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfah-- 6 -rens, das allerdings vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer beantragt [X.], ist allein die Staatsanwaltschaft zuständig, vgl. §§ 121, 122 [X.]RAO).Darüber hinaus ist in § 57 [X.]RAO ausdrücklich bestimmt, daß der [X.] der Rechtsanwaltskammer einen Rechtsanwalt zur Einhaltung der in § 56Abs. 1 Satz 1 [X.]RAO genannten besonderen Pflichten, die dem [X.] gegenüber dem Vorstand obliegen (insbesondere [X.] Festsetzung eines Zwangsgeldes anhalten kann.Diesem Normengefüge ist insgesamt zu entnehmen, daß die [X.]undes-rechtsanwaltsordnung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer keine Rechts-grundlage dafür gibt, Pflichtverletzungen aller Art, die ein Rechtsanwalt gegen-über einem Mandanten oder dem sonstigen rechtsuchenden Publikum gegen-über begangen hat oder deren [X.]egehung unmittelbar bevorsteht, durch [X.] mit [X.] und Verbote zu begegnen.Derart weitgehende, einschneidende Eingriffsmöglichkeiten würden auch [X.] des Rechtsanwalts nicht gerecht. Dieser ist unabhängiges Organ [X.] (§ 1 [X.]RAO) und steht als solches nicht in einem allgemeinen Ab-hängigkeits- oder [X.] zum Kammervorstand (vgl. [X.]/[X.] aaO § 73 Rn. [X.] in der Sache selbst ist die in Form einer Untersagungsverfügunggekleidete [X.]eanstandung der Antragsgegnerin nicht gerechtfertigt.Ausgehend von der Rechtsprechung des [X.] des [X.]undes-gerichtshofs und der Rechtsprechung des Senats (vgl. den zur Veröffentlich-tung in [X.]GHZ vorgesehenen [X.]eschluß vom heutigen Tage - [X.] ([X.]) 41/[X.] 7 -verstößt die Verwendung des Domain-Namens "[X.]"durch den Antragsteller nicht gegen § 43 b [X.]RAO, § 6 Abs. 1 [X.].Gemäß § 43 b [X.]RAO ist dem Rechtsanwalt Werbung erlaubt, soweit [X.] die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nichtauf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Diese [X.]estimmunghat in den §§ 6 ff [X.] teilweise eine nähere Ausgestaltung erfahren. [X.] 6 Abs. 1 [X.] darf der Rechtsanwalt über seine Dienstleistung und seinePerson informieren, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezo-gen sind.Richtet eine aus einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar beste-hende Kanzlei eine eigene Homepage ein, die über die [X.]erufsbezeichnung"[X.]" zu erreichen ist, so stellt dies eine Werbungdar, die darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von [X.] Kanzlei und ihrer Mitglieder zu gewinnen.a) Die Form und der Inhalt dieser Werbung, die sich im wesentlichen inder Vorstellung der beiden Kanzleimitglieder (mit Lichtbild) und der [X.] Tätigkeitsschwerpunkte erschöpft, ist nicht unsachlich. Eine Diskrepanzzwischen dem Erscheinungsbild und dem Inhalt der Werbung besteht nicht(vgl. hierzu [X.]GHZ 147, 71, 76 ff - Anwaltswerbung II). Sie wird vorliegend ins-besondere auch nicht dadurch hervorgerufen, daß sich der Antragsteller durchdie Auswahl des seine beruflichen Tätigkeiten kennzeichnenden Domain-Namens gegenüber anderen Rechtsanwälten und Notaren insoweit einen Vor-teil verschafft hat, daß diese daran gehindert sind, denselben [X.] verwenden und die Möglichkeiten, einen Domain-Namen unter [X.] 8 -von [X.]egriffen auszusuchen, die alternativ den [X.]eruf des Rechtsanwalts oderNotars bezeichnen oder dessen Tätigkeit beschreiben, naturgemäß [X.] (vgl. [X.]GH, Urteil vom 21. Februar 2002 - I ZR 281/99 - NJW 2002, 2642,2644 f - [X.]; [X.]GHZ 148, 1, 5 ff - [X.] übrigen hat der [X.] zu Recht darauf hingewiesen, [X.] vom Antragsteller gewählte, einmal im Plural und einmal im Singular ste-hende, mit einem [X.]indestrich versehene Kombination der [X.]egriffe Rechtsan-wälte und Notar durchaus ungewöhnlich ist. Ein rechtsuchender [X.]-Nut-zer, der an Dienstleistungen eines Rechtsanwalts oder eines Notars interes-siert ist, wird, wenn er sich nicht einer Suchmaschine bedient, sondern sichunter Einsatz der Gattungsbegriffe Rechtsanwalt, Rechtsanwälte, Notar, Notareden unmittelbaren Zugang zu einem Anbieter derartiger Dienstleistungen zuverschaffen sucht, nur mehr oder weniger zufällig genau die [X.]egriffskombinati-on eingeben, mit der er auf die Homepage des Antragstellers stößt. Die Gefahreiner Kanalisierung von [X.] durch die Verwendung des beanstan-deten Domain-Namens ist daher sehr gering.b) Die in der Verwendung des von der Antragsgegnerin [X.] liegende Werbung ist auch nicht als irreführend unter [X.] einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung anzusehen.Der durchschnittlich informierte und verständige [X.]-Nutzer, auf deninsoweit maßgeblich abzustellen ist (vgl. [X.]GHZ 148, 1, 7), weiß von [X.], daß die unter Verwendung der Gattungsbegriffe Rechtsanwalt und Notargefundene Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot anwaltlicherund notarieller Dienstleistungen repräsentiert. Auch erscheint es nach der [X.] -benserfahrung nicht als wahrscheinlich, daß der [X.]-Nutzer die [X.], bei Eingabe des vom Antragsteller verwendeten Domain-Namens werde ereinen Überblick über das gesamte Angebot anwaltlicher und notariellerDienstleistungen oder auch nur ein sach- und fachkundig aufbereitetes Infor-mationsangebot erhalten (vgl. Urteil vom 21. Februar 2002 aaO S. 2645).c) Soweit die [X.]eschwerdeführerin weiter meint, allein dadurch, daß [X.] Domain-Namen enthaltene [X.]egriff Rechtsanwalt in der Mehrzahl verwendetwird, werde über die tatsächliche [X.]edeutung und Größe der Kanzlei des An-tragstellers irregeführt, ist ihr nicht zu folgen.Durch die Pluralform wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die un-ter diesem [X.]egriff am [X.]-Verkehr teilnehmende Kanzlei mindestens zweiMitglieder hat, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind. Das ist hier derFall. Darüber hinaus kann der [X.]eschwerdeführerin auch nicht darin zugestimmtwerden, daß selbst derjenige, der weiß, daß es in einigen [X.]undesländern An-waltsnotare gibt, mit mindestens drei Sozietätsmitgliedern - zwei Rechtsanwäl-ten und einem Notar - rechnet. Es ist gerade die [X.]esonderheit des Anwaltsno-tariats, daß hier ein Rechtsanwalt zugleich den [X.]eruf eines Notars ausübendarf. Dann aber ist für jeden, der um diese [X.]esonderheit weiß, offenkundig,daß er es vorliegend möglicherweise mit einer Kanzlei zu tun hat, bei der nurinsgesamt zwei Personen über die angegebene berufliche Qualifikation verfü-gen.- 10 -Im übrigen wird die etwaige Fehlvorstellung eines [X.]-Nutzers überdie Zahl der Mitglieder der unter dem Domain-Namen "[X.]" zu findenden Kanzlei bei "Aufschlagen" dieser Homepage sofort kor-rigiert. Jedenfalls dadurch wird der Gefahr einer Irreführung hinreichend be-gegnet (vgl. [X.]GHZ 148, 1, 7).Hirsch[X.] [X.]FrellesenSchottWüllrich [X.]

Meta

AnwZ (B) 8/02

25.11.2002

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2002, Az. AnwZ (B) 8/02 (REWIS RS 2002, 553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 553

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