BT-Drucksache 18/9862

Einrichtung und Inbetriebnahme der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer

Vom 29. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9862
18. Wahlperiode 29.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln),
Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einrichtung und Inbetriebnahme der besonderen elektronischen
Anwaltspostfächer

Mit der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen
elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachver-
ordnung – RAVPV) sollen die Einzelheiten der besonderen elektronischen An-
waltspostfächer (beA) geregelt werde. Das besondere Anwaltspostfach wurden
mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Ge-
richten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) eingeführt.
Durch zwei Eilbeschlüsse des Anwaltsgerichtshofs Berlin wurde der für die Ein-
richtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zuständigen Bundes-
rechtsanwaltskammer (BRAK) untersagt, das Postfach ohne die ausdrückliche
Zustimmung der Antragsteller empfangsbereit einzurichten. Das Bundesministe-
rium der Justiz und für Verbraucherschutz hat inzwischen einen Vorschlag für
eine Übergangsregelung vorgelegt. Dennoch stellt sich angesichts der weiterhin
bestehender Unsicherheiten über die Nutzungspflichten für das Anwaltspostfach
und mit Blick auf die noch anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Anwalts-
gerichtshof Berlin die Frage, ob die besonderen elektronischen Anwaltspostfä-
cher wie geplant am 29. September 2016 in Betrieb genommen werden. Darüber
hinaus bleiben weitere grundlegende Fragen offen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Woraus leitet die Bundesregierung ab, dass die Ermächtigungsgrundlage des

§ 31c der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) über die dort abschließend
aufgeführten Regelungsbereiche auch zur Regelung ermächtigt, ab wann un-
ter welchen Umständen der Postfachinhaber Zustellungen und Zugänge von
Mitteilungen gegen sich gelten lassen muss?

Drucksache 18/9862 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Hat die Bundesregierung Kenntnis über den Inhalt des Vertrages zwischen
der Bundesrechtsanwaltskammer und der Atos GmbH, die mit der Einrich-
tung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs beauftragt wurde
(www.lto.de/recht/nachrichten/n/bea-brak-atos-uebernimmt-realisierung/)?
Hat es eine Ausschreibung gegeben?
Ist die Bundesregierung über die Verhandlungen fortlaufend informiert wor-
den?
War die Bundesregierung mit Blick auf die zu erlassende Verordnung über
die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwalts-
postfächer in die Verhandlungen eingebunden?

3. Ist die Atos GmbH nach Kenntnis der Bundesregierung nur mit der Erstel-
lung des technischen Konzepts beauftragt worden oder auch mit der späteren
Durchführung?

4. Welche Regelungen sind vor dem Hintergrund, dass die Atos GmbH ihren
Sitz in Paris hat, geschaffen worden, und welche Vorkehrungen wurden ge-
troffen, um den hohen Datenschutz, der aufgrund der Richtlinie 95/46/EG
grundsätzlich europaweit gilt, jedoch mit Blick auf nicht dem Anwendungs-
bereich der Richtlinie unterfallende Bereiche und mit Blick auf gleichwohl
nach wie vor bestehende Unterschiede in der Rechtsanwendung zu gewähr-
leisten?

5. Welche Konsequenzen hatte nach Kenntnis der Bundesregierung die Berück-
sichtigung der Anforderungen des Anwaltsgeheimnisses für die vertragli-
chen Vereinbarungen mit dem Dienstleister?

6. Wo stehen nach Kenntnis der Bundesregierung die Server zur Verarbeitung
und Speicherung der Daten der besonderen elektronischen Anwaltspostfä-
cher (bitte im Einzelnen aufzählen)?
Wenn die Server nicht im Inland stehen, wie regelt der Vertrag mit der Atos
GmbH die Abwehr potentieller Angriffe von Sicherheitsbehörden und Ge-
heimdiensten im Hinblick auf die Grundlagen der nationalen Sicherheitsge-
setze der Staaten der Standorte?

7. Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Daten übertragen, und
wie wird gewährleistet, dass der Datenfluss über besondere Kanäle zum Ser-
ver läuft (VPN-Lösung, Art der Verschlüsselung), oder werden die Daten
frei über das Internet geliefert?

8. Welche Regelungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung für den Fall
vorgesehen, dass die Atos GmbH an Dritte veräußert wird?

9. In welcher Weise ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten- und
Preiskontrolle hinsichtlich der später fortlaufend anfallenden Gebühren ge-
sichert, da Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte spätestens ab dem 1. Ja-
nuar 2018 verpflichtet sind, das besondere elektronische Anwaltspostfach zu
nutzen?

10. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es mit europäischem Recht
vereinbar ist, eine zu erbringenden Dienstleistung mit der Auflage zu verbin-
den, dass sie in vollem Umfang nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland erbracht werden darf?
Ist diese Frage in irgendeiner Weise mit der Europäischen Kommission ab-
gestimmt worden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9862

11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine aktive oder passive Pflicht

eines Rechtanwalts oder einer Rechtsanwältin zur Nutzung des besonderen
elektronischen Anwaltspostfachs nur gegenüber der Gerichtsbarkeit entste-
hen kann, die formell auf elektronische Aktenführung umgestellt wurde?

Berlin, den 22. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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