BT-Drucksache 18/980

Fördermitteltransparenz erhöhen

Vom 2. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/980
18. Wahlperiode 02.04.2014

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Andreae, Anja Hajduk, Volker Beck (Köln), Ekin
Deligöz, Dr. Thomas Gambke, Sven-Christian Kindler, Dr. Tobias Lindner,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katja Dörner, Harald
Ebner, Kai Gehring, Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Elisabeth
Scharfenberg und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fördermitteltransparenz erhöhen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In den aktuellen Haushaltsberatungen wird über Mittel in Milliardenhöhe für eine
Vielzahl von Förderprogrammen entschieden. Die derzeitige Praxis der Vergabe
öffentlicher Fördermittel ist intransparent und durch Zivilgesellschaft und Parla-
mente daher kaum kontrollierbar. Eine gute und transparente Datenlage ist uner-
lässlich für effiziente politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse
über die erstmalige Bewilligung, Weiterführung, den Neuzuschnitt bzw. die Be-
endigung von Förderprogrammen. Mehr Transparenz im Fördermittelbereich
ergänzt darüber hinaus die vorhandenen Möglichkeiten der Haushaltskontrolle
durch das Parlament z. B. über den Bundesrechnungshof und fördert damit zu-
gleich die demokratische Legitimität der Entscheidungen. Sie erleichtert außer-
dem eine schnelle wissenschaftliche Evaluierung von Förderprogrammen. Bei
indirekten steuerlichen Förderungen muss z. B. im Subventionsbericht sicherge-
stellt werden, dass auch sie transparent bewertet und auf ihre Sinnhaftigkeit über-
prüft werden können.

Auch die Bürgerinnen und Bürger haben ein wachsendes und berechtigtes Inte-
resse, über die Verwendung der – aus ihren Steuern finanzierten – finanziellen
Mittel des Staates transparent informiert zu werden. Derzeit können sie aber nicht
ausreichend nachvollziehen, welche Unternehmen und Institutionen aufgrund
welcher Kriterien Förderung erhalten bzw. für welche konkreten Projekte die
Steuergelder verausgabt werden.

II. Um politische Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten und die
Verwendung der Steuergelder für die Bürgerinnen und Bürger nachvollzieh-
bar zu machen, fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf,
eine gesetzliche Regelung vorzulegen, auf deren Basis

1. die öffentliche Hand verpflichtet wird, ihre Förderleitlinien zu veröffent-
lichen;

Drucksache 18/980 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. die öffentliche Hand verpflichtet wird, Informationen über die Vergabe
von Fördermitteln, die an juristische Personen, Personengesellschaften
und Einzelunternehmen geflossen sind, zu veröffentlichen. Dabei soll ei-
ne Abwägung zwischen dem Transparenzinteresse der Öffentlichkeit und
dem Schutz personenbezogener Daten der Fördermittelempfängerinnen
und -empfänger erfolgen, indem die Erforderlichkeit der Veröffentli-
chung nach Bezugsdauer, Häufigkeit sowie Art und Umfang der Zuwen-
dungen geprüft wird;

3. eine Veröffentlichung grundsätzlich zeitnah im Rahmen der Förder-
datenbank des Bundes (www.foerderdatenbank.de) erfolgt;

4. eine Vorabinformation der Fördermittelempfängerinnen und -empfänger
über die Veröffentlichung schon bei Beantragung der Fördermittel er-
folgt;

5. Fördermittelvergaben erst ab dem Überschreiten einer Bagatellgrenze
von 25 000 Euro pro Jahr einzeln und die unter dieser Grenze vergebe-
nen Mittel in einer Sammelposition veröffentlicht werden;

6. grundsätzlich folgende Daten veröffentlicht werden: das genaue Förder-
programm, der Name bzw. die Firma sowie Postleitzahl und Gemeinde
des Unternehmenssitzes der Empfängerin/des Empfängers und die jährli-
chen Beträge der Fördermittelzahlungen;

7. in begründeten Fällen, bei denen es durch die Veröffentlichung zu Rück-
schlüssen auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kommen kann, Aus-
nahmen von der Einzelveröffentlichungspflicht möglich sein sollen;

8. für eine bessere Auswertbarkeit der Daten geeignete Sortierkriterien
(z. B. Förderprogramm, Gemeinde des Unternehmenssitzes, Unterneh-
mensgröße, Höhe der Zuwendung u. Ä.) angeboten werden;

9. Fördermittel als finanzielle Zuwendungen in Form von Zuschüssen, Ge-
währleistungen, Bürgschaften, Garantien oder Beteiligungen definiert
werden, die in Form einer Projektförderung an Empfängerinnen und
Empfänger außerhalb der Bundesverwaltung ausgereicht werden;

10. dazu beigetragen wird, zur Steigerung der Transparenz die Zuwendung
öffentlicher Mittel für Forschungsprojekte generell an die verpflichtende
Bedingung zu knüpfen, seitens der Mittelempfänger in frei zugänglichen
Datenbanken das Forschungsprojekt, die Ziele und wesentlichen Resul-
tate in allgemeinverständlicher Form darzulegen und über den Umfang
und die Dauer der öffentlichen Förderung sowie die beteiligten Koopera-
tionspartner Auskunft zu geben.

Berlin, den 1. April 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Dass mehr Transparenz möglich ist, beweist der Erfolg der Europäischen Transparenzinitiative, durch wel-
che die EU-Mitgliedstaaten seit April 2009 verpflichtet sind, Informationen über die Empfängerinnen und
Empfänger der Gemeinschaftsmittel aus den EU-Agrarfonds zu veröffentlichen. Der Vorschlag für mehr

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/980

Transparenz über die Fördermittelvergabe des Bundes orientiert sich deshalb an dieser europäischen Initia-
tive.

Um einen ausreichenden Schutz der Grundrechte und der personenbezogenen Daten zu gewährleisten, muss
sorgsam zwischen dem Transparenzinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten
von Fördermittelempfängerinnen und -empfängern abgewogen werden. Dies betrifft vor allem natürliche
Personen. Im Falle von kleineren Kapitalgesellschaften, die mit einer oder mehreren natürlichen Personen
identisch sind, ist der Datenschutz aber ebenfalls im vollen Umfang zu berücksichtigen. Der Europäische
Gerichtshofs (EuGH) hat mit Urteil vom 9. November 2010 deshalb eingefordert, dass bei der Veröffentli-
chungspflicht Bezugsdauer, Häufigkeit sowie Art und Umfang der Zuwendungen berücksichtigt werden.
Die Veröffentlichungspflicht für Fördermittel des Bundes ist an diesen Vorgaben orientiert.

Der Umfang der Veröffentlichung (Förderprogramm, Name bzw. Firma, Postleitzahl und Gemeinde des
Unternehmenssitzes sowie Förderbetrag) orientiert sich an der derzeitigen Praxis bei der Veröffentlichung
von Empfängerdaten bei EU-Agrarfördermitteln. Zudem muss der Schutz von Betriebs- und Geschäftsge-
heimnissen angemessen berücksichtigt werden. Deshalb soll es in begründeten Fällen, in denen es durch die
Veröffentlichung der Förderdaten zu einer Offenlegung von besonders sensiblen Betriebs- und Geschäfts-
geheimnissen kommen kann, Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht geben können.

Bei der Veröffentlichung der Förderdaten soll auf eine bereits etablierte Internetplattform des Bundes
(www.foerderdatenbank.de) zurückgegriffen werden, um Einführungs- und Verwaltungskosten gering zu
halten. Dabei müssen die allgemeine Verständlichkeit, die Standardisierung und die Interoperabilität (u. a.
durch offene Schnittstellen) von Datensätzen gewährleistet werden.

Um eine wissenschaftliche Auswertbarkeit der Daten zu gewährleisten, sollen den Nutzerinnen und Nutzern
geeignete Sortierkriterien (z. B. Förderprogramm, Gemeinde des Unternehmenssitzes, Unternehmensgröße,
Höhe der Zuwendung etc.) angeboten werden.

Die Definition der Fördermittel orientiert sich am Fördermittelbegriff des Instituts für Stadtforschung und
Strukturpolitik GmbH (Gutachten „Entwicklung von Performanzindikatoren als Grundlage für die Evaluie-
rung von Förderprogrammen“ im Auftrag des Bundesfinanzministeriums). Dort werden Förderprogramme
definiert als „finanzielle Zuwendungen in Form von Zuschüssen, Gewährleistungen, Bürgschaften, Garan-
tien oder Beteiligungen an Empfänger außerhalb der Bundesverwaltung, die zweckgebunden in Form einer
Projektförderung zur Erreichung politischer Zielsetzungen im Rahmen der eigenen Aufgaben des Empfän-
gers ausgereicht werden.“ Diese Definition vernachlässigt zwar umfangreiche Subventionstatbestände, wie
milliardenschwere Begünstigungen bei der Strom- und Umsatzsteuer, ist aber als Einstieg in eine bessere
Transparenz der öffentlichen Fördermittelvergabe dennoch geeignet.

Im Falle von Neuregelungen ist die Förderung der Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öf-
fentlich finanzierten Wissenschaft zu beachten und zu unterstützen. Dazu hat bereits in der 17. Wahlperiode
die Projektgruppe „Bildung und Forschung“ der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“
gefordert, die Zuwendung öffentlicher Mittel für Forschungsprojekte generell an die verpflichtende Bedin-
gung zu knüpfen, seitens der Mittelempfänger in frei zugänglichen, möglichst zentralen sowie untereinan-
der vernetzten Datenbanken das jeweilige Forschungsprojekt, die Ziele und die wesentlichen Resultate,
einschließlich der nach dem Open-Access-Prinzip veröffentlichten Forschungsergebnisse und -daten, in
allgemeinverständlicher Form darzulegen und über die Dauer der öffentlichen Förderung sowie die beteilig-
ten Kooperationspartner Auskunft zu geben.

Gemeinsam mit den Ländern und im Einklang mit der Forderung der Informationsfreiheitsbeauftragten
sollen gesetzliche Regelungen erarbeitet werden, um wesentliche Informationen zu vertraglichen Koopera-
tionen zwischen öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen und Dritten grundsätzlich im Internet
zu veröffentlichen. Die Pflicht zur Veröffentlichung soll zurücktreten, soweit und solange die Veröffentli-
chung gesetzlich geschützte Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Ausnahmen sind transpa-
rent zu begründen und zu kommunizieren.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.