BT-Drucksache 18/9675

Internationale rechtliche Zusammenarbeit stärken und ausbauen

Vom 21. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9675
18. Wahlperiode 21.09.2016
Antrag
der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Dr. Franziska Brantner, Luise
Amtsberg, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Agnieszka Brugger,
Kai Gehring, Uwe Kekeritz, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Internationale rechtliche Zusammenarbeit stärken und ausbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der freie und gleiche Zugang zum Recht und zu einem funktionierenden Justizwesen
ist unerlässliche Voraussetzung für einen stabilen und nachhaltigen Frieden. Genau
diese Voraussetzung ist in vielen fragilen Staaten, Nachkriegsgesellschaften und Au-
tokratien nicht gegeben.
Die internationale rechtliche Zusammenarbeit ist schon seit den 1990er-Jahren Be-
standteil deutscher Außen-, Justiz-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. In ihrem
4. Umsetzungsbericht zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention betont die Bundesre-
gierung, dass die Rechtsstaatsförderung sogar einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im
Ausland darstelle. Eine Übersicht der Projekte und Aktivitäten der Bundesregierung
und der mit Rechtsstaatsförderung befassten Partner existiert aber erst seit 2013. Das
„Register der Maßnahmen zur Förderung des Rechtsstaats im Ausland“ soll die Ab-
stimmung zwischen den Ressorts und den unterschiedlichen in der Rechtsstaatsförde-
rung aktiven Organisationen verstärken.
Die Tätigkeit von Juristinnen und Juristen und anderen rechtsberatenden Expertinnen
und Experten ist vielfältig und kann sowohl im Rahmen einer Friedensmission erfol-
gen, als auch in bilateralen Projekten oder über eine Tätigkeit an internationalen Ge-
richten wie etwa dem Internationalen Strafgerichtshof stattfinden.
Der Deutsche Bundestag anerkennt die Leistung der Expertinnen und Experten, die
ihre Expertise in bi- und multilateralen Projekten und für Friedens- und Rechtsstaats-
missionen der Vereinten Nationen (VN), der Europäischen Union (EU) und der Orga-
nisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einbringen. Für den
Erfolg der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit ist der Einsatz aller Berufs-
gruppen aus dem Bereich der Justiz und des Justizvollzugs notwendig.
In UN- und EU-Missionen stand bisher das Strafrecht im Vordergrund. Im Anschluss
an die Überwindung von Unrechtsregimen oder von zwischen- und innerstaatlichen
Krisen- und Kriegssituationen war es wichtig, sowohl zur Aufarbeitung des begange-
nen Unrechts als auch zur Vertrauensbildung in das Rechtssystem diesen Justizbereich
in den Mittelpunkt internationaler Unterstützung zu bringen. In den letzten Jahren ist

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aber mit Blick auf Streitigkeiten über Landrechte, über staatliches Handeln gegenüber
Einzelnen und Wirtschaftsunternehmen deutlich geworden, dass für Konfliktpräven-
tion der Bereich der Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit stärker in den Blick
der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit gerückt werden muss. Auch müssen
mehr lokale Beteiligungsformen gefunden werden, um Zugang zur Rechtsprechung zu
ermöglichen.
Aktuell finden Rechtsstaatsprojekte in einem breiten Spektrum von Maßnahmen statt,
die von den Rechtsstaatsdialogen mit China, Vietnam und Russland über Workshops,
Tagungen und Konferenzen bis zur längerfristigen Begleitung von Gesetzesvorhaben,
Fortbildungen und Grundlagenkursen reichen. Die Angebote richten sich bisher vor
allem an Regierungs- und Behördenvertreter sowie Angehörige der Justiz und des Jus-
tizvollzugs. Darüber hinaus sollten weiter maßgeschneiderte Angebote für Abgeord-
nete und ihre Mitarbeiter, die Parlamentsverwaltungen, aber auch die Anwaltschaft
entwickelt werden. Sinnvoll ist es auch, zivilgesellschaftliche Organisationen des Ein-
satzlandes in Maßnahmen und Programme der internationalen rechtlichen Zusammen-
arbeit einzubinden, um oftmals fehlendes Wissen und Vorurteile bei Behörden, in der
Richterschaft, bei der Polizei und den Staatsanwaltschaften abzubauen.
Die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit (IRZ), das Zent-
rum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) sowie die Deutsche Gesellschaft für in-
ternationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH leisten als die für Deutschland zentralen
Durchführungsorganisationen in diesem Bereich seit Jahren exzellente Arbeit. Ebenso
ist das Engagement der politischen Stiftungen und vieler Nichtregierungsorganisatio-
nen im Bereich der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit hervorzuheben, die
sowohl eigenständig als auch vielfach in enger Partnerschaft mit den Durchführungs-
organisationen tätig sind.
Vielen Rechtsexperten und Rechtsexpertinnen sind die Möglichkeiten einer internati-
onalen Verwendung kaum bekannt oder die zeitweilige Auslandsverwendung ist nicht
kompatibel mit dem deutschen Karriereweg. So geht der Einsatz von Juristen und Ju-
ristinnen in Missionen häufig auf Eigeninitiative zurück.
Um mehr Expertinnen und Experten aus allen Justizbereichen für die Teilnahme an
der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit zu begeistern, ist es notwendig, die
bisherigen Maßnahmen in den Bereichen Information und Anwerbung, Durchführung
und Nachbereitung zu verstärken und auszubauen.
Bei der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit handelt es sich um eine gesamt-
staatliche Aufgabe, für deren Erfolg Bund und Länder gleichermaßen in der Verant-
wortung stehen. Die Justizminister der Länder haben sich auf ihrer Frühjahrstagung
2015 für eine Stärkung und Weiterentwicklung der internationalen rechtlichen Zusam-
menarbeit ausgesprochen und den Bund aufgefordert, ihnen bei der Bereitstellung von
Expertinnen und Experten durch die Möglichkeit von Abordnungen an den Bund ent-
gegenzukommen. Der Deutsche Bundestag begrüßt dies ebenso wie die Initiative zu
einer entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe.
Angesichts der Flüchtlingssituation und der zahlreichen Appelle, die Lage in den Her-
kunftsländern zu verbessern, spricht sich der Deutsche Bundestag für einen weiteren
Ausbau der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit aus. Die bisherige Orientie-
rung der IRZ auf EU-Beitrittskandidaten, China, Vietnam, die Russische Föderation
und die Transitionsländer des Nahen Ostens und Nordafrikas sollte erweitert und ent-
sprechende Angebote für interessierte Staaten sollten entwickelt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zügig darauf hinzuwirken, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe für eine Stär-
kung und Weiterentwicklung der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit
ihre Arbeit aufnimmt;

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2. im deutschen Recht die Freistellung von Richterinnen und Richtern sowie Staats-

anwältinnen und Staatsanwälten sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten
und Juristen und Juristinnen für Auslandsmissionen besser zu ermöglichen und
insbesondere Stellen im Bereich der Justiz zu schaffen, auf die von den Ländern
freigestellte Justizbedienstete für die Dauer ihres Einsatzes im Ausland abgeord-
net werden können;

3. sich auf VN-, EU- und OSZE-Ebene dafür einzusetzen, dass über deren Pro-
gramme zur rechtlichen Zusammenarbeit Angebote zu allen Rechtsbereichen,
also Straf-, Zivil- und Staats- und Verwaltungsrecht, bereitgehalten werden, und
den Durchführungsorganisationen die dafür notwendigen Mittel bereitzustellen;

4. Mittel zur Verfügung zu stellen, um bei deutschen Rechtsexperten und Rechtsex-
pertinnen verstärkt für eine internationale Verwendung zu werben und Wege zu
finden, um die Freistellungen schneller und unbürokratischer zu ermöglichen.
Ziel sollte ein gezielter Einsatz deutscher Rechtsexpertise in Missionen und an-
deren internationalen Organisationen sein;

5. Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen unter Richter- und Staatsanwaltschaf-
ten, Anwaltskammern und Nichtregierungsorganisationen, Verbänden sowie Jus-
tizbediensteten für die Teilnahme an internationalen Friedens- und Rechtsstaats-
missionen geworben werden kann und mit denen Fort- und Weiterbildungsmaß-
nahmen für diese Personengruppen angeboten werden können, die auf eine Tä-
tigkeit im Rahmen von internationalen Friedens- und Rechtsstaatsmissionen vor-
bereiten.

Berlin, den 20. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Zu 1) Die Justizminister der Länder haben sich auf ihrer Frühjahrstagung 2015 für eine Stärkung und Weiterent-
wicklung der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit ausgesprochen. Der Deutsche Bundestag begrüßt die
Initiative zu einer entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe.
Zu 2) Darüber hinaus ist der Bund in der Pflicht, den Ländern bei der Bereitstellung von Expertinnen und Exper-
ten entgegenzukommen, da diese zu einem Großteil in Justiz, Staatsanwaltschaften und im Justizvollzug der
Länder beschäftigt sind und gewährleistet werden muss, dass für die Zeit ihres Auslandseinsatzes dort Vertretun-
gen beschäftigt werden können.
Zu 3) Die Akzeptanz des Rechtsstaats durch die Bürgerinnen und Bürger hängt davon ab, dass sie auf allen
Ebenen auf die Unabhängigkeit der Justiz vertrauen können. Insofern ist es im Sinne einer internationalen recht-
lichen Zusammenarbeit, die um den Schutz der Stabilität von Staaten durch Unterstützung des jeweiligen Jus-
tizsystems bemüht ist, wichtig, Angebote der Zusammenarbeit in allen Rechtsbereichen bereitzuhalten oder zu-
mindest auf internationaler Ebene ein solches Portfolio abzusichern. Deutschland hat hier die finanziellen und
personellen Möglichkeiten, ein breites Spektrum der Zusammenarbeit anbieten zu können. Ebenso wichtig ist es,
dass Angebote für unterschiedliche Zielgruppen unterbreitet werden. Neben Regierungs- und Behördenvertretern
sowie Angehörigen der Justiz und des Justizvollzugs sollten im Rahmen der internationalen rechtlichen Zusam-
menarbeit maßgeschneiderte Angebote für Abgeordnete und ihre Mitarbeiter, die Parlamentsverwaltungen, aber
auch die Anwaltschaft und zivilgesellschaftliche Gruppen entwickelt werden. Sinnvoll ist es auch, zivilgesell-
schaftliche Organisationen des Einsatzlandes in Maßnahmen und Programme der internationalen rechtlichen Zu-
sammenarbeit einzubinden, um oftmals fehlendes Wissen und Vorurteile bei Behörden, in der Richterschaft, bei
der Polizei und den Staatsanwaltschaften abzubauen. Um Innovationen und ein breites Angebot abzusichern,

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sollten neben den Durchführungsorganisationen auch solche Organisationen beauftragt werden, die spezialisierte
Programme anbieten können. Hierbei ist auch zu überlegen, ob dafür nicht eine Richtquote eingeführt werden
sollte, die sicherstellt, dass mindestens 30 % der Projekte mit solchen spezialisierten Organisationen ausgeführt
werden.
Zu 4) und 5) Um geeignetes Personal für Projekte der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit zu finden,
bedarf es anhaltender Werbemaßnahmen, um auf die Möglichkeit und die Herausforderungen einer solchen Aus-
landstätigkeit aufmerksam zu machen. Diese Maßnahmen müssen sowohl an Gerichten, Behörden als auch auf
einschlägigen Foren durchgeführt werden, um alle Gruppen im Bereich der Justiz anzusprechen und auf die
Möglichkeit der Mitwirkung an der IRZ aufmerksam zu machen. Für den gesamten Personenkreis müssen zudem
Angebote zur besonderen Vorbereitung, aber auch zu Fort- und Weiterbildungen, die speziell auf die internatio-
nale rechtliche Zusammenarbeit ausgerichtet sind, angeboten werden, um die Qualität der Arbeit auf diesem Feld
nachhaltig zu sichern.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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