BT-Drucksache 18/9483

Die Situation von begleiteten geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen in Deutschland

Vom 24. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9483
18. Wahlperiode 24.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Luise Amtsberg,
Beate Walter-Rosenheimer, Volker Beck (Köln), Özcan Mutlu, Katja Dörner,
Ulle Schauws, Maria Klein-Schmeink, Katja Dörner, Doris Wagner,
Elisabeth Scharfenberg, Kai Gehring, Tabea Rößner, Dr. Harald Terpe,
Claudia Roth (Augsburg), Britta Haßelmann, Katja Keul, Renate Künast,
Monika Lazar, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Situation von begleiteten geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen
Volljährigen in Deutschland

UNICEF Deutschland kritisiert in seinem am 21. Juni 2016 veröffentlichten
„Lagebericht zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland“, dass Flücht-
lingskinder – vor allem solche mit sogenannter schlechter Bleibeperspektive –
generell schlechter als ihre deutschen Altersgenossen gestellt seien und ihre Rechte
auf Schutz, Teilhabe, gesundheitliche Versorgung und Bildung in Deutschland oft
monatelang nur eingeschränkt oder gar nicht gewahrt würden (www.unicef.de/blob/
115186/de54a5d3a8b6ea03337b489816eeaa08/zur-situation-der-fluechtlingskinder-
in-deutschland-data.pdf). Obwohl sich die Ergebnisse des Berichts auf alle ge-
flüchteten Kinder beziehen, wollen die Fragesteller hier ihr Augenmerk beson-
ders auf die Situation der begleiteten Kinder, Jugendlichen und jungen Volljähri-
gen richten.
Trotz eines Rückgangs der Zuzugszahlen hat sich laut UNICEF die Aufenthalts-
dauer von vielen Kindern und ihren Familien in nicht kindgerechten Gemein-
schaftsunterkünften bzw. Erstaufnahmeeinrichtungen verlängert. Dort sei der
Kinderschutz nicht ausreichend gewährleistet, es fehle an Hygiene, ausreichen-
den Spiel- und Lernmöglichkeiten sowie psychosozialen Hilfen (vgl. UNICEF,
a. a. O., 2016). Gemeinschaftsunterkünfte bzw. Erstaufnahmeeinrichtungen sind
Notlösungen und bieten kein kindgerechtes Umfeld. Deshalb ist es den Fragestel-
lern wichtig, dass Flüchtlinge und insbesondere Flüchtlingsfamilien langfristig
möglichst dezentral in eigenen Wohnungen bzw. in Einrichtungen, die Woh-
nungscharakter für die Familien haben, unterkommen können, um einem ausrei-
chenden Kinderschutz Rechnung zu tragen (vgl. Fraktionsbeschluss der
BÜNDNIS-90/DIE-GRÜNEN-Bundestagsfraktion vom 31. Mai 2016 „Gekom-
men um zu bleiben – Junge Geflüchtete auf dem Weg in ein neues Leben unter-
stützen“).
UNICEF bemängelt ebenfalls, dass der Zugang von begleiteten Flüchtlingskindern
zu Bildung und psychosozialer Betreuung durch die jeweilige Ausgestaltung der
Flüchtlingsaufnahme in den Bundesländern sehr unterschiedlich sei. Vielerorts feh-
len ausreichende Mittel und qualifizierte Fachkräfte, um kindgerechte Angebote
umsetzen zu können (vgl. UNICEF, a. a. O., 2016, S. 11). Dabei wirken sich Kin-
dergarten und Schule stabilisierend auf die Mädchen und Jungen aus, und sind der

Drucksache 18/9483 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Schlüssel zur Integration (vgl. Vorbemerkung der Bundesregierung in ihrer Ant-
wort auf Bundestagsdrucksache 18/8377).
Auch innerhalb der Gruppe der begleiteten Flüchtlingskinder wächst laut
UNICEF je nach Herkunftsland und angenommener Bleibeperspektive die Un-
gleichbehandlung. Kinder, deren Familien eine sogenannte schlechte Bleibeper-
spektive unterstellt wird oder die aus als sicher eingestuften Herkunftsländern
stammen, seien besonders benachteiligt, da sie in den für diese Personengruppe
vorgesehenen Sondereinrichtungen (Ausreisezentren) noch weniger Chancen auf
Förderung und Schulbesuch haben (vgl. www.lagrenne-stiftung.de/index.php/
download/send/0-/2-studie-kinderrechte-im-abschiebezentrum-bamberg).
Bis heute gibt es in Deutschland darüber hinaus kein systematisches und verbind-
liches Verfahren, bei dem die jeweilige besondere Schutzbedürftigkeit eines Kin-
des geprüft wird. Dabei darf Kinderschutz niemals vom Zufall abhängen.
Die Fragesteller möchten wissen, wie die Bundesregierung zu den Ergebnissen
und Schlussfolgerungen der UNICEF-Studie steht, ob ihr zu der Lage von beglei-
teten geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen in Deutschland
noch genauere Daten vorliegen und was sie gedenkt, diesbezüglich zu tun.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Wie viele minderjährige und heranwachsende Flüchtlinge mit welchem

Aufenthaltstitel halten sich zum Stichtag 31. Juli 2016 in Deutschland auf
(bitte aufschlüsseln nach Bundesländern in Verbindung mit den Alters-
gruppen 0 bis 2, 3 bis 5, 6 bis 9, 10 bis 15, 16 bis 17, 18 bis 20, 21 bis 27
Jahre und der Rechtsgrundlage nach § 55 AsylG, nach § 63a AsylG, nach
§ 22 Satz 1 AufenthG, nach § 22 Satz 2 AufenthG, nach § 23 Absatz 1
AufenthG, nach § 23 Absatz 2 AufenthG, nach § 23a AufenthG, nach § 24
AufenthG, nach § 25 Absatz 1 AufenthG, nach § 25 Absatz 2 erste Alter-
native AufenthG, nach § 25 Absatz 2 zweite Alternative AufenthG, nach
§ 25 Absatz 3 AufenthG, nach § 25 Absatz 4 AufenthG, nach § 25 Absatz
4 Satz 2 AufenthG, nach § 25 Absatz 4b AufenthG, nach § 25 Absatz 5
AufenthG, nach § 25a Absatz 1 AufenthG, nach § 60a Absatz 2 Satz 1
AufenthG, nach § 60a Absatz 2 Satz 2 AufenthG, nach § 60a Absatz 2
Satz 3 AufenthG, nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG)?

b) Wie viele minderjährige und heranwachsende Flüchtlinge mit welchem
Aufenthaltstitel halten sich zum Stichtag 31. Juli 2016 in Deutschland auf
(bitte aufschlüsseln nach Bundesländern in Verbindung mit den Her-
kunftsländern und der Rechtsgrundlage nach § 55 AsylG, nach § 63a
AsylG, nach § 22 Satz 1 AufenthG, nach § 22 Satz 2 AufenthG, nach § 23
Absatz 1 AufenthG, nach § 23 Absatz 2 AufenthG, nach § 23a AufenthG,
nach § 24 AufenthG, nach § 25 Absatz 1 AufenthG, nach § 25 Absatz 2
erste Alternative AufenthG, nach § 25 Absatz 2 zweite Alternative Auf-
enthG, nach § 25 Absatz 3 AufenthG, nach § 25 Absatz 4 AufenthG, nach
§ 25 Absatz 4 Satz 2 AufenthG, nach § 25 Absatz 4b AufenthG, nach § 25
Absatz 5 AufenthG, nach § 25a Absatz 1 AufenthG, nach § 60a Absatz 2
Satz 1 AufenthG, nach § 60a Absatz 2 Satz 2 AufenthG, nach § 60a Ab-
satz 2 Satz 3 AufenthG, nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9483
2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele begleitete
Kinder, Jugendliche und junge Volljährige in Notunterkünften und Erstauf-
nahmeeinrichtungen leben?
Wie lange leben sie bereits dort (bitte aufschlüsseln nach den Altersgruppen
0 bis 2, 3 bis 5, 6 bis 9, 10 bis 15, 16 bis 17, 18 bis 20, 21 bis 27 Jahre,
Geschlecht, Bundesländern, Herkunftsländern und Aufenthaltsstatus)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und wann plant die Bundesregierung,
diese Zahlen zu erheben?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der begleite-
ten geflüchteten Kinder und Jugendlichen noch in Erstaufnahmeeinrichtun-
gen leben, obwohl die nach § 47 Absatz 1 AsylG gesetzlich festlegte Frist
von längstens sechs Monaten überschritten ist (bitte aufschlüsseln nach Bun-
desländern, Geschlecht und Alter)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele begleitete ge-
flüchtete Kinder, Jugendliche und junge Volljährige in Gemeinschaftsunter-
künften leben?
Wie lange leben sie dort (bitte aufschlüsseln nach den Altersgruppen 0 bis 2,
3 bis 5, 6 bis 9, 10 bis 15, 16 bis 17, 18 bis 20, 21 bis 27 Jahre, Geschlecht,
Bundesländern, Herkunftsländern, Aufenthaltsstatus)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob in den Gemein-
schafts-, Notunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen gesunde und kindge-
rechte Nahrung zur Verfügung steht bzw. es Möglichkeiten gibt, selbst Essen
zuzubereiten?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie hoch der Anteil
von begleiteten geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen
ist, die in Ausreisezentren für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive
wohnen?
Wie lange leben sie dort (bitte aufschlüsseln nach Altersgruppen 0 bis 2, 3
bis 5, 6 bis 9, 10 bis 15, 16 bis 17, 18 bis 20, 21 bis 27 Jahre, Geschlecht,
Bundesländern, Herkunftsländern, Aufenthaltsstatus)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele begleitete ge-
flüchtete Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit ihren Familien aus
bereits zugeteilten Kommunen wieder herausgerissen und in Ausreisezentren
gebracht wurden (bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Bundesländern,
Herkunftsländern und Rechtsgrundlage)?
Wenn keine Erkenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesre-
gierung, diese Zahlen zu erheben?

Drucksache 18/9483 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der begleite-
ten geflüchteten Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährige seit 2015 von
nächtlichen Abschiebungen betroffen waren?
Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, in welchen Bundesländern die
Abschiebungen nachts durchgeführt werden (bitte aufschlüsseln nach Bun-
desländern, Alter, Geschlecht und Herkunftsländern)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Lebenssituation von begleiteten min-
derjährigen Flüchtlingen, die in Notunterkünften und von denen, die in Erst-
aufnahmeeinrichtungen leben müssen vor dem Hintergrund der Kinderrechte
gemäß der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) und Artikel 24 Absatz 2 der
Grundrechtecharta?
Was wird aus Sicht der Bundesregierung getan, um diese Rechte zufrieden-
stellend umzusetzen (bitte separat nach Art der Unterkunft und Artikel der
UN-Kinderrechtskonvention bewerten)?

10. Inwieweit erfüllen die Zustände in den Unterkünften für Familien und ihre
Kinder die Standards, die zum Erhalt einer Betriebserlaubnis nach § 45 des
Achten Buches Sozialgesetzbuch notwendig wären?
Welche positiven und negativen Beispiele sind der Bundesregierung hierzu
bekannt?

11. a) Inwieweit sind die von der Bundesregierung geförderten „Child-Friendly
Spaces“ und die geplanten Koordinationsstellen für Gewaltschutz in
Flüchtlingsunterkünften (www.bmfsfj.de/BMFSFJ/kinder-und-jugend,did=
222264.html), die angesichts der langfristig geforderten dezentralen Un-
terbringung nur eine Notlösung darstellen, eine Reaktion auf kinderrechts-
widrige Lebensumstände in den Notunterkünften und Erstaufnahmeein-
richtungen?

b) Mit welchen Kooperationspartnern arbeitet das BMFSFJ im Bereich der
„Child-Friendly Spaces“ und des Gewaltschutzes in Flüchtlingsunter-
künften zusammen?

Warum wurden diese Organisationen ausgewählt, und welches Budget
wird ihnen zur Verfügung gestellt?
Welche Maßnahmen wurden bislang durchgeführt, und welche sind noch
geplant (bitte aufschlüsseln nach Projektträgern)?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchem Umfang
begleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche in deutschen Flüchtlingsunter-
künften betreut werden und ihnen Spiel- und Lernangebote zur Verfügung
stehen?
In wie vielen Einrichtungen wird die Kinderbetreuung in dafür geeigneten
und geschützten Räumen organisiert?
In wie vielen ist dies nicht der Fall (bitte aufschlüsseln nach Bundesländern,
Geschlecht und Alter und unter Angabe der Richtlinie nach welcher die Be-
treuung umgesetzt wird)?
Wenn keine Daten vorhanden sind, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9483

13. a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viel Personal,

das Erfahrungen im Bereich Kinderschutz und in der Arbeit mit geflüch-
teten Kindern und Jugendlichen hat, in den Gemeinschafts-, Notunter-
künften und Erstaufnahmeeinrichtungen beschäftigt wird?
Welche Form der Schulung, Fortbildung und Vergütung kommt dem Per-
sonal zu (bitte nach Art der Unterkunft, Bundesländern und Geschlecht
aufschlüsseln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesre-
gierung, diese Zahlen zu erheben?

14. a) Wie viele Missbrauchsfälle, die sich gegen begleitete geflüchtete Kinder,
Jugendliche und junge Volljährige richteten, wurden seit 2014 in deut-
schen Flüchtlingsunterkünften bekannt (bitte nach Quartalen aufschlüs-
seln)?

b) Durch wen erfolgten nach Kenntnis oder Information der Bundesregie-
rung diese Übergriffe, welchen Hintergrund hatten sie, und wer waren die
Täter bzw. Tatverdächtigen (z. B. Familienangehörige, Heimbewohner,
Betreuungspersonal, Bewachungspersonal, Dolmetscher)?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in wie vielen Gemein-
schafts-, Notunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen keine geschlech-
tergetrennten Duschen zur Verfügung stehen (bitte nach Art der Unterkunft
und Bundesländern aufschlüsseln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

16. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus Studienbefunden, wo-
nach für Frauen, Mädchen, Jungen und alleinstehende Mütter mit Kindern
das Risiko von Belästigung und sexualisierter Gewalt durch private Sicher-
heitskräfte, Angehörige oder andere Flüchtlinge besteht (siehe die 2015 er-
schienene Studie „Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt –
auch in Flüchtlingsunterkünften“ des Deutschen Instituts für Menschen-
rechte)?

17. Wie begründet die Bundesregierung die ausbleibende Umsetzung der EU-
Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU), die die Bundesregierung ver-
pflichtet, bei der Unterbringung Asylsuchender geschlechts- und altersspezi-
fische Aspekte sowie die Situation von schutzbedürftigen Personen zu be-
rücksichtigen und geeignete Maßnahmen zu treffen, damit Übergriffe und
geschlechtsbezogene Gewalt einschließlich sexueller Übergriffe und Beläs-
tigung verhindert werden?

18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Kinder- und Jugendhilfe
auch für die Versorgung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Not-
unterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen – unabhängig von den von der
Bundesregierung geförderten „Child-Friendly Spaces“ – zuständig ist, und
wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche Vorstellungen hat die Bundesregierung darüber, wie sich
die Kinder- und Jugendhilfe dort konkret einbringen kann?

19. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Kinder, Jugendliche und ihre Familien
in den Notunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen über Leistungen der
Kinder- und Jugendhilfe informiert werden, und sieht sie hier Handlungsbe-
darf?
Sind der Bundesregierung Beispiele aus Kommunen bekannt, in denen die
Kinder- und Jugendhilfe aktiv und regelmäßig in den Erstaufnahmeeinrich-
tungen präsent ist (bitte auflisten)?

Drucksache 18/9483 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

20. Ist der Bundesregierung bekannt, ob in den Notunterkünften und Erstaufnah-

meeinrichtungen vom Recht der Beratung durch eine und die Inanspruch-
nahme einer insofern erfahrenen Fachkraft nach § 8b des Achten Buches So-
zialgesetzbuch Gebrauch gemacht wird?

21. Was wird die Bundesregierung tun, um der Tatsache entgegenzuwirken, dass
vielerorts ausreichende Mittel und qualifizierte Fachkräften fehlen, um den
Rechten von begleiteten geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen
Volljährigen auf Bildung und Teilhabe gerecht werden zu können angesichts
der von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/8377 geäußerten
Vorbemerkung, dass „Bildung […] der Schlüssel zur Integration“ sei und
eine frühzeitige Integration in das Bildungssystem nicht nur für die Flücht-
linge, sondern auch für die Aufnahmegesellschaft Chancen biete?

22. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der begleite-
ten geflüchteten Kinder, auf Grundlage der Antworten zu den Fragen 1a und
1b, die nach § 24 des Achten Buches Sozialgesetzbuch einen Rechtsanspruch
auf Förderung in einer Tageseinrichtung haben, bereits eine Kita besuchen
(bitte nach Bundesländern, Geschlecht, Alter und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

23. Mit welchem Mehrbedarf an notwendigen Kitaplätzen für begleitete Flücht-
lingskinder (Stand 1. Juli 2016), auf Grundlage der Antworten zu den Fragen
1a und 1b, rechnet die Bundesregierung (bitte nach Bundesländern auf-
schlüsseln), und was unternimmt die Bundesregierung, damit dieser Mehr-
bedarf gedeckt wird?

24. Zieht die Bundesregierung in Betracht, auf Grundlage der Antworten zu den
Fragen 1a und 1b, in einem Nachtragshaushalt bzw. im Bundeshaushalt für
das Jahr 2017 eine Aufstockung des Sondervermögens „Kinderbetreuungs-
ausbau“ vorzunehmen?
Wenn ja, in welchem Umfang?
Wenn nein, warum nicht?

25. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob die Länder den
Schulbesuch auch bei nicht bestehender Schulpflicht ermöglichen oder trotz
bestehender Schulpflicht nicht ermöglichen (bitte nach Bundesländern auf-
schlüsseln)?
Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf hinsichtlich einer bundes-
einheitlichen Regelung?
Wenn nein, warum nicht?

26. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der in Aus-
reisezentren lebenden begleiteten geflüchteten Kinder und Jugendlichen
trotz Schulpflicht und eines Aufenthalts von häufig sechs Monaten oder län-
ger weder zur Schule gehen, noch andere Bildungsangebote erhalten (bitte
nach Bundesländern, Geschlecht, Alter und Herkunftsländern aufschlüs-
seln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9483

27. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, für welches Schulalter

es sogenannte Willkommens- bzw. Vorbereitungsklassen gibt?
Wie viele der begleiteten geflüchteten Kinder, Jugendlichen und jungen
Volljährigen, die auf eine Schule in Deutschland gehen, sind noch in soge-
nannten Willkommens- bzw. Vorbereitungsklassen (bitte nach Bundeslän-
dern, Alter, Geschlecht und Klassenstufen aufschlüsseln)?
Wenn keine Daten vorhanden sind, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

28. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Länder bei der Einrichtung
von sogenannten Willkommens- bzw. Vorbereitungsklassen finanziell und
konzeptionell?
Sofern sie dies nicht tut, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung
für eine solche Unterstützung?

29. a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchen Ländern
die Willkommens- bzw. Vorbereitungsklassen konzeptionell überschu-
lisch begleitet und eingerahmt werden?
Wie bewertet die Bundesregierung diese Konzepte?

b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern bei der
Erarbeitung solcher Konzepte Erfahrungen aus anderen Ländern berück-
sichtigt werden, in denen es bereits seit Jahrzehnten Willkommensklassen
gibt (z. B. der Schweiz)?

30. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der begleite-
ten geflüchteten Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen, die auf eine
Schule in Deutschland gehen, dort bereits ganz oder teilweise am Regelun-
terricht teilnehmen (bitte nach Bundesländern, Herkunftsländern, Alter, Ge-
schlecht und Klassenstufen aufschlüsseln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

31. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele begleitete ge-
flüchtete Kinder, Jugendliche und junge Volljährige zum neuen Schuljahr in
eine Regelklasse gehen sollen?
Sind nach Auffassung der Bundesregierung hierfür genügend Kapazitäten
vorhanden (bitte nach Bundesländern, Alter, Geschlecht und Klassenstufen
aufschlüsseln)?
Wenn keine Daten vorhanden sind, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

32. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie lange begleitete
geflüchtete Kinder, Jugendliche und junge Volljährige für den Wechsel von
der Willkommens- bzw. Vorbereitungsklasse in die Regelklasse brauchen
bzw. wie viel Zeit ihnen gelassen wird (bitte nach Bundesländern, Herkunfts-
ländern, Alter, Geschlecht und Klassenstufen aufschlüsseln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

33. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie der Übergang von
der Alltagssprache zur Bildungssprache für begleitete geflüchtete Kinder, Ju-
gendliche und junge Volljährige bestmöglich in den Schulalltag implemen-
tiert werden kann?

Drucksache 18/9483 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

34. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wo und wie viele Lehr-

kräfte mit Qualifikationen wie Deutsch als Fremdsprache in Schulen unter-
richten, um qualitativ hochwertige Bildung zu gewährleisten (bitte nach Bun-
desländern auflisten)?

35. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der begleite-
ten geflüchteten Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen bereits einen
Schulabschluss in Deutschland erreicht haben (bitte nach Bundesländern,
Herkunftsländern, Alter, Geschlecht und Art des Abschlusses aufschlüs-
seln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

36. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der begleite-
ten geflüchteten Kinder und Jugendlichen aufgrund psychischer Probleme
(Traumata etc.) die Schule nicht besuchen können?
Gegen wie viele von ihnen bzw. gegen wie viele Eltern wurde bereits ein
Bußgeldverfahren eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Herkunftsländern,
Alter und Geschlecht aufschlüsseln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

37. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche Fördermaßnah-
men für begleitete geflüchtete Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren
angeboten werden, die weder Schulpflicht noch einen Anspruch auf Teil-
nahme an den Integrationskursen haben?

38. Wird die Bundesregierung die Bundesländer bei der Einstellung von 14 000
zusätzlichen Lehrkräften, auf Empfehlung des Berichts „Bildung in Deutsch-
land 2016“ (www.bildungsbericht.de/de/nationaler-bildungsbericht), unter-
stützen, um den neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern gerecht zu
werden?
Wenn nein, warum nicht?

39. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie lange es dauert, bis
begleitete geflüchtete Jugendliche und junge Volljährige Berufsschulen be-
suchen dürfen (bitte nach Bundesländern, Herkunftsländern, Alter und Ge-
schlecht aufschlüsseln)?
Wenn keine Kenntnisse vorliegen, wie und bis wann plant die Bundesregie-
rung, diese Zahlen zu erheben?

40. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung auf der Basis ihrer
Kompetenz aus Artikel 91b Absatz 2 GG, um durch Bildungsforschung wis-
senschaftliche Erkenntnisse aus den jetzigen, oft ad hoc entwickelten Bil-
dungsangeboten für geflüchtete Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
zu gewinnen, um so mittel- und langfristig aus den Erfahrungen zu lernen
und Bildungsangebote zu verbessern bzw. die dazu notwendigen Erkennt-
nisse vorzulegen?

41. Welche Gespräche führt die Bundesregierung mit der Kultusministerkonfe-
renz, um eine Strategie für die mittel- und langfristige Sicherstellung von
Integrationsangeboten durch Bildung zu entwickeln und umzusetzen?

42. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl traumatisierter
und psychisch kranker begleiteter geflüchteter Kinder, Jugendlicher und jun-
ger Volljähriger in Deutschland?

43. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl chronisch kran-
ker und behinderter begleiteter geflüchteter Kinder, Jugendlicher und junger
Volljähriger in Deutschland?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9483

44. Welche Probleme und Defizite sind der Bundesregierung bei der Versorgung

von psychisch oder chronisch kranken und behinderten begleiteten geflüch-
teten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen bekannt (bspw. Ange-
bote für traumatherapeutische Behandlungen bzw. Hilfsmittelversorgung
während des Asylverfahrens), und welche Schlussfolgerungen zieht sie dar-
aus?

45. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gesundheitsversor-
gung von begleiteten geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen Voll-
jährigen in Ausreisezentren für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspek-
tive?
Wie wird sichergestellt, dass diese Kinder, Jugendlichen und jungen Voll-
jährigen, nach der UN-Kinderrechtskonvention, mit anderen in Deutschland
lebenden Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen gleich behandelt
werden?

46. Sind bereits „kurzfristig aussagekräftige Daten“ aus den in der Bundestags-
drucksache 18/7783 von der Bundesregierung angekündigten Monitoring-
und Datenerfassungsmechanismen und der Entwicklung von Indikatoren zur
Situation von geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Frauen mit Unterstüt-
zung durch UNICEF vorhanden, damit eine Grundlage geschaffen werden
kann für die effektive Verbesserung ihrer tatsächlichen Situation?

47. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele begleitet un-
begleitete minderjährige Flüchtlinge (begleitet von Familienangehörigen
aber nicht Sorgeberechtigen, z. B. Geschwistern oder Fremden) es gibt?
Werden diese gesondert erfasst (wie in der EU-Aufnahmerichtlinie vorgese-
hen), und wird geprüft, ob die begleitende Person in der Lage ist, die Vor-
mundschaft zu übernehmen?

48. Wie begründet es die Bundesregierung, dass die Anhörung von Minderjäh-
rigen, die im Familienverband sind, vor dem Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) über ihre eigenen Fluchtgründe im Asylverfahren le-
diglich optional ist?
Wovon ist es abhängig, ob Minderjährige, die im Familienverband sind, über
ihre eigenen Fluchtgründe angehört werden oder nicht?

49. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass beim BAMF Verfahren
geschaffen werden, um Flüchtlingskinder, die im Familienverband einreisen,
altersgerecht zu hören und zu beteiligen?

50. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass während der Anhörun-
gen der Eltern eine Kinderbetreuung vorgehalten wird?

51. Plant die Bundesregierung, das Vorliegen kinderspezifischer Verfolgungs-
gründe stärker als bisher in der Beurteilung über die Gewährung eines
Schutzstatus durch das BAMF oder durch die Verwaltungsgerichte zu be-
rücksichtigen?

Berlin, den 24. August 2016

Katrin-Göring Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.