BT-Drucksache 18/8970

Geburtsurkunden von Flüchtlingskindern

Vom 22. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8970
18. Wahlperiode 22.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Dr. Franziska Brantner,
Beate Walter-Rosenheimer, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Corinna Rüffer,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geburtsurkunden von Flüchtlingskindern

In Deutschland geborene Kinder müssen nach geltender Rechtslage und nach den
Regelungen der UN-Kinderrechtskonvention in ein Geburtsregister eingetragen
werden. In Fällen, in denen keine Identitätsdokumente der Eltern vorliegen, sind
in § 9 Absatz 2 des Personenstandsgesetzes (PStG) und § 35 der Personenstands-
verordnung (PStV) Wege vorgesehen, wie dennoch eine Beurkundung vorzuneh-
men bzw. ein beglaubigter Registerausdruck auszufertigen ist.
Nachdem bspw. im Rahmen des zweiten Staatenberichtsverfahrens zur Umset-
zung der UN-Kinderrechtskonvention massive Probleme bei der Registrierung
von neu geborenen nichtdeutschen Kindern, deren Eltern keine Papiere hatten,
bekannt geworden sind, hat die Bundesregierung die benannten Regelungen im
Personenstandsrecht eingeführt, so zumindest die Darstellung in dem folgenden
Staatenberichtsverfahren.
Dennoch gibt es weiterhin Berichte, Stellungnahmen und Hinweise von Fachor-
ganisationen, dass die Registrierung und die Ausstellung der notwendigen Doku-
mente z. T. nicht stattfindet (siehe beispielhaft: „Flüchtlinge ohne Identität“,
http://taz.de/Fluechtlingsbabys-in-Berlin/!5305237/, „Flüchtlingskinder erhalten
keine Geburtsurkunde“, www.schwaebische.de/region_artikel,-Fluechtlingskin-
der-erhalten-keine-Geburtsurkunde-_arid,10421810_toid,441.html, „Ein Baby
ohne Papiere“, www.faz.net/aktuell/rhein-main/geduldete-fluechtlinge-ein-baby-
ohne- papiere-13532048.html oder „Jugendärzte fordern Geburtsurkunden auch
für Flüchtlingskinder“, www.aerzteblatt.de/nachrichten/68006/Jugendaerzte-for-
dern- Geburtsurkunden-auch-fuer-Fluechtlingskinder). Für die betroffenen Fami-
lien und Kinder kann dies zum Ausschluss von der Gesundheitsversorgung und
anderen Teilhaberechten führen. Es ist davon auszugehen, dass die skizzierte
Problemlage zukünftig auch an weiteren Orten auftauchen wird.
Darüber hinaus begegnet die Beurkundung der Geburt von Kindern ohne Aufent-
haltsstatus Problemen, die die fragestellende Fraktion u. a. in einer Kleinen An-
frage aus dem Jahr 2015 thematisiert hat (Bundestagsdrucksache 18/4886).

Drucksache 18/8970 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Probleme bei der Aus-

stellung von Geburtsurkunden für ausländische Kinder, die in Deutschland
geboren sind und deren Eltern selbst keine Geburts- oder Eheurkunden vor-
legen können?
Inwieweit kann die Bundesregierung die in der Vorbemerkung der Fragestel-
ler erwähnten Informationen verschiedener Medien nachvollziehen und be-
stätigen?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Aufenthaltsstatus der
Eltern der betroffenen Kinder (Inhaber von Aufenthaltsgestattungen, Aufent-
haltserlaubnissen, Duldungen oder Personen ohne Aufenthaltstitel)?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern Standes-
ämter von der in § 9 Absatz 2 PStG vorgesehenen Regelung, im Falle der
Nichtverfügbarkeit von Dokumenten auf Basis einer eidesstattlichen Erklä-
rung eine Geburtsurkunde auszustellen, Gebrauch machen?
Welche Tatsachen umfasst die Möglichkeit, eine Versicherung an Eides statt
nach § 9 Absatz 2 PStG abzugeben?

4. Innerhalb welcher Frist ist nach Auffassung der Bundesregierung, die Ein-
tragung in das Geburtsregister zu beurkunden und ggf. ein beglaubigter Re-
gisterausdruck (im Sinne des § 35 PStV) auszuhändigen?

5. Erfüllt die Regelung in § 7 Absatz 2 PStV über die Möglichkeit, eine Be-
scheinigung über die Anzeige eines Personenstandsfalls zu erhalten, nach
Auffassung der Bundesregierung die Vorgaben aus dem UN-Zivilpakt (Ar-
tikel 24 Absatz 2) und der UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 7)?
Wenn ja, welche rechtlichen Möglichkeiten ergeben sich aus dem Erhalt der
Bescheinigung?
Wenn nein, wie können die internationalen Normen dann erfüllt werden?

6. Auf welche Vorschrift(-en) des PStG oder PStV bezieht sich die Aussage der
Bundesregierung im Dritten und Vierten Staatenbericht an den UN-Aus-
schuss für die Rechte des Kindes, dass die inzwischen geltende bundesein-
heitliche Rechtslage sicherstellt, dass für alle Kinder von Flüchtlingen und
Asylsuchenden, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gebo-
ren werden, Geburtsurkunden ausgestellt werden?

7. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung entsprechend der Emp-
fehlung des UN-Ausschusses von Februar 2014 sicherstellen, dass die Ge-
burtenregistrierung schnellstmöglich für alle Kinder, unabhängig von der
Rechtsstellung bzw. der Herkunft ihrer Eltern, möglich ist?

8. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, der Empfehlung des UN-Aus-
schusses von Februar 2014 nachzukommen, die zuständigen Behörden von
der Verpflichtung, die Informationen an die Einwanderungsbehörden weiter-
zuleiten, zu befreien, wie dies bereits für Bildungseinrichtungen im Jahr
2011 geschehen ist?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8970
 

9. Stellt der beglaubigte Auszug aus dem Geburtsregister, der nach § 35 PStV
als Ersatz für eine Geburtsurkunde ausgestellt werden kann, nach Auffassung
der Bundesregierung einen vollwertigen Ersatz für eine Geburtsurkunde in
allen Fällen dar, in denen eine Geburtsurkunde zum Identitätsnachweis vor-
gelegt werden muss (bspw. Anmeldung Krankenkasse, Anmeldung
Schule/Kita, Anmeldung Sportverein, Antrag auf Sozialleistungen, Hei-
rat/Lebenspartnerschaft, Vaterschaftsanerkennung, Antrag auf Reisepass,
Erbangelegenheiten, Bankgeschäfte, Kontoeröffnung, Kranken- und Pflege-
versicherungsangelegenheiten, Lohnsteuerangelegenheiten, Unfallversiche-
rung, Rentenversicherung, Beantragung von Ausbildungszulagen)?

10. Wie ist aus Sicht der Bundesregierung, mit Fällen umzugehen, in denen auf
Wunsch der Eltern eine Vaterschaftsanerkennung vorgenommen werden
soll, aber keine Geburtsurkunde aufgrund der fehlenden Beurkundung durch
ein Standesamt vorliegt?

Berlin, den 22. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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