BT-Drucksache 18/8682

EU-Migrations- und Grenzmanagement in Afrika

Vom 30. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8682
18. Wahlperiode 30.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Luise Amtsberg,
Dr. Konstatin von Notz, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen),
Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner,
Omid Nouripour, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner, Irene Mihalic, Özcan Mutlu und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

EU-Migrations- und Grenzmanagement in Afrika

Im Auftrag der Europäischen Union unterstützt die Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) laut Medienberichten der ARD
und des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ autoritäre Regime in Afrika
bei der Sicherung ihrer Grenzen. Obwohl der sudanesische Machthaber Umar
al-Bashir mit internationalem Haftbefehl wegen Völkermord, Verbrechen gegen
die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht wird, will die Europäische
Union unter Federführung der GIZ das Programm „Better Migration Manage-
ment“ – für das die Europäische Union 40 Mio. Euro bereitstellt – auch im
Sudan umsetzen. Unter anderem soll Ausrüstung wie Kameras, Scanner und
Server offenbar zur Erfassung von Flüchtlingen und Migranten an das sudanesi-
sche Regime geliefert, Grenzschützer ausgebildet und beim Aufbau von zwei
Lagern mit Hafträumen für Migranten geholfen werden (www.tagesschau.de/
ausland/eritrea-sudan-101.html). Auch das diktatorische Regime in Eritrea, dem
die Unterdrückung der Bevölkerung sowie flächendeckende Menschenrechtsver-
letzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt werden
(www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/CoIEritrea/Pages/ReportCoIEritrea.aspx),
soll im Rahmen des „Better Migration Management“ unterstützt werden. Diese
Unterstützung erfolgt, obwohl der Europäischen Union bewusst ist, dass die be-
reitgestellte Ausrüstung zur Unterdrückung der Zivilgesellschaft missbraucht
werden kann (vgl. DER SPIEGEL, 20/2016 vom 14. Mai 2016, S. 36: „Pakt mit
Despoten“).
Im Rahmen der euro-afrikanischen Konferenz von Rabat im Jahr 2006, des im
Jahr 2014 initiierten Khartum-Prozesses und des Migrationsgipfels in Valletta im
November 2015 wurden zahlreiche Aktionspläne, Programme und Projekte ins
Leben gerufen, um die EU-Grenzsicherung über die eigenen Grenzen hinaus zu
verlagern und zu externalisieren, Flucht- und Migrationsbewegungen aufzuhalten
oder umzulenken und so Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten vom Weg
nach Europa abzuhalten. Darüber hinaus sollen die Rückführungsquoten erhöht
werden. In Agadez in Niger wurde unter Leitung der Internationalen Organisation
für Migration (IOM) ein so genanntes Multifunktionszentrum aufgebaut, über das
die Bundesregierung bislang nur fragmentarisch Auskunft geben konnte (vgl.
Schriftliche Frage 46 auf Bundestagsdrucksache 18/7920 und Mündliche
Frage 20 in der Fragestunde vom 16. März 2016 auf Plenarprotokoll 18/160). In
einem geleakten und mittlerweile öffentlichen gemeinsamen Non-Paper von

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Europäischer Kommission und Europäischem Auswärtigem Dienst vom
17. März 2016 zum Sudan (siehe http://statewatch.org/news/2016/mar/eu-
com-eeas-readmission-sudan-7203-16.pdf) wird der explizite Wunsch geäu-
ßert, die EU und ihre Mitgliedstaaten mögen dabei helfen, Sudans Kapazitäten
bei der Minderung von Flucht- oder Migrationsbewegungen nach Europa zu stär-
ken. Offiziell heißt es hingegen auch im Rahmen des Projekts „Better Migration
Management“, eigentliches Ziel sei es, den Grenzschutz zu stärken bzw.
Schmuggler und Menschenhändler zu bekämpfen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zu Anzahl, Umfang und Zielset-

zung der EU-Vorhaben im Bereich des so genannten Grenzmanagements in
Afrika (bitte nach Ländern aufschlüsseln)?

2. Inwieweit entspricht die Unterstützung dieses Grenzmanagements im Sudan
und in Eritrea den entwicklungspolitischen Zielen der Bundesregierung?

3. Plant die Bundesregierung bilateral oder im Rahmen der Europäischen Union
die Zusammenarbeit mit dem Sudan und Eritrea wieder aufzunehmen?
Wenn ja, in welcher Weise, und aufgrund welcher messbaren Verbesserun-
gen der Menschenrechtslage in diesen Staaten?

4. Welche Ausrüstung für Sicherheitskräfte soll von deutscher und EU-Seite
jeweils zur Verfügung gestellt werden (bitte nach Empfängerländern und
Empfängern aufschlüsseln)?

5. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass bei der Umsetzung der Valletta-
Beschlüsse die Kriterien für „menschenrechtsbasiertes Grenzmanagement“
erfüllt sind (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 46
auf Bundestagsdrucksache 18/7920)?

6. Wie sorgt die Bundesregierung bei der Umsetzung der Beschlüsse des Val-
letta-Gipfels auf europäischer und deutscher Ebene für Transparenz?

7. Inwiefern greift die Bundesregierung auf Erfahrungswerte aus anderen Län-
dern zurück, und lässt sie diese in die Unterstützung des Grenzmanagements
im Sudan, in Somalia und Eritrea einfließen (bitte nach Ländern auflisten)?

8. Wie stellen die Bundesregierung und die Europäische Union sicher, dass im
Rahmen der Kooperation gelieferte Sach- und finanzielle Mittel sowie die
Ausbildung von Streitkräften nicht zu Repressionen gegen die Menschen im
Sudan und in Eritrea benutzt werden?

9. Auf welche Vorhaben zum EU-Grenzmanagement in Afrika hat sich die GIZ
auf europäischer Ebene beworben?
Sollte sich die GIZ nicht beworben haben, wie kam es zur Auftragsvergabe?

10. Inwieweit ist die Rolle der GIZ bei der Unterstützung des Grenzmanage-
ments in den Staaten Sudan und Eritrea mit dem entwicklungspolitischen
Auftrag der GIZ in Einklang zu bringen?

11. Gibt es bereits Länder, in denen die GIZ ähnliche Maßnahmen im Bereich
Grenzschutz umsetzt?
Wenn ja, welche (bitte nach Ländern und Maßnahmen aufschlüsseln)?

12. Mit welchen Partnerorganisationen bzw. -institutionen arbeitet die GIZ in
den Staaten Sudan, Eritrea und Südsudan zusammen?
Wie stellt sie sicher, dass diese menschenrechtliche Standards einhalten?

13. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Zivilgesellschaft in den jewei-
ligen Ländern im Rahmen des Migrationsmanagements?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8682
 

14. Inwiefern sind die von der Bundesregierung unterstützen Vorhaben für die
jeweiligen Gesellschaften transparent?

15. Wie stellt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass bereits im EU-
Umsetzungsplan des „Better Migration Management“ festgestellt wird, dass
„die Netzwerke der Menschenschmuggler und Menschenhändler in der Re-
gion […] hochgradig organisiert und ausgeklügelt“ sind und dieser Men-
schenhandel „häufig unter Mittäterschaft von Offiziellen“ erfolgt (http://ec.
europa.eu/dgs/home-affairs/financing/fundings/security-and-safeguarding-
liberties/internal-security-fund-police/union-actions/index_en.htm), sicher,
dass die Partner der Europäischen Union nicht ausgerechnet jene sind, die sie
bekämpfen will, namentlich Schmuggler und Schlepper und deren Helfer?

16. Wie viele so genannte „Reception Centers“ mit oder ohne Haftzentren und
andere Aufnahmeeinrichtungen sollen im Rahmen des „Better Migration
Management“ der Europäischen Union im Sudan, in Eritrea und den afrika-
nischen Mitgliedstaaten des Khartum-Prozesses errichtet werden (bitte nach
Ländern aufschlüsseln)?

17. Wem soll die Koordination für die Zentren obliegen?
Welche Standards sollen für diese Einrichtungen gelten?
Wie soll verhindert werden, dass die Einrichtungen zu dauerhaften Verwah-
rungszentren für Flüchtlinge werden?

18. Wie, durch wen und in welchen zeitlichen Abständen soll überprüft werden,
dass es in den „Reception Centers“ und bei der Umsetzung des „Better Mig-
ration Management“ insgesamt nicht zu Menschenrechtsverletzungen
kommt?
Ist auf EU-Ebene oder von Seiten der Bundesregierung ein regelmäßiger und
transparenter Monitoring-Mechanismus vorgesehen?

19. Durch welche originär entwicklungspolitischen Maßnahmen von Seiten der
Europäischen Union und der Bundesregierung werden die Maßnahmen zum
Grenzmanagement flankiert (bitte nach Land und Volumen der Official De-
velopment Assistance – ODA – aufschlüsseln)?

20. Hat für die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Non-Papers von Eu-
ropäischer Kommission und Europäischem Auswärtigem Dienst die Stär-
kung von Sudans Kapazitäten bei der Minderung von Flucht- oder Migrati-
onsbewegungen nach Europa oder die Stärkung des Grenzschutzes zum
Kampf gegen Schmuggler und Menschenhändler Priorität?
a) Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es beim Aufbau grenz-

schutzpolitischer Kapazitäten in Ländern wie dem Sudan nicht letztlich
darum geht, potentiell schutzbedürftige Menschen von europäischem Bo-
den fernzuhalten?

b) Wie soll in dem Zusammenhang sichergestellt werden, dass zwar z. B.
Menschenhändler verfolgt werden, gleichzeitig aber Schutzsuchende ihr
individuelles Recht auf Asyl wahrnehmen können?
Wie soll gewährleistet werden, dass beim Grenzmanagement humanitäre
und menschenrechtliche Standards eingehalten werden?

21. Teilt die Bundesregierung die im besagten Non-Paper geäußerte Einschät-
zung von Europäischer Kommission und Europäischem Auswärtigen Dienst,
dass die Europäische Union in Bezug auf ihr Engagement im Sudan Gefahr
läuft, ihren Ruf zu beschädigen, wenn sich die getroffenen Maßnahmen al-
lein auf den Bereich der Migration konzentrieren?
Falls ja, wie lässt sie sich mit der federführenden Rolle der GIZ im Rahmen
des Projekts „Better Migration Management“ vereinbaren?

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22. Wie setzen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Gelder des in Val-
letta beschlossenen EU-Treuhandfonds zusammen (bitte nach einzelnen EU-
Quellen und bilateralen Anteilen aufschlüsseln)?
Wofür sind sie konkret eingeplant (bitte nach Projekten aufschlüsseln)?

23. Wofür waren die Mittel für den EU-Treuhandfonds nach Kenntnis der Bun-
desregierung ursprünglich eingeplant?
Für welche Regionen, Sektoren und Vorhaben steht nun konkret weniger
Geld zur Verfügung?

24. Wie bewertet die Bundesregierung diese Umschichtung von Entwicklungs-
geldern?
Und ist die Bundesregierung der Meinung, dadurch einen größeren entwick-
lungspolitischen Nutzen zu erzielen?

25. Welche Ausgaben werden nach Kenntnis der Bundesregierung aus dem Eu-
ropäischen Entwicklungsfonds getätigt, die nicht ODA-anrechnungsfähig
sind (bitte nach Inhalt und Summe auflisten)?

26. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung dazu, dass nach Auskunft ei-
nes Vertreters der Europäischen Kommission vom 11. Mai 2016 im
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bereits
ca. 9 Prozent der Gelder des Europäischen Entwicklungsfonds für militäri-
sche Zwecke ausgegeben werden, die nicht ODA-anrechnungsfähig sind?

27. Wie gedenkt die Bundesregierung mit der Problematik umzugehen, dass we-
niger Gelder für ODA-Zwecke zur Verfügung stehen?
Und in welchen Bereichen stehen dadurch weniger Entwicklungsmittel zur
Verfügung?

Berlin, den 30. Mai 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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