BT-Drucksache 18/8617

Spekulation mit Immobilien und Land beenden - Keine Steuerbegünstigung für Übernahmen durch Share Deals

Vom 1. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8617
18. Wahlperiode 01.06.2016
Antrag
der Abgeordneten Lisa Paus, Christian Kühn (Tübingen), Kerstin Andreae,
Oliver Krischer, Friedrich Ostendorff, Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas
Gambke, Britta Haßelmann, Corinna Rüffer, Bärbel Höhn, Sven-Christian
Kindler, Steffi Lemke, Dr. Tobias Lindner, Peter Meiwald und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Spekulation mit Immobilien und Land beenden – Keine Steuerbegünstigung
für Übernahmen durch Share Deals

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Handel mit Immobilien übertrifft alle Rekorde. Das Transaktionsvolumen am
Immobilienmarkt ist seit 2009 kontinuierlich geklettert – von 13,4 Milliarden Euro
auf 79 Milliarden Euro 2015. Auch für das Jahr 2016 erwartet u. a. die Unterneh-
mensberatung Ernst & Young eine hohe Marktaktivität mit einem prognostizierten
Transaktionsvolumen von bis zu 65 Milliarden Euro. Immobilien zirkulieren zuneh-
mend zwischen wenigen großen Marktteilnehmern, ohne dass dabei Investitionen in
den Erhalt oder die Modernisierung von Gebäuden garantiert wären. Der Anteil von
Wiederverkäufen an den gesamten Transaktionen großer Wohnungsbestände er-
reichte 2011 sowie im ersten Halbjahr 2015, laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt-
und Raumforschung, den Spitzenwert von 94 Prozent.
Immobilientransaktionen unterliegen eigentlich der Grunderwerbsteuer, wobei die
Einnahmen an die Länder gehen. Aufgrund gesetzlicher Regelungen gilt dies vor
allem dann, wenn das Grundstück selbst direkt vom Käufer erworben wird (Asset
Deal). Werden jedoch nur Anteile an Unternehmen (Shares), in denen die Grundstü-
cke enthalten sind, gekauft, braucht der Käufer keine Grunderwerbssteuer zu bezah-
len – jedenfalls wenn er weniger als 95 Prozent der Unternehmensanteile erwirbt
(Share Deal). Denn die Grunderwerbsteuer fällt erst an, wenn mindestens 95 Prozent
dieser Unternehmensanteile (zum Beispiel Aktien) auf den Käufer übergehen. Von
dieser Gestaltungsmöglichkeit profitieren insbesondere große Marktteilnehmer. Um
Grunderwerbsteuer zu vermeiden, führen sie oftmals solche Share Deals durch und
bleiben mit maximal 94,9 Prozent gekauften Anteilen gerade unter der Grenze der
Steuerpflicht.
Ohne die Steuerfreiheit der Share Deals würden sich der Handel mit großen Immo-
bilienbeständen und die Fusion großer Wohnungsunternehmen weniger lohnen. Im
Ergebnis würde die aus Verbrauchersicht hoch problematische Konzentration von
Wohnungsbeständen in immer größeren Immobilienunternehmen eingeschränkt.
Die Konzentration von Wohnungsbeständen in Händen großer Marktteilnehmer

Drucksache 18/8617 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
birgt die Gefahr steigender Mietpreise in Ballungszentren und schwächt die Position
der Mieterinnen und Mieter gegenüber ihrem Vermieter.
Die Situation auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt ist ebenfalls gekennzeichnet
von einer dramatischen Entwicklung der Boden- und der Pachtpreise und einem zu-
nehmenden Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und landwirtschaftlichen Un-
ternehmen durch Kapitalinvestoren. Die Folge davon sind die zunehmende Ausbil-
dung von Holdingstrukturen und eine starke Konzentration. Dies gefährdet in erheb-
lichem Maße die Erhaltung einer ausgewogenen Agrarstruktur. Dafür verantwortlich
sind u. a. die fehlende Erfassung und steuerliche Privilegierung von Anteilsverkäu-
fen an landwirtschaftlichen Unternehmen.
Der Staat schädigt sich durch steuerfreie Share-Deal-Übernahmen von Unternehmen
nicht nur selbst durch entgangene Grunderwerbssteuer. Er schädigt auch seine Bür-
ger*innen durch steigende Mieten und Bodenpreise. Die steuerliche Privilegierung
von Share Deals in ihrer bisherigen Form ist daher abzuschaffen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei der anteiligen Übernahme von
Unternehmen bis zu 95 Prozent abzuschaffen, und dazu
a. die betreffenden Vorschriften im Grunderwerbsteuergesetz (§ 1 Abs. 2a, 3

und 3a GrEStG) dahingehend zu ändern, dass auch anteilige Unternehmens-
käufe grundsätzlich steuerbar und steuerpflichtig sind. Wesentliche Transak-
tionen von bis zu 50 Prozent der Unternehmensanteile sind weiterhin nicht
steuerbar, werden es aber, wenn diese Grenze durch nachfolgende mittelbare
oder unmittelbare Erwerbe überschritten wird;

b. als Bemessungsgrundlage die Grundstückswerte nach den §§ 151, 157 BewG
entsprechend der prozentualen Höhe des Anteilserwerbs (50 bis 100 Prozent)
zugrunde zu legen;

2. alle Flächenverkäufe und Anteilsverkäufe an landwirtschaftliche Unternehmen
zu erfassen und zu regulieren.

Berlin, den 31. Mai 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8617
Begründung

Durch Share Deals entgehen dem Staat Einnahmen bei der Grunderwerbsteuer oftmals in der Höhe von mehre-
ren Millionen Euro. Je nach Bundesland werden beim Verkauf von Flächen und Grundstücken normalerweise
zwischen 3,5 und 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer fällig. Während Investoren durch die Gestaltungsoption bei
Unternehmensübernahmen steuerliche Privilegien erhalten, gehen die öffentlichen Haushalte unter diesen Be-
dingungen selbst bei der Veräußerung zentral gelegener und repräsentativer Grundstücke leer aus.
Allein beim Verkauf des 150 Meter hohen Frankfurter Eurotowers, dem ehemaligen Sitz der Europäischen
Zentralbank und jetzigen Sitz der Europäischen Bankenaufsicht, entgingen dem Land Hessen 29 Mio. Euro an
Grunderwerbsteuern durch den Share Deal. Gleichzeitig gilt, dass eine Familie, die in Frankfurt ein Haus für
300.000 Euro kauft, 18.000 Euro Grunderwerbsteuer bezahlen muss. Die Zeche zahlen Einzelpersonen, die
keine aufwendigen Geschäftskonstruktionen wählen können.
Auf dem Land wirken bei Bodenverkäufen dieselben Marktmechanismen wie in der Stadt. Die Verkaufspreise
sind in den letzten Jahren massiv gestiegen; die nutzbaren Flächen konzentrieren sich zunehmend bei wenigen
großen Unternehmen und durch Share-Deal-Konstruktionen werden diese Konzentrationsprozesse oftmals ab-
gewickelt, ohne dass Grunderwerbsteuer fällig wird. Diese Möglichkeit der Steuergestaltung macht Bodenver-
käufe noch lukrativer und heizt den Markt weiter an.
So hat 2013 der durchschnittliche Verkaufswert für Deutschland gegenüber 2007 um 78 Prozent zugenommen,
für das frühere Bundesgebiet um 54 Prozent und für die ostdeutschen Bundesländer um 154 Prozent (Abschluss-
bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bodenmarkt, 2015). Das Thünen-Institut hat im Dezember 2015 eine
Studie veröffentlicht, in der die gleichzeitigen Konzentrationsprozesse genau untersucht und erstmals Zahlen
vorgestellt werden. 34 Prozent der untersuchten, von juristischen Unternehmen bewirtschafteten landwirtschaft-
lichen Fläche in Mecklenburg-Vorpommern werden mittlerweile durch Kapitalinvestoren bewirtschaftet. Durch
eine die Share Deals betreffende Verschärfung des Grunderwerbsteuergesetzes werden die steuerlichen Anreize
reduziert, die mit zu dieser Dynamik beigetragen haben. Darüber hinaus sind aber eine effektive Erfassung und
Kontrolle der Bodenverkäufe nötig, um eine ausgewogene Agrarstruktur zu erhalten und Übernahmen bei ent-
sprechenden Bedenken unterbinden zu können.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.