BT-Drucksache 18/8612

Keine Altersarmut von Ost-Krankenschwestern - Gerechte Renten für Beschäftigte im DDR-Gesundheits- und Sozialwesen schaffen

Vom 31. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8612
18. Wahlperiode 31.05.2016
Antrag
der Abgeordneten Roland Claus, Matthias W. Birkwald, Caren Lay, Herbert
Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Kerstin
Kassner, Katja Kipping, Jan Korte, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Birgit Menz, Cornelia Möhring,
Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Dr. Kirsten Tackmann, Azize Tank, Kathrin
Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Hubertus Zdebel, Sabine
Zimmermann (Zwickau), Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Keine Altersarmut von Ost-Krankenschwestern – Gerechte Renten für
Beschäftigte im DDR-Gesundheits- und Sozialwesen schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Krankenschwestern und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheits-
und Sozialwesens der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erhielten bei der
Altersversorgung einen besonderen Steigerungsbetrag von 1,5 Prozent des Durch-
schnittsverdienstes. Dieser besondere Steigerungsbetrag erfolgte in „Würdigung der
physischen und psychischen persönlichen Belastung im Beruf und des selbstlosen
Einsatzes bei der Behandlung und Pflege kranker Menschen“, erstmalig vgl. § 47
der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflicht-
versicherung (Rentenverordnung) vom 4. April 1974 (Gesetzblatt der DDR, Teil I,
S. 201).
Mit dem Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und
Unfallversicherung (RÜG) wurde die DDR-Regelung als Vergleichsberechnung
zum bundesdeutschen Recht wegen des Bestandsschutzes zunächst weiter angewen-
det (Artikel 2 § 35 RÜG). Für Renten-Neuzugänge ab dem 1. Januar 1997 entfiel die
vergleichende Berechnung.
Das Vorenthalten dieser besonderen Regelung bei der Rentenberechnung führt bei
tausenden Betroffenen zu finanziellen Schwierigkeiten und Altersarmut. Es sind vor
allem ostdeutsche Frauen, die im mittleren medizinischen Dienst mit eher niedrigen
Einkommen zumeist über Jahrzehnte tätig waren. Ebenso betroffen sind Hauswirt-
schaftspflegerinnen der Volkssolidarität oder anderer karitativer Einrichtungen nach
zehn Jahren ununterbrochener vergleichbarer Tätigkeit. Sie müssen nun mit beson-
ders geringen Renten auskommen, obwohl sie auf die Versorgungszusage vertraut
hatten.

Drucksache 18/8612 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Eine Frau mit insgesamt 50 Arbeitsjahren (versicherungspflichtige Tätigkeit plus
Zurechnungszeiten), davon 33 Jahre im Gesundheitswesen, konnte durch den beson-
deren Steigerungsbetrag bei der Berechnung der Sozialversicherungsrente eine um
19,4 Prozent höhere Rente erreichen. Bei einem durchschnittlichen Verdienst von
600 Mark war das eine Rente in Höhe von 609 Mark statt 510 Mark.
In der DDR konnte mit diesem Differenzbetrag nicht nur die Miete bezahlt werden,
sondern ein Teil blieb für sonstige Erfordernisse und Bedürfnisse. Das war auch das
Anliegen der Verordnung für die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen,
denn das Einkommen des mittleren medizinischen Personals betrug beispielsweise
im Jahr 1980 nur 83 Prozent des Einkommens vergleichbarer Berufsgruppen anderer
Branchen. Der rentenrechtlich geregelte Faktor sollte im Ruhestand einen Ausgleich
für die zu niedrigen Einkommen gewährleisten.
Eine derartige Regelung kennt die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung
nicht. Bei vergleichbar Beschäftigten in den westdeutschen Bundesländern ergeben
sich höhere Renten, weil vergleichbare Tätigkeiten in den jeweiligen Jahren höher
vergütet wurden.
Das Rentenrecht der DDR folgte anderen Prinzipien als das der Bundesrepublik
Deutschland. Dort waren nicht vorrangig die Beiträge, sondern vor allem die versi-
cherten Jahre maßgebend. Allein die generelle Umwertung der Einkünfte aus DDR-
Zeiten bei der Rentenberechnung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch ge-
währleistet deswegen keine hinreichende Rentenleistung, insbesondere keine der
Schwere des Berufes angemessene Anerkennung der Lebensleistung. Das wider-
spricht dem Vertrauensschutz. Es trägt außerdem dazu bei, dass die Beschäftigten
des DDR-Gesundheits- und Sozialwesens gegenüber der gleichen westdeutschen
Berufsgruppe sozial ungerecht behandelt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis zum 31. Oktober 2016 einen Entwurf für eine gesetzliche Regelung vorzulegen,
die eine steuerfinanzierte Überführung des DDR-Anspruchs auf einen Steigerungs-
betrag von 1,5 – gegebenenfalls unter Zuerkennung eines besonderen Rentenartfak-
tors für die Jahre derartiger Beschäftigungen, wie er in der knappschaftlichen Ren-
tenversicherung angewendet wird – für die sozialversicherungspflichtigen Zeiten im
Gesundheits- und Sozialwesen der DDR bei der Berechnung der Alterseinkünfte si-
chert.

Berlin, den 31. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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