BT-Drucksache 18/8499

Verbesserungen der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung von Geflüchteten zur Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie

Vom 17. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8499
18. Wahlperiode 17.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Luise Amtsberg,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe,
Elisabeth Scharfenberg, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner,
Katja Dörner, Kai Gehring, Tabea Rößner, Ulle Schauws, Doris Wagner,
Beate Walter-Rosenheimer, Britta Haßelmann, Monika Lazar, Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Claudia Roth (Augsburg) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verbesserungen der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung von
Geflüchteten zur Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie

Menschen, die in Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, sind
nicht in der üblichen Form krankenversichert. Sie haben in den ersten 15 Monaten
ihres Aufenthalts nur Anspruch auf Leistungen, wenn eine Krankheit entweder
akut oder schmerzhaft ist oder wenn die Behandlung im Einzelfall zur Sicherstel-
lung ihrer Gesundheit unerlässlich ist (§§ 4, 6 Asylbewerberleistungsgesetz –
AsylbLG). Besonders eklatant sind die Mängel aus Sicht der Fragesteller in der
Versorgung traumatisierter und psychisch kranker Menschen. Nur ein geringer
Teil von ihnen erhält aktuell eine angemessene Behandlung, weil Sozialämter
eine psychische Erkrankung häufig fälschlicherweise als nicht akut behandlungs-
bedürftig bewerten und daher in der Regel die Kosten für eine Psychotherapie in
den ersten 15 Monaten nicht übernehmen (Standpunkt der Bundespsychothera-
peutenkammer, Psychische Erkrankungen bei Flüchtlingen, September 2015).
Nach 15 Monaten erhalten Geflüchtete zwar die Regelleistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) und haben einen Anspruch auf eine Psychotherapie.
Die langen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz erschweren für Geflüch-
tete, wie für die länger hier Lebenden aber den Zugang zu einer Behandlung.
Wenn die Leistungsberechtigten nach Ablauf der 15 Monate Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder dem SGB XII beziehen kön-
nen, kann im Rahmen des SGB II zwar psychosoziale Betreuung erbracht werden.
Einen Anspruch haben die Betroffenen hierauf jedoch nicht. Zudem verhindern
sprachliche Verständigungsschwierigkeiten den Zugang zur Gesundheitsversor-
gung, da muttersprachliche Angebote kaum existieren und Dolmetschereinsätze
von den Krankenkassen gar nicht und den Sozialämtern nur selten bezahlt wer-
den.
Das deutsche Gesundheitssystem ist aus Sicht der Fragesteller bislang nicht aus-
reichend auf die Versorgung Geflüchteter vorbereitet. Immer wieder berichten
Hilfsorganisationen von menschenunwürdigen Situationen und erschütternden
Einzelfällen auch in gesundheitlich krisenhaften Situationen und mahnen die Ein-
beziehung Geflüchteter in das Regelsystem der gesetzlichen Krankenversiche-
rung an (u.a. Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für

Drucksache 18/8499 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Flüchtlinge und Folteropfer, „Aufforderung zur Sicherstellung der gesundheitli-
chen und psychosozialen Versorgung Geflüchteter in Deutschland“, Juni 2015;
Stellungnahme des Flüchtlingsrates Berlin vom 22. Oktober 2014 zum Gesetz-
entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes
und des Sozialgerichtsgesetzes, Ausschussdrucksache 18(11)209). Auch die In-
tegrations- und Gesundheitsminister der Länder haben sich im Jahr 2015 mit der
Bitte an die Bundesregierung gewandt, die psychotherapeutische Behandlung von
Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchteten zu ermöglichen und hierfür die
Behandlungszentren für traumatisierte Geflüchtete zu finanzieren, mehr mutter-
sprachliche Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zuzulassen sowie die
Sprachmittlung in der psychotherapeutischen Behandlung sicherzustellen (Be-
schluss der 88. Gesundheitsministerkonferenz am 24./25. Juni 2015, TOP 8.4;
Beschluss der 10. Integrationsministerkonferenz am 25./26. März 2015, TOP 7).
Ebenso sprechen der Deutsche Ärztetag und der Deutsche Psychotherapeutentag
sich schon seit Jahren für eine angemessene medizinische und psychotherapeuti-
sche Regelversorgung für Geflüchtete sowie die flächendeckende Einführung der
Gesundheitskarte aus (118. Deutscher Ärztetag, 12.-15. Mai 2015, Beschlusspro-
tokoll, TOP 6; 27. Deutscher Psychotherapeutentag, 14. November 2015, Reso-
lution „Psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen, Flüchtlingsfamilien
und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sicherstellen!“). Zuletzt hat die
Expertenkommission der Robert Bosch Stiftung GmbH zur Neuausrichtung der
Flüchtlingspolitik im Februar 2016 ein Gesamtkonzept zur Gesundheitsversor-
gung von Geflüchteten vorgelegt, das weitreichende Verbesserungen von der
Erstversorgung bis zur psychosozialen Behandlung vorsieht.
Die Bunderegierung selber hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Gesund-
heitliche Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ (Bundestags-
drucksache 18/2184) den Reformbedarf der gesundheitlichen Versorgung nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz zur Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie
anerkannt und angekündigt noch in dieser Legislaturperiode einen entsprechen-
den Gesetzentwurf vorzulegen. Die EU-Aufnahmerichtlinie, die für besonders
schutzbedürftige Personen (wie Kinder, Schwangere, psychisch kranke oder be-
hinderte Personen) eine angemessene medizinische und psychotherapeutische
Versorgung garantiert, hätte im Juli 2015 in nationales Recht umgesetzt werden
müssen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der Minimalversor-
gung nach §§ 4,6 AsylbLG hat die Bundesregierung jedoch bislang nicht vorge-
legt. Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz wurde lediglich die Einfüh-
rung der Gesundheitskarte auf Länderebene erleichtert, die Sicherstellung des
Impfangebots klargestellt und eine Ermächtigungsgrundlage für Psychotherapeu-
tinnen und Psychotherapeuten und Ärztinnen und Ärzte zur psychotherapeuti-
schen oder psychiatrischen Behandlung von Asylbewerberinnen und Asylbewer-
bern nach § 2 AsylbLG geschaffen, die Folter oder schwere Formen von Gewalt
erlitten haben.
Die Fragesteller möchten wissen, welche Informationen der Bundesregierung zur
gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten vorliegen, wie die gesetzlichen
Änderungen durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz sich in der Praxis
ausgewirkt haben und welche weiteren Maßnahmen die Bundesregierung er-
greift, um für geflüchtete Personen eine angemessene und menschenrechtskon-
forme gesundheitliche Versorgung sicherzustellen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8499
 

Wir fragen die Bundesregierung:

Gesundheitliche Versorgung
1. Welche Landesregierungen haben nach Kenntnis der Bundesregierung wann

mit einer oder mehreren Krankenkassen Landesrahmenvereinbarungen zur
Übernahme der Gesundheitsversorgung für Leistungsberechtige nach dem
AsylbLG gegen Kostenerstattung gemäß § 264 Absatz 1 SGB V geschlos-
sen?

2. In welchen weiteren Bundesländern ist nach Kenntnis der Bundesregierung
wann der Abschluss einer Landesrahmenvereinbarung zur gesundheitlichen
Versorgung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG gemäß § 264 Ab-
satz 1 SGB V geplant?

3. In welchen Bundesländern gelten nach Kenntnis der Bundesregierung die
Landesrahmenvereinbarungen nach § 264 Absatz 1 SGB V unmittelbar lan-
desweit, und in welchen Bundesländern bedarf es dafür des Beitritts der
Kommune?

4. Wie viele Kommunen sind nach Kenntnis der Bundesregierung einer Lan-
desrahmenvereinbarung gemäß § 264 Absatz 1 SGB V bislang beigetreten
(bitte nach Bundesland aufschlüsseln)?

5. Wie viele Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG werden nach Kenntnis
der Bundesregierung durch die Krankenkassen gemäß § 264 Absatz 1 SGB V
versorgt (bitte nach Bundesland aufschlüsseln und absolute sowie relative
Zahlen nennen)?

6. Welche Daten oder sonstige Information liegen der Bundesregierung über
die finanziellen Auswirkungen der Übernahme der Versorgung durch die
Krankenkassen gemäß § 264 Absatz 1 SGB V vor (bitte nach Bundesland,
Behandlungskosten und Verwaltungskosten aufschlüsseln)?

7. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung der Spitzenverband Bund der
Krankenkassen (GKV-SV) und die kommunalen Spitzenverbände auf Bun-
desebene gemäß § 264 Absatz 1 Satz 5 SGB V Rahmenempfehlungen zur
Übernahme der Krankenbehandlung vereinbart?
a) Wenn ja, wie soll nach der Rahmenempfehlung der Leistungskatalog nach

dem AsylbLG ausgestaltet werden?
b) Wenn ja, welche Regelungen enthält die Rahmenempfehlung bezüglich

der Versorgung traumatisierter und psychisch kranker Geflüchteter?
c) Wenn ja, sollen nach der Rahmenempfehlung Leistungserbringerinnen

und Leistungserbringer die Einhaltung des von der Regelversorgung ab-
weichenden Leistungsumfangs nach dem AsylbLG nachweisen und die
Krankenkassen dies kontrollieren müssen?
Wenn ja, wie soll dies in der Praxis umgesetzt werden?

8. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den Empfehlungen der Expertenkommission der Robert Bosch Stiftung
GmbH zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik, die Not- und Akutversor-
gung für Asylbewerber der gängigen Praxis entsprechend aus präventiven
Gründen und damit im Sinne einer langfristigen Kosteneffizienz durch eine
bundeseinheitliche Regelversorgung zu ersetzen und zur Ausgestaltung des
Leistungskatalogs dieser Regelversorgung eine unabhängige Expertenkom-
mission einzusetzen (Themendossier Zugang zu Gesundheitsleistungen und
Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und Asylbewerber: Von der Erstver-
sorgung bis zur psychosozialen Behandlung, Februar 2016)?

Drucksache 18/8499 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

9. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den Empfehlungen der Expertenkommission der Robert Bosch Stif-
tung GmbH zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik, eine Arbeitsgruppe
aus Vertreterinnen und Vertretern der Bundesärztekammer, der Kassenärzt-
lichen Vereinigung, der Krankenkassen sowie des Bundesministeriums für
Gesundheit und der Landesgesundheitsministerien einzusetzen,
– die in Kooperation mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

(BAMF) eine Strategie entwickelt, wie aktuelle und zukünftige Herausfor-
derungen der gesundheitlichen Versorgung von Asylbewerbern und
Flüchtlingen gemeistert werden können,

– den künftigen Bedarf an interkultureller Qualifizierung im Gesundheitsbe-
reich ermittelt, und

– Konzepte erarbeitet, um die therapeutische Arbeit mit traumatisierten
Flüchtlingen in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften aufzuneh-
men?

10. Warum erklärt die Bundesregierung Asylsuchenden in dem vom Bundesge-
sundheitsministerium herausgebrachten „Ratgeber Gesundheit für Asylsu-
chende in Deutschland“, „Sie werden von einer Ärztin oder einem Arzt un-
tersucht und behandelt, wenn Sie akut erkrankt sind, Sie unter Schmerzen
leiden, Sie schwanger sind.“, ohne auf den Anspruch gemäß § 6 AsylbLG
auf sonstige Leistungen, die zur Sicherstellung der Gesundheit unerlässlich
sind, hinzuweisen, der u. a. die Behandlung chronischer Erkrankungen er-
möglicht?
a) Wird die Bundesregierung den Ratgeber entsprechend korrigieren und er-

gänzen, damit Geflüchtete umfassend und richtig über ihre Rechte in
Deutschland informiert werden?

b) Wenn nein, warum nicht?
c) Wie begründet die Bundesregierung, dass in dem Ratgeber psychische Er-

krankungen als eine der häufigsten Krankheiten bei Geflüchteten kaum
berücksichtigt werden?

Psychosoziale und psychotherapeutische Versorgung
11. a) Welche neuen Bedarfe und Herausforderungen für das Versorgungssys-

tem ergeben sich nach Einschätzung der Bundesregierung aus der Ankunft
einer großen Zahl traumatisierter, aus Krisenregionen geflüchteter Men-
schen in Deutschland?

b) Welche speziellen Bedarfe und Herausforderungen ergeben sich aus der
Ankunft einer großen Zahl von traumatisierten, aus Krisenregionen ge-
flüchteten Minderjährigen?

12. Erkennt die Bundesregierung weiterhin einen Reformbedarf im Bereich der
Gesundheitsleistungen nach dem AsylbLG aufgrund der Vorgaben der Auf-
nahme-Richtlinie zur Gesundheitsversorgung an (vgl. Antwort auf die
Kleine Anfrage „Gesundheitliche Versorgung nach dem Asylbewerberleis-
tungsgesetz“ zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/2184), und wird sie,
wie in ihrer Antwort angekündigt, im Verlauf dieser Legislaturperiode einen
entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen?
Wenn ja, wann, und welche gesetzliche Änderungen wird sie vorschlagen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8499
 

a) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. wird sie er-
greifen, um die in der EU-Aufnahmerichtlinie garantierte erforderliche
medizinische und psychotherapeutische Versorgung und Betreuung ins-
besondere für traumatisierte und psychisch kranke Menschen sicherzu-
stellen bis das deutsche Gesetz an die Richtlinie angepasst ist?

b) Wenn nein, welche Umstände haben dazu geführt, dass die Bundesregie-
rung ihre Meinung über den Reformbedarf zur Umsetzung der EU-Auf-
nahmerichtlinie geändert hat?

13. Welche Daten und Information lagen der Erklärung der Parlamentarischen
Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit zugrunde, es gebe
keine Lücken in der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen und die
Ausnahmetatbestände nach dem Asylbewerberleistungsgesetz seien ausrei-
chend, so dass eine Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie nicht notwendig
sei (mündlicher Bericht der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Gesundheit im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bun-
destages vom 16. März 2016)?

14. Wie viele Anträge auf Kostenübernahme einer Psychotherapie nach dem
AsylbLG wurden nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich seit dem
Jahr 2013 gestellt (bitte nach Bundesland und Alter der Antragstellerinnen
und Antragsteller aufschlüsseln)?
Und wie viele davon wurden genehmigt, und wie viele abgelehnt?

15. Über welche Qualifikationen verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung
die für die Begutachtung und Gewährung von Psychotherapien nach dem
AsylbLG zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sozialbehör-
den, und wie lange dauern die Bewilligungsverfahren im Durchschnitt?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Bedarf, das Angebot
und die Inanspruchnahme von psychosozialer Betreuung nach dem § 16 a
SGB II insgesamt und für Geflüchtete?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Häufigkeit der Kosten-
übernahme psychologischer Betreuung und Therapie nach den §§ 47 und
48 SGB XII für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und dem SGB XII
insgesamt und für Geflüchtete (bitte jeweils gesondert ausweisen und nach
Alter der Leistungsberechtigten aufschlüsseln)?

18. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik der Bundespsy-
chotherapeutenkammer, behandlungsbedürftige psychische Erkrankungen
bei Geflüchteten würden nicht oder zu spät behandelt, weil Anträge auf Kos-
tenübernahme einer Psychotherapie, aufgrund mangelnder Qualifikation der
Gutachterinnen und Gutachter bei den Sozialbehörden, häufig zu Unrecht
abgelehnt würden und die Bewilligungsverfahren mehrere Monate dauerten
(Standpunkt der Bundespsychotherapeutenkammer, Psychische Erkrankun-
gen bei Flüchtlingen, September 2015)?

19. Liegen der Bundesregierung weiterhin dahingehend Beschwerden vor, dass
psychotherapeutische Behandlungen abgebrochen werden müssen, weil
durch einen Statuswechsel der Patientin oder des Patienten nicht mehr die
Kommune, sondern die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für die
Behandlung trägt (Stellungnahme der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft
der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e. V., Konse-
quenzen aus der AsylbLG-Novelle für die psychotherapeutische Versorgung
Geflüchteter, März 2015)?
Wenn ja, was wird die Bundesregierung tun, um Versorgungsbrüche zu ver-
hindern?

Drucksache 18/8499 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

20. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem konkreten Vorschlag der Bundespsychotherapeutenkammer und der
Bundesärztekammer zu den Eckpunkten eines Modellprojekts zur Verbesse-
rung der Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge, den die Heilberufekam-
mern im Nachgang der Integrations- und Gesundheitsministerkonferenzen
erarbeitet haben?

21. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den Empfehlungen der Expertenkommission der Robert Bosch Stif-
tung GmbH zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik,
– die Betreuungsmöglichkeiten für traumatisierte Geflüchtete zu verbessern,

indem die Mittel für Sozialdienste und die Zahl der Sozialarbeiterinnen
und Sozialarbeiter in Erstaufnahmeeinrichtungen erhöht werden,

– interkulturell geschulte Ärzte und Psychotherapeuten traumatisierte Ge-
flüchtete sowohl akut in der Erstaufnahmeeinrichtung als bei Bedarf auch
längerfristig zu behandeln sowie

– die finanzielle Förderung und personelle Ausstattung der entsprechenden
Behandlungszentren dem tatsächlichen Bedarf anzupassen?

22. Welche Verfahren und Instrumente hat die Bundesregierung entwickelt, um
sicherzustellen, dass traumatisierte und psychisch kranke Geflüchtete nach
ihrer Ankunft in Deutschland frühzeitig identifiziert werden, damit sie die
Unterstützung und Versorgung erhalten, auf die sie nach der EU-Aufnahme-
richtlinie einen Anspruch haben?

23. Welche Ausbildung oder Schulungen zur Identifizierung einer Person mit
einer psychischen Störung oder Traumatisierung müssen die im Asylverfah-
ren tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorweisen?

24. Welche Handlungsanweisungen gelten für die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter nachdem bei einer Person eine psychische Störung oder Traumatisie-
rung festgestellt wurde, damit ihr Unterstützungsbedarf ermittelt und ihre
Erstversorgung gewährleistet wird (z. B. Weiterverweisung an spezialisierte
Beratungsstellen, Ärzte oder Psychotherapeutinnen)?

25. Ist die Bundesregierung der Bitte der 10. Integrationsministerkonferenz, „die
ergänzend zu den Angeboten der Regelversorgung bestehenden, fachlich
hochversierten und dringend benötigen Behandlungszentren für traumati-
sierte Flüchtlinge (…) durch Mittel der Bunderegierung mit eine Kofinan-
zierung zu unterstützen“, nachgekommen bzw. wird sie die Behandlungszen-
tren aus Bundesmitteln fördern (Beschluss der 10. Integrationsministerkon-
ferenz am 25./26. März 2015, TOP 7) ?
a) Wenn ja, in welcher Höhe?
b) Wenn nein, warum nicht?

26. Wie viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Ärztinnen und
Ärzte sowie psychosoziale Einrichtungen haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung einen Antrag auf Ermächtigung zur ambulanten psychotherapeuti-
schen und psychiatrischen Versorgung von Empfängern laufender Leistun-
gen nach § 2 AsylbLG, die Folter, Vergewaltigung, oder sonstige schwere For-
men psychischer , physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, gemäß § 31
der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) gestellt (bitte nach
Kassenärztlicher Vereinigung aufschlüsseln und danach, ob der Antrag einen
Arzt, Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsy-
chotherapeuten oder eine psychosoziale Einrichtung betrifft)?
a) Wie viele der Anträge wurden genehmigt, abgelehnt bzw. sind noch im

Verfahren (bitte nach Kassenärztlicher Vereinigung aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8499
 

b) Aus welchen Gründen wurden die Anträge nach Kenntnis der Bundesre-
gierung bislang abgelehnt?

c) Wie definiert die Bunderegierung die Voraussetzung „Ärzte mit einer für
die Behandlung erforderlichen abgeschlossenen Weiterbildung“?

d) Fordern nach Kenntnis der Bundesregierung die Zulassungsausschüsse
über die in der Ärzte-ZV festgelegten Qualifikationen der Ärzte und Psy-
chotherapeuten hinausgehende Qualifikationen und Erfahrungen für den
Erhalt einer Ermächtigung?

27. Sind nach Ansicht der Bundesregierung die Ermächtigungen nur zu erteilen,
wenn die Antragstellerin bzw. der Antragsteller die Geflüchteten bereits in
den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes behandelt hat?
Wenn ja, mit welcher Begründung?

28. Welche Folge für eine laufende psychotherapeutische Behandlung bei einer
ermächtigten Psychotherapeutin hat der aufenthaltsrechtliche Statuswechsel
der Patientin bzw. des Patienten (bspw. die Anerkennung eines Asylbewer-
bers oder einer Asylbewerberin als Flüchtling), vor dem Hintergrund, dass
die Ermächtigung sich lediglich auf Asylbewerberinnen und Asylbewerber
bezieht, die laufende Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten?

29. Warum hat die Bundesregierung die Ermächtigung zur psychotherapeuti-
schen Behandlung auf Geflüchtete mit einem bestimmten aufenthaltsrechtli-
chen Status beschränkt, die Folter und sonstige schwere Formen von Gewalt
erlitten haben, anstatt statusunabhängig alle Geflüchtete mit psychischen Er-
krankungen einzubeziehen?
Und beabsichtigt sie die Regelung angesichts der erheblichen Versorgungs-
defizite und -brüche entsprechend zu erweitern?

30. Welche Daten oder sonstige Information sind der Bundesregierung über die
Häufigkeit und Art von psychischen Störungen bei Geflüchteten aus Krisen-
regionen, Risiko- und Resilienzfaktoren sowie über die Wirksamkeit von
Maßnahmen zur Prävention und Intervention bekannt?

31. Erkennt die Bundesregierung weiteren Forschungsbedarf im Hinblick auf
den Unterstützungs- und Versorgungsbedarf psychisch belasteter und er-
krankter Geflüchteter an, und wird sie entsprechende Studien in Auftrag ge-
ben?
Wenn ja, welche konkreten Forschungsvorhaben hat bzw. wird die Bundes-
regierung vergeben?
Wenn nein, warum nicht?

Sprachmittlung
32. Welche Daten oder sonstige Information liegen der Bundesregierung über

den Bedarf an Sprachmittlung im Rahmen medizinischer und psychothera-
peutischer Behandlung von Geflüchteten vor?

33. Bei welchen Sprachen bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Kapa-
zitätsprobleme, und worin begründen sich diese aus Sicht der Bundesregie-
rung?

34. Wie lange dauern nach Kenntnis der Bundesregierung die Bewilligungsver-
fahren nach dem AsylbLG und SGB XII zur Übernahme von Kosten für
Sprachmittlung im Rahmen psychotherapeutischer Behandlung im Durch-
schnitt?

Drucksache 18/8499 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

35. In wie vielen Fällen können nach Einschätzung der Bundesregierung psy-
chotherapeutische Behandlungen bei Geflüchteten nicht durchgeführt wer-
den, weil die für die Behandlung notwendigen Kosten für Sprachmittlung
nicht übernommen werden?

36. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Kapazitäten zur
Sprachmittlung im Rahmen der kommunalen Angebote zur psychosozialen
Betreuung nach dem § 16 a SGB II?

37. Erkennt die Bundesregierung an, dass der Zugang zu einer Psychotherapie
für traumatisierte und psychisch kranke Geflüchtete, die der deutschen Spra-
che nicht ausreichend mächtig sind, nur durch eine qualifizierte Sprachmitt-
lung möglich ist?
a) Wenn ja, sieht die Bundesregierung Sprachmittlung für Menschen, die der

deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, als notwendigen Teil
der Gesundheitsversorgung und damit als Leistung der gesetzlichen Kran-
kenversicherung an?

b) Wenn nein, warum nicht?
38. Erkennt die Bundesregierung an, dass es für eine angemessene gesundheitli-

che Versorgung von Geflüchteten den Bedarf gibt, Sprachmittler und
Sprachmittlerinnen auszubilden, zu finanzieren, deren Vermittlung zu koor-
dinieren, ihre Qualifizierung für die Arbeit mit teilweise stark traumatisierten
Menschen sicherzustellen und sie in ihrer Arbeit zu begleiten?

39. Wird die Bundesregierung der Bitte der Gesundheits- und Integrationsminis-
ter der Länder nachkommen, gemeinsam mit der Bundespsychotherapeuten-
kammer und der Bundesärztekammer „ein Modellprojekt an mehreren
Standpunkten zu konzipieren, das die Stellung und Finanzierung von Dol-
metscherleistungen für die psychotherapeutische Versorgung von Asylsu-
chenden und Flüchtlingen aus Bundesmitteln erprobt und evaluiert“ (Be-
schluss der 88. Gesundheitsministerkonferenz am 24./25. Juni 2015,
TOP 8.4; Beschluss der 10. Integrationsministerkonferenz am 25./26. März
2015, TOP 7)?
Wenn nein, warum nicht?

40. Wird die Bundesregierung der Bitte der Integrations- und Gesundheitsminis-
ter der Länder nachkommen, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit
die für die Behandlung von psychisch erkrankten oder traumatisierten
Asylsuchenden und Flüchtlingen notwendige Sprachmittlung sichergestellt
und vergütet wird (Beschluss der 10. Integrationsministerkonferenz am
25./26. März 2015, TOP 7; Beschluss der 88. Gesundheitsministerkonferenz
am 24./25. Juni 2015, TOP 8.4)?
Wenn nein, warum nicht?

41. Soll die im Referentenentwurf für ein Integrationsgesetz vorgesehene Pflicht
der für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger, Aufwendungen
für Dolmetscher oder Übersetzer zu tragen, auch im Rahmen medizinischer
und therapeutischer Behandlungen Anwendung finden (§ 17 Absatz 2a
SGB I-E)?
Wenn nein, warum nicht?

42. Warum sieht der Referentenentwurf eines Integrationsgesetzes lediglich eine
„Kostenzuordnung“ für Aufwendungen für Dolmetscher oder Übersetzer bei
der Ausführung von Sozialleistungen vor, anstatt wie bei Gehörlosen in § 17
Absatz 2 SGB I einen Individualanspruch auf Dolmetschen und Übersetzen
für die Beteiligten zu schaffen?
Und welche Auswirkungen soll die Unterscheidung in der Praxis haben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/8499
 

a) Wie begründet die Bundesregierung ihre Position, die bestehenden
Rechtsgrundlagen in Bezug auf einen Individualanspruch auf Dolmet-
schen und Übersetzen seien ausreichend (Begründung zu Artikel 4 des
Referentenentwurfes für ein Integrationsgesetz)?

b) Wieso will die Bundesregierung nach ihrem Entwurf eines Integrations-
gesetzes die Kostenübernahme durch die zuständigen Leistungsträger für
Dolmetscher und Übersetzer lediglich auf Beteiligte innerhalb der ersten
drei Jahre des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland beschränken?

c) Wie soll für Personen, die beispielsweise wegen Erkrankungen oder ho-
hem Alter Schwierigkeiten haben die deutsche Sprache zu erlernen, nach
drei jährigem Aufenthalt die für eine angemessene Versorgung notwen-
dige Sprachmittlung gewährleistet werden?

43. a) Warum empfiehlt die Bundesregierung in ihrem „Ratgeber Gesundheit für
Asylsuchende in Deutschland“ bei fehlenden Deutschkenntnissen, „einen
sprachkundigen Menschen ihres Vertrauens mit zu der Ärztin oder dem
Arzt zu nehmen“, obwohl das Übersetzen durch ungeschulte Personen zu
Fehlbehandlungen führen kann, die Angehörigen überfordert und die Kos-
tenübernahme für qualifiziertes Dolmetschen nach AsylbLG nicht ausge-
schlossen ist?

b) Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, wie häufig „sprachkundige Men-
schen“ die eigenen, minderjährigen Kinder sind?

Berlin, den 17. Mai 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.