BT-Drucksache 18/8131

Kohleausstieg einleiten - Strukturwandel sozial absichern

Vom 15. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8131
18. Wahlperiode 15.04.2016
Antrag
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Birgit Wöllert, Hubertus Zdebel,
Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun
Bluhm, Dr. André Hahn, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij,
Kerstin Kassner, Katja Kipping, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Ralph Lenkert,
Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Birgit Menz, Norbert
Müller (Potsdam), Thomas Nord, Harald Petzold (Havelland), Dr. Kirsten
Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Kohleausstieg einleiten – Strukturwandel sozial absichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Jahr 2016 wird ein Jahr wichtiger klima- und energiepolitischer Richtungsent-
scheidungen. Nach dem vielfach als historisch bezeichneten Pariser Klimaschutzab-
kommen vom Dezember 2015 müssen auch in Deutschland die Weichen für mehr
Klimaschutz gestellt werden. Dabei kommt der Energiewende eine besondere Rolle
zu. Auf Bundesebene steht bis zum Sommer dieses Jahres die Verabschiedung eines
Klimaschutzplans 2050 durch die Bundesregierung auf der Agenda, wofür seit letz-
tem Sommer ein Dialogprozess läuft. Ein wesentliches Element dieses Klimaschutz-
plans muss ein Fahrplan für einen Kohleausstieg sein. Ferner wird unter anderem
das Gesetz zum Strommarktdesign und die Novelle des Erneuerbare-Energien-Ge-
setzes (EEG) verabschiedet werden. Auf gesellschaftlicher Ebene mobilisieren Kli-
maschutzaktivistinnen und -aktivisten des Bündnisses „Ende Gelände“ zu Aktionen
an den Pfingsttagen 2016 im Lausitzer Braunkohlerevier, die einen beschleunigten
Kohleausstieg zum Ziel haben. Lokale Initiativen sowie Umweltverbände kämpfen
seit Jahren gegen neue Tagebaue und neue Kohlekraftwerke. In der wissenschafts-
basierten Politikberatung schlägt aktuell der Think Tank Agora Energiewende in
dem vielbeachteten Impulspapier „Elf Eckpunkte für einen Kohleausstieg“ einen ge-
sellschaftlichen Kohlekonsens vor: „Deutschland kann nicht Energiewendeland sein
und gleichzeitig Kohleland bleiben – nach Paris weniger denn je “. Der Deutsche
Bundestag teilt diese Ansicht.
Jede dritte in Deutschland verbrauchte Kilowattstunde Elektrizität ist inzwischen
Ökostrom. Gleichzeitig verharrt jedoch die emissionsintensive Kohleverstromung
auf einem hohen Niveau und stieg im Trend der letzten Jahre sogar an, anstatt im
Umfang des Ökostromwachstums abzunehmen. Seit 2010 erlebt insbesondere die
Stromerzeugung aus Braunkohlekraftwerken eine Renaissance, Erzeugungsüber-
schüsse werden in einem erheblichen Maße exportiert. Die ungebremste Kohlever-
stromung ist nicht nur fatal, weil sie das Erreichen der nationalen Klimaschutzziele
gefährdet. Bereits das Erreichen des Klimaschutzziels für 2020 von 40 Prozent we-
niger Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 rückt ohne zusätzliche Maßnahmen

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in weite Ferne. Wird der Trend nicht gebrochen, so wird es auch unmöglich, die
Bundesrepublik Deutschland zu einem weltweiten Vorbild für die Energiewende zu
machen. Schließlich ist ein weitgehend regeneratives Energiesystem mit einem dau-
erhaft hohen Sockel an inflexiblen Kohlekraftwerken – insbesondere Braunkohle-
kraftwerken – unvereinbar.
Das EU-Emissionshandelssystem – als nach Auffassung der EU-Kommission und
der Bundesregierung wichtigstes klimapolitisches Steuerungsinstrument im Strom-
sektor – hat bislang versagt und wird ohne ergänzende Maßnahmen auch in Zukunft
nicht verhindern, dass die Braunkohleverstromung in Deutschland noch bis Mitte
des Jahrhunderts einen maßgeblichen Anteil am Strommix haben wird. Darum sind
zusätzliche nationale Instrumente notwendig, um in der Bundesrepublik Deutsch-
land einen geordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung zu vollziehen – begin-
nend heute, mit dem Ziel der vollständigen Abschaltung von Kohlekraftwerken spä-
testens im Jahr 2035. Dabei müssen die ineffizientesten Braunkohlekraftwerke am
schnellsten vom Netz. Der entsprechend geringere Bedarf an Braunkohle muss sich
auch angesichts der verheerenden Begleitschäden des Bergbaus in einem Verbot des
Neuaufschlusses von Braunkohletagebauen widerspiegeln.
Der geordnete Kohleausstieg lässt sich auch nach Auffassung der Bundesministerin
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, inner-
halb von 20 bis 25 Jahren „ohne Strukturbrüche“ gestalten. Ein „nationaler Konsens“
darüber solle noch in dieser Legislaturperiode erreicht werden, so die Bundesminis-
terin im Vorfeld der Pariser Verhandlungen. Der Deutsche Bundestag unterstützt
diese Strategie und stellt fest, dass sich ein Ausstieg ohne Strukturbrüche nur dann
erreichen lässt, wenn der Kohlekonsens neben dem Ausstiegsfahrplan auch die Aus-
gestaltung und soziale Begleitung des Strukturwandels in den betroffenen Regionen
zum Inhalt hat.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

noch im ersten Halbjahr 2016 einen Gesetzentwurf über den Rahmen für einen plan-
mäßigen Ausstieg aus der deutschen Kohleverstromung (Kohleausstiegsrahmenge-
setz – KohleausstiegsRG) vorzulegen, welcher folgenden Eckpunkten entspricht:
1) Mit dem Gesetzentwurf wird das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)

so geändert, dass über das BImSchG bzw. einen Verordnungsentwurf nach
BImSchG die immissionsschutzrechtliche Privilegierung der Verstromung von
Kohle aufgehoben und CO2 als Umweltschadstoff definiert wird.

2) Der Ausstieg aus der Kohleverstromung beginnt spätestens im zweiten Halb-
jahr 2017 mit planmäßigen Stilllegungen von Kraftwerksblöcken auf der Basis
von blockscharfen Restlaufzeiten bzw. Reststrommengen. Spätestens im Jahr
2035 wird der letzte Kohlekraftwerksblock in Deutschland stillgelegt.

3) Der Umfang der Abschaltung korrespondiert mit einer Reduktion der Treib-
hausgasemissionen in der Bundesrepublik Deutschland von mindestens 40 Pro-
zent bis 2020, 60 Prozent bis 2030, 80 Prozent bis 2040 und 95 Prozent bis
2050 gegenüber 1990.

4) Der Ausstiegskorridor für Kohlekraft korrespondiert mit dem Ausbaukorridor
für Ökostrom entsprechend den gesetzlichen Ausbauzielen der Bundesrepublik
Deutschland für den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch
mit den entsprechenden Zwischenzielen. Letztere werden gegenüber den bis-
herigen Zielen durch eine Änderung des § 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) angehoben bzw. festgelegt auf mindestens 43 Prozent bis 2020, 55 Pro-
zent bis 2025, 70 Prozent bis 2030, 85 Prozent bis 2035 und 100 Prozent bis
2040.

5) Der Neubau von Kohlekraftwerken und der Neuaufschluss von Tagebauen wer-
den untersagt.

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6) Es werden keine Stilllegungsprämien für Kraftwerksblöcke gezahlt.
7) Der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist arbeitsmarkt-,

wirtschafts- und sozialpolitisch zu begleiten, wobei insbesondere Interessen-
vertreterinnen und Interessenvertreter der Beschäftigten vor Ort und der Region
wirksam einzubinden sind. Finanziell ist dieser Prozess durch einen „Struktur-
wandelfonds Kohleausstieg“ des Bundes in Höhe von mindestens jährlich
250 Millionen Euro abzusichern. Er wird für die infolge des Kohleausstiegs
vom Strukturwandel betroffenen Beschäftigten und Regionen bereitgestellt.

8) Die Bundesregierung schließt mit den Betreibern der Braunkohletagebaue
und -kraftwerke einen Vertrag mit dem Ziel ab, betriebsbedingte Kündigungen
infolge des Kohleausstiegs in den Unternehmenssparten zu verhindern. Dafür
sind angesichts der Altersstruktur der Beschäftigten in der Braunkohlewirt-
schaft vorrangig Instrumente wie Altersteilzeit oder Vorruhestand zu nutzen.
Mit dem Kohleausstieg verbundene Lücken bei Einkommen oder Altersbezü-
gen für die Beschäftigten sind angemessen zu schließen. Zur Finanzierung ist
ein Teil der unter Punkt II. 7) genannten Mittel zu reservieren.

9) Die Bundesregierung leitet im Falle von Strompreiserhöhungen, die auf den
forcierten Kohleausstieg zurückzuführen sind, Maßnahmen ein, um diese für
private Stromkunden zu kompensieren. Spielraum dafür bietet insbesondere der
Abbau von unberechtigten Privilegien der Stromwirtschaft bei der EEG-Um-
lage oder bei den Netzentgelten.

10) Die Finanzierung der Folgelasten der Braunkohleförderung wird durch die Bil-
dung eines ausreichend ausgestatteten staatlichen Nachsorgefonds gesichert, in
den die bisherigen Nachsorge-Rückstellungen der Tagebaubetreiber sowie eine
festzulegende Förderabgabe auf die Braunkohleförderung eingehen.

11) Die Punkte II. 1) bis II. 10) werden inhaltlich Bestandteil des bis zum Sommer
2016 zu verabschiedenden „Klimaschutzplans 2050“ der Bundesregierung.

12) Die Bundesregierung wird aufgefordert, das 5. Verwaltungsabkommen über die
Finanzierung der Braunkohlesanierung, das mit den Bundesländern Branden-
burg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen abgeschlossen wurde, nach des-
sen Auslaufen im Jahr 2017 durch ein neues um eine Zeitspanne zu verlängern,
die nötig ist, um über die Sanierungstätigkeit der Lausitzer und Mitteldeutschen
Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) die notwendige und fachge-
rechte Nachsorge für die Bergbautätigkeit der DDR zu garantieren.

13) Noch 2016 ist ein Runder Tisch für einen Kohlekonsens einzuberufen. An ihm
nehmen gesellschaftliche Akteure teil wie Gewerkschaften, Umwelt- und Ver-
braucherverbände, Unternehmen der Stromwirtschaft (aus fossiler und erneu-
erbarer Erzeugung), Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Länder und
betroffener Kommunen, Expertinnen und Experten für Energie- und Klimapo-
litik aus dem wissenschaftlichen Bereich sowie Praktiker mit Erfahrung im
Strukturwandel. Der Runde Tisch führt einen Dialogprozess und erarbeitet kon-
krete Vorschläge zu Kernelementen des Kohleausstiegs, insbesondere dazu,
a. durch welche Methode möglichst kosteneffizient die Restlaufzeiten bzw.

Reststrommengen für Kohlekraftwerksblöcke und im Rahmen dessen ggf.
Flexibilitätsoptionen für diese Laufzeiten festgelegt werden;

b. wie der Ausstieg aus der Kohleverstromung struktur-, industrie-, arbeits-
markt- und sozialpolitisch begleitet werden kann, wobei ausreichend Raum
dafür zu schaffen ist, dass zentrale Entscheidungen darüber in den Ländern
und Kommunen auf Basis gesellschaftlicher Dialogprozesse in den betroffe-
nen Regionen selbst getroffen werden können. In diesem Rahmen sind vom
Runden Tisch Vorschläge über die Ausrichtung, regionale Aufteilung und
Verwendung des „Strukturwandelfonds Kohleausstieg“ des Bundes zu erar-
beiten;

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c. wie die Förderabgabe der Tagebaubetreiber und der Übergang ihrer bisher
gebildeten Nachsorge-Rückstellungen in den staatlich verwalteten Nachsor-
gefonds ausgestaltet werden.

14) Die Vorschläge des Runden Tisches für einen Kohlekonsens bilden im Rahmen
der Vorgaben des KohleausstiegsRG die Grundlage für ein Gesetz über den
planmäßigen Ausstieg aus der deutschen Kohleverstromung (Kohleausstiegs-
gesetz – KohleausstiegsG).

15) Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass über eine
Änderung der EU-Emissionshandelsrichtlinie jene Menge an CO2-Emissions-
rechten (EUA) endgültig stillgelegt wird, welche infolge des deutschen Koh-
leausstiegsG – im Vergleich zu einem Basisszenario ohne ein solches Gesetz –
frei wird.

III. Der Deutsche Bundestag nimmt den Vorschlag der Fraktion DIE LINKE. für
die Ausgestaltung des KohleausstiegsG zur Kenntnis, der als Debattenbeitrag
für den Runden Tisch zum Kohlekonsens zu verstehen ist. Er besteht in folgen-
den Eckpunkten:

1) Das KohleausstiegsG auf Grundlage des KohleausstiegsRG ist spätestens bis
zum Juli 2017 zu verabschieden. Es beruht auf der Analyse, dass das EU-Emis-
sionshandelssystem bislang keine ausreichende Lenkungswirkung dafür entfal-
tet hat (und absehbar auch nicht dafür entfalten wird), der Energiewirtschaft
einen adäquaten Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele abzu-
verlangen. Ein schrittweiser ordnungsrechtlicher Ausstieg aus der Kohlever-
stromung ist zudem erforderlich, damit die Bundesrepublik die Energiewende
hin zu einer regenerativen Vollversorgung bis Mitte des Jahrhunderts in all den
dafür erforderlichen Erzeugungs- und Infrastrukturelementen vollziehen kann.
Dieser Weg wäre Deutschland ansonsten aufgrund seiner umfangreichen
Braunkohlevorkommen verbaut.

2) Ab dem Inkrafttreten des KohleausstiegsG zum zweiten Halbjahr 2017 werden
entsprechend II. 2) die Laufzeiten und Reststrommengen aller Kohlekraft-
werksblöcke begrenzt. Der letzte Kraftwerksblock ist spätestens 2035 abzu-
schalten. Dabei erhält jeder Kraftwerksblock ein Enddatum, zu dem er spätes-
tens stillzulegen ist. Dabei gehen im Grundsatz ältere Kraftwerke eher außer
Betrieb als jüngere, wobei höhere Wirkungsgrade bzw. weniger hohe CO2-In-
tensitäten, auch infolge von Wärmeauskopplungen, insoweit Berücksichtigung
finden, als sich die ansonsten altersbedingte Reihenfolge zu Gunsten höherer
Effizienz und zu Lasten weniger effizienter Anlagen ändern kann.

3) Das maximale Betriebsalter von Kohlekraftwerksblöcken wird so ausgestaltet,
dass zunächst bis 2025 all jene Blöcke vom Netz gehen, die 40 Jahre und älter
sind. Für die anschließende Zeit wird das maximale Betriebsalter der verblie-
benen Anlagen schrittweise so abgesenkt, dass spätestens im Jahr 2035 auch
die derzeit jüngsten Kohlekraftwerksblöcke außer Betrieb gehen.

4) Um dem seit Jahren wachsenden Stromexport entgegenzuwirken, wird mit In-
krafttreten des KohleausstiegsG ab dem zweiten Halbjahr 2017 die Menge des
maximal erzeugten Stroms begrenzt, welche jeder Kohlekraftwerksblock bis zu
seiner endgültigen Abschaltung erzeugen darf (Reststrommenge).

5) Die Reststrommenge wird für jeden Kohlekraftwerksblock anhand von Effi-
zienz-Kriterien (elektrischer Wirkungsgrad/spezifischer CO2-Ausstoß/geeigne-
ter KWK-Faktor) sowie unter Berücksichtigung der festgelegten Restlaufzeit
festgelegt.

6) Die Reststrommengen werden alle drei Jahre kostenlos an die Kohlekraftwerks-
blöcke in 3-Jahres-Budgets vergeben. Die 3-Jahres-Budgets dürfen so genutzt

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8131

werden, dass die in einem einzelnen Jahr von einem Kraftwerksblock produ-
zierte Strommenge den sich aus dem zugeteilten 3-Jahres-Budget ergebenden
jährlichen Durchschnitt maximal um ein Fünftel überschreiten kann (Banking).

7) Das 3-Jahres-Budget des Kraftwerksblocks insgesamt darf im Grundsatz nicht
überschritten werden. Eine Überschreitung der maximal zulässigen Strommen-
gen je Kraftwerksblock wird wirksam sanktioniert.

8) Die zugeteilten Strommengen sind nicht handelbar. Sie können jedoch von den
Betreibern hin zu Anlagen mit geringerer CO2-Intensität umverteilt werden,
wobei der festgelegte Abschaltzeitpunkt jedes Kraftwerksblockes unverrückbar
bleibt.

9) Der Ausstiegskorridor für Kohlekraft und der Ausbaukorridor für Ökostrom
haben jederzeit die Versorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland un-
ter der Maßgabe zu gewährleisten, dass wesentliche Nettostromimporte ge-
nauso wenig nötig sind, wie Nettostromexporte. Dabei darf die Versorgungssi-
cherheit auch in Zeiten von Dunkelheit und wenig Wind nicht gefährdet sein,
in denen Windkraft und Photovoltaik kaum gesicherte Leistung direkt bereit-
stellen können. Bei der Beurteilung der Versorgungssicherheit ist der Bestand
und notwendige Ausbau von Gaskraftwerken sowie Fortschritte in der Flexibi-
lität des Stromsystems (Netze, Speicher, Lastmanagement, intersektorale Ver-
bindung von Strom, Wärme und Mobilität, internationaler Verbund etc.) zu be-
rücksichtigen. Die Sicherheit der Versorgung mit Strom und Wärme wird ins-
besondere dadurch gewährleistet, dass der Kohleausstieg durch einen angemes-
senen Ausbau von Gaskraftwerken begleitet wird. Dafür hat die Bundesregie-
rung u. a. durch eine geeignete Ausgestaltung des Marktdesigns Anreize zu
schaffen. Zudem wird sie Maßnahmen ergreifen, um die regenerativ basierte
gesicherte Leistung zu erhöhen und die Spitzenstromnachfrage zu verringern.
Dazu zählt neben dem Ausbau der regenerativen Erzeugung auch die Stärkung
der erwähnten Flexibilitätsoptionen. Zudem wird jeder Erfolg beim Energie-
sparen diesen Weg erleichtern und preiswerter machen. Jeder Fortschritt bei
Flexibilität und Speichern wird den Bedarf an fossil betriebenen Gaskraftwer-
ken verringern.

10) Die Aufteilung der Mittel des unter II. 7) angeführten „Strukturwandelfonds
Kohleausstieg“ des Bundes in Höhe von mindestens jährlich 250 Millionen
Euro auf die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen geschieht entsprechend
der jeweils vom Kohleausstieg betroffenen Arbeitsplätze und unter Berücksich-
tigung der sonstigen Wertschöpfung in den Regionen. Über die Verwendung
der Mittel entscheiden die jeweiligen Länder und Kommunen in einem noch
festzulegenden Verhältnis.

11) Der unter II. 10) angeführte staatliche Fonds zur Bewältigung der Folgelasten
des Braunkohlebergbaus wird bei der Bundesregierung angesiedelt. In ihn wer-
den die bisher gebildeten Rückstellungen der Betreiber von Braunkohletage-
bauen überführt. Zudem wird der Fonds aufgestockt durch eine Förderabgabe
auf Braunkohle. Diese wird entsprechend § 31 Bundesbergesetz (BbergG) in
Höhe von 10 Prozent des Marktwerts der Braunkohle bzw. eines vergleichbaren
zugrunde zu legenden Wertes erhoben. Zu diesem Zweck wird § 151 Absatz 2
Nummer 2 BBergG gestrichen, der gegenwärtig aufrechterhaltenes Bergwerks-
eigentum von der Förderabgabe ausschließt.

Berlin, den 14. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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Begründung

Die historische Klimaschutzaufgabe
Ob die Ergebnisse des Pariser Klimaschutzabkommens vom Dezember letzten Jahres tatsächlich historisch sein
werden oder nur weiteres nutzlos bedrucktes Papier, wird im Wesentlichen davon bestimmt werden, welche
konkreten Anstrengungen die einzelnen Staaten unternehmen, um die Ziele des Abkommens zu erfüllen. Hier-
bei kommt der Bundesrepublik eine besondere Verantwortung zu. Zum einen, weil Deutschland im weltweiten
Vergleich einen hohen CO2-Ausstoß pro Kopf aufweist und damit zu den Hauptverursachern des Klimawandels
zählt. Und zum anderen, weil die Bundesrepublik aufgrund ihrer Wirtschaftskraft und ihres technologischen
Knowhows zu den wenigen Industriestaaten gehört, die vom Potential her in der Lage sind, die Energiewende
hin zu einer vollständig regenerativen Erzeugung mit all ihren Elementen in der Erzeugungs- und Infrastruktur
technisch, ökonomisch und sozial ohne unakzeptable Verwerfungen zu vollziehen – und dies in überschaubarer
Zeit. Gelänge dieser Übergang noch deutlich vor 2050 und würden die technischen, ökonomischen und sozialen
Innovationen auf dem Weg dahin weltweit sichtbar, so wäre dies ein wahrhaft historischer Beitrag Deutschlands
dafür, andere Länder zu ermutigen bzw. überhaupt erst in die Lage zu versetzen, einen ähnlichen Weg zu gehen.
Unter anderem deshalb, weil die Bundesrepublik Technologie-Lernkurven finanziert, die es auch ärmeren Staa-
ten ermöglicht, regenerative Erzeugungsanlagen preiswert einzusetzen. Im Kampf gegen die Erderwärmung
würde so die Einhaltung des globalen 2-Grad-Ziels bzw. möglichst des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Abkommens
deutlich realistischer.

Das Deutsche Energiewendeparadox
Die Energiewende in Deutschland kommt jedoch zusehends ins Stocken. Gleichwohl in der Bundesrepublik
infolge des Ausbaus der erneuerbaren Energien mittlerweile fast jede dritte Kilowattstunde Ökostrom ist, stieg
der Umfang der klimaschädlichen Kohleverstromung in der Bundesrepublik im Trend der letzten Jahre wieder
an. Die Bruttostromerzeugung aus Kohle lag im Jahr 2015 mit 273 Terawattstunden (TWh) 8 Prozent höher als
2009. Die besonders emissionsintensive aber betriebswirtschaftlich preiswerte Braunkohle wurde im Jahr 2015
mit 155 TWh gar auf einem Niveau verstromt, das rund 12 Prozent höher lag als 1998. Wesentlicher Treiber
dieser Entwicklung war der stetig wachsende Stromexport. Mit 61 TWh (auf Basis der Handelsflüsse) erzielte
die deutsche Stromwirtschaft 2015 einen neuen Rekord-Nettoexportüberschuss. Damit wurde der bisherige Re-
kordsaldo von 2014 (40,3 TWh) nochmals um 50 Prozent gesteigert. Per Saldo exportierte Deutschland im Jahr
2015 rund zehn Prozent des hierzulande produzierten Stroms. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der deut-
schen Treibhausgasbilanz nieder. Die CO2-Emissionen der Stromerzeugung lagen 2014 bei rund 308 Mio. t –
und damit rund 7 Mio. t höher als 2009. Die ohnehin existierende Lücke zur Erfüllung des 40-Prozent-Minde-
rungsziels für Treibhausgase bis 2020 gegenüber 1990 in Höhe von rund 5 Prozentpunkten droht sich mit die-
sem Trend weiter zu vergrößern.

Emissionshandel versagt als Regulierungsinstrument
Eigentlich sollte der EU-Emissionshandel das Hauptinstrument dafür sein, die fossile Stromerzeugung schritt-
weise zurück zu drängen. Dieser hat jedoch aus unterschiedlichen Gründen versagt.
Durch seine fehlerhafte Ausgestaltung ist in der Vergangenheit eine enorme Menge überschüssiger CO2-Zerti-
fikate aufgelaufen, die nicht benötigt werden. So macht allein der Zufluss von Gutschriften aus zweifelhaften
Klimaschutzprojekten im globalen Süden im Clean Development Mechanism (CDM) etwa 1,6 Mrd. der 2 Mrd.
Überschüsse an Emissionsberechtigungen aus, ist also Hauptursache für die Krise des Handelssystems. Von
diesen 1,5 Mrd. sind nach Schätzungen etwa die Hälfte faul – hinter ihnen stehen keine zusätzlichen Treibhaus-
gaseinsparungen im globalen Süden. Weitere Ursachen der derzeitigen Zertifikatsschwemme sind Überzutei-
lungen an die Industrie sowie die Wirtschaftskrise 2008/09.
Die Überschüsse lassen nicht nur die Preise in den Keller stürzen – seit Monaten kostet eine Tonne CO2 nur so
viel wie ein oder zwei Brote beim Bäcker statt der ursprünglich erwarteten 25 bis 30 Euro je Emissionsrecht –,
sie können auch zu einem zusätzlichen Klimagasausstoß in Höhe der faulen CDM-Emissionsgutschriften aus
dem globalen Süden führen. Das sind jene rund 800.000 t CO2, hinter denen keine zusätzlichen Emissionsmin-
derungen stehen.
Die geplanten Reformen des EU-Emissionshandels werden dieses Problem nicht lösen. So sieht etwa die in der
EU beschlossene Marktstabilitätsreserve vor, einen Teil des im Umlauf befindlichen Überschusses an CO2-
Zertifikaten vom Markt zu nehmen. Sie wird aber lediglich dazu führen, dass der Überschuss frühestens gegen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8131
Ende der 20er Jahre soweit gefallen sein könnte, dass jene Knappheit herrscht, die CO2-Preise mit einer rele-
vanten Lenkungswirkung für den Brennstoffeinsatz im fossilen Kraftwerkspark oder für Energieeinsparinves-
titionen in der Wirtschaft erzeugt. Es ist davon auszugehen, dass die CO2-Preise bis dahin deutlich unter 20 Euro
je Tonne CO2 liegen werden.
Ohnehin würden selbst 25 bis 30 Euro je Tonne CO2 nicht ausreichen, um die Braunkohleverstromung einzu-
dämmen. Denn rein betriebswirtschaftlich gehört die Braunkohleförderung und -verstromung zu den billigsten
Stromerzeugungsarten. Aufgrund dieser geringen Kosten wären – je nach Wirkungsgrad der Anlagen und Kos-
tenentwicklung der Brennstoffkosten – CO2-Preise zwischen 40 und 80 Euro je Tonne erforderlich, damit sich
die Einsatzreihenfolge im Kraftwerkspark zu Lasten der Braunkohle dauerhaft ändert, also an der Strombörse
an Stelle von Strom aus Braunkohle Elektrizität aus weniger emissionsintensiven Steinkohle- oder Gaskraft-
werken gekauft wird. Dies ist das acht- bis sechzehnfache der gegenwärtigen CO2-Preise und immer noch ein
Vielfaches jener Zertifikatspreise, die durch einen reformierten EU-Emissionshandel zu erwarten wären.
Emissionshandelspreise, die die Braunkohle aus dem Markt drängen, sind also nicht zu erwarten. Insofern
würde insbesondere die Braunkohle in Deutschland ohne ein neues regulierendes Instrument neben oder alter-
nativ zum EU-Emissionshandel noch bis mindestens Mitte des nächsten Jahrhunderts eine wesentliche Rolle
im deutschen Energiemix spielen. Das aber würde nicht nur das Erfüllen der nationalen Klimaschutzziele ge-
fährden. Es würde der Bundesrepublik gleichzeitig auch die Umstellung auf ein vollständig regeneratives Ener-
giesystem mit all den dafür erforderlichen Elementen (Flexibilität über Netze, Speicher, Lastmanagement,
Smart Grids, Verbindung von Strom- und Wärmemarkt etc.) unmöglich machen. Bereits der Übergangsprozess
würde extrem erschwert, da der betriebswirtschaftlich preiswerte Braunkohlestrom absurderweise genau jene
Arten der Erzeugung und Leistungsbreitstellung aus dem Markt drängt, die wegen ihrer hohen Flexibilität als
Backup-Kraftwerke für die Energiewende dringend gebraucht werden: Gaskraftwerke sowie später auch Strom-
speicher. Kurzum, das Beispiel Deutschland, wie der Übergang zu einem energetisch regenerativen Wirtschafts-
system funktionieren könnte, würde schlicht nicht stattfinden. Eine historische Chance einmaliger globaler Ver-
antwortung wäre verspielt.
Im Übrigen müssten CO2-Preise in einer Höhe, die die Braunkohle aus der Verstromung drängen würden, durch
einen drastischen Strompreiseffekt erkauft werden. Dieser würde zwar abgemildert dadurch, dass sich die EEG-
Differenzkosten und damit die EEG-Umlage entsprechend vermindern. Er würde aber netto immer noch etwa
bis zu 4 Cent je Kilowattstunde betragen. DIE LINKE. bleibt darum auch aus sozialer Sicht bei ihrem Vorschlag
eines Kohleausstiegsgesetzes.

Kohleausstiegsgesetz schafft endlich Planungssicherheit
Aus den angeführten Gründen ist es notwendig, ein zusätzliches Instrument einzuführen, das in der Bundesre-
publik die Verstromung der Kohle in dem Maße begrenzt, wie sie durch Ökostrom zuverlässig ersetzt wird.
Dafür ist es erforderlich, Instrumente, wie das erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), welches den
Ausbau der Stromerzeugung aus Sonne, Wind, Biogas oder Wasser erfolgreich auf einen Anteil von heute
32,5 Prozent an der Bruttostromerzeugung vorangetrieben hat, mit einem Kohleausstiegsgesetz zu ergänzen.
Zudem ist es an der Zeit, die Unsicherheit in den Kohlerevieren zu beenden. Der unausweichliche Ausstieg aus
der Kohleverstromung betrifft Beschäftigte in Tagebauen und Kraftwerken sowie ihre Familien. Er betrifft die
Energieversorger, Zulieferbetriebe und Dienstleister. Er betrifft auch Städte und Gemeinden, Sportvereine und
Kultureinrichtungen in den Regionen. Je früher und konkreter die Abschaltung der einzelnen Blöcke bekannt
wird, umso eher können auch ernsthafte und demokratisch organisierte Debatten um Ausgestaltung und soziale
Absicherung des Strukturwandels begonnen werden, und umso eher können die Reviere Alternativen angehen.
Und umgekehrt: Je später feststeht, welche Anlagen wo und wann vom Netz gehen, umso chaotischer, teurer
und unsozialer wird der Wandel vor Ort.
Entschädigungsansprüche der Betreiber werden durch direkte Instrumente zum Kohleausstieg, wie die hier ge-
forderte Laufzeit- oder Strommengenbegrenzungen, grundsätzlich nicht ausgelöst – im Gegensatz zum Sonder-
fall der Zuweisung eines Kraftwerks zu einer strategischen Reserve, bei der die Kosten der Einsatzbereitschaft
angemessen vergütet werden muss. Das ergibt eine Studie „Kraftwerks-Stilllegungen zur Emissionsreduzierung
und Flexibilisierung des deutschen Kraftwerksparks: Möglichkeiten und Auswirkungen“ des IZES gGmbH
Institut für ZukunftsEnergieSysteme von August 2015, die u. a. eine rechtliche Untersuchung der Frage enthält
(Prof. Dr. Stefan Klinski, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin – HWR). Ein Rechtsanspruch auf Amor-
tisation lasse sich den Grundrechten nicht entnehmen. Grundsätzlich könnten den Anlagenbetreibern mit Blick
auf die höherrangigen Ziele des Klimaschutzes wirtschaftliche Belastungen zugemutet werden.
Instrumente, die im Vergleich zum vorgeschlagenen Kohleausstiegsgesetz stärker marktbasiert sind, wie etwa

Drucksache 18/8131 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
CO2-Mindestpreise oder -Steuern, mögen – zumindest in der Theorie – volkswirtschaftlich effizienter sein. Sie
haben jedoch den gravierenden Nachteil, dass letztlich die Entwicklung der Preise für Brennstoffe- und CO2-
Zertifikate sowie die Nachfrage bestimmt, wann welches Kraftwerk an welchem Ort abgeschaltet wird. Damit
würden die Reviere auch im nächsten Vierteljahrhundert in weitgehender Unsicherheit leben, wann bei ihnen
der jeweilige Kohlemeiler oder Tagebau dicht macht. Demgegenüber wird ein blockscharfer Abschaltplan –
sofern er auf von Effizienzkriterien basiert – eine Abschaltreihenfolge festlegen, die dicht an den Ergebnissen
liegen dürfte, welche bei gleichen Klimaschutzvorgaben marktbasierte Mechanismen produzieren.
Die – theoretisch – etwas geringere Effizienz eines Abschaltplans nach Ordnungsrecht wird durch die enormen
Vorteile mehr als ausgeglichen, die seine Berechenbarkeit für die betroffenen Menschen darstellt. Aus diesem
Grund hat sich DIE LINKE. schon früh für das Konzept eines Kohleausstiegsgesetzes entschieden. Sie hat
bereits drei Anträge zu einem Kohleausstiegsgesetz vorgelegt. Diese basierten in der Grundidee auf einem
früheren Vorschlag von Greenpeace Deutschland zur planmäßigen Abschaltung von Kohlekraftwerken.
So forderte DIE LINKE. im Jahr 2013 mit dem Antrag „Kohleausstiegsgesetz nach Scheitern des EU-Emissi-
onshandels“ (BT-Drs. 17/12064) anhand von Effizienz-Kriterien und unter Berücksichtigung der bisherigen
Laufzeit maximale Reststrommengen für jedes bestehende Kohlekraftwerk festzulegen, sollten zielführende
Reformen des EU-Emissionshandelssystem unterbleiben. Der Neubau von Kohlekraftwerken und Neuauf-
schluss von Tagebauen solle untersagt werden. Ab dem Jahr 2014 sollte die jährliche Menge an in Kohlekraft-
werken erzeugtem Strom begrenzt und in den Folgejahren stetig und weitgehend linear reduziert werden, wobei
spätestens im Jahr 2040 das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland stillgelegt werden sollte.
Im Januar 2014 legte DIE LINKE. einen weiteren Antrag „Energiewende durch Kohleausstiegsgesetz absi-
chern“ (BT-Drucksache 18/1673) mit einem Plan zur Abschaltung von Kohlekraftwerken vor. Der Antrag ski-
zierte detaillierter ein Kohleausstiegsgesetz mit den Elementen
− blockscharfe Reststrommengen für Kohlemeiler in einer effizienzgesteuerten Abschalthierarche,
− Flexibilitätsmechanismus für die Erzeuger,
− arbeitsmarkt-, wirtschafts- und sozialpolitisch Begleitung des Kohleausstiegs.
Ende 2014 ergänzte DIE LINKE. in dem Antrag „Deutscher Beitrag zu den UN-Klimaverhandlungen – Koh-
lendioxid als Umweltschadstoff definieren, Betriebszeiten von Kohlekraftwerken begrenzen“ (BT-
Drs. 18/3313) ihr Konzept eines auf Reststrommengen basierten Kohleausstiegsgesetzes dahingehend, dass die
Bundesregierung beauftragt werden sollte, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesimmissionsschutzge-
setzes (BImSchG) oder einen Verordnungsentwurf nach BImSchG vorzulegen, der die immissionsschutzrecht-
liche Privilegierung der Verstromung von Kohle aufhebt und CO2 als Umweltschadstoff definiert.
Im vorliegenden Antrag verknüpft DIE LINKE. ihr bisheriges Konzept der Reststrommengen – das aufgrund
schlecht abschätzbarer jährlicher Volllaststunden nur ungefähre Enddaten für jeden Kohlemeiler geliefert hätte
– mit dem Konzept von Restlaufzeiten, das in der Lage ist, blockscharf den spätesten Abschalttermin festzule-
gen. Danach würde der letzte Kraftwerksblock spätestens im Jahr 2035 vom Netz gehen. Das parallele Festlegen
von Reststrommengen für jeden Meiler bleibt nach Überzeugung der Antragsteller allerdings weiterhin dafür
erforderlich, der gegenwärtigen Flucht in Braunkohle-Stromexporte entgegenzuwirken.

Kohlekonsens herbeiführen, Kohleausstieg gesetzlich fixieren
Vor allem aber erweitert und konkretisiert DIE LINKE. mit dem vorliegenden Antrag ihr Konzept eines Koh-
leausstiegs. Das geschieht sowohl aus Konsequenz aus dem UN-Klimaschutzabkommens von Paris, als auch
im Rahmen der aktuellen Debatten um den Agora-Vorschlag „Elf Eckpunkten für einen Kohleausstieg“. Das
schrittweise Abschalten der Kohlekraftwerksblöcke wird hier vorbereitet und abgesichert durch einen gesell-
schaftlichen Dialogprozess sowie durch Festlegungen zur Finanzierung des notwendigen Strukturwandels in
den betroffenen Regionen und der Sicherung der Nachsorge.
So ist der vorgesehene effizienzbasierte Abschaltplan als instrumenteller Kern des Kohleausstiegs nur ein Punkt
innerhalb eines weiterreichenden Konzeptes. Dieses besteht aus zwei Stufen (siehe Punkt II):
In Stufe eins wird die Bundesregierung aufgefordert, noch im ersten Halbjahr 2016 ein Kohleausstiegsrahmen-
gesetz vorzulegen, welches zentrale Eckpunkte des Kohleausstiegs regelt. So soll u. a. CO2 als Umweltschad-
stoff definiert werden, der Ausstieg aus der Kohleverstromung spätestens im zweiten Halbjahr 2017 entschädi-
gungslos mittels blockscharfen Restlaufzeiten bzw. Restrommengen beginnen und im Jahr 2035 vollzogen sein.
Es wird ein Reduktionspfad für die Gesamtemissionen an Treibhausgasen bis 2050 vorgegeben, der Neubau
von Kraftwerken und der Neuaufschluss von Tagebauen sollen verboten werden. Ferner soll der Ausstieg durch
einen Strukturwandelfonds des Bundes sowie durch Beschäftigungssicherungsmaßnahmen begleitet und durch

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/8131
einen staatlichen Nachsorgefonds abgesichert werden, welcher durch die Betreiber von Braunkohletagebauen
zu füllen ist. Durch den Kohleausstieg zusätzlich frei werdende CO2-Zertifikate sollen in der EU endgültig
stillgelegt werden. Zudem sollen Strompreiserhöhungen für private Stromkunden vermieden werden, indem ein
etwaiger kohleausstiegsbedingter Anstieg der Strompreise durch eine Minderung vom Privilegien der Industrie
bei Umlagen und Abgaben kompensiert wird. Modellierungen im Auftrag von Agora Energiewende legen al-
lerdings nahe, dass sich ein solcher Anstieg nur in einem Bereich bewegen wird, der deutlich unter 1 Ct/kWh
gegenüber einem Referenzszenario ohne einen forcierten Kohleausstieg liegt.
Zu den Eckpunkten des Kohleausstiegsrahmengesetz gehört auch die Einberufung eines Runden Tisches für
einen Kohlekonsens noch im Jahr 2016. Dieser Runde Tisch, an dem für diesen Prozess relevante gesellschaft-
liche Gruppen beteiligt werden sollen, soll über die Ausgestaltung jener Eckpunkte beraten, die im Kohleaus-
stiegsrahmengesetz festgelegt sind.
In Stufe zwei werden die Ergebnisse des Runden Tisches zur Grundlage eines von der Bundesregierung vorzu-
legenden Gesetzes über den planmäßigen Ausstieg aus der Kohleverstromung (Kohleausstiegsgesetz). Hierin
soll dann die konkrete Ausgestaltung der genannten Eckpunkte festgelegt werden. So etwa zu den Methoden
zur Zuweisung von Restlaufzeiten bzw. Reststrommengen, zur den Details der Verwendung der finanziellen
Absicherung des Strukturwandels und der Organisation des Nachsorgefonds oder zum weiteren Dialogprozess
mit den betroffenen Regionen.
DIE LINKE. macht unter Punkt III für den Dialogprozess des Runden Tisches einen eigenen Vorschlag zur
Ausgestaltung des Kohleausstiegsgesetzes. Dieser Vorschlag ist als Debattenbeitrag zu verstehen, soll also nicht
den Ergebnissen des Runden Tisches vorgreifen. Entsprechend wird Punkt III dieses Antrags vom Bundestag
nur zur Kenntnis genommen.

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