BT-Drucksache 18/7814

Hermesbürgschaften und Schutz von Umwelt- und Menschenrechten

Vom 25. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7814
18. Wahlperiode 25.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Katharina Dröge, Annalena Baerbock,
Peter Meiwald, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour,
Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner, Harald Ebner, Matthias Gastel,
Beate Müller-Gemmeke, Sven-Christian Kindler, Christian Kühn (Tübingen),
Markus Kurth, Steffi Lemke, Corinna Rüffer, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hermesbürgschaften und Schutz von Umwelt- und Menschenrechten

Jährlich unterstützt die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft im Rahmen ih-
rer Außenwirtschaftsförderung in erheblichem Umfang durch die Übernahme von
Hermesbürgschaften, Investitionsgarantien und Garantien für Ungebundene
Finanzkreditgarantien (UFK-Garantien). Vor der Bewilligung von Hermesbürg-
schaften prüft die Bundesregierung die ökologischen und sozialen Auswirkungen
der Projekte gemäß der Gemeinsamen Empfehlungen der OECD („Empfehlun-
gen des Rates zu gemeinsamen Herangehensweisen bei der eingehenden Umwelt-
und Sozialprüfung [Due Diligence] bei staatlich geförderten Exportkrediten [die
„Common Approaches“]“). Anträge für Investitionsgarantien und UFK-Garan-
tien unterzieht sie angabegemäß einer analogen Prüfung. Stellt sie ökologische
und/oder soziale Risiken fest, kann sie Minderungsmaßnahmen zur Auflage ma-
chen und Vereinbarungen für ein Monitoring der Auflagenumsetzung treffen.
Nichtregierungsorganisationen kritisieren u. a., dass auch für Lieferungen an Pro-
jekte, in deren Zusammenhang es zu Menschenrechtsverletzungen kommt, immer
wieder Bürgschaften vergeben wurden und bei Projektprüfung und -monitoring
die allgemeine Menschenrechtssituation in den Bestellerländern sowie die Sicht-
weise von Menschenrechtsorganisationen und Projektbetroffenen nicht genügend
einbezogen werden (www.gegenstroemung.org/drupal/sites/default/files/AWF_
zivilgesellschaftliche%20Erwartungen_2013_end.pdf; www.cora-netz.de/cora/
wp-content/uploads/2015/03/CorA-ForumMR_Steckbrief-AWF.pdf; www.
gegenstroemung.org/web/blog/hermesbuergschaft-fuer-kolumbianischen-staudamm-
in-der-kritik/).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Hermesbürgschaften, Investitionsgarantien bzw. Ungebundene

Finanzkreditgarantien haben die Bundesregierung bzw. die von ihr beauf-
tragten Mandatare in den Jahren 2013, 2014 und 2015 jeweils vergeben, und
in wie vielen davon wurden jeweils
a) Berichte und Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen bei der

Projektprüfung einbezogen bzw. angefragt,

Drucksache 18/7814 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

b) Berichte und Stellungnahmen von Botschaften bei der Projektprüfung
einbezogen bzw. angefragt,

c) Berichte und Stellungnahmen von unabhängigen Consultants bei der Pro-
jektprüfung einbezogen bzw. angefragt,

d) Positionen potenzieller Projektbetroffener unabhängig vom Projektbetrei-
ber erhoben?

2. In wie vielen Fällen haben die Bundesregierung bzw. die Mandatare in den
Jahren 2013, 2014 und 2015 jeweils bei der Vergabe von Hermesbürgschaf-
ten, Investitionsgarantien bzw. Ungebundene Finanzkreditgarantien jeweils
Monitoringauflagen geknüpft an
a) Kategorie A-Projekte,
b) Kategorie B-Projekte,
c) sonstige Projekte?

3. In wie vielen Fällen der Frage 2 haben die Bundesregierung bzw. die Man-
datare Monitoringberichte erhalten?

4. Wie oft wurden beim Monitoring von Hermesbürgschaften, Investitionsga-
rantien bzw. Ungebundene Finanzkreditgarantien durch die Bundesregie-
rung bzw. durch die von ihr beauftragten Mandatare in den Jahren 2013,
2014 und 2015 jeweils
a) Berichte und Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen einbe-

zogen bzw. angefragt,
b) Berichte und Stellungnahmen von Botschaften einbezogen bzw. ange-

fragt,
c) Berichte und Stellungnahmen von unabhängigen Consultants einbezogen

bzw. angefragt,
d) Positionen potenzieller Projektbetroffener unabhängig vom Projektbetrei-

ber erhoben?
5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für ihre Monitoring-

anforderungen aus der Tatsache, dass nach der Revision der Weltbank Safe-
guard Policies die Erfüllung ökologischer und sozialer Ziele vermehrt erst
im Projektverlauf erforderlich werden wird und nicht zu Projektbeginn, und
was hat die Bundesregierung dazu bisher unternommen bzw. was gedenkt
sie zu unternehmen?

6. Erhebt die Bundesregierung bei der Projektprüfung systematisch, ob es Hin-
weise auf eine Einschränkung der Meinungsfreiheit für die Projektbetroffe-
nen gibt?
Wenn ja, in welcher Form und in wie vielen Fällen hat sie in den Jahren 2013,
2014 und 2015 jeweils Hinweise auf Einschränkungen der Meinungsfreiheit
festgestellt (bitte getrennt für Hermesbürgschaften, Investitionsgarantien und
Ungebundene Finanzkreditgarantien aufführen)?
Welche Schlussfolgerungen hat sie daraus jeweils für die Förderungswürdig-
keit der Projekte gezogen (bitte für die entsprechenden Fälle einzeln auflis-
ten)?

7. Hat die Bundesregierung Hermesbürgschaften im Zusammenhang mit Pro-
jekten des spanischen Unternehmens Abengoa S. A. vergeben, und wenn ja,
in welcher Form sind diese von dem voraussichtlichen Bankrott von
Abengoa S. A. betroffen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7814
 

8. Wurden in den Monitoringberichten für das Wasserkraftwerk am Yaque del
Sur in der Dominikanischen Republik Probleme bei der Umsetzung von Auf-
lagen und Minderungsmaßnahmen festgestellt, und wenn ja, welche?
a) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Behebung

der Probleme zu bewirken?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung zur Vermeidung

zukünftiger Probleme in ähnlichen Fällen?
9. Ist die Prüfung der Hermesbürgschaft für das Hidrosogamoso-Staudamm-

Projekt in Kolumbien regelgerecht verlaufen, und wie erklärt sich die
Bundesregierung die in der Rückschau zu Tage getretenen Probleme vor
Ort (vgl. www.gegenstroemung.org/web/wp-content/uploads/2015/10/CorA-
ForumMR_Steckbrief-Hidrosogamoso.pdf)?
a) Warum wurde nicht vorab erkannt, dass sich die Auswirkungen des Stau-

sees auf insgesamt 226 Quadratkilometer erstrecken und damit weit mehr
Menschen betroffen sein würden als angenommen?
Weshalb wurden nur 2 100 statt der betroffenen 30 000 Menschen im
Rahmen von Konsultationen angehört?

b) Trifft es zu, dass die Konsultationen der Bevölkerung durch die Prüfer
immer im Beisein von Projektverantwortlichen stattgefunden haben, und
entspricht dies den Vorschriften?
Erachtet die Bundesregierung es als sinnvoll, dass Betroffene im Beisein
von Projektverantwortlichen Bedenken über das Projekt äußern sollen?

c) Ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welcher Form weitere bzw.
indirekt Betroffene, wie Straßenverkäufer, Arbeitskräfte in Tourismus
und Gastronomie, Tagelöhner und Fischer, entschädigt werden?

d) Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass dammabwärts die Fisch-
bestände stark zurückgegangen sind und in der Folge Fischer kaum noch
genug Einkommen erzielen?

e) Wie ist es zu erklären, dass im Stausee Reste der Vegetation verblieben
sind, die nun zur Bildung von Faulgasen führen, die die Anwohner in ihrer
Gesundheit bedrohen?

f) Wie bewertet die Bundesregierung die mutmaßlich im Zusammenhang
mit Protesten gegen das Projekt stehende Ermordung von sechs Aktivis-
ten und das Verschwinden bzw. Bedrohen von weiteren Aktivisten (http://
veredasogamoso.blogspot.de/2012/11/desaparecido-lider-del-movimiento.
html; www.cora-netz.de/cora/wp-content/uploads/2016/01/CorA-ForumMR_
Steckbrief-Hidrosogamoso.pdf; www.eca-watch.org/sites/eca-watch.org/files/
Failure%20to%20Protect_0.pdf)?

g) Inwiefern sind nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche Unterneh-
men, die im diesem Fall von den Hermesbürgschaften profitiert haben,
konkret und unmittelbar für die nun eingetretenen Missstände verantwort-
lich, und falls ja, welche Konsequenzen hatte dies?

h) Trifft es zu, dass die Prüfung des Hidrosogamoso-Projekts ergab, dass es
die Weltbank-Standards erfüllt bzw. erfüllen wird, und welche Konse-
quenzen zieht die Bundesregierung in Anbetracht der konkret eingetrete-
nen negativen Entwicklungen für künftige Prüfverfahren?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Menschenrechtslage in Aserbaid-
schan, wo laut AGA-Portal (AuslandsGeschäftsAbsicherung der Bundesre-
publik Deutschland) eine Bürgschaft für eine Bohrplattform geplant ist
(www.agaportal.de/pages/aga/projektinformationen/a-projekte_2015.html#
aserbaidschan_bohrplattform)?

Drucksache 18/7814 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Spielt die Menschenrechtslage dabei eine Rolle?
Und spielt für die Bewertung und Entscheidungsfindung eine Rolle, dass
Aserbaidschan bei der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI)
zurückgestuft worden ist, weil die Zivilgesellschaft sich nicht mehr hinrei-
chend in den EITI-Prozess einbringen kann?

11. Welche Hermesbürgschaften wurden im Zusammenhang für Zulieferungen
zu einem Petrochemiewerk in Gujarat, Indien, im Jahr 2012/2013 übernom-
men (bitte einzelne Bürgschaftsnehmer aufführen)?
a) Sind alle Exporte an das Projekt abgeschlossen oder liegen weitere An-

träge oder Voranfragen vor?
b) Welche Unterlagen hat die Bundesregierung für die Entscheidung über

die Förderungswürdigkeit des Projekts herangezogen (bitte detailliert auf-
listen)?
Hat eine Vor-Ort-Prüfung stattgefunden?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

c) In welcher Form wurde erhoben, wie die lokale Bevölkerung zu dem Pro-
jekt steht und welche Bedenken sie hegt?
Falls ja, welche Bedenken wurden formuliert?

d) Wurden die in der Umweltverträglichkeitsprüfung (www.agaportal.de/
pdf/nachhaltigkeit/eia/eia_indien_4petrochemie-erweiterung.pdf) aufge-
worfenen möglichen Gefahren als vollständig erachtet oder wurden wei-
tere soziale, menschenrechtliche oder ökologische Probleme identifiziert?

e) Wurden die im Environmental and Social Management Plan beschriebe-
nen Ausgleichs- und Vorbeugemaßnahmen für ausreichend befunden
oder wurden weitere Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechten und
Umwelt vereinbart?
Wenn ja, welche?
In welcher Form wurden diese vertraglich fixiert?

f) In welcher Form überprüft die Bundesregierung die Einhaltung der ver-
einbarten menschenrechtlichen und ökologischen Maßnahmen?
Hat die bisherige Überprüfung Probleme aufgezeigt, und wenn ja, wel-
che?

g) Über welche vertraglichen Bestimmungen oder sonstigen Instrumente
verfügt die Bundesregierung, um die Einhaltung der Maßnahmen durch-
zusetzen?
Was geschieht im Falle der Nichtumsetzung vereinbarter Maßnahmen?
Wurde vertraglich vereinbart, dass die Bürgschaft erlischt, wenn die ver-
einbarten menschenrechtlichen oder ökologischen Maßnahmen nicht um-
gesetzt werden?

h) In welcher Form fand oder findet eine Zusammenarbeit oder ein Aus-
tausch mit anderen Exportkreditagenturen bzgl. des Projektes statt?

Berlin, den 23. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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