BT-Drucksache 18/7762

Kooperation im Rahmen von Sicherheitsabkommen - Kriterien und Standards

Vom 25. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7762
18. Wahlperiode 25.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Tom Koenigs, Uwe Kekeritz,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kooperation im Rahmen von Sicherheitsabkommen – Kriterien und Standards

Die Bundesrepublik Deutschland hat nach unserem Kenntnisstand derzeit Sicher-
heitsabkommen mit 24 Staaten geschlossen: Albanien, Bulgarien, China, Geor-
gien, Katar, Kirgistan, Kosovo, Kroatien, Kuwait, Litauen, Polen, Rumänien,
Russland, Saudi Arabien, Slowenien, Tschechische und Slowakische Republik
(Fortgeltung mit Tschechien und der Slowakei), Türkei, Tunesien, Ukraine, Un-
garn, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam. Mit Ägypten, Bos-
nien und Herzegowina, Indonesien, Kasachstan, Marokko, Mexiko, Montenegro,
Oman, Russland, Serbien, Tadschikistan und Tunesien verhandelt sie über den
Abschluss solcher Abkommen bzw. über Änderungen zu bereits bestehenden Si-
cherheitsabkommen.
Diese Verhandlungen werden meist vom Bundesministerium des Innern geführt.
Die konkreten Verhandlungspartner ebenso wie der genaue Inhalt der Verhand-
lungen sind oft nicht bekannt. Verhandlungen über Kooperationen im Sicher-
heitsbereich mit Staaten, in denen es zu massiven Menschenrechtverletzungen,
Folter und Korruption kommt – teilweise sogar in Institutionen, die durch das Si-
cherheitsabkommen unterstützt werden oder mit denen kooperiert wird – werfen
Fragen hinsichtlich der Einhaltung rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher
Standards auf. Auch mit Blick auf die bisher geschlossenen Sicherheitsabkom-
men und die in einigen Partnerstaaten menschenrechtlich und rechtsstaatlich
problematische Situation, ergeben sich Fragen dahingehend, inwieweit die Zu-
sammenarbeit im Sicherheitsbereich in ihrer derzeitigen Form überarbeitungsbe-
dürftig ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Mit welchen Staaten hat die Bundesregierung bis heute Sicherheitsabkom-

men geschlossen?
2. Wurden seit dem Jahr 2012 Sicherheitsabkommen aufgekündigt, ausgesetzt

oder sind seitdem Sicherheitsabkommen ausgelaufen?
Wenn ja, welche (bitte jeweils Zeitpunkt und bei Aufkündigung und Ausset-
zung auch Gründe angeben)?

3. Welche Konsequenzen hatten gegebenenfalls erfolgte Aufkündigungen oder
Aussetzungen?

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4. Ist jemals ein geplantes Sicherheitsabkommen aufgrund von Bedenken der
Menschenrechtslage nicht abgeschlossen worden, und wenn ja, in welchem
Fall war dies?

5. Mit welchen Staaten wird derzeit über den Abschluss von Sicherheitsabkom-
men verhandelt?

6. Was ist der aktuelle Stand der Verhandlungen mit diesen Ländern (bitte ein-
zeln nach Ländern aufgliedern und angeben, mit welchen Behörden verhan-
delt wird und wann mit einem Abschluss des Abkommens zu rechnen ist)?

7. Warum beinhalten Sicherheitsabkommen bisher keine konkreten Klauseln
mit Überprüfungscharakter in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte,
Rechtsstaatlichkeit sowie Verhinderung von Korruption?

8. Gibt es derzeit festgeschriebene oder praktisch angewandte Richtlinien oder
Standards, auf deren Grundlage die Bundesregierung Sicherheitsabkommen
verhandelt?
Falls ja, welche sind das?

9. Werden Standards oder Richtlinien nach Meinung der Bundesregierung ge-
braucht, und plant die Bundesregierung, verbindliche Richtlinien oder Stan-
dards für künftige Abkommen einzuführen?
Wenn ja, welche?

10. Inwieweit wird die Wirksamkeit der Zusammenarbeit auf Grundlage von Si-
cherheitsabkommen überprüft?

11. In welcher Form verschafft sich die Bundesregierung bisher einen Überblick
über die Tätigkeiten und Erfahrungen ihrer polizeilichen Verbindungsbeam-
ten, sonstigen entsandten Personals, über die durchgeführte Ausbildungs-,
Ausstattungs- und Beratungshilfe sowie sonstige durchgeführte Maßnahmen
im Rahmen der Sicherheitszusammenarbeit?

12. Inwieweit gibt es eine Wirksamkeitskontrolle der in Frage 11 genannten Tä-
tigkeiten?

13. In welcher Form wird die konkretere Ausgestaltung der Zusammenarbeit auf
Grundlage des abstrakt formulierten Sicherheitsabkommens vorgenommen,
d. h. wie und wo (ggf. in welchen weiteren bilateralen Verträgen) werden
dann z. B. konkrete Zahlen bzgl. Ausstattungshilfe oder der Entsendung von
Personal festgelegt?

14. Bezüglich welcher Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland Si-
cherheitsabkommen geschlossen hat bzw. mit denen sie über Sicherheitsab-
kommen verhandelt, hat die Bundesregierung konkrete Anhaltspunkte dafür,
dass
a) systematisch Menschenrechte verletzt werden,
b) Folter praktiziert wird,
c) Oppositionsbewegungen unterdrückt werden,
d) die Todesstrafe angewendet wird,
e) Pressefreiheit, Meinungs- oder Versammlungsfreiheit eingeschränkt wer-

den,
f) diese proliferationsverdächtig sind (bitte Quellen angeben),
g) diese sich in einem nationalen oder internationalen bewaffneten Konflikt

befinden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7762
 

15. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Institutionen, die im Rah-
men der Sicherheitsabkommen unterstützt werden oder in die Verhandlun-
gen eingebunden sind, in Aktivitäten der organisierten Kriminalität, Korrup-
tion oder Geldwäsche verstrickt oder an Menschenrechtsverletzungen betei-
ligt sind?

16. Plant die Bundesregierung bei der Ausbildungsunterstützung Schwerpunkte
auf Menschenrechts- und Rechtsstaatsausbildung, Korruptions- und Geld-
wäschebekämpfung sowie Ermittlungstechniken zur Aufklärung von Straf-
taten, wie z. B. forensische Techniken oder Tatortsicherung, zu legen?
Wenn nein, warum nicht?

17. Inwieweit bezieht die Bundesregierung in Staaten, mit denen Sicherheitsab-
kommen geschlossen werden sollen oder bestehen, zivilgesellschaftliche
Gruppen, Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft sowie Men-
schenrechts- und Korruptionsbekämpfungsorganisationen mit ein?
Wenn ja, und in welcher Weise berücksichtigt die Bundesregierung deren
Erkenntnisse, Empfehlungen und Forderungen in ihren Verhandlungen?

18. Inwieweit gibt es eine generelle Wirksamkeitskontrolle der Zusammenarbeit
auf Grundlage der Abkommen?

19. Welche Umsetzungspartner und -organisationen sind an der Umsetzung der
Maßnahmen beteiligt?

20. Welche Ministerien sind an den Verhandlungen der Sicherheitsabkommen
beteiligt, und welche Ressorts finanzieren die durch die Sicherheitsabkom-
men eingeleiteten Maßnahmen (bitte jeweils nach Abkommen, Ministerien
und Maßnahmen auflisten)?

21. Wie stellt die Bundesregierung im Sinne einer kohärenten Regierungspolitik
sicher, dass durch die Sicherheitsabkommen keine Maßnahmen aus anderen
Politikbereichen, wie der Außen- oder Entwicklungspolitik, konterkariert
werden?

22. Welchen Stellenwert haben Sicherheitsabkommen die mit anderen EU-Mit-
gliedstaaten geschlossen werden?

23. Auf welche Weise und bei welchen konkreten Gelegenheiten hat die Bun-
desregierung sich in der Vergangenheit für die Verbesserung der Menschen-
rechtssituation in einzelnen Vertragsstaaten eingesetzt?

24. Inwiefern können die Abkommen ausgesetzt werden, wenn massive Men-
schenrechtsverstöße, massive Korruption oder Geldwäscheaktivitäten oder
eine Verstrickung der Behörden oder der Sicherheitskräfte in die organisierte
Kriminalität festgestellt werden?

25. In welchen Abkommen gibt es konkrete Klauseln, die Proliferation sowie die
Weitergabe von Wissen und Informationen an Dritte beschränken, und in
welcher Form überprüft die Bundesregierung, ob die Vertragsstaaten erhal-
tene Daten, Wissen oder auch Waffen und Ausrüstung an Dritte weiterge-
ben?

26. Werden im Rahmen der Sicherheitszusammenarbeit personenbezogene Da-
ten von der Bundesrepublik Deutschland weitergegeben?
Wenn ja, wird sichergestellt, dass deutsche Datenschutzstandards eingehal-
ten werden und wie?
Ist der Austausch solcher Daten unter bestimmten Umständen ausgeschlos-
sen?

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27. Inwieweit beinhaltet die Sicherheitszusammenarbeit mit jetzigen Vertrags-
partnern auch Unterstützung bei der Minen- und Altmunitionsräumung, z. B.
durch Schulungen oder die Weitergabe von Technologie und Wissen, und ist
dies für künftige Verträge vorgesehen?

28. Inwieweit, bzw. in welchen Abständen wird das parlamentarische Kontroll-
gremium über geheimdienstliche Zusammenarbeit im Rahmen von Sicher-
heitsabkommen unterrichtet?
Inwieweit wird die Wirksamkeit der geheimdienstlichen Zusammenarbeit
überprüft?

29. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Verhandlungen von Rück-
führungs- und Sicherheitsabkommen?

30. Inwieweit sind Maßnahmen zur Fluchtursachenbekämpfung Teil der bereits
abgeschlossenen und/oder der noch zu verhandelnden Sicherheitsabkommen
(bitte nach Abkommen und Maßnahmen auflisten)?

31. Welche Rolle spielt die Bereitschaft zur Rücknahme von in Deutschland ab-
gelehnten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus Marokko (und ggf.
Tunesien) bei den Verhandlungen über ein Sicherheitsabkommen mit diesen
Staaten?

32. Inwieweit sind die Sicherheitsabkommen mit Entwicklungsländern in ein
ganzheitliches Entwicklungskonzept eingebettet?
Mit welchen zusätzlichen Maßnahmen zu Bildung, Armutsbekämpfung und
zur Stärkung bzw. zum Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen flankiert die
Bundesregierung die geplanten und bereits abgeschlossenen Sicherheitsab-
kommen (bitte nach Land und Maßnahmenkatalog aufschlüsseln)?

33. Welche Abkommen mit welchen Staaten sind in einen Kontext der ‚security
sector reform‘ eingebunden, d. h. dass der Zusammenarbeit ein ganzheitli-
cher Ansatz zur Entwicklung eines demokratischen und menschenrechtlich
orientierten Sicherheitssektors zugrunde liegt?

34. Plant die Bundesregierung, ihre Verhandlungen über das Sicherheitsabkom-
men mit Mexiko wieder aufzunehmen (bitte Gründe angeben)?

35. Plant die Bundesregierung Hilfen für Mexiko, die den Zweck haben, die so-
ziale Infrastruktur zu fördern, wie etwa Programme, die Angehörigen der
Drogenkartelle den Ausstieg erleichtern, Kriminalitätspräventionsprojekte
beinhalten, Korruptionsbekämpfung unterstützen oder Ähnliches?

36. Hat die Bundesregierung eine Evaluierung des Abkommens mit der Ukraine
vorgenommen in Anbetracht der Annexion der Krim durch Russland und
dem Krieg in den östlichen Landesteilen der Ukraine, was die sicherheitspo-
litische Lage des Landes gegenüber der Situation zum Zeitpunkt des Ver-
tragsabschlusses drastisch verändert hat?
Wenn ja, zu welchen Ergebnissen hat eine solche Evaluation geführt?

37. Hat die Bundesregierung Anpassungen am Sicherheitsabkommen mit der
Russischen Föderation vorgenommen, das Sicherheitsabkommen ausgesetzt
oder erwägt sie derlei Schritte?
Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?

38. Welchen außen- und sicherheitspolitischen Zielen der Bundesrepublik
Deutschland dienen die Abkommen zur Sicherheitszusammenarbeit?

39. Wie und mit welchen Mitteln überprüft die Bundesregierung, ob die außen-
und sicherheitspolitischen Ziele mit dem Instrument der Sicherheitsabkom-
men erreicht wurden?

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40. Lassen sich diese sicherheitspolitischen Interessen auf anderem Wege und
mit anderen Mitteln als durch Abkommen zur Sicherheitskooperation errei-
chen, und welche anderen Mittel sind dies?
Nutzt die Bundesregierung diese anderen Mittel bereits zusätzlich?

41. Inwiefern sind diese Sicherheitsabkommen, sollten die Vertragsstaaten vor
Vertragsabschluss keiner Prüfung anhand bestimmter Standards bezüglich
ihrer Menschenrechtsstandards und ihrer Rechtsstaatlichkeit unterzogen
werden, mit den Werten, die die Grundlage für die deutsche Außenpolitik
bilden, vereinbar?

Berlin, den 23. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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