BT-Drucksache 18/7654

Abgabe von anschlagsfähigen Ausgangsstoffen beschränken

Vom 24. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7654
18. Wahlperiode 24.02.2016
Antrag
der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja
Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Peter Meiwald, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Abgabe von anschlagsfähigen Ausgangsstoffen beschränken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bedrohung durch politisch motivierte Anschläge geht zunehmend auch von ra-
dikalisierten Einzeltätern aus, die zur Durchführung ihrer Taten Unterstützung durch
bewusst wenig institutionalisierte, fluide Netzwerke erhalten. Diesen Gefahren zu
begegnen ist eine große Herausforderung für die deutsche Innenpolitik.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Durchführungsrechtsetzung zur Verordnung (EU) Nr. 98/2013 möglichst
bald vorzulegen und dabei im Sinne einer einheitlichen Regelung für die Abgabe
möglicher Ausgangsstoffe für Explosivstoffe an Endverbraucher zum Zweck
der Konkretisierung möglicher Anhaltspunkte einer unerlaubten Weiterveräu-
ßerung oder der Verwendung zur Identifizierung verdächtiger Transaktion kon-
krete Höchstabgabemengen zu definieren;

2. die vom Bundeskriminalamt als Teil der überarbeiteten Handlungsempfehlun-
gen herausgegebene Übersicht zu möglichen Verdachtskriterien (veröffentlicht
als Anlage zur Bundestagsdrucksache 18/5968) insbesondere unter Berücksich-
tigung der verschiedenen Vertriebswege schnellstmöglich zu überarbeiten und
dabei die als verdächtig zu qualifizierenden Umstände unter Berücksichtigung
der typischen Abgabesituationen des jeweiligen Vertriebenen und in Abgren-
zung vom jeweils Üblichen neu zu bestimmen.

Berlin, den 23. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Drucksache 18/7654 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Zahlreiche Anschläge der letzten Jahre wurden mit selbst hergestellten Explosivstoffen verübt, die aus frei ver-
käuflichen Ausgangsstoffen hergestellt worden waren. Zuletzt wurde ein Fall in Oberursel bekannt, bei dem
zwei mutmaßliche Islamisten eine für den Bau einer Rohrbombe ausreichende Menge Wasserstoffperoxid in
einem Baumarkt erworben haben. Gleichzeitig gehen staatliche Stellen weiterhin von einer erhöhten Terrorge-
fahr durch Einzeltäter oder Kleingruppen aus, die aus fremdenfeindlichen Motiven ähnliche Anschläge verüben.
So hat das Bundeskriminalamt allein im Jahr 2015 insgesamt 16 Anschläge mit Sprengstoff gegen Flüchtlings-
unterkünfte verzeichnet.
Daher gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die bestehenden Bestimmungen, die neben Abgabeverboten und
Konzentrationsbeschränkungen insbesondere ein spezielles Meldewesen vorsehen, nicht ausreichen, um ent-
sprechende Taten zu verhindern oder hinreichend zu erschweren. Daher muss insbesondere die Wirksamkeit
der entsprechenden Vorschriften der Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens ge-
fährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverord-
nung – ChemVerbotsV) und der Verordnung (EU) Nr. 98/2013 über die Vermarktung und Verwendung von
Ausgangsstoffen für Explosivstoffe kritisch hinterfragt werden. Denn wie bei der Verfügbarkeit privater
Schusswaffen ist die Beschränkung des Zugangs zu möglichen Explosivstoffen letztlich ein notwendiger Be-
standteil jeder erfolgreichen Strategie zur Verbrechensprävention.
Dabei ließe sich das Schutzniveau bereits erheblich verbessern, wenn für geeignete Stoffe, die an Endverbrau-
cher abgegeben werden können, zum Zweck der Konkretisierung möglicher Anhaltspunkte einer unerlaubten
Weiterveräußerung oder Verwendung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 a. E. ChemVerbotsV) konkrete Höchstabgabemengen
definiert würden. Denn anderenfalls gibt es faktisch kaum geeignete Kriterien, die dem Verkaufspersonal bei-
spielsweise in Baumärkten erlauben würden, verdächtige Transaktionen hinreichend zuverlässig zu identifizie-
ren. Jedenfalls bestehen hinsichtlich der praktischen Wirksamkeit der vom Bundeskriminalamt als Teil der
überarbeiteten Handlungsempfehlungen herausgegebenen Übersicht zu möglichen Verdachtskriterien (veröf-
fentlicht als Anlage zur Bundestagsdrucksache 18/5968) erhebliche Bedenken.
Eine solche Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen ist auch rechtlich zulässig, zumal, wenn die Festset-
zung der Höchstabgabemengen auf wissenschaftlich fundierten kriminalistischen Erkenntnissen beruht, da so
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ebenso wie das berechtigte wirtschaftliche Interesse an der ordnungsge-
mäßen Verwendung entsprechender Ausgangsstoffe gewahrt werden. Eine entsprechende Festsetzung setzt je-
doch polizeiliches Wissen voraus, das nicht aus allgemein zugänglichen Quellen erschlossen werden kann. Da-
her ist es Aufgabe des Bundesinnenministeriums, hier mit entsprechender Expertise geeignete Grenzwerte vor-
zuschlagen.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.