BT-Drucksache 18/7505

Schusswaffen in Deutschland

Vom 8. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7505
18. Wahlperiode 08.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg,
Volker Beck (Köln), Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Özcan Mutlu,
Claudia Roth (Augsburg), Hans-Christian Ströbele und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schusswaffen in Deutschland

Die Anschläge in Paris am 13. November 2015 haben erneut ein Schlaglicht auf
das Gefahrenpotenzial von Feuerwaffen und die Notwendigkeit einer EU-weiten
Bekämpfung des illegalen Waffenhandels geworfen. Mit ihrer Kleinen Anfrage
vom 3. Dezember 2015 (Bundestagsdrucksache 18/6979) hat die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter anderem auch die Thematik einer EU-weiten
Bekämpfung illegaler Feuerwaffen aufgegriffen. Denn die mit Feuerwaffen be-
gangenen Terrorakte der letzten Jahre machen deutlich, dass der Verfügbarkeit
von Waffen im Rahmen der Bewertung der Sicherheitslage erhebliche Bedeutung
zukommt und es dringend geboten ist, bestehende Defizite schnellstmöglich zu
beheben. In diesem Zusammenhang wurde von der fragestellenden Fraktion unter
anderem auch wiederholt auf die Problematik einer De- und anschließenden Re-
aktivierung von Waffen hingewiesen.
Seitens der Europäischen Kommission wurde inzwischen ein Maßnahmenpaket
vorgelegt, dass die geltenden Rechtsvorschriften zu Feuerwaffen anpassen soll,
damit der Informationsaustausch und die Rückverfolgbarkeit von Waffen verbes-
sert und eine einheitliche Kennzeichnung sowie gemeinsame Standards für die
Deaktivierung von Feuerwaffen eingeführt werden.
In ihrer Antwort auf die oben erwähnte Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksa-
che 18/7292) begrüßt die Bundesregierung, dass die Europäische Kommission ei-
nen Vorschlag zur Änderung der EU-Feuerwaffenrichtlinie unterbreitet hat, gibt
aber gleichzeitig an, dass es für eine abschließende Bewertung des Entwurfs einer
Änderungsrichtlinie noch zu früh sei, da dieser in mehreren Punkten noch präzi-
siert werde. Die Europäische Kommission hat jüngst die Durchführungsverord-
nung (EU) 2015/2403 der Kommission vom 15. Dezember 2015 zur Festlegung
gemeinsamer Leitlinien über Deaktivierungsstandards und -techniken, die ge-
währleisten, dass Feuerwaffen bei der Deaktivierung endgültig unbrauchbar ge-
macht werden, verabschiedet (ABl. L 333 vom 19. Dezember 2015, S. 62-67).
Die Bundesregierung hat diese Regelung unterstützt.
Laut Bundeskriminalamt (BKA, Waffenbericht 2014) wurde im Jahr 2014 im
Rahmen der polizeilichen Auswerte- und Ermittlungsarbeit festgestellt, dass so-
wohl in Europa als auch in Deutschland der illegale Umbau von im Ausland her-
gestellten sog. Dekorations- und Salutwaffen zunimmt. Dabei handelt es sich um
nicht oder nur eingeschränkt funktionsfähige (nicht schussfähige) Waffen. Wie
auch in Deutschland können in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union

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nach den jeweiligen Vorschriften bearbeitete Dekorations- und Salutwaffen er-
laubnisfrei erworben werden. Diese nicht funktionsfähigen Schusswaffen können
bei Vorliegen entsprechender Kenntnisse und Hilfsmittel in letale Schusswaffen
umgeändert werden. Die waffenrechtlichen Vorschriften hierzu differieren inner-
halb Europas zum Teil erheblich, ebenso die technischen Anforderungen für den
Umbau. Gemäß niedrigeren als den deutschen Standards umgebaute Waffen kön-
nen mit vergleichsweise geringem Aufwand schussfähig gemacht werden. Ein
Erwerb wird auch durch die Möglichkeiten des Online-Handels begünstigt. Die
reaktivierten Schusswaffen gelangen später in den illegalen Kreislauf und haben
im Ausland nachweislich bei zum Teil schwersten Straftaten und terroristischen
Anschlägen Verwendung gefunden (Jörg Diehl, SPIEGEL ONLINE, 23. Januar
2016, Anschläge von Paris: Eine Schutzweste aus Deutschland; Claudia Kade,
WELT am SONNTAG, 20. Dezember 2015, Sturmgewehre auf der Autobahn).
Insofern bedarf es dringend einer gesamteuropäischen Anpassung bestehender
Regelungen in Europa.
Der Bundesregierung ist nach Auffassung der fragestellenden Fraktion die Um-
setzung des nationalen Waffenregisters bis heute nicht gelungen: Zwar hat das
Bundesverwaltungsamt als Registerbehörde am 1. Januar 2013 die zentrale Kom-
ponente des Nationalen Waffenregisters (NWR) in Betrieb genommen, allerdings
muss eine umfassende Datenbereinigung erfolgen, die wohl nicht vor dem
Jahr 2017 abgeschlossen sein wird.
Zugleich steigt aufgrund der aktuell steigenden Nachfrage nach erlaubnisfreien
Waffen die Gefahr missbräuchlicher Nutzung. Schließlich kann schon der Schuss
einer Schreckschusspistole tödlich sein. Dabei berichtet das Bundeskriminalamt
(BKA) für das Jahr 2014, dass es sich in 75,7 Prozent der Fälle von an Tatorten
im Zusammenhang mit Straftaten nach dem Strafgesetzbuch sichergestellten
Waffen um erlaubnisfreie Waffen handelt.
Diese Feststellung ist nicht neu, in den letzten Jahresberichten des BKA wurden
konstant über mehr als 50 Prozent der sichergestellten Tatwaffen dieser Gruppe
zugeordnet. Zum Schutz von Opfern und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bür-
ger stellt sich die Frage, wieso der erlaubnisfreie Verkauf weiterhin möglich sein
soll.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit ist durch die vom Bundesverwaltungsamt als Registerbehörde

zum 1. Januar 2013 in Betrieb genommene zentrale Komponente des Natio-
nalen Waffenregisters (NWR) ein Informationsaustausch mit anderen EU-
Staaten möglich?

2. Wie weit ist die Bereinigung des veralteten Datenbestands des NWR inzwi-
schen fortgeschritten, und wann wird die Bereinigung der Datensätze voraus-
sichtlich abgeschlossen sein?

3. Wie viele gültige waffenrechtliche Erlaubnisse sind im NWR aktuell gespei-
chert?

4. Wie viele erteilte waffenrechtliche Erlaubnisse gemäß § 2 Nummer 3 des
Nationalen-Waffenregister-Gesetzes (NWRG) sind jeweils registriert, wenn
keine genaue Registrierung erfolgt, aus welchem Grund nicht?

5. Wie viele Personen sind im NWR aktuell gespeichert, denen ein Waffenver-
bot erteilt wurde?

6. Wie viele Schusswaffen und erlaubnispflichtige Teile von Schusswaffen sind
aktuell im NWR gespeichert?

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7. Wie viele Meldungen gemäß § 37 Absatz 2 des Waffengesetzes sind aktuell
im NWR gespeichert (bitte, soweit möglich, nach Jahren aufschlüsseln und,
soweit bekannt, neben dem Grund des Abhandenkommens auch den geneh-
migungsrechtlich erforderlichen Bedürfnisgrund angeben)?

8. Wie viele Schusswaffen sind im NWR als sichergestellt, und wie viele
Schusswaffen sind im NWR als verwertet erfasst (vgl. Bundestagsdrucksa-
che 18/2213, Seite 4)?

9. Wie viele Dekorations- und Salutwaffen wurden nach Kenntnis der Bundes-
regierung seit 2013 beschlagnahmt, und wie viele dieser Waffen waren zuvor
so umgebaut worden, dass sie als Schusswaffen hätten funktionieren können
(bitte tabellarisch nach Jahren gesondert angeben)?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den illegalen Umbau von
im Ausland hergestellten sog. Dekorations- und Salutwaffen in Deutschland
und Europa, und welche Konsequenzen zieht sie hieraus?

11. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in Bezug auf das NWR hin-
sichtlich der in der Europäischen Union bisher fehlenden Standards für die
Deaktivierung von Feuerwaffen ergriffen?

12. Wie viele der Waffen gemäß Frage 8 waren vor ihrer Sicherstellung bezie-
hungsweise ihrer Verwertung im NWR eingetragen?

13. Wie viele halbautomatische Feuerwaffen mit automatischen Mechanismen
sind im NWR eingetragen?

14. Wie viele erlaubnisfreie Waffen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
seit 2013 beschlagnahmt (bitte tabellarisch nach Jahren gesondert angeben)?

15. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Schusswaffen
in Privatbesitz und die Zahl der Schusswaffenbesitzer seit 2000 entwickelt
(falls die entsprechende Zahl nicht bekannt ist, bitte eine Schätzung oder
hilfsweise die Zahl der legalen bzw. registrierten Waffen angeben)?

16. Wie viele Anträge für den kleinen Waffenschein wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung seit 2000 jährlich deutschlandweit gestellt, und wie viele
jeweils positiv/negativ beschieden (bitte soweit möglich nach Bundesländern
aufschlüsseln)?

17. Soweit der Bundesregierung über die Ausstellung sog. Kleiner Waffen-
scheine keine Erkenntnisse vorliegen, wieso sieht sie hier keinen Bedarf, sich
über die Antragsstellung und Erteilung zu informieren?

18. Wieso ist es nach Auffassung der Bundesregierung nicht nötig, erlaubnisfreie
Waffen im Waffenregister zu erfassen?

19. Wie viele und welche behördlichen Ausnahmen, Anordnungen, Sicherstel-
lungen, Einziehungen, Verwertungen oder Waffenverbote sind jeweils regis-
triert?

20. Sind die entsprechenden Gründe für Ausnahmeerlaubnisse und Waffenver-
bote im NWR registriert, wenn nein, warum nicht?

21. Bei wie vielen Straftaten nach dem Strafgesetzbuch wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung seit 2013 Waffen der Kategorien „Erlaubnisfreie Waf-
fen“, „Legale Waffen“ und „Illegale Waffen“ verwendet (bitte tabellarisch
nach Jahren gesondert angeben; vgl. Bundestagsdrucksache 18/2213,
Seite 9)?

22. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem
Jahr 2013 in Deutschland mit einer im NWR registrierten Waffe getötet (bitte
tabellarisch nach Datum und Ort auflisten)?

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23. In wie vielen Fällen gemäß Frage 22 lag zum Zeitpunkt der Tat keine Mel-

dung gemäß § 37 Absatz 2 des Waffengesetzes vor (bitte tabellarisch nach
Datum und Ort auflisten)?

24. Inwiefern findet hinsichtlich der Fragen 22 und 23 nach Kenntnis der Bun-
desregierung eine statistische Erfassung des dem Besitz der Tatwaffe zu-
grunde liegenden Bedürfnisses statt beziehungsweise welche Erkenntnisse
hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang über die Häufigkeit der
unterschiedlichen Bedürfnisgründe (bitte tabellarisch nach Datum und Ort
auflisten und, soweit möglich, den jeweiligen Bedürfnisgrund, insbesondere
Sportschützen, Jäger, Waffensammler oder Erbwaffen-Besitzer, angeben;
vgl. auch Bundestagsdrucksache 18/2213, Seite 11)?

25. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kom-
mission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Er-
werbs und des Besitzes von Waffen – COM(2015) 750 final – hinsichtlich
der in Artikel 6 Absatz 7 vorgesehenen Obergrenze von fünf Jahren?

26. Wie bewertete die Bundesregierung den Verwaltungsaufwand, der durch
eine Umsetzung des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der
Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des
Besitzes von Waffen – COM(2015) 750 final – im Vergleich mit anderen
verwaltungsrechtlichen Genehmigungs- und Registrierungsverfahren ver-
bunden wäre, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es um den Gebrauch
von potenziell tödlichen bzw. darauf ausgerichteten Gegenständen handelt?

27. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr des Umgangs mit kriegswaf-
fenähnlichen Schusswaffen im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch?

28. Liegen der Bundesregierung kriminologische oder andere Erkenntnisse über
die Verwendung von kriegswaffenähnlichen Schusswaffen und die Wirkung
auf Außenstehende bzw. potenzielle Bedrohte (Laien) vor?
Wenn nein, warum nicht?

29. Ist nach Auffassung oder Kenntnis der Bundesregierung Sicherheitsperso-
nal – insbesondere Polizeibeamte – in der Lage kriegswaffenähnliche
Schusswaffen von tatsächlichen Kriegswaffen zu unterscheiden, und welche
Gefahren gehen nach Erkenntnissen der Bundesregierung hiermit einher?

30. Inwieweit besteht nach Auffassung oder Kenntnis der Bundesregierung bei
der Jagd und beim Schießsport Bedarf für die Verwendung von halbautoma-
tischen Waffen, die wie Kriegswaffen aussehen?

31. Inwieweit besteht nach Auffassung oder Kenntnis der Bundesregierung bei
der Jagd und beim Schießsport Bedarf für die Verwendung von Waffen, die
in möglichst kurzer Zeit möglichst große und viele Magazine abfeuern kön-
nen?

32. Welches Gefahrenpotenzial bergen halbautomatische Waffen im Hinblick
auf die Sicherheitsausrüstung der Polizei in Deutschland?

33. Inwieweit teilt die Bundesregierung Bedenken von Schießsportschützen da-
hingehend, dass halbautomatische Schusswaffen, die ihrer äußeren Form
nach den Anschein einer vollautomatischen Kriegswaffe hervorrufen, die
Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen
sind, gemäß § 6 Absatz 1 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung vom
sportlichen Schießen ausgeschlossen sind?

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34. Wie bewertete die Bundesregierung den mit der Regelung gemäß Frage 25

verbundenen Verwaltungsaufwand vor dem Hintergrund der vergleichbaren
Befristungen gemäß § 43 Absatz 3 Satz 3 des Achten Buches Sozialgesetz-
buch – SGB VIII und § 23 Absatz 1 Satz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung?

35. Inwiefern liegen nach Auffassung der Bundesregierung bei bekennenden
Vertretern der sogenannten Reichsbürgerideologie vor dem Hintergrund de-
ren Bestrebungen zur Bildung eigener sogenannter Polizeien Anhaltspunkte
für eine fehlende Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 des Waffengesetzes (vgl.
§ 5 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a des Waffengesetzes) vor?

Berlin, den 8. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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