BT-Drucksache 18/75

Geschäftspolitik der Bundesdruckerei

Vom 20. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/75
18. Wahlperiode 20.11.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Matthias W. Birkwald,
Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Thomas Nord, Michael Schlecht, Dr. Petra Sitte,
Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler, Dr. Sahra Wagenknecht und der
Fraktion DIE LINKE.

Geschäftspolitik der Bundesdruckerei

In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist zum 1. Mai 2012 das Tariftreue- und Verga-
begesetz (TVgG-NRW) in Kraft getreten. Demnach sind in NRW die Auftrag-
nehmer öffentlicher Aufträge, wenn nicht günstigere Regelungen greifen, unter
anderem verpflichtet, bei der Durchführung des Auftrags einen Mindestlohn von
derzeit 8,62 Euro pro Stunde zu zahlen.
Wie „RP ONLINE“ berichtet, hat die Stadt Dortmund eine elektronische Akten-
archivierung mit einem Volumen von 300 000 Euro ausgeschrieben (vgl. RP
ONLINE vom 18. Oktober 2013). Sie verlangt dem Artikel zufolge in der Aus-
schreibung gemäß dem Tariftreuegesetz die Zahlung eines Mindestlohns von
8,62 Euro. Es müsse zudem gewährleistet sein, dass der Mindestlohn auch für
Subunternehmen im Ausland gilt. Gegen diese Vorgaben geht nun, so wird
berichtet, ein Mittelständler vor, der ein polnisches Tochterunternehmen beauf-
tragen wollte. Dieser Mittelständler würde argumentieren, dass das Lohnniveau
in Polen niedriger sei, weswegen er keine 8,62 Euro garantieren könne.
Vor diesem Hintergrund hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arns-
berg am 26. September 2013 ein Nachprüfungsverfahren eröffnet, nachdem der
Bieter dies nach erfolgloser Rüge beantragt hat. Die Vergabekammer legt in die-
sem Zusammenhang dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob das
TVgG-NRW mit den Vorgaben von Artikel 56 des Vertrags über die Arbeits-
weise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie
96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von
Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vereinbar ist.
Aus Sicht des mittelständischen Bieters beschränkt die gesetzliche Vorgabe zur
Zahlung des Mindestlohns in unzulässiger Weise die grenzüberschreitende
Dienstleistungserbringung. Nach Auffassung des Ministeriums für Wirtschaft,
Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen
ist der vergabespezifische Mindestlohn dagegen europarechtskonform.
Da zwischenzeitlich über die Datenbank CURIA des Europäischen Gerichts-
hofes bekannt geworden ist, dass es sich bei dem mittelständischen Bieter um
die Bundesdruckerei GmbH und damit ein Unternehmen in öffentlicher Hand
handelt, ergeben sich daraus Fragen zur Geschäftspolitik der Bundesdruckerei
GmbH.

Drucksache 18/75 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele hundertprozentige Tochterfirmen mit Sitz im In- und Ausland ge-

hören nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundesdruckerei, und wie
hoch ist der jährliche Umsatz dieser Tochterfirmen (bitte die Tochterfirmen
nach Sitz im In- und Ausland aufgeschlüsselt angeben)?

2. An wie vielen Firmen ist die Bundesdruckerei nach Kenntnis der Bundes-
regierung in welchem Umfang beteiligt?

3. Wie sieht die Eigentümerstruktur der Bundesdruckerei und ihrer Tochterfir-
men nach Kenntnis der Bundesregierung aus, und welches Bundesministe-
rium beaufsichtigt das Unternehmen?

4. An wie vielen Ausschreibungen hat sich die Bundesdruckerei nach Kennt-
nis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren als möglicher Auf-
tragnehmer beteiligt, und wie viele Aufträge hat sie erhalten (bitte nach
Ausschreibungen der öffentlichen Hand und privaten Unternehmen diffe-
renzieren)?

5. In wie vielen Fällen hat die Bundesdruckerei nach Kenntnis der Bundes-
regierung in den vergangenen fünf Jahren an Ausschreibungen teilgenom-
men, bei denen es um Aufträge zur Akten- bzw. Datendigitalisierung ging,
wie viele Aufträge hat sie erhalten, und welche (Tochter-)Firmen wurden
mit der Erfüllung beauftragt?

6. Orientiert sich die Geschäftspolitik der Bundesdruckerei nach Kenntnis der
Bundesregierung am Gemeinwohl?
Welche Rolle nehmen hierbei die Vertreter der Bundesregierung im Auf-
sichtsrat ein?

7. Gilt nach Kenntnis der Bundesregierung für die Beschäftigten der Bundes-
druckerei und ihren Tochterfirmen ein Tarifvertrag, und wenn ja, welcher?

8. Wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die Entgeltstruktur bei der
Bundesdruckerei und ihren Tochterfirmen aus?

9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Durchschnittslohn,
und wie hoch sind die Entgelte in der untersten Tarifgruppe bei der Bundes-
druckerei und bei den Tochterfirmen?

10. Welche Wochenarbeitszeit ist nach Kenntnis der Bundesregierung für die
Beschäftigten bei der Bundesdruckerei und bei ihren Tochterfirmen verein-
bart?

11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Bundesdruckerei und
bei allen ihren Tochterfirmen einen Betriebsrat oder andere betriebliche Ar-
beitnehmervertretungen?

12. Fühlen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundesdruckerei und
andere Unternehmen der öffentlichen Hand dem Ziel verpflichtet, etablierte
Mindeststandards zum Schutz der Beschäftigten, wie zum Beispiel länder-
spezifische Regelungen zur Tariftreue und Vergabe, zu wahren?

13. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Vorgehen der Bundesdruckerei, sich an einer Ausschreibung zur
Aktendigitalisierung der Stadt Dortmund zu beteiligen, zur Erfüllung dieses
Auftrages eine polnische Tochtergesellschaft einsetzen zu wollen und vor
diesem Hintergrund vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das TVgG-
NRW sowie den dort festgeschriebenen vergabespezifischen Mindestlohn
zu klagen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/75
14. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den Bemühungen verschiedener Bundesländer, Regelungen zur Tarif-
treue und Vergabe und damit Mindeststandards und vergabespezifische
Mindestlöhne zu etablieren?

15. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu einem Vergabegesetz auf
Bundesebene ein?

Berlin, den 18. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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