BT-Drucksache 18/7396

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/6744, 18/7393 - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmten Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und Sanktionen

Vom 27. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7396
18. Wahlperiode 27.01.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Nicole Maisch, Dr. Thomas
Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, Anja Hajduk, Sven-Christian
Kindler, Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/6744, 18/7393 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/91/EU des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur
Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmten Organismen für
gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die
Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und die Sanktionen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Bundesregierung lässt Anlegerinnen und Anleger in Bezug auf Zertifikate
weitgehend schutzlos. Das Gesetz zur Umsetzung der OGAW-V-Richtlinie hätte die
Möglichkeit geboten, Anlegerinnen und Anleger endlich auch bei Zertifikaten ange-
messen zu schützen. Es braucht bei Zertifikaten ein vergleichbares Schutzniveau wie
bei Investmentfonds. Das Regulierungsgefälle zwischen Zertifikaten und Invest-
mentfonds, die bezüglich der Anlageidee häufig austauschbar sind, muss angegli-
chen werden, um eine Umgehung der Fondsregulierung zulasten der Anlegerinnen
und Anleger zu unterbinden. Zertifikate sind in Deutschland in Form der Lehman-
Zertifikate zum Sinnbild für die Finanzkrise des Jahres 2008 geworden. Damals hat-
ten unerfahrene Kleinanleger in Zertifikate mit Bezug zur Investmentbank Lehman
Brothers investiert. Als diese Pleite ging, waren die Ersparnisse und die private Al-
tersvorsorge tausender Kleinanleger betroffen.
Die mit Zertifikaten verbundenen Risiken und Probleme haben sich seit 2008 nicht
wesentlich verändert. Der deutsche Markt für Zertifikate ist mit rund 70 Mrd. EUR
weiterhin mit Abstand der größte Zertifikatemarkt in der EU (vgl. Monatsstatistiken
des Deutschen Derivate Verbandes zu Marktanteilen und Marktvolumen 9/2015 und
10/2015; EUSIPA Market Report Q3/2015). Die Hälfte des ausstehenden Emissi-

Drucksache 18/7396 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
onsvolumens entfällt dabei auf Landesbanken und die Spitzeninstitute des Sparkas-
sen- und Genossenschaftssektors. Dieser Sektor ist dadurch gekennzeichnet, dass
seine Vertriebsstrukturen primär auf Kleinanleger ausgerichtet sind. Weiterhin sind
nach der irreführenden Einstufung des Deutschen Derivate Verbandes knapp 50 %
des Marktvolumens Anlagezertifikate mit Kapitalgarantie. Trotz des damit offen-
sichtlichen, erheblichen Sicherheitsbedürfnisses der Anleger fallen diese Zertifikate
weiterhin weder unter die Einlagensicherung noch sind sie ähnlich wie Investment-
fonds als Sondervermögen vor der Insolvenz des Emittenten geschützt.
Das Versagen des bei Finanzinstrumenten vertriebsbezogenen Regulierungsansatzes
der Bundesregierung im Bereich der Zertifikate zeigt sich auch bei der Produktge-
staltung. Es sind weiterhin für Kleinanleger ungeeignete Zertifikatestrukturen am
Markt verbreitet. So weisen Bonitätsanleihen, die bei der Insolvenz von Lehman
Brothers zu empfindlichen Verlusten geführt haben, mit rund 5 Mrd. EUR weiterhin
ein erhebliches Marktvolumen auf. Im Rahmen der Anhörung des Finanzausschus-
ses zum OGAW-V-Umsetzungsgesetz ist noch einmal deutlich geworden, dass auch
in den Bereichen Transparenz, Gebühren, Produktbezeichnung und Preisfeststellung
weiterhin umfangreiche Anlegerschutzmängel bestehen. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜ-
NEN hat wiederholt auf diese Probleme und die Erforderlichkeit passgenauer Regeln
für Zertifikate hingewiesen (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/5290, 17/4723). Dar-
über hinaus hat der Deutsche Bundestag bereits 2009 mit den Stimmen der Großen
Koalition die Bundesregierung aufgefordert sicherzustellen, dass alle Finanzpro-
dukte einer produktspezifischen Regulierung unterliegen (vgl. Bundestagsdruck-
sache 16/13612). Die Bundesregierung ist jedoch bisher untätig geblieben. Gleich-
zeitig besteht mit dem für Investmentfonds geltenden Kapitalanlagegesetzbuch eine
Blaupause für die Regulierung von Zertifikaten. Beide Produktgruppen sind bezüg-
lich der Anlageidee in wesentlichen Teilen austauschbar. So kann z. B. die Entwick-
lung des deutschen Aktienindex DAX sowohl über Zertifikate als auch über Invest-
mentfonds nachvollzogen werden.

2. Das Gesetz versagt ferner bei der Schaffung ausgewogener Kreditvorschriften für
Alternative Investmentfonds (AIF). Die vorgesehenen Kreditregelungen schaffen
unnötige Risiken für die Finanzstabilität und den Anlegerschutz.
Die kurzfristige Refinanzierung langfristiger Kredite (Fristentransformation), unge-
nügende Eigenkapitalunterlegung und Diversifizierung sind drei Hauptwurzeln der
Finanzkrise. Die Bundesregierung begeht daher einen erheblichen Fehler, wenn sie
die Warnungen der Deutschen Bundesbank im Rahmen der öffentlichen Anhörung
des Finanzausschusses beiseite wischt. Die Anforderungen an Diversifizierung und
Hebelung der Verschuldung dürfen sich auch im Rahmen von Spezial-AIF bei Dar-
lehensaufkauf und Darlehensvergabe nicht unterscheiden. Weiterhin sollten kurz-
fristig abziehbaren Anlegergeldern keine langfristigen Kredite gegenüberstehen. Die
Notwendigkeit der Einhaltung dieser makroprudenziellen Binsenweisheiten hat die
Bundesregierung zwar erkannt. Dies zeigt der ursprüngliche Referentenentwurf. In
dem in den Deutschen Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf musste diese Er-
kenntnis jedoch den Wünschen der Finanzindustrie weichen.
Auch beim Anlegerschutz nimmt mit zunehmenden Abstand zur Finanzkrise die De-
regulierungstendenz der Bundesregierung zu. Im Jahre 2013 wurde mit der Umset-
zung der AIFM-Richtlinie den Fonds des ehemaligen Grauen Kapitalmarktes eine
Kreditaufnahme in Höhe von 60 % ihres Wertes erlaubt. Nunmehr sieht der Gesetz-
entwurf eine Kreditaufnahme in Höhe von 150 % des eingebrachten und zugesagten
Kapitals der Fonds vor. Jedoch gilt auch weiterhin: Je höher die mögliche Hebelung
der Verschuldung ist, desto höher fallen die Schäden aus, die Kleinanleger bei feh-
lerhaften Anlageentscheidungen der Fondsverwalter erleiden können. Die Kredit-
aufnahme bei geschlossenen inländischen Publikums-AIF ist daher auf ein vertret-
bares Mindestmaß zu beschränken.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7396
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. für Zertifikate einen vergleichbaren Regulierungsrahmen wie bei Investment-
fonds zu schaffen. Dies umfasst insbesondere,
− vergleichbare Risiken auch gleich zu regulieren,
− eine Adressierung des Emittentenrisikos,
− Vertriebsbeschränkungen, damit Produkte, die für Kleinanleger ungeeignet

sind, nicht an diese vertrieben werden können,
− dass die Bundesregierung sich im Rahmen der Revision der Prospektricht-

linie für Regelungen einsetzt, die bei in Wertpapieren strukturierten Finanz-
produkten nationale Regelungen zum Schutz der Anlegerinnen und Anleger
erlauben, die über die europäischen Vorgaben hinausgehen.

2. für Alternative Investmentfonds ausgewogene Kreditvorschriften zu schaffen,
die keine unnötigen Risiken für die Finanzstabilität und den Verbraucherschutz
enthalten. Dies umfasst insbesondere,
− die Schaffung des notwendigen Gleichklangs der Mindestdiversifikations-

vorgaben sowie der Begrenzung des möglichen Hebels der Verschuldung
bei Darlehensaufkauf und Darlehensvergabe durch Spezial-AIF,

− Maßnahmen zur Verringerung von Laufzeitinkongruenzen und Run-Risi-
ken bei offenen Spezial-AIF,

− die Beschränkung der möglichen Hebelung der Verschuldung bei der
Vergabe von Gesellschafterdarlehen durch Spezial-AIF,

− eine Beschränkung der Kreditaufnahme von geschlossenen inländischen
Publikums-AIF auf 30 % des Verkehrswertes des Fonds abzüglich Verbind-
lichkeiten und

− den Ausschluss der Umgehung von Vorschriften zur Sicherstellung der
Werthaltigkeit der Vermögenswerte von geschlossenen inländischen Publi-
kums-AIF durch die Vergabe von Gesellschafterdarlehen.

Berlin, den 26. Januar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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