BT-Drucksache 18/6863

Steuerrechtliche Zulässigkeit des Dividendenstrippings

Vom 24. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6863
18. Wahlperiode 24.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Lisa Paus,
Dr. Thomas Gambke, Ekin Deligöz, Anja Hajduk, Markus Kurth,
Dr. Tobias Lindner, Corinna Rüffer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steuerrechtliche Zulässigkeit des Dividendenstrippings

Cum-Ex-Geschäfte sind ein Sonderfall des Dividendenstrippings. Die Gesetzes-
lücke, die Cum-Ex-Geschäfte ermöglicht hat, wurde erst im Jahr 2012 vollständig
geschlossen. Dividendenstripping findet jedoch bis heute in folgender Form statt:
Ein Steuerinländer erwirbt Aktien eines deutschen Unternehmens von einem
Steuerausländer vor dem Ausschüttungstermin der Dividende und verkauft diese
nach dem Ausschüttungstermin mit dem Dividendenabschlag wieder an den Steu-
erausländer. Dadurch wird die Dividende einschließlich des Steueranrechnungs-
guthabens von der Aktie abgestreift. Der Steuerinländer ist im Ergebnis der
Transaktion zur Anrechnung der von der Aktiengesellschaft einbehaltenen und
an den deutschen Fiskus abgeführten Kapitalertragssteuer berechtigt. Der eigent-
lich nicht anrechnungsberechtigte Steuerausländer kommt jedoch durch die
Transaktion wirtschaftlich in den Genuss dieses Anrechnungsvorteils.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Stellt nach Ansicht der Bundesregierung das Dividendenstripping eine zuläs-
sige Form der Steuergestaltung dar (bitte mit Begründung dieser Rechtsauf-
fassung)?

Wenn ja, wann liegt nach Auffassung der Bundesregierung eine missbräuch-
liche Gestaltung im Sinne von § 42 der Abgabenordnung in Fällen des soge-
nannten Dividendenstrippings vor, und macht das Ausmaß oder die Planmä-
ßigkeit der Geschäfte insoweit einen Unterschied?

2. Wie wird nach der Kenntnis der Bundesregierung die rechtliche Zulässigkeit
des Dividendenstrippings vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundesminis-
teriums der Finanzen bzw. seinen Mitglieder bewertet?

3. Welche Urteile der Finanzgerichtsbarkeit befassen sich mit dem Dividenden-
stripping, und welche Schlussfolgerungen ergeben sich für die Bundesregie-
rung aus diesen vorliegenden Urteilen?

4. Wie wird das Dividendenstripping nach Kenntnis der Bundesregierung in
anderen Mitgliedstaaten der EU und in Australien behandelt, und durch wel-
che Regelungen wird es gegebenenfalls ganz oder teilweise unterbunden?

5. Ist die unterschiedliche Behandlung von Steuerausländern und Steuerinlän-
dern bei der Anrechnung der von der Aktiengesellschaft einbehaltenen und
an den deutschen Fiskus abgeführten Kapitalertragssteuer nach Auffassung
der Bundesregierung europarechtskonform?

Drucksache 18/6863 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wenn eine Beantwortung für alle denkbaren Sachverhalte nicht einheitlich
möglich ist, in welchen Sachverhaltsvarianten ist die Behandlung von Steu-
erausländern und Steuerinländern bei der Anrechnung der von der Aktienge-
sellschaft einbehaltenen und an den deutschen Fiskus abgeführten Kapitaler-
tragssteuer nach Auffassung der Bundesregierung europarechtskonform?

6. Wie hoch ist das jährliche durch das Dividendenstripping betroffene Kapi-
talertragssteueraufkommen, bzw. wie hoch sind die jährlichen Steuerausfälle
durch Dividendenstripping seit dem Jahr 2012, die sich nach Schätzungen
von Prof. Dr. Christoph Sprengel für das Jahr 2015 auf 5 Mrd. Euro belaufen
(vgl. WirtschaftsWoche vom 15. Mai 2015)?

7. Wenn der Bundesregierung keine Zahlen und Schätzungen zu Frage 6 vor-
liegen, untersucht oder plant die Bundesregierung diesen Sachverhalt zu er-
mitteln, und wenn ja bis wann?

8. Unter welchen Umständen können die durch Dividendenstripping erreichten
Steuervorteile von den Steuerpflichtigen zurückgefordert werden, und plant
die Bundesregierung oder das Bundeszentralamt für Steuern, die Rückforde-
rung durchzusetzen?

9. Wenn nein, kann die Rückforderung der Steuererstattungen durch eine rück-
wirkende Änderung der Rechtslage oder andere Maßnahmen gesetzlicher
oder aufsichtsrechtlicher Art erreicht werden, und plant die Bundesregie-
rung, solche Maßnahmen vorzunehmen?

10. Wertet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder eine
andere Behörde Stimmrechtsmitteilungen nach §§ 21 ff. des Wertpapierhan-
delsgesetzes (WpHG) systematisch aus, um Anhaltspunkte für Dividenden-
stripping zu ermitteln, die im weiteren Besteuerungsverfahren einer Klärung
zugeführt werden?

11. Kann die BaFin aufgrund der bestehenden Rechtslage die in Frage 10 erfrag-
ten Handlungen vornehmen, insbesondere die festgestellten Transaktionen
eines Steuerinländers, um den Dividendenstichtag an die Steuerbehörden
weiterzugeben?

12. Welche grundsätzlichen Möglichkeiten gibt es, die Steuerausfälle aus dem
Dividendenstripping ganz oder teilweise zu unterbinden?

13. Welche Maßnahmen gesetzlicher oder aufsichtsrechtlicher Art plant die
Bundesregierung, um das Dividendenstripping künftig zu unterbinden?

14. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der steuerli-
chen Ansässigkeit und der Rechtsform der am Dividendenstripping beteilig-
ten ausländischen Anleger vor?

Falls der Bundesregierung keine detaillierten Erkenntnisse vorliegen, hat die
Bundesregierung Erkenntnisse, ob es sich schwerpunktmäßig um Anleger
aus dem EU-Ausland, um Anleger aus Staaten mit niedrigen Steuerbelastun-
gen für Dividendeneinkünfte oder um Anleger aus Staaten mit denen kein
Doppelbesteuerungsabkommen und damit keine Quellensteuerbegrenzung
vorliegen, handelt?

15. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der teilneh-
menden Inländer vor?

Gibt es Erkenntnisse, dass die Aktien besonders von Unternehmen und be-
sonders von Kapitalgesellschaften erworben werden?

16. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das Dividendenstripping über-
wiegend über Kreditinstitute abgewickelt wird, und handeln die Kreditinsti-
tute dabei im Namen ihrer Kunden oder auf eigene Rechnung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6863
 

17. Wie werden die Veräußerungsverluste, die beim Inländer durch den Kauf der
Aktie cum Dividende und den Weiterverkauf ex Dividende entstehen, steu-
erlich behandelt?

18. Haben die Regelungen zur Wertpapierleihe (§ 8 Absatz 10 des Körperschaft-
steuergesetzes) eine Bedeutung im Zusammenhang mit dem Dividenden-
stripping?

19. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der Beteili-
gungshöhen der Anteile vor?

Handelt es sich ausschließlich um Anteile im Streubesitz oder gibt es auch
Fälle bei denen der erwerbende Inländer das Schachtelprivileg in Anspruch
nehmen kann?

20. Wie beurteilen die Bundesregierung und die BaFin das Risiko für Steuerin-
länder, insbesondere inländische Kreditinstitute, inländische Kapitalverwal-
tungsgesellschaften und Investmentvermögen, die sich in Folge von Divi-
dendenstripping-Transaktionen Kapitalertragssteuer auf beschriebenen Weg
haben erstatten lassen, für den Fall, dass das Vorgehen von der Rechtspre-
chung als steuerrechtswidrig eingestuft wird?

21. Hat die BaFin bei den beaufsichtigten Unternehmen das unter Frage 20 be-
schriebene Risiko untersucht, und welche Maßnahmen hat die BaFin getrof-
fen, dass die betroffenen beaufsichtigten Unternehmen ausreichend Risiko-
vorsorge treffen?

22. Ist eine Kapitalverwaltungsgesellschaft bzw. wer ist dem verwalteten Invest-
mentvermögen schadenersatzpflichtig, wenn dieses Dividendenstripping-
Transaktionen mit Steuerausländern durchgeführt hat und dieses Vorgehen
von der Rechtsprechung als steuerrechtswidrig eingestuft wird?

23. In welchem Umfang betreibt die teilweise im Eigentum des Bundes befind-
liche Commerzbank AG Dividendenstripping?

Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Commerzbank AG
solche Geschäfte betreibt, die zu Lasten des Fiskus gehen?

24. Haben die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat oder andere staatliche Ak-
teure, wie Finanzaufsicht oder Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung,
diese Problematik gegenüber der Commerzbank AG angesprochen?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 24. November 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.