BT-Drucksache 18/6404

Integrationskurse und Flüchtlingspolitik

Vom 14. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6404
18. Wahlperiode 14.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Brigitte Pothmer,
Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Kai Gehring, Ulle Schauws,
Corinna Rüffer, Luise Amtsberg, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Integrationskurse und Flüchtlingspolitik

Seit dem Jahr 2013 beantragen mehr als 100 000 Menschen jährlich Asyl in
Deutschland. Davon sind ca. ein Drittel Frauen. Diese Zahl ist für das laufende
Jahr bereits weit übertroffen. Die Bundesregierung rechnet damit, dass im
Jahr 2015 zwischen 800 000 und 1,5 Millionen Asylsuchende nach Deutschland
kommen werden (www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/interne-pro
gnose-behoerden-rechnen-offenbar-mit-1-5-millionen-fluechtlingen-13839115.
html, Stand: 7. Oktober 2015). Viele dieser Menschen werden mittel- oder lang-
fristig in Deutschland bleiben und den Nachzug ihrer Familien, vor allem ihrer
Frauen und Kinder, beantragen. Um das Zusammenleben erfolgreich zu gestalten,
ist ihre gesellschaftliche und berufliche Integration von außerordentlicher Bedeu-
tung. Als Instrument zur Ermöglichung der Integration haben sich die Integrati-
onskurse, die im Jahr 2005 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung ge-
schaffen worden sind, bewährt.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Auffassung, dass Asylsu-
chende möglichst frühzeitig einen Anspruch auf eine Teilnahme an den Integra-
tionskursen erhalten sollen. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben
immerhin erkannt, dass Integration eine Aufgabe ist, die nicht erst nach der Zu-
erkennung der Flüchtlingseigenschaft relevant wird, indem sie in ihrem Entwurf
eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (Bundestagsdrucksache 18/6185)
Ausländern, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen und bei denen ein „rechtmä-
ßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“ (§ 44 Absatz 4 Satz 2 Num-
mer 1 des Entwurfs des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG-E), einen nachrangigen
Zugang zu den Integrationskursen einräumen. Angesichts der vorgesehenen Be-
fristung der Zulassung auf drei Monate (Artikel 2 Nummer 2 der Verordnung
zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, Bundesratsdrucksache 447/15) und
der bereits jetzt überlaufenen Kurse ist allerdings zu befürchten, dass einem Groß-
teil der Zielgruppe die Teilnahme an den Integrationskursen in der Praxis wohl
weiterhin verwehrt bleiben wird. Es besteht daher weiterhin erheblicher Hand-
lungsbedarf, um die Integrationspolitik zukunftsweisend auszugestalten. Be-
währte Instrumente wie die Integrationskurse müssen stets fortentwickelt und an
veränderte Realitäten angepasst werden.

Drucksache 18/6404 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Menschen haben seit dem Jahr 2013 in Deutschland einen Asylan-
trag gestellt (bitte nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Monaten sowie
nach Geschlecht aufschlüsseln)?

2. Von wie vielen dieser Menschen wurden die Qualifikationen bereits

a) im Rahmen des Modellprojekts der Bundesagentur für Arbeit „Jeder
Mensch hat Potenzial – Arbeitsmarktintegration von Asylbewerberinnen
und Asylbewerbern“ (sogenanntes Early-Intervention-Programm) oder

b) anderweitig (bitte spezifizieren)

erfasst (bitte nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Monaten sowie nach
Geschlecht aufschlüsseln)?

3. Wie viele Menschen haben im ersten Halbjahr 2015 an dem Early-Interven-
tion-Programm teilgenommen (bitte nach Standorten, Geschlecht, Alter und
Herkunftsstaat aufschlüsseln), und wie viele haben einen Schul- bzw. Hoch-
schulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung (bitte nach Ge-
schlecht aufschlüsseln)?

4. Welche Aussagen kann die Bundesregierung nun zum Stand der Anerken-
nung ausländischer Qualifikationen der Menschen machen, die im Jahr 2014
an dem vorbezeichneten Modellprojekt teilgenommen haben (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 18/4031, Frage 16b)?

5. Wie hoch ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung – bezo-
gen auf die Anzahl der Menschen im Sinne der Frage 1 einerseits und der
Frage 2 andererseits – der Anteil der Menschen, die bereits bei ihrer Ankunft
in Deutschland

a) Kenntnisse der deutschen Sprache bzw.

b) Kenntnisse einer anderen Amtssprache der Europäischen Union

hatten (bitte nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Monaten, nach Sprach-
stufe gemäß des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Spra-
chen, den zehn häufigsten Herkunftsstaaten und nach Geschlecht aufschlüs-
seln)?

6. Wie hoch ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung – bezo-
gen auf die Anzahl der Menschen im Sinne der Frage 1 einerseits und der
Frage 2 andererseits – der Anteil der Menschen, die bereits bei ihrer Ankunft
in Deutschland

a) einen in Deutschland anerkannten Hochschulabschluss,

b) einen sonstigen Hochschulabschluss,

c) bereits eine Hochschule im Ausland besucht,

d) eine in Deutschland anerkannte Hochschulzugangsberechtigung,

e) eine sonstige Hochschulzugangsberechtigung

hatten (bitte nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Monaten, den zehn häu-
figsten Herkunftsstaaten sowie nach Geschlecht aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6404
7. Wie hoch ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung – bezo-
gen auf die Anzahl der Menschen im Sinne der Frage 1 einerseits und der
Frage 2 andererseits – der Anteil der Menschen, die bereits bei ihrer Ankunft
in Deutschland

a) einen in Deutschland anerkannten Schulabschluss,

b) einen sonstigen Schulabschluss,

c) im Herkunftsstaat, einem Drittstaat oder einem Mitgliedstaat der Europä-
ischen Union eine Schule besucht

hatten (bitte nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Monaten, den zehn häu-
figsten Herkunftsstaaten sowie nach Geschlecht aufschlüsseln)?

8. Wie hoch ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung – bezo-
gen auf die Anzahl der Menschen im Sinne der Frage 1 einerseits und der
Frage 2 andererseits – der Anteil der Menschen, die bereits bei ihrer Ankunft
in Deutschland

a) in lateinischer Schrift alphabetisiert sind,

b) in einer anderen Schrift alphabetisiert worden sind bzw.

c) die keinerlei Schriftsprache beherrschen

(bitte unter Angabe der Schrift nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Mo-
naten, den zehn häufigsten Herkunftsstaaten sowie nach Geschlecht auf-
schlüsseln)?

9. Wie hoch ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung – bezo-
gen auf die Anzahl der Menschen im Sinne der Frage 1 einerseits und der
Frage 2 andererseits – der Anteil der Menschen, die bereits bei ihrer Ankunft
in Deutschland

a) eine in Deutschland anerkannte Berufsausbildung,

b) eine sonstige Berufsausbildung

abgeschlossen hatten (bitte nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Monaten,
den zehn häufigsten Herkunftsstaaten sowie nach Geschlecht aufschlüsseln)?

10. Wie hoch ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung – bezo-
gen auf die Anzahl der Menschen im Sinne der Frage 1 einerseits und der
Frage 2 andererseits – der Anteil der Menschen, die bereits bei ihrer Ankunft
in Deutschland Berufserfahrung hatten (bitte nach Jahren und für das
Jahr 2015 nach Monaten, den zehn häufigsten Herkunftsstaaten sowie nach
Geschlecht aufschlüsseln)?

11. Wie hoch ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung der An-
teil der Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen für eine nicht unerheb-
liche Zeit nicht in der Lage wären, in Deutschland eine Bildungseinrichtung
bzw. einen Integrationskurs zu besuchen, an der Gesamtzahl der Menschen
gemessen, die seit dem Jahr 2013 in Deutschland einen Asylantrag gestellt
haben (bitte nach Jahren und für das Jahr 2015 nach Monaten, den zehn häu-
figsten Herkunftsstaaten sowie nach Geschlecht aufschlüsseln)?

12. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die in den Fra-
gen 1 bis 11 abgefragten Daten zu erhalten bzw. (fortlaufend) zu aktualisie-
ren?

13. Wie viele Anbieter von Integrationskursen gibt es nach Kenntnis der Bun-
desregierung derzeit (bitte nach Bundesland aufschlüsseln)?

14. Ist die derzeitige Anzahl der Anbieter von Integrationskursen nach Ansicht
der Bundesregierung ausreichend, oder sieht die Bundesregierung auch vor

Drucksache 18/6404 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
dem Hintergrund eines signifikant gestiegenen Bedarfs die Notwendigkeit,
die Anzahl von Anbietern von Integrationskursen zu erhöhen?

15. Wie hoch ist nach Ansicht der Bundesregierung der tatsächliche derzeitige
Bedarf an Anbietern von Integrationskursen?

16. Wie lange dauert derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnitt-
lich die Zulassung von Anbietern von Integrationskursen?

17. Inwiefern ist die Bundesregierung der Ansicht, dass das Verfahren zur Zu-
lassung als Anbieter von Integrationskursen den derzeitigen Herausforderun-
gen gerecht wird, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung gege-
benenfalls ergreifen, um die Zulassungsverfahren auch vor dem Hintergrund
eines signifikant gestiegenen Bedarfs kurzfristig zu beschleunigen?

18. Inwiefern berücksichtigt die derzeitige konzeptionelle Ausgestaltung der In-
tegrationskurse nach Auffassung der Bundesregierung die Belange von

a) Menschen mit akademischem Hintergrund,

b) Menschen mit mehrsprachigem Hintergrund,

c) Menschen ohne akademischen Hintergrund,

d) Menschen, die die lateinische Schrift nicht beherrschen,

e) Menschen, die nicht alphabetisiert sind,

in angemessener Weise, um ihren möglichst schnellen und nachhaltigen
Lernerfolg zu sichern (bitte im Einzelnen begründen)?

Wenn nein, was unternimmt die Bundesregierung, um dieses Ziel zu errei-
chen, und mit welchem zeitlichen Horizont?

19. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Integration
von Ausländerinnen und Ausländern, die nicht alphabetisiert sind bzw. nicht
oder nur für geringe Zeit die Schule besucht haben, in eine Ausbildung oder
den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und zu fördern, und welche konkreten Pro-
gramme wird sie für diese Zielgruppe ausbauen bzw. schaffen?

20. Inwiefern ist die Bundesregierung im Rahmen der derzeitigen Reform des
Berufsqualifikationsanerkennungsgesetzes (BQFG) mit den Ländern im Ge-
spräch, um die Kapazitäten der Feststellung vorhandener Qualifikationen zu
erhöhen?

Berlin, den 14. Oktober 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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